Frank Schirr­ma­cher: Payback

Frank Schirrmacher: Payback

Frank Schirr­ma­cher: Payback

In den 1980er Jah­ren ver­dich­te­te sich ins­be­son­de­re in links­in­tel­lek­tu­el­len Krei­sen die Furcht, ja Angst, vor ei­ner staat­lich kon­trol­lier­ten und re­gu­lier­ten Welt, ei­ner Art »Über­wa­chungs­staat« ge­mäß dem Schreckens­bild des En­de der 40er Jah­re ge­schrie­be­nen Bu­ches »1984« von Ge­or­ge Or­well. In der Bun­des­re­pu­blik be­ka­men die Vor­be­hal­te durch ei­ne ge­plan­te Volks­zäh­lung zu­sätz­li­che Nah­rung (wo­bei im Ver­gleich mit den heu­ti­gen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten die Äng­ste von da­mals ge­ra­de­zu put­zig er­schei­nen). Frank Schirr­ma­cher zi­tiert in sei­nem Buch »Payback« ei­ne Stel­le aus Neil Post­mans Buch »Wir amü­sie­ren uns zu To­de« aus dem Jahr 1985, in dem die­ser die Dif­fe­renz zwi­schen Or­wells »1984« und dem an­de­ren, vi­sio­när-schau­ri­gen Ro­man des 20. Jahr­hun­derts, Al­dous Hux­leys »Schö­ne neue Welt«, her­aus­ar­bei­tet:

»Or­well warnt da­vor, dass wir von ei­ner von au­ßen kom­men­den Macht un­ter­drückt wer­den. Aber in Hux­leys Vi­si­on braucht man kei­nen Gro­ßen Bru­der, um die Men­schen ih­rer Au­to­no­mie, Ver­nunft und Ge­schich­te zu be­rau­ben. Er glaub­te, dass die Men­schen ih­re Un­ter­drückung lie­ben und die Tech­no­lo­gien be­wun­dern wer­den, die ih­nen ih­re Denk­fä­hig­keit neh­men. Or­well hat­te Angst vor den­je­ni­gen, die Bü­cher ver­bie­ten wür­den. Hux­ley hat­te Angst da­vor, dass es gar kei­nen Grund mehr ge­ben könn­te, Bü­cher zu ver­bie­ten. In ‘1984’ wer­den Men­schen kon­trol­liert, in­dem man ih­nen Schmer­zen zu­fügt. In der ‘Schö­nen neu­en Welt’ wer­den Men­schen kon­trol­liert, in­dem man ih­nen Freu­de zu­fügt.«


Schirr­ma­cher fügt hin­zu: Hux­ley ist da­mit un­se­rer Ge­gen­wart ein we­nig nä­her­ge­kom­men als Or­well.

Kei­ne re­ak­tio­när-pri­mi­ti­ve Kul­tur­kri­tik

Al­les nur Alt­her­ren­ge­stöh­ne, wie uns (schein­ba­re) He­ro­en des Zeit­geists be­ru­hi­gen wol­len und den 50jährigen Schirr­ma­cher, der mit ent­waff­nen­dem Ge­stus sei­ne me­dia­le Über­for­de­rung ein­ge­steht, mit sei­nen ei­ge­nen Wor­ten aus dem (in­tel­lek­tu­el­len) Ver­kehr zie­hen wol­len? Al­les nur Pa­nik­ma­che, wenn Schirr­ma­cher durch die gänz­lich intrans­parente Wei­ter­ver­wen­dung der von ihm durch die Nut­zung di­ver­ser Soft­ware zur Ver­fü­gung ge­stell­ten Da­ten ei­nen Kon­troll­ver­lust über sich sel­ber be­fürch­tet? Oder be­treibt da je­mand un­ter dem Deck­män­tel­chen der Kul­tur­kri­tik hübsch ver­bräm­ten, aber knall­har­ten Lob­by­is­mus für »sein« Leit­me­di­um, die Zei­tung, denn schließ­lich ist er Mit­her­aus­ge­ber der »Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung«?

Die­se fast ver­leum­de­ri­schen Be­zich­ti­gun­gen do­ku­men­tie­ren en pas­sant ein pa­ra­do­xes Ver­ständ­nis von Kul­tur­kri­tik und Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung. Plötz­lich gilt – ver­kehr­te Welt! – Af­fir­ma­ti­on als pro­gres­siv wäh­rend Kri­tik pau­schal als re­ak­tio­när de­nun­ziert wird. Fast fühlt man sich bei neu­en Re­li­gi­ons­stif­tern der In­ter­net­glück­se­lig­keit an die (italie­nischen) Fu­tu­ri­sten er­in­nert (da fehlt auch das »Ma­ni­fest« nicht) oder min­de­stens an die ge­ballte Pro­fes­so­ren­schar der 1960/70er Jah­re, die uns mit den si­che­ren Atomkraft­werken die Lö­sung al­ler En­er­gie­pro­ble­me ver­spra­chen und Kri­ti­ker noch Jahr­zehn­te spä­ter als Fort­schritts­ver­wei­ge­rer de­nun­zier­ten. Bei ge­nau­er Lek­tü­re des Bu­ches schnap­pen die­se rü­den Beiß­at­tacken ins Lee­re.

Aus an­de­ren Grün­den soll­te man Schirr­ma­chers Deu­tun­gen und Schlüs­se den­noch zu­min­dest di­stan­ziert be­trach­ten. Da­vor je­doch ist es drin­gend er­for­der­lich, die unter­schiedlichen Ar­gu­men­ta­ti­ons­ebe­nen, die vom Au­tor im­mer wie­der (durch­aus ge­schickt) ver­mengt wer­den, zu tren­nen. Na­tür­lich ist die be­reits er­wähn­te frei­mü­tig ein­ge­stan­de­ne Über­for­de­rung, die sich im fast fle­hent­lich vor­ge­brach­ten er­sten Satz Was mich an­geht, so muss ich be­ken­nen, dass ich den gei­sti­gen An­for­de­run­gen un­se­rer Zeit nicht mehr ge­wach­sen bin ent­lädt bei nä­he­rer Be­trach­tung arg ko­kett. Wer näm­lich den gei­sti­gen An­for­de­run­gen nicht mehr ge­wach­sen ist, dürf­te auch nicht (mehr) in der La­ge sein, ein sol­ches Buch zu schrei­ben. Die per­sön­li­che Ebe­ne, die Schirr­ma­cher im­mer wie­der ins Feld führt, dient al­so pri­mär rhe­to­ri­schen Zwecken (in­dem er sich mit dem Le­ser, der längst ähn­lich emp­fin­det, dies je­doch bis­her nicht aus­zu­spre­chen wag­te, »ge­mein« macht).

Schirr­ma­cher ist dem Strom der In­for­ma­tio­nen über Fern­se­hen, Ra­dio, In­ter­net, SMS, Mails, Tweets, An­ru­fen nicht mehr ge­wach­sen. Er schließt da­bei – nicht ganz un­be­rech­tigt – von sich auf an­de­re und macht ei­ne In­for­ma­ti­ons­ex­plo­si­on aus, die un­se­re Wahr­nehmung ver­än­dert und gleich­zei­tig in ei­ne stän­di­ge Alarm­be­reit­schaft (ei­ne Art per­ma­nen­te Ner­vo­si­tät) ver­setzt. Sei­ne Kern­the­sen: In­for­ma­tio­nen ko­stet Aufmerk­samkeit (ein schö­nes, sich erst spä­ter er­schlie­ßen­des Wort­spiel, wel­ches sug­ge­riert, dass die im all­ge­mei­nen »ko­sten­los« flot­tie­ren­den In­for­ma­tio­nen nicht »ko­sten­los« sind und die­ses At­tri­but fälsch­li­cher­wei­se nur pe­ku­ni­är ver­stan­den wird). Hier­aus folgt ver­schärfend: In­for­ma­tio­nen fres­sen Auf­merk­sam­keit. Und wir wer­den vom Strom der In­for­ma­tio­nen der­art stark ab­ge­lenkt, dass wir zu de­ren Ver­ar­bei­tung gar nicht mehr in der La­ge sind (was zeit­li­che und ko­gni­ti­ve Ur­sa­chen hat).

Haupt­ur­sa­che die­ser Über­pro­duk­ti­on von In­for­ma­tio­nen: Das In­ter­net – ein ge­wal­ti­ger Be­schleu­ni­gungs­ap­pa­rat, den Schirr­ma­cher trotz­dem nicht per se ver­teu­felt, denn selbst die schlech­te­sten Tex­te im In­ter­net ha­ben ver­mut­lich nicht die glei­che ver­hee­ren­de Wir­kung wie der Trash im Pri­vat­fern­se­hen oder vi­su­el­le Streams im Netz. Und wei­ter: Wenn es um die Ver­krüp­pe­lung gei­sti­ger und emo­tio­na­ler Fä­hig­keit geht, dann bliebt das Bil­lig-Fern­se­hen bis auf Wei­te­res un­ge­schla­ge­ner Spit­zen­rei­ter. Das In­ter­net »ver­blö­det« al­so den Men­schen nicht; zu ei­ner sol­chen Plat­ti­tü­de lässt sich Schirr­ma­cher nicht hin­reißen. Wir wer­den al­ler­dings, so die The­se, mit­tel­fri­stig zu an­de­ren In­tel­li­gen­zen; Fra­gen, die wir heu­te noch stel­len, kom­men uns viel­leicht in ein paar Jah­ren nicht mehr in den Sinn. Wir ver­ler­nen, den Über­blick zu be­hal­ten (und im­mer wie­der führt Schirr­macher die ak­tu­el­le Wirt­schaft­kri­se als Be­leg für sei­ne The­sen an – hier hät­ten die Da­ten­jun­kies jäm­mer­lich ver­sagt).

Mul­ti­tas­king ist Kör­per­ver­let­zung

Mit al­ler Macht stem­men wir uns ge­gen die­se Über­for­de­rung – durch das viel­be­schwo­re­ne »Mul­ti­tas­king«, d. h. das gleich­zei­ti­ge Ar­bei­ten und Agie­ren, aber Schirr­ma­cher weiß: Vie­les spricht da­für, dass Mul­ti­tas­king Kör­per­ver­let­zung ist. Er nennt die­se schein­bar so not­wen­di­ge Ei­gen­schaft des In­for­ma­ti­ons­ar­bei­ters des 21. Jahr­hun­derts ei­ne Art di­gi­ta­ler Tay­lo­ris­mus mit sa­di­sti­scher An­triebs­struk­tur. In­dem der Mensch zum Mul­ti­tas­king so­zu­sa­gen »ver­gat­tert« wird (ent­we­der durch be­ruf­li­che Vor­ga­ben oder ei­ner Art Selbst­verpflichtung [sei es aus Grün­den ei­nes va­gen ko­gni­ti­ven Veränderungsdruck[s], der auf­grund so­zia­ler Ak­zep­tanz bei­spiels­wei­se ei­ner Grup­pe aus­ge­übt wird oder auch ein­fach nur aus Neu­gier]) wird er sel­ber zur Ma­schi­ne bzw. zur Ma­schi­ne de­gra­diert. Denn das We­sen des Mul­ti­tas­king, das Aus­füh­ren meh­re­rer Auf­ga­ben zur glei­chen Zeit, ist ex­akt das, was der Com­pu­ter lei­stet bzw. zu wel­chem Zweck er an­ge­schafft ist. Und schließ­lich bi­lan­ziert Schirr­ma­cher: Mul­ti­tas­king funk­tio­niert auch gar nicht, selbst bei al­lem gu­ten Wil­len (nicht ganz un­wich­tig, dass Schirr­ma­cher den Be­griff aus­schließ­lich di­gi­tal de­fi­niert und das »me­cha­ni­sche« Mul­ti­tas­king, wel­ches zum Bei­spiel je­der Koch täg­lich prak­ti­zie­ren muss, gar nicht zur Kennt­nis zu neh­men scheint).

Die Fol­gen die­ses nicht ge­winn­ba­ren Wett­laufs: Ich-Er­schöp­fung und Aufmerksamkeits­störung[en]. Dies sei, so Schirr­ma­cher, un­ab­hän­gig vom Al­ter. Da­mit wi­der­spricht er der land­läu­fi­gen The­se, dass die Kon­di­tio­nie­rung der »Di­gi­tal Na­ti­ves« auf Com­pu­ter­sy­ste­me und de­ren Ge­schwin­dig­keit ge­gen­über der Ge­ne­ra­ti­on der »Di­gi­tal Im­mi­grants«, wel­che mit sol­chen Tech­ni­ken erst im Er­wach­sen­al­ter kon­fron­tiert wur­de, vor­teil­haft sei.

Ei­ne wei­te­re Fol­ge des Mul­ti­tas­kings: Tex­te wer­den nicht mehr ge­nau ge­le­sen und höch­stens noch mit »co­py & pa­ste« in ei­ge­ne oder an­de­re Tex­te in­te­griert. Stu­den­ten über­neh­men Tei­le von Pu­bli­ka­tio­nen, die sie in Gän­ze nicht ge­le­sen ha­ben und da­mit gar nicht be­ur­tei­len kön­nen, ob die­ser Aus­riss nicht even­tu­ell kon­text­ver­fäl­schend zi­tiert wird. Wer sich in Un­ter­neh­men um­hört, kennt das Pro­blem: Mails wer­den häu­fig nur noch an­ge­le­sen; der Sinn ei­nes län­ge­ren Tex­tes wird kaum noch er­schlos­sen. Die Kon­zen­tra­ti­on auf ei­ne Tä­tig­keit wird durch dau­ern­de Un­ter­bre­chun­gen ab­ge­lenkt (wäh­rend des Le­sens ei­ner Mail gibt es ei­nen An­ruf; die Mail wird trotz­dem wei­ter­ge­schrie­ben und ne­ben­her hört man mit hal­bem Ohr das Te­le­fo­nat ei­nes Kol­le­gen mit). Ob es im­mer tat­säch­lich durch­schnitt­lich fünf­und­zwan­zig Mi­nu­ten sind bis wir nach ei­ner Un­ter­bre­chung wie­der zu un­se­rer ur­sprüng­li­chen Tä­tig­keit zu­rück­keh­ren darf man viel­leicht trotz entsprechen­der Stu­die an­zwei­feln, denn dass wir ein­fach ver­ges­sen ha­ben, was wir über­haupt ge­tan ha­ben, und das so ent­stan­de­ne Va­ku­um schnell mit noch zwei an­de­ren Pro­jek­ten fül­len wol­len, kommt all­zu pau­scha­li­sie­rend da­her.

In­ter­pre­ta­ti­ons­kom­pe­tenz und Power­point

Zwei­fel­los: Die im­mer mehr ver­ein­fa­chen­de, tri­via­li­sie­ren­de Dar­stel­lung von in Wirk­lichkeit kom­ple­xen Vor­gän­gen fin­det statt. Die In­ter­pre­ta­ti­ons­kom­pe­tenz beispiels­weise bei Sta­ti­sti­ken schwin­det – auch und vor al­lem bei ih­ren In­ter­pre­ten: Jour­na­li­sten, Pu­bli­zi­sten, Au­toren. Hier führt Schirr­ma­cher ein be­kann­tes Bei­spiel an: Die Aus­sa­ge, Brust­krebs­vor­sor­ge­un­ter­su­chun­gen (das so­ge­nann­te Scree­ning) wür­den das Krebs­ri­si­ko um 20% min­dern. Selbst vie­len Ärz­ten geht die­se Aus­sa­ge leicht über die Lip­pen. Die Zahl sug­ge­riert, dass durch recht­zei­ti­ge Vor­sor­ge­un­ter­su­chun­gen 20 von 100 Frau­en so­zu­sa­gen »ge­ret­tet« wer­den könn­ten. Das ist je­doch falsch. Es heißt nur, dass von tau­send Frau­en, die sich kei­nem Scree­ning un­ter­zie­hen, fünf ster­ben, und von tau­send Frau­en, die ei­nes ma­chen, vier ster­ben wer­den. Der Un­ter­schied von vier zu fünf er­gibt die zwan­zig Pro­zent. Die­se kor­rek­te Aus­le­gung er­schließt sich aber nur dem­je­ni­gen, der das sta­ti­sti­sche Ver­fah­ren ge­nau nach­ge­le­sen hat und nicht ein­fach Pro­pa­gan­da ir­gend­wel­cher in­ter­es­sen­ge­lei­te­ter Ver­bän­de nach­plap­pert.

Wie weit die­ser kom­ple­xi­täts­re­du­zie­ren­de Ge­stus schon fort­ge­schrit­ten ist, soll am Bei­spiel der »Columbia«-Katastrophe aus dem Jahr 2003 il­lu­striert wer­den. Durch ein Vi­deo hat­te die NASA da­mals fest­ge­stellt, dass die Raum­fäh­re zwei­und­acht­zig Se­kun­den nach dem Start von ei­nem Stück Hart­schaum ge­trof­fen wor­den war, das wo­mög­lich lebens­wichtige Sy­ste­me be­schä­digt hat­te. Zwölf Ta­ge er­wo­gen die Tech­ni­ker nun, wel­che Fol­gen beim Ein­tritt in die Erd­at­mo­sphä­re zu be­fürch­ten sei­en. Nach aus­führ­li­chen Re­cher­chen blei­ben 28 Power­point-Il­lu­stra­tio­nen, auf de­ren Grund­la­ge die Verant­wortlichen der NASA zu der ir­ri­gen An­nah­me ka­men, für die Co­lum­bia be­stehe kei­ne Ge­fahr.

Ei­ne spä­te­re Über­prü­fung der Prä­sen­ta­tio­nen zeig­te: Wäh­rend erst spä­ter im Klein­gedruckten und bei den klei­nen Auf­zäh­lungs­punk­ten Zwei­fel und tech­ni­sche Pro­bleme ge­schil­dert wur­den, wa­ren die Über­schrif­ten und Zu­sam­men­fas­sun­gen der ein­zel­nen Sheets, her­vor­ge­ho­ben durch be­son­ders dicke Auf­zäh­lungs­punk­te, op­ti­mi­stisch und po­si­tiv. Die Ver­ant­wort­li­chen wur­den al­so von der Gra­fik falsch na­vi­giert, denn in den E‑Mails, die zwi­schen den Tech­ni­kern aus­ge­tauscht wur­de, fan­den sich aus­führ­li­che Stel­lung­nah­men zu even­tu­el­len Pro­ble­men. Erst die Über­set­zung der Er­kennt­nis­se für die hö­he­ren Lei­tungs­ebe­nen der NASA in die In­for­ma­ti­ons­gra­fik des Com­pu­ter­sy­stems hat­te zur Ver­fäl­schung ge­führt. Nach die­sem Vor­gang sind bei der NASA bei der Dar­stel­lung wichtige[r] Do­ku­men­ta­tio­nen kei­ne Power­point-Prä­sen­ta­tio­nen mehr zu­ge­las­sen.

Wer hat das nicht schon fest­ge­stellt, dass in der Ket­te des Mul­ti­tas­king und der sich stets er­neut ko­pie­ren­den Ko­pien nie­mand mehr ei­ge­ne Schlüs­se zieht oder vor­han­de­ne Dia­gno­sen auch nur über­prüft? Wer hat nicht fest­ge­stellt, dass Heu­ri­sti­ken wie Ab­wä­gen, Über­schla­gen, Ge­wich­ten im­mer we­ni­ger prak­ti­ziert wer­den? Die wah­re Kunst in die­sem In­for­ma­ti­ons­bom­bar­de­ment be­steht vor al­lem erst ein­mal dar­in, Prio­ri­tä­ten zu set­zen, d. h. Wich­ti­ges von Un­wich­ti­gem zu se­pa­rie­ren. Und das ist mehr als ein Stoß­seuf­zer, fast schon Ver­zweif­lung: Ich weiß noch nicht ein­mal ob das, was ich weiß, wich­tig ist oder das, was ich ver­ges­sen ha­be, un­wich­tig. Denn tat­säch­lich be­an­sprucht je­de In­for­ma­ti­on zu­nächst ein­mal die glei­che Wid­mung – ob es sich um die Hoch­zeit von Bo­ris Becker oder ei­nen Be­schluss der Bun­des­re­gie­rung han­delt. Erst ein­mal in die Mul­ti­tas­king-Ma­schi­ne ein­ge­tre­ten, so fällt das Auf­hö­ren schwer. Ein va­ges Ge­fühl, et­was zu ver­pas­sen, hält uns da­bei. Viel­leicht wür­de ja just der Ar­ti­kel, den wir jetzt nicht an­klicken, un­ser Le­ben ver­än­dern. Wie­der nicht? Dann der näch­ste!?

Schirr­ma­cher be­schreibt die­se Tret­müh­le sehr schön. Die Ge­fah­ren, die sich aus der kri­tik­lo­sen Über­nah­me der uns zur Ver­fü­gung ste­hen­den In­for­ma­tio­nen und de­ren ober­fläch­li­che In­ter­pre­ta­ti­on er­ge­ben, wer­den deut­lich. Aber ist die­se Über­for­de­rung ein Phä­no­men, wel­ches aus­schließ­lich dem In­ter­net ge­schul­det bzw. von ihm ver­schul­det ist? Kann es nicht auch sein, dass je­mand bei zwei Ta­ges­zei­tun­gen und zwei Wo­chen­ma­ga­zi­nen den Über­blick ver­liert? Oder bei der Lek­tü­re drei­er Bü­cher par­al­lel ir­gend­wann nichts mehr zu­zu­ord­nen weiß?

Die Fa­ma von der Ma­ni­pu­la­ti­on

Schirr­ma­cher geht aber noch ei­nen Schritt wei­ter. Und die­ser Schritt ist es, der das Buch be­denk­lich macht, weil der Au­tor von dem ei­ge­nen, von ihm pro­pa­gier­ten Men­schen­bild zwar das Ide­al­bild stän­dig her­aus­hebt, gleich­zei­tig je­doch den Men­schen in ei­ner Fatum­position sieht. Schirr­ma­cher glaubt, dass Com­pu­ter uns ma­ni­pu­lie­ren – und das im­mer raf­fi­nier­ter.

Zwar wer­den für die näch­ste Zu­kunft aus­drück­lich Ver­hält­nis­se wie in Stan­ley Ku­bricks Film »2001: Odys­see im Welt­raum« be­strit­ten, als die Ma­schi­ne »HAL 9000« (die im Buch nur »HAL« heißt; auf den Sinn des Na­mens der Fi­gur – sie steht nach An­ga­be des Au­tors Ar­thur C. Clar­ke für »Heu­ri­stic ALgo­rith­mic« [Heu­ri­stisch Al­go­rith­misch] – geht Schirr­ma­cher nicht ein; ver­mut­lich hat er die­ses De­tail über­se­hen) die Macht an Bord des Raum­schiffs über­neh­men woll­te, in dem er zwei mensch­li­che Astro­nau­ten um­brach­te. So­lan­ge die Ro­bo­ter in der wirk­li­chen Welt noch nicht ein­mal den Ra­sen mä­hen kön­nen, oh­ne al­les durch­ein­an­der­zu­brin­gen braucht man sich hier­über, so Schirr­ma­cher, kei­ne Sor­ge ma­chen. Den­noch ent­wickelt er im wei­te­ren Ver­lauf des Bu­ches ein ste­tig stei­gen­des Un­be­ha­gen wel­ches (zu­nächst) in ei­ne se­mi-apo­ka­lyp­ti­sche Vi­si­on mün­det.

Der »in­for­ma­ti­ons­fres­sen­de« Mensch be­gibt sich in den Wahn (oder die Hy­bris?), sich in punk­to In­for­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung mit dem Com­pu­ter zu mes­sen. In Wahr­heit ha­be der Com­pu­ter längst den Men­schen als Me­di­um auf die von ihm ge­sam­mel­ten Da­ten hin ma­ni­pu­liert. Das Werk­zeug ar­bei­tet sich sei­nen Er­fin­der um. Im be­rühm­ten Tu­ring-Test, den Schirr­ma­cher an­führt, kön­nen die Pro­ban­ten nicht mehr un­ter­schei­den, ob ein Mensch oder ei­ne Ma­schi­ne mit ih­nen kom­mu­ni­ziert. Das ist für Schirr­ma­cher ein Kri­te­ri­um, dass die Ma­schi­nen in we­ni­gen Jahr­zehn­ten in­tel­li­gen­ter sein wer­den als die Men­schen (und man über­legt, war­um er »HAL 9000« ei­ni­ge Sei­ten vor­her ins Reich der Fa­bel ver­wies).

Schirr­ma­cher hät­te gar nicht auf die­sen Test aus­wei­chen müs­sen: Je­der han­dels­üb­li­che Schach-Com­pu­ter ver­mag heut­zu­ta­ge ei­nen mit­tel­star­ken Tur­nier­spie­ler nach Be­lie­ben zu schla­gen. Im Buch wird der Ma­the­ma­ti­ker Ste­ven Stro­gaz zi­tiert, der fest­stellt, dass kein Mensch…die Be­weis­füh­rung der Com­pu­ter in der Grund­la­gen-Ma­the­ma­tik mehr nach­voll­zie­hen kann (und selbst wenn es ei­ner könn­te, wie soll­ten wir ihm glau­ben?). Aber ist das schon Be­leg für »In­tel­li­genz«? Sind nicht Ma­the­ma­tik und das Schach­spiel auf­grund ih­rer streng be­re­chen­ba­ren Kau­sa­li­tä­ten ge­ra­de­zu ge­schaf­fen für »Ma­schi­nen«? Na­tür­lich hat Schirr­ma­cher Recht, wenn er sein Un­be­ha­gen äu­ßert, dass die Rei­hen­fol­ge der uns zur Ver­fü­gung ge­stell­ten In­for­ma­tio­nen von an­de­ren be­stimmt wird (wo­bei er den Feh­ler macht, den Such­ma­schi­nen-Al­go­rith­mus rein quan­ti­ta­tiv zu er­klä­ren). Aber ist die­ses Phä­no­men der in­trans­pa­ren­ten Prio­ri­tä­ten­set­zung nicht auch bei der »gu­ten, al­ten« Zei­tung oder ei­nem Bü­cher­re­gal im Buch­han­del vi­ru­lent? Wun­dert es nicht ge­le­gent­lich, wel­che The­men bei­spiels­wei­se in den Haupt­nach­rich­ten­sen­dun­gen des Fern­se­hens an wel­cher Stel­le ste­hen (und wel­che Un­ter­schie­de es dort manch­mal gibt)? Wer be­stimmt dort – und vor al­lem: nach wel­chen Kri­te­ri­en – die Rei­hen­fol­ge?

Wo bleibt die Au­to­no­mie des mensch­li­chen Gei­stes?

Spä­te­stens jetzt be­ginnt man die im Buch feh­len­den De­fi­ni­tio­nen für die ver­wen­de­ten Be­griff­lich­kei­ten zu ver­mis­sen; ein Pro­blem, weil Schirr­ma­cher das Buch in ei­ner Art an­ek­do­ti­schen Plau­der­ton ver­fasst hat. Da ist zu vie­les ein­fach nur »In­for­ma­ti­on«, oh­ne zu dif­fe­ren­zie­ren (d. h. er macht zur De­mon­stra­ti­on sei­ner The­se ge­nau das, was er als de­ren Re­sul­tat ab­lei­tet). Ma­schi­nen sind für ihn ein­fach »in­tel­li­gent«, weil sie ent­spre­chend (wie?) pro­gram­miert sind. Aber kann die Ma­schi­ne des Tu­ring-Tests, die täu­schen­dech­te Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Men­schen füh­ren kann, ei­ne Stun­de spä­ter ei­ne Schach-Par­tie spie­len und am näch­sten Tag ein Buch le­sen und zu­sam­men­fas­sen?

Sind denn die au­to­ma­tisch er­zeug­ten (Werbe-)Vorschläge von Ama­zon, Goog­le-Mail oder an­de­ren tat­säch­lich der­art ge­fähr­lich, wie hier sug­ge­riert wird? Er irrt doch, wenn er meint, Soft­ware­pro­gram­me wür­de un­se­re As­so­zia­tio­nen bzw. un­ser as­so­zia­ti­ves Ge­dächtnis ver­su­chen, in Ma­the­ma­tik [zu] ver­wan­deln (ei­ne Lieb­lings­me­ta­pher Schirr­machers, die er noch in ei­ner un­er­gie­bi­gen Be­trach­tung über Par­al­le­len von Kaf­kas Gre­gor Sam­sa zum Men­schen im In­for­ma­ti­ons­zeit­al­ter ver­tieft). Was »ver­wan­delt« wird, sind nicht As­so­zia­tio­nen, son­dern ex­pli­zi­te Hand­lun­gen (vul­go: Klicks; Mails oder an­de­re Text­äu­ße­run­gen im In­ter­net, die be­stimm­te Schlag­wor­te ent­hal­ten und ent­spre­chend aus­ge­wer­tet wer­den). Und die­se Hand­lun­gen, die zur un­er­wünsch­ten Ka­te­go­ri­sie­rung füh­ren, kön­nen un­ter­las­sen wer­den; die »Vor­schlä­ge« kann man igno­rie­ren (viel­leicht DIE neu zu er­ler­nen­de Fer­tig­keit). Erst der mensch­li­che Wil­le, sich selbst trans­pa­rent zu ma­chen er­mög­licht die­se Vor­schlä­ge. Und selbst wenn man »Wil­le« durch »Arg­lo­sig­keit« er­setzt, so ist es »nur« ein zu er­ler­nen­der Vor­gang, sich die­ser Art von Trans­pa­renz zu ver­wei­gern.

Sehr früh heißt es im Buch: Der Com­pu­ter ist kein Me­di­um. Er ist ein Ak­teur. Hier­mit wä­re die Selbst-Am­pu­ta­ti­on des Men­schen, her­vor­ge­ru­fen durch tech­ni­sche Entwick­lungen (bspw. hat die Ent­wick­lung des Ta­schen­rech­ners das Kopf­rech­nen bei den mei­sten Men­schen voll­kom­men ver­küm­mern las­sen), be­schrie­ben als ei­ne Art nu­mi­no­ses Schick­sal, dem nicht mehr zu ent­kom­men ist. Aber wie wä­re es, wenn der Com­pu­ter als Werk­zeug be­trach­tet, ja wie­der­ent­deckt wür­de? Der Dia­gno­se, dass wir viel zu häu­fig der Tech­nik die­nen, statt die­se uns, kön­nen et­wa An­wen­der von Wa­ren­wirt­schafts­soft­ware bis­wei­len durch­aus fest­stel­len. Das ist al­ler­dings oft ge­nug ei­ne Stra­te­gie der An­bie­ter, die sich ein­gän­gi­ge Be­die­nung zu­sätz­lich ver­gü­ten las­sen wol­len. Um­ge­kehrt schreibt Schirr­macher durch­aus zu recht, dass wir zum Bei­spiel die Ent­la­stung durch Goog­le gar nicht richtig…nutzen kön­nen und je­der Teil­neh­mer ei­nes Word- oder Ex­cel-Ba­sis­kur­ses ist er­staunt und über­rascht, wel­che Mög­lich­kei­ten in den Pro­gram­men schlum­mern. Sind aber feh­len­de Kennt­nis­se der Nut­zer und hier­durch un­zu­rei­chen­de Be­die­nung den Pro­gram­men an­zu­la­sten?

Aber Schirr­ma­cher lässt von sei­ner The­se nicht ab. Un­se­re Werk­zeu­ge ver­än­dern un­se­re Um­welt, vor al­lem aber ver­än­dern sie uns selbst. Und dann ei­ne küh­ne Vol­te: Die mei­sten Men­schen den­ken, dass man ei­ne Idee ha­ben muss, um ein Werk­zeug zu kon­stru­ie­ren. Aber sehr viel häu­fi­ger hat man ein Werk­zeug in der Hand und über­legt sich dann erst, ob man da­mit nicht auch an un­se­rer Vor­stel­lung von der Welt her­um­ba­steln kann. Ei­ne in­ter­es­san­te Aus­sa­ge, de­ren Es­senz im Satz gip­felt Wahr­schein­lich hat der Ur­mensch erst den Faust­keil ent­deckt und sich dann über­legt, was er mit ihm an­stel­len kann. Ein Hauch von Ver­schwö­rungs­theo­rie um­weht die­sen Ge­dan­ken.

Die Ver­mensch­li­chung des Com­pu­ters

Die Tat­sa­che, dass es sich beim Com­pu­ter zu­nächst ein­mal um ei­ne Er­fin­dung des Men­schen han­delt, wür­de dann zur Tra­gik: die Ver­selb­stän­di­gung des Ro­bo­ter­in­tel­lekts zu Un­gun­sten der mensch­li­chen In­tel­li­genz ist ein un­er­wünsch­ter, aber nicht mehr aufzu­haltender Ef­fekt. Der Mensch als Goe­thes Zau­ber­lehr­ling. Die Ver­hält­nis­se wer­den suk­zes­si­ve um­ge­kehrt – der Mensch dient der Ma­schi­ne, die im We­sent­li­chen die Aufga­ben des Men­schen über­nom­men hat. Im­mer­hin hal­ten uns die Au­to­ma­ten – so weiß Schirr­ma­cher – der­zeit noch für nütz­lich.

Nicht oh­ne Grund wird auf die gro­ße Ge­fahr der Com­pu­te­ri­sie­rung des Men­schen bzw. Ver­mensch­li­chung der Ma­schi­nen ver­wie­sen. Aber Schirr­ma­cher sel­ber be­treibt nicht nur ex­akt die An­thro­po­mor­phi­sie­rung des Com­pu­ters, die er den Ver­fech­tern der Informa­tionsgesellschaft vor­wirft, son­dern un­ter­mi­niert auch noch die Exi­stenz des frei­en, mensch­li­chen Wil­lens, in­dem der Mensch zum rein pas­si­ven Nut­zer wird, der den Al­go­rith­men der Da­ten­samm­ler hilf­los aus­ge­lie­fert ist und dies noch nicht ein­mal be­merkt. Da­bei ir­ri­tiert die zu­rück­hal­ten­de, ja fast de­vo­te Hal­tung, wenn es um Soft­ware­ent­wick­ler oder Fir­men­chefs geht (die ihm, wie man in den Fuß­no­ten nach­le­sen kann, vie­le In­for­ma­tio­nen »per­sön­lich« ge­ge­ben ha­ben). Han­delt es sich doch um je­ne Men­schen, die den Com­pu­ter erst in die La­ge ver­set­zen, die Ent­mensch­li­chung des Men­schen zu be­trei­ben.

Und son­der­bar die­se Aus­flü­ge in die Phi­lo­so­phie, die­ses Chan­gie­ren zwi­schen Ab­leh­nung und Ak­zep­tanz des »frei­en Wil­lens« nebst ab­schlie­ßen­dem Re­sü­mee, dass es völ­lig egal sei, ob es ei­nen frei­en Wil­len [ge­be] oder nicht. Wich­tig sei al­lei­ne, dass wir an ihn glau­ben – ein Glau­be, den uns kein Com­pu­ter der Welt ge­ben kann, ja der im Wi­der­spruch zu sei­nem Pro­gramm­auf­trag steht. Na­tür­lich weiss Schirr­ma­cher, dass, wenn der Glau­be an den frei­en Wil­len schwindet,…sich das so­zia­le Ver­hal­ten von Men­schen schlag­ar­tig än­dert. Un­klar bleibt je­doch, wie ein frei­er Wil­le, der nur noch als »la­me duck«-Hilfs­konstruktion exi­stiert (da­zu auch mehr oder we­ni­ger »bis auf Wi­der­ruf« ei­ner na­tur­­wis­sen­schaft­lich-be­weis­kräf­ti­gen Ge­gen­dar­stel­lung), noch ir­gend­wel­che norm­bindende Wir­kung er­zeu­gen soll.

Im letz­ten Drit­tel des Bu­ches wir dann ein Ret­tungs­sze­na­rio ent­wor­fen. Die vor­her hoch­ge­hal­te­nen mensch­li­chen Ei­gen­schaf­ten wie Krea­ti­vi­tät, Fle­xi­bi­li­tät und Spon­ta­nei­tät wer­den er­gänzt. Vor al­lem setzt Schirr­ma­cher auf die Un­si­cher­heit, die uns erst zu pro­duktiven, han­deln­den Men­schen macht. Die Bil­dung der Zu­kunft muss dar­in be­stehen, Un­si­cher­hei­ten zu ent­wickeln. Sie muss Sub­jek­ti­vi­tä­ten, nicht Sub­jek­te un­ter­rich­ten. An an­de­rer Stel­le heißt es ein biss­chen kryp­tisch: Die Bil­dung der Zu­kunft lehrt Com­pu­ter zu nut­zen, um durch den Kon­takt mit ih­nen das zu leh­ren, was nur Men­schen kön­nen.

Es folgt ein in­ni­ges Plä­doy­er ge­gen die schein­ba­ren Eindeutigkeit[en], die uns im­mer als das non­plus­ul­tra »prä­sen­tiert« wer­den. Und na­tür­lich tritt Schirr­ma­cher auch für die Ver­zö­ge­rung ein (Die Ver­zö­ge­rung schafft Über­blick und Nach­denk­lich­keit, sie ist ge­wis­ser­ma­ßen Pa­pier und nicht Bild­schirm) – nebst Ex­kurs über das Le­sen. Sorg­sam um­kreist er das, was in­zwi­schen über­all als »Ent­schleu­ni­gung« prä­sen­tiert wird, oh­ne dies mit dem aus­ge­lutsch­tem »Wellness«-Vokabular zu ver­se­hen, denn schließ­lich schreibt hier ei­ner der füh­ren­den In­tel­lek­tu­el­len Deutsch­lands, da wä­re es ein biss­chen zu ein­fach, mit Bin­sen­weis­hei­ten re­üs­sie­ren zu wol­len.

Wi­der­sprü­che

Plötz­lich kommt die Er­kennt­nis: Der Com­pu­ter kann kei­nen ein­zi­gen krea­ti­ven Akt be­rech­nen, vor­aus­sa­gen oder er­klä­ren. Kein Al­go­rith­mus er­klärt Mo­zart oder Pi­cas­so oder auch nur den Gei­stes­blitz den ir­gend­ein Schü­ler ir­gend­wo auf der Welt hat. Aber wie kann dann je­mand sa­gen, die NA­SA-Ver­ant­wort­li­chen wä­ren von der Gra­fik falsch na­vi­giert wor­den, ob­wohl doch die Gra­fi­ken durch Men­schen er­stellt und die Ent­schei­dung durch an­de­re Men­schen ge­trof­fen wur­de? Und es ist we­der un­ser Schick­sal, von Algo­rithmen ge­fes­selt wie ein of­fe­nes Buch im Netz aus­ge­legt zu wer­den, noch ei­ne »Pflicht«, sich den Ver­blö­dungs­stra­te­gien von News-Ma­schi­nen hin­zu­ge­ben, die uns ei­ne Ideo­lo­gie des »Best­in­for­mier­te­sten« ein­zu­re­den ver­su­chen. Ver­stö­rend, wie ein klu­ger Mensch wie Schirr­ma­cher auch nur ei­nen Mo­ment den Blöd­sinn für mög­lich hal­ten kann, dass wir in ei­ner Welt le­ben, in der nicht exi­stiert, was nicht di­gi­tal exi­stiert, ist doch die­se Aus­sa­ge ge­ra­de­zu kon­sti­tu­ie­rend für das Mit­ma­chen im Strom des Mul­ti­tas­king-Dep­pen.

Schirr­ma­chers be­gei­ster­te Re­de für den nicht per­fek­ten Mensch wirkt nicht be­son­ders über­zeu­gend. Zu zeit­geist­ge­mäss sei­ne Ab­leh­nung der rei­nen Wis­sens­ver­mitt­lung und des Wis­sens­ler­nens (und die An­grif­fe auf den »Bologna«-Prozess). Zu sehr auf Hux­leys ne­ga­ti­vem Dik­tum fi­xiert, dass wir uns un­se­rer in­ne­ren Frei­heit zu si­cher sei­en. Wenn dies so wä­re – war­um dann die­ses Buch? Und zu glatt die The­se, wir hät­ten die fal­sche Vor­stellung vom Ler­nen. Ei­ner­seits be­klagt er die Ver­küm­me­rung be­stimm­ter Fä­hig­kei­ten bei Men­schen, die durch Ma­schi­nen über­nom­men bzw. de­le­giert wer­den bzw. an­de­rer­seits ver­langt ja wohl der ge­ne­rö­se Ver­zicht auf Wis­sen beim Men­schen ei­ne Spei­che­rung des Wis­sens an an­de­rer Stel­le (von der Fra­ge, wer und wie die­se Spei­che­rung kon­trol­liert wird ein­mal ab­ge­se­hen). Es sei denn, man will auch gleich noch dem markt­wirt­schaft­lich-ka­pi­ta­li­sti­schen Sy­stem ein neu­es ent­ge­gen­set­zen, aber hier­für fin­det man im Buch kein In­diz.

Und wenn man vor­her Stu­di­en zi­tiert und aus­führ­lich be­rich­tet hat, wie schäd­lich die Ab­len­kung vom We­sent­li­chen ist und da­mit Auf­merk­sam­keits­de­fi­zi­te an­trai­niert wer­den, dann müss­te man min­de­stens er­läu­tern, war­um das »auf­merk­sam sein«, die­ses Ide­al, sei­ne Ge­dan­ken nicht ab­schwei­fen zu las­sen ur­plötz­lich wohl ei­ner der ge­fähr­lich­sten Irr­tü­mer von Er­zie­hung und Selbst­er­zie­hung sein soll – na­tür­lich nach al­lem, was die For­schung heu­te da­zu weiß. Und auf ein­mal er­kennt Schirr­ma­cher, dass Ab­len­kung, die er auf ge­fühl­ten hun­der­ten von Sei­ten ver­teu­fel­te, den Per­spek­tiv­wech­sel bringt, neue Ideen und Ge­dan­ken frei­setzt und so­gar die Ge­sund­heit ver­bes­sert. Hier wä­re von Be­ginn an ei­ne deut­li­che Un­ter­schei­dung der un­ter­schied­li­chen Ar­ten von »Ab­len­kung« (falls es sie denn gibt) pro­duk­ti­ver ge­we­sen.

Au­ßer an die »mensch­li­chen Ei­gen­schaf­ten« zu ap­pel­lie­ren, dem em­pha­ti­schen Ap­pell für das Le­sen (ins­be­son­de­re von Bü­chern) und dem Rat­schlag In­for­ma­tio­nen zu über­den­ken, statt sie zu sam­meln, gibt es zu we­ni­ge Ideen, um bei­spiels­wei­se dem an­ony­men (und nicht-trans­pa­ren­ten) Such­ma­schi­nen-Al­go­rith­mus und sei­ner schein­ba­ren Om­ni­prä­senz und Om­ni­po­tenz zu ent­kom­men. Tat­säch­lich be­steht kei­ne Ver­an­las­sung, im­mer die EINE Such­ma­schi­ne zu ver­wen­den; die so oft kri­ti­sier­te »markt­be­herr­schen­de Stel­lung« von Goog­le ist we­der er­gau­nert noch mit an­de­ren il­le­ga­len Mit­teln er­reicht wor­den: sie exi­stiert, weil die Nut­zer sie her­bei­ge­führt ha­ben und im­mer wie­der be­stä­ti­gen. Oder war­um nicht den Per­spek­tiv­wech­sel im FAZ-Feuil­le­ton be­gin­nen? War­um im­mer in Best­sel­ler- und Auf­la­gen­ka­te­go­rien den­ken und dem Main­stream hin­ter­her­ja­gen (und sei es auch nur, um ihm wort­ge­wal­tig zu wi­der­spre­chen – das We­sen der Feuil­le­ton-De­bat­ten), statt in Ru­he bei­spiels­wei­se neue, ta­len­tier­te Künst­ler her­aus­zu­fin­den und die­se vor­zu­stel­len?

Der Um­weg

Wenn Schirr­ma­cher kon­ze­diert, dass vie­le Jour­na­li­sten nur noch nach al­go­rith­mi­schen Re­geln schrei­ben und ih­re Tex­te nach Py­ra­mi­den­struk­tu­ren ver­fas­sen müs­sen, in de­nen das Neue nach oben ge­hört, der Hin­ter­grund nach un­ten und dies al­les nur, da­mit Goog­le die Tex­te fin­det – wer sagt ih­nen, dass sie dies zu un­ter­las­sen ha­ben und gibt ih­nen die Chan­ce, durch mehr Zeit ein The­ma sorg­fäl­ti­ger zu re­cher­chie­ren und ggf. zu über­den­ken? War­um wird das Be­kennt­nis zum »Qua­li­täts­jour­na­lis­mus« (ein Be­griff, der bedauerlicher­weise in­zwi­schen schon fast zum Schimpf­wort ge­wor­den zu sein scheint) so häu­fig nur ver­bal ge­äu­ßert, in Wirk­lich­keit dann je­doch fast im­mer ei­ner per­ver­sen Nachrichten­ökonomie ge­op­fert? War­um glaubt je­de Wo­chen­zei­tung mit ei­ner täg­li­chen Nachrichten­berichterstattung auf sei­ner Web­sei­te im In­ter­net mit »tagesschau.de« mit­hal­ten zu müs­sen? Wor­in liegt der Grund, dass wir glau­ben, rund um die Uhr über Mo­bil­te­le­fon er­reich­bar sein zu müs­sen? Und was hat das al­les mit Bil­dung zu tun?

Es gibt ein phan­ta­sti­sches Buch von Man­fred Osten mit dem Ti­tel »Al­les ve­lo­zi­fe­risch oder: Goe­thes Ent­deckung der Lang­sam­keit«. Osten zeigt auf wun­der­ba­re Wei­se, wie Goe­the der von ihm als Be­dro­hung emp­fun­de­nen be­schleu­nig­ten Zeit in sei­nen Wer­ken Kontra­punkte setz­te. Ne­ben zahl­rei­chen Be­le­gen da­zu im »Faust« be­schäf­tigt sich Osten mit Ot­ti­lie aus den »Wahl­ver­wandt­schaf­ten«, die, so die The­se, durch Edu­ard den »Geist der Un­ge­duld als feind­se­li­gen Dä­mon er­kennt« und dar­an zer­bricht, weil sie »mit je­der Art un­ei­gent­li­chen Le­bens« un­fä­hig ist, ei­nen Kom­pro­miss zu schlie­ßen. Ostens Buch zeigt nicht nur Goe­thes gra­vie­ren­de Vor­be­hal­te ge­gen die er­sten An­zei­chen der in­du­stri­el­len Re­vo­lu­ti­on, die auch im Flicken­tep­pich Deutsch­land im 18. Jahr­hun­dert un­über­seh­bar wa­ren. Es wird il­lu­striert, wie Goe­the durch und in sei­ner Pro­sa ver­such­te, die­se auf den Men­schen zu­kom­men­de Ent­frem­dung auf­zu­zei­gen und ein­zu­ord­nen. Auch dies oh­ne in kul­tur­pes­si­mi­sti­schem Alar­mis­mus zu ver­fal­len, aber durch­aus deut­lich – und par­tei­isch. Viel­leicht wä­re die Lek­tü­re von Ostens Buch, die un­bän­di­ge Lust auf die er­neu­te Lek­tü­re von Goe­the macht, die bes­se­re Va­ri­an­te, sich über Aus­wir­kun­gen und Kon­se­quen­zen des­sen, was wir »In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie« nen­nen, zu prä­pa­rie­ren.

Manch­mal sind Um­we­ge nicht nur nütz­lich, son­dern not­wen­dig. Da wür­de si­cher­lich auch Frank Schirr­ma­cher zu­stim­men.


Die kur­siv ge­setz­ten Pas­sa­gen sind Zi­ta­te aus dem be­spro­che­nen Buch.



An­mer­kung zu den Kom­men­ta­ren: Mit der Über­tra­gung von begleitschreiben.twoday zu die­ser Platt­form wur­de der »Kom­men­tar­baum« ge­op­fert. Die ein­ge­gan­ge­nen Kom­men­ta­re wur­den über die Steue­rung des Da­tums und der Uhr­zeit so ge­ord­net, dass die Th­read-Struk­tur und vor al­lem die Nach­voll­zieh­bar­keit und Über­sicht­lich­keit die­ser ge­halt­vol­len Dis­kus­si­on ei­ni­ger­ma­ssen er­hal­ten bleibt.

Für struk­tur­kon­ser­va­ti­ve Teil­neh­mer wird je­doch aus­nahms­wei­se die Kom­men­tar­baum­struk­tur der Dis­kus­si­on vom 15.12.2009–03.02.2010 als pdf-Do­ku­ment ge­lie­fert. Hier kön­nen auch die »Original«-Daten (Uhr­zeit) ein­ge­se­hen wer­den. –> Kom­men­tar­baum Payback

Dies soll Teil­neh­mer nicht da­von ab­hal­ten, wei­ter zu dis­ku­tie­ren.

G.K.

72 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Be­sten Dank für den aus­führ­li­chen Text!
    Ich bin rich­tig froh, die­ses Buch nun­mehr mit gu­tem Ge­wis­sen nicht mehr sel­ber le­sen zu müs­sen :-)

  2. Üb­ri­gens hat Sta­nis­law Lem über vie­le der von Schirr­ma­cher an­ge­spro­che­nen The­men vor et­wa zehn Jah­ren in­tel­li­gen­te­re und weit tie­fer­ge­hen­de Ko­lum­nen ver­fasst, die bei Te­le­po­lis nach­zu­le­sen sind:

    1997 hat er of­fen­bar be­reits das Wort »In­for­ma­ti­ons­ex­plo­si­on« ge­braucht.

  3. Zu­erst ein­mal Dank für die Re­zen­si­on
    Es hat mich ja wirk­lich in­ter­es­siert, was Sie da­zu mei­nen. Die Text­aus­zü­ge sind sehr stim­mig ge­wählt und auch die Dar­stel­lung der Schirr­ma­cher­schen In­ter­pre­ta­ti­on er­scheint lo­gisch.
    In der Ge­samt­heit al­ler­dings bin ich doch voll­kom­men an­de­rer Mei­nung.
    1) Ich glau­be nicht, dass Schirr­ma­cher das Buch ge­schrie­ben hat, um den Um­satz der FAZ oder an­de­rer ge­druck­ten Me­di­en zu he­ben. Ich se­he bei ihm eher die wahr­ge­nom­me­ne Mög­lich­keit, aus sei­nem Er­fah­rungs­schatz die un­ter­schied­li­chen Phä­no­me­ne zu­sam­men zu fü­gen.
    2) Ich ha­be das Buch in kei­ner Wei­se als ne­ga­ti­vie­rend emp­fun­den. Nicht schlech­ter wer­den wir son­dern an­ders. Das Zi­tat, dass er bringt und dass ich jetzt nur an­nä­hend wi­der­ge­ben kann, lau­tet da­zu: je­de Re­vo­lu­ti­on am­pu­tiert be­stimm­te Fä­hig­kei­ten des Men­schen.
    3) Die Ge­schich­te mit der Un­fä­hig­keit des Com­pu­ters »krea­tiv« zu sein, ist mög­li­cher­wei­se ei­ne Schwä­che Schirr­ma­chers, auf die ich noch in ei­nem Le­ser­brief an ihn ein­ge­hen möch­te. Wir wis­sen nicht, was ei­nen Men­schen krea­tiv macht. Ich wä­re noch am ehe­sten ge­neigt, an sich po­si­tiv aus­bil­den­de De­fek­te in ei­nem evo­lu­tio­nä­ren Vor­gang im Ge­hirn zu den­ken.
    Es soll nur 3% krea­ti­ve Leu­te ge­ben und oh­ne über den Pro­zent­satz dis­ku­tie­ren zu wol­len, hal­te ich zu­min­dest auf­recht, dass die Mehr­zahl der Men­schen nicht krea­tiv sind son­dern an­ge­lern­ten Me­cha­nis­men und Ak­tio­nen an­hän­gen. Viel­leicht gibt es auch ei­nen In­stinkt des In­tel­lekts. Zu­min­dest beim Schach­spiel, das so oft und so ger­ne als Ver­gleich be­müht wird, ist der Mensch nicht im­stan­de, die kom­plet­te Viel­falt aus­zu­schöp­fen. Und der Com­pu­ter auch nicht! Und trotz­dem spielt der Com­pu­ter heu­te so, dass ein Welt­mei­ster, ich glau­be es war Kas­pa­rov sagt, dass er nicht mehr er­ken­nen kön­ne, ob ein Zug von ei­nem Men­schen oder ei­nem gu­ten Com­pu­ter kä­me.
    4) Ich könn­te hier noch ein paar Punk­te auf­zäh­len, doch läuft bei mir ge­ra­de ein psy­cho­lo­gi­scher Shut­down. »Kill si­gnal all in 120 Se­kun­den«, weil ich pro­gram­miert bin, ein Kon­zert zu be­su­chen.

    Es gibt ei­nen Punkt, der mir ge­ra­de mo­men­tan sehr am Her­zen liegt und in dem ich Schirr­ma­cher viel­leicht nicht kor­ri­gie­ren son­dern er­gän­zen will. Auch S po­stu­liert ei­ne ge­wis­se Un­fehl­bar­keit der Lo­gik, mit der ein Com­pu­ter ope­riert. Dies stimmt aber ge­ra­de in den heu­ti­gen kom­ple­xen Sy­ste­men nicht mehr. Die Sy­ste­me und An­samm­lun­gen von Soft­ware müs­sen zwangs­läu­fig in sich in­kon­si­stent und falsch sein (sie­he Gö­del), wo­mit teil­wei­se auch für den Com­pu­ter Ent­deckungs­strän­ge mög­lich sind, wie man sie Ke­ku­le bei der Ent­deckung des Ben­zol­rings zu­schreibt. Er hat den Ring ge­träumt. Als wenn wir da­von aus­ge­hen, (und ich bin über­zeugt da­von) dass das Un­ter­be­wusst­sein ei­ne sehr star­ke Rech­ner­lei­stung auf­weist, dann kann ich so­gar ähn­li­che Ef­fek­te bei ei­nem »de­fek­ten« Pro­gramm ver­mu­ten.
    ‑30 Se­kun­den.
    Re­sü­mee: Schirr­ma­cher kommt so na­he an die Schlüs­se, die ich sel­ber zie­hen wür­de, her­an, dass ich es per­sön­lich für ein groß­ar­ti­ges Werk hal­te, wel­ches viel­leicht ei­ni­ge wei­te­re nach sich zie­hen wird, die nicht so gut sind, aber ei­ne be­stimm­te Rich­tung noch viel bes­ser er­klä­ren kön­nen.
    ‑5 Se­kun­den.
    Ich selbst kann sei­nen Bei­spie­len im Ei­gen­ex­pe­ri­ment sehr gut nach­fol­gen.
    +5 Se­kun­den.
    Schluss

  4. 45 Se­kun­den
    Zu 1) Ich ha­be ja ge­schrie­ben, dass ich NICHT glau­be, dass Schirr­ma­cher das Buch als »Lob­by­is­mus« ver­wen­det.

    Zu 2) Es ist schon ne­ga­tiv, wenn er von der Vi­si­on des ma­ni­pu­lier­ten Men­schen à la Hux­ley spricht, der dies noch nicht ein­mal merkt, weil die­se Ma­ni­pu­la­ti­on nicht mit Ge­walt, son­dern so­zu­sa­gen spie­le­risch er­folgt.

    Zu 3) Ich glau­be, dass Schirr­ma­cher Recht hat, wenn er dem Com­pu­ter kei­ne Krea­ti­vi­tät zu­ge­steht. Es ob­liegt letzt­lich üb­ri­gens, ob wir bspw. ei­ne Zu­falls­aus­wahl, die ein Com­pu­ter trifft als Krea­ti­vi­tät de­fi­nie­ren oder nicht. Aber die­ses Pro­blem ha­ben wir auch mit der zeit­ge­nös­si­schen Kunst, die ih­re Be­lie­big­keit oft ge­nug hin­ter der Po­se des Be­deu­tungs­vol­len ver­steckt.

    Ich neh­me an, Du hast Dei­ne Auf­merk­sam­keit für ei­nen Blog­kom­men­tar um 5 Se­kun­den über­schrit­ten. Im­mer­hin.

    Sie­zen wir uns wie­der?

  5. Ent­geg­nung
    Das Sie soll­te nur mei­nen Bei­trag amt­li­cher er­schei­nen las­sen:)

    Bei 1) ha­be ich dich miss­ver­stan­den. Ich hat­te dein State­ment als Iro­nie ver­stan­den.

    2) Der Tat­be­stand mag ne­ga­tiv sein, aber S pran­gert ihn nicht als ne­ga­tiv an. Er stellt nur fest, dass es so zu sein scheint.

    3) Ok, ge­ste­hen wir dem Com­pu­ter kei­ne Krea­ti­vi­tät zu. Dann hat der Mensch aber auch kei­ne. Ein Stand­punkt, den ich nicht un­be­dingt so hart for­mu­lie­ren möch­te. Doch wenn man Krea­ti­vi­tät dem Com­pu­ter ab­spricht, dann mit dem glei­chen Recht dem Men­schen.

    Ich neh­me jetzt zu­erst ein­mal mich selbst als Bei­spiel. Dann braucht nie­mand be­lei­digt sein.
    Ich bin NICHT KREATIV.
    Man­che Per­so­nen wür­den das viel­leicht aus der Men­ge ge­schrie­be­nen Ma­te­ri­als ab­lei­ten wol­len. An­de­re wür­den mei­ne Hard­ware-Pa­ten­te und die Soft­ware, die es vor mir noch nicht ge­ge­ben hat, als Be­weis für Krea­ti­vi­tät her­an­zie­hen. Ei­ne drit­te Grup­pe wür­de mei­ne künst­le­ri­sche Ader ins Tref­fen füh­ren.
    Kein Ar­gu­ment kann für Krea­ti­vi­tät her­an­ge­zo­gen wer­den. Was ich tue und den­ke, ist die Fol­ge von Din­gen, die an mich her­an­ge­bracht wur­den – seit mei­ner Ge­burt. In­for­ma­tio­nen und be­ding­te Re­fle­xe, die dar­auf re­agie­ren, dass ich ir­gend­wo ei­ne Be­loh­nung be­kom­men. Ich kann viel­leicht Din­ge er­fin­den, die für je­mand an­de­ren als neu er­schei­nen. Doch sie ent­ste­hen aus lo­gi­schen Schluss­fol­ge­run­gen mit leicht emo­tio­na­li­sier­ten (weil Be­loh­nung winkt) Ein­schlag.
    Ich wür­de mir wün­schen, ein­mal et­was schrei­ben zu kön­nen, bei dem ich nicht weiß, war­um ich et­was be­stimm­tes schrei­be.
    Ich ha­be schon die Er­fah­rung ge­macht, dass sich beim Schrei­ben ei­ner Ge­schich­te oder ei­nes Ro­mans die Fi­gu­ren zu ver­selbst­stän­di­gen be­gin­nen. Aber die­se Ver­selbst­stän­di­gung ist eben­falls kau­sal be­dingt.
    Viel­leicht gibt es nicht­kau­sa­le Vor­gän­ge, aber die ste­hen dem Com­pu­ter ge­nau­so of­fen – in dem Mo­ment, wo es plötz­lich auf kur­ze Zeit ei­ne Fehl­funk­ti­on gibt.
    Wir glau­ben, dass der Com­pu­ter nicht so »krea­tiv« wie wir sein kann. Da un­ter­lie­gen wir ei­nem ganz gro­ßen Irr­tum, wenn wir mei­nen, dass die schnel­le­re Re­chen­ge­schwin­dig­keit den Grad der Ver­net­zung im Ge­hirn be­reits aus­rei­chend si­mu­lie­ren kann.
    Rein zeit­mä­ßig wird es noch 50 Jah­re dau­ern, bis ein Com­pu­ter, der mich heu­te viel­leicht im Schach schlägt, auch auf an­de­ren Ge­bie­ten ei­ne aus­rei­chen­de ko­gni­ti­ve Er­ken­nung er­fah­ren kann.
    Ich be­haup­te ein­mal, dass der Mensch bei sei­ner Ge­burt auch nicht krea­tiv ist. Uns mag es aber als Krea­ti­vi­tät er­schei­nen, dass er mit ei­nem Jahr den Zu­sam­men­hang be­greift, dass er am Tisch­tuch zie­hen muss, da­mit die Tas­se nä­her kommt und letzt­lich viel­leicht vom Tisch fällt.
    Wir ha­ben uns in den Acht­zi­ger­jah­ren bei der For­schung von KI auf Din­ge kon­zen­triert, die wirk­lich nicht be­son­ders hilf­reich wa­ren. Doch wir muss­ten mit den tech­ni­schen Ge­ge­ben­hei­ten le­ben.
    Ein aus­ge­wach­se­nes Pferd soll in et­was die In­tel­li­genz ei­nes Vier­jäh­ri­gen ha­ben. Ist der Vier­jäh­ri­ge be­reits krea­tiv? Wür­den wir dem Pferd als be­leb­tem Le­be­we­sen die glei­che Krea­ti­vi­tät zu­ge­ste­hen.
    Und wie­viel Lern­zeit ha­ben wir dem Com­pu­ter zu­ge­stan­den. In Wirk­lich­keit ist der Com­pu­ter heut­zu­ta­ge ein Kas­par Hau­ser, der von den Er­zie­hen­den im Wald ste­hen ge­las­sen wor­den ist. Es ist so, als woll­ten wir un­ser Kind, wenn es ge­hen kann, nur da­zu ein­set­zen, Was­ser zu ho­len, weil wir das brau­chen. Sonst brin­gen wir ihm nichts bei.
    Al­so ich be­haup­te da­her, dass ich von den Mög­lich­kei­ten nicht krea­ti­ver bin als ein Com­pu­ter. Ich hat­te nur ei­nen Va­ter und gu­te Leh­rer, die mir vie­les bei­gebracht ha­ben. Und sie ha­ben mir vor al­lem Schluss­fol­gern bei­gebracht und nicht sta­ti­sches Wis­sens­gut.

    Ei­ne Zu­falls­aus­wahl wür­de ich nicht als Kenn­zei­chen für Krea­ti­vi­tät gel­ten las­sen. We­der beim Men­schen noch beim Com­pu­ter. Dort wo der Zu­fall ei­ne Rol­le spielt, ist die Mu­ta­ti­on und die Ent­wick­lung bes­se­rer Über­le­bens­stra­te­ge­me. Aber das ist auch schon kei­ne Krea­ti­vi­tät mehr.
    Ich ha­be mich im­mer ge­wei­gert, die Kriegs­kunst als et­was Krea­ti­ves zu se­hen.

  6. Mei­nes Er­ach­tens steht und fällt die Dis­kus­si­on mit der De­fi­ni­ti­on von Krea­ti­vi­tät. Geht man da­von aus, dass Krea­ti­vi­tät im­mer auf Vor­ge­fun­de­nen ba­siert, so hast Du wohl recht. Ich se­he aber Krea­ti­vi­tät tat­säch­lich an­ders, und zwar nicht als Schöp­fen aus ei­ner Art vor­ge­fun­de­nem Pool, son­dern als ei­nen Pro­zess, der dar­über hin­aus­geht und – das klingt jetzt ein biss­chen nach Zeit­geist – über die ei­ge­nen Gren­zen hin­aus­geht. (Ich bin mir be­wusst, auf sehr dün­nem Eis zu ste­hen, denn streng ge­nom­men ist na­tür­lich die­se »Ent­gren­zung« auch nur mög­lich, weil sie ei­ne Ba­sis be­sitzt, usw.)

    In­ter­es­sant fin­de ich, dass Du die Krea­ti­vi­tät des Com­pu­ters bei des­sen Fehl­funk­tio­nen fest­stellst. Dem­zu­fol­ge wä­re ja ein krea­ti­ver Pro­zess aus ei­ner »Fehl­funk­ti­on« ab­zu­lei­ten. Das kann ge­nau­so we­nig sein, wie mein Zu­falls-Bei­spiel (was Du zu recht ab­lehnst).

    Krea­ti­vi­tät setzt m. E. ein au­to­no­mes Sub­jekt vor­aus. Der Trend geht in der letz­ten Zeit in die an­de­re Rich­tung: Der Mensch ist an­schei­nend – wie die Grie­chen dies schon im­mer wuss­ten – in sei­nen Ent­schei­dun­gen nicht frei; es gibt ja ei­ne durch die so­ge­nann­te Neu­ro­wis­sen­schaft ge­spei­ste Re­nais­sance des vor­be­stimm­ten Sub­jekts (was frei­lich ei­ne Ge­gen­be­we­gung zum be­stim­men­den So­zio­lo­gen­dis­kurs der 1960er-80er Jah­re dar­stellt). Par­al­lel da­zu wird der Com­pu­ter im­mer mehr als gleich­be­rech­tig­ter »Part­ner« an­ge­se­hen (oder, wie von Schirr­ma­cher, als Be­dro­hung), was ei­ner­seits zwar den Pro­gram­mie­rern schmei­chelt, an­de­rer­seits je­doch ei­ne grund­le­gen­de Re­vi­si­on un­se­res Men­schen­bil­des ver­lan­gen wür­de.

    Viel­leicht ist es mit »mensch­li­chen« Ei­gen­schaf­ten ähn­lich wie Schirr­ma­cher mit dem frei­en Wil­len vor­geht: Man muss sie als Po­stu­la­te set­zen (und hier dem Men­schen so­zu­sa­gen ex­klu­siv zu­ord­nen), um nicht von vorn­her­ein vor den Mög­lich­kei­ten des Com­pu­ters zu ka­pi­tu­lie­ren. Hier­in könn­te ein Grund le­gen, dass Com­pu­ter – wie Du schreibst – nur zum »Was­ser ho­len« kon­stru­iert wer­den (in der Pra­xis ist dies durch­aus schon an­ders; Fir­men wür­den zu­sam­men­bre­chen, wenn ih­re Com­pu­ter­sy­ste­me »krea­tiv« wä­ren). Sol­che »Set­zun­gen« sind je­doch höchst pro­ble­ma­tisch, da sie den Er­kennt­nis­drang hem­men und als rei­ne Dog­men un­wis­sen­schaft­lich sind.

  7. Ich glau­be, wir kön­nen uns auf den Punkt ei­ni­gen, dass es zu­erst den Be­griff Krea­ti­vi­tät zu de­fi­nie­ren gilt.
    Ge­ra­de heu­te ha­be ich mich mit ei­nem Ex-Chef von mir un­ter­hal­ten, der ge­ra­de ei­ne ähn­li­che Ge­dan­ken­welt wie ich ver­tritt. Es geht um ei­nen spe­zi­fi­schen Aspekt der Pro­gram­mie­rung, der in der Fach­spra­che »aspekt­ori­en­tier­te Pro­gram­mie­rung« ge­nannt wird.
    Ei­ne Wei­ter­füh­rung des Ge­dan­kens en­det in ei­ner Tä­tig­keit des Pro­gram­mie­rers, bei der der Pro­gram­mie­rer be­stimm­te un­ter­schied­li­che Wün­sche de­fi­niert, die letzt­lich im Pro­gramm auch in­ter­agie­ren, wo­bei die Kom­ple­xi­tät so hoch ist, dass der Pro­gram­mie­rer nicht mehr die ei­gent­li­che Funk­tio­na­li­tät des Pro­gram­mes durch­schau­en kann.
    (Ver­gleich­bar mit dem, was Schirr­ma­cher mit den ma­the­ma­ti­schen Be­wei­sen an­führt)
    In der An­ge­le­gen­heit stim­men wir über­ein, dass zu­künf­ti­ge Pro­gram­mie­rung tat­säch­lich so aus­se­hen wird.
    Ich ha­be so et­was Ähn­li­ches 1996 mit Small­talk ver­sucht, aber die Ma­schi­nen wa­ren nicht ge­nü­gend lei­stungs­stark.
    Die »Krea­ti­vi­tät« liegt in die­sem Fall noch beim Men­schen, der sich be­stimm­te Aspek­te wünscht. Al­ler­dings könn­ten die­se Aspek­te oder ih­re Not­wen­dig­keit auch von sta­ti­sti­schen Be­ob­ach­tun­gen und Aus­wer­tun­gen im In­ter­net er­rech­net wor­den sein. In die­sem Fall wä­re der Mensch gar nicht ge­fragt.
    Es ist nicht so, dass ich die »Krea­ti­vi­tät des Com­pu­ters« an den Feh­lern fest­ma­chen will. Da sind zwei Din­ge et­was zu na­he ne­ben­ein­an­der ge­stan­den. Die Feh­ler sind ei­ne Sa­che. Grob ge­sagt, Com­pu­ter kön­nen heu­te nicht mehr rich­tig »rech­nen«. Im End­ef­fekt wird die Rich­tig­keit ei­nes Com­pu­ter­er­geb­nis­ses auch durch ei­ne Wahr­schein­lich­keit aus­ge­drückt wer­den kön­nen.
    Doch wir ha­ben uns be­reits in ei­ne Kom­ple­xi­täts­ebe­ne be­ge­ben, bei der meh­re­re (auch wi­der­sprüch­li­che) Er­geb­nis­se bei glei­cher Ein­ga­be mög­lich sind. Und dann wird nicht ge­wür­felt, son­dern es ist viel­leicht die Um­ge­bungs­tem­pe­ra­tur, wel­che ent­schei­det, wel­ches Er­geb­nis frü­her schla­gend wird. Ge­nau­so, wie ich mich als Mensch »spon­tan« ent­schei­de, et­was zu ma­chen, weil mir ent­we­der zu kalt oder zu heiß ist.
    -
    Um auf das Buch zu­rück zu kom­men. Ich ha­be noch sel­ten ei­ne der­art kon­den­sier­te An­ord­nung all der Phä­no­me­ne be­schrie­ben ge­se­hen, mit de­nen ich tag­täg­lich kon­fron­tiert bin. Kein Mensch wür­de be­haup­ten kön­nen, dass ich vom Com­pu­ter über­for­dert bin. Er ist für mich »Enhance­ment«. Doch wenn ich heu­te aus­rech­nen möch­te, wie­viel ich ge­ra­de wie­der an der Hy­po Al­pe Adria-Plei­te steu­er­lich be­tei­ligt bin, brau­che ich da­für viel­leicht ei­ne hal­be Mi­nu­te statt drei Se­kun­den. We­nig­stens ma­che ich es noch im Kopf.

    [EDIT: 2009-12-17 00:02]

  8. Um auf das Buch zu kom­men
    Die be­schrie­be­nen Phä­no­me­ne fand ich eher blass; es sind Al­ler­welts­pro­ble­me, die je­der Nut­zer fest­stellt (oder be­klagt). Ge­würzt sind sie mit ker­ni­gen Be­haup­tun­gen (»Mul­ti­tas­king ist ein Ver­bre­chen«) und ein biss­chen schau­ri­gen Zu­kunfts­er­war­tun­gen (ich fin­de da Hux­ley und auch Hou­el­le­becq tref­fen­der).

    Na­tür­lich ist er kein Ver­teuf­ler, was das Buch auch an­ge­nehm macht), aber sein po­chen auf die »Un­ge­wiss­heit«, die­ses Plä­doy­er für den feh­ler­haf­ten mensch – das be­kommt in An­be­tracht des Fa­tums, wel­ches er gleich­zei­tig ent­wirft, et­was wi­der­sprüch­li­ches.

    Ich ver­mu­te, dass Du ein kon­zi­se­res Buch hät­test ver­fas­sen kön­nen. Der Wer­be­auf­wand in den Me­di­en ist nur durch Schirr­ma­chers Po­si­ti­on zu er­klä­ren; je­dem No­bo­dy wä­re das Ma­nu­skript zu­rück­ge­schickt wor­den.

    (ich ge­he auf Dei­ne Ar­gu­men­te viel­leicht spä­ter, nach ge­nau­em Nach­den­ken, ein.)

    [EDIT: 2009-12-17 08:02]

  9. @gk
    Ich hät­te das Buch si­cher nicht kon­zi­ser ver­fas­sen kön­nen.
    Die Phä­no­me­ne sind des­we­gen blass, weil sie sich doch ein­schlei­chend ein­ge­stellt ha­ben. Das kann ich nach mitt­ler­wei­se 40 Jah­ren Be­schäf­ti­gung mit dem Com­pu­ter fest­stel­len. Ich ha­be das ja schon bei mir be­schrie­ben. Vom Main­frame mit we­ni­ger Lei­stung als ein heu­ti­ger Ta­schen­rech­ner, über die er­sten Mi­kro­pro­zes­so­ren 4004, 8008, 8080, 780, von der Dec PDP-11 bis zum heu­ti­gen Main­frame ei­ner Z10 ha­be ich al­les mit­er­lebt und teil­wei­se auch prak­tisch mit­ge­stal­tet. Es ist die Zu­sam­men­set­zung der De­tails, die so schlüs­sig für mich ist.
    Im üb­ri­gen kann ich da auch Slo­ter­di­jk ab­ge­wan­delt an­wen­den. Bei al­len Aus­sa­gen, die heu­te über den Com­pu­ter ge­macht wer­den, glau­ben die mei­sten Men­schen, dass wir heu­te wis­sen, was Sa­che ist. Ich wa­ge zu be­haup­ten, dass den mei­sten Men­schen die Vor­stel­lung fehlt, sich ex­tra­po­lie­rend in die Zu­kunft zu be­we­gen. So ist das heu­te be­schwo­re­ne »Cloud-Com­pu­ting« nach mei­nem Da­für­hal­ten nur ei­ne Über­gangs­lö­sung, die sich letzt­end­lich wie­der wie in ein »Clo­sed-Shop« in den Sieb­zi­ger­jah­ren zu­rück­ent­wickeln wird, weil nach ei­ni­gen Jah­ren die Kri­mi­na­li­tät zu ei­ner der­ar­ti­gen Pa­ra­noia füh­ren wird, dass Da­ten sorg­sa­mer als Geld ge­hü­tet wer­den.
    -
    Hux­ley fin­de ich tat­säch­lich pro­phe­ti­scher. Als ich das Buch vor 40 Jah­ren zum er­sten Mal las, konn­te ich mir selbst nicht vor­stel­len, dass zu mei­ner Le­bens­zeit so viel da­von wahr wer­den wür­de. Und es ist in den Drei­ßi­ger­jah­ren ge­schrie­ben.
    Da­ge­gen ist Hou­el­le­becq für mich fast schon ab­ge­lutscht. (Ich hab ihn gern ge­le­sen.) Die Schluss­fol­ge­run­gen sind schon zu li­ne­ar vor­aus­sag­bar. Ele­men­tar­teil­chen ist ja auch we­ni­ger pro­phe­tisch als rück­blickend ver­fasst – als Ab­rech­nung.
    -
    »Na­tür­lich ist er kein Ver­teuf­ler, was das Buch auch an­ge­nehm macht), aber sein po­chen auf die »Un­ge­wiss­heit«, die­ses Plä­doy­er für den feh­ler­haf­ten mensch – das be­kommt in An­be­tracht des Fa­tums, wel­ches er gleich­zei­tig ent­wirft, et­was wi­der­sprüch­li­ches.«
    Ge­nau das ist es, was in mei­nen Au­gen sei­ne Stär­ke dar­stellt.
    -
    Und was wir al­les noch nicht wis­sen, ha­be ich vor mehr als ei­nem Jahr ein­mal hier dar­ge­stellt:
    (Sor­ry für den »Mar­ke­ting Link«)

    [EDIT: 2009-12-17 09:19]

  10. @steppenhund – Stär­ken und Schwä­chen
    In­ter­es­san­te Sicht­wei­se: Wo ich die Schwä­chen se­he, siehst Du ei­ne Stär­ke.

    Der Brücken­schlag zum Slo­ter­di­jk ist tat­säch­lich min­de­stens ru­di­men­tär vor­han­den.

    Na­tür­lich sind Aus­sa­gen in ei­ne Zu­kunft hin­ein im­mer von dem mit­ge­prägt, wie wir es heu­te vor­fin­den. Ori­en­tie­ren sich Pro­gno­sen zu sehr am Vor­ge­fun­de­nen, sind sie in der Tat lang­wei­lig und we­nig krea­tiv (sic!) – sind sie zu »ab­ge­ho­ben« schallt ih­nen der Vor­wurf der Apo­ka­lyp­se oder Harm­lo­sig­keit ent­ge­gen.

    Ich glau­be, dass die Phä­no­me­ne, die Schirr­ma­cher be­schreibt, letzt­lich ir­rever­si­bel sind. Die Le­se­kom­pe­tenz wird sich ver­än­dern (pau­schal be­trach­tet: zu­rück­ge­hen); die Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit wird ab­neh­men. Dies mit ei­nem Plä­doy­er für den Feh­ler be­ant­wor­ten zu wol­len, hal­te ich für blau­äu­gig. Nicht ein­mal ein Schrift­stel­ler kä­me auf ei­ne sol­che Idee. Die Fra­ge, die Schirr­ma­cher nicht be­ant­wor­tet: Wie weit wol­len wir die In­fil­tra­ti­on durch Com­pu­ter und de­ren Pro­gram­me dul­den? Ge­ben wir uns dem je­wei­li­gen hype hin oder nicht? Die Ge­ne­ra­ti­on der heu­te 55jährigen (und äl­ter) wird seit Jah­ren in Un­ter­neh­men sy­ste­mastisch »ab­ge­baut« (in Früh­ren­te ge­schic­jkt), weil sie sich in ih­rer Mehr­heit wei­gern, dem Tech­ni­sie­rungs­fort­schritt zu fol­gen. In zehn jah­ren kom­men die­se Leu­te in die Al­ten­hei­me – es wird die letz­te Ge­ne­ra­ti­on sein, die noch ih­ren Bank­ver­kehr am Schal­ter ab­wickeln möch­te (ich ge­ne­ra­li­sie­re jetzt ein biss­chen). Da­nach kommt schon mei­ne Ge­ne­ra­ti­on, die sich in schät­zungs­wei­se fünf bis acht Jah­ren »aus­klin­ken« wird, usw.

    (PS: »Mar­ke­ting-LinK« – Du be­stä­tigst mei­ne Aus­sa­ge, der kon­zi­se­se­ren Behandlung...im üb­ri­gen: ich glau­be nicht, dass mein Blog ein gu­tes »Mar­ke­ting-In­stru­ment« ist. Da­für wird er viel zu we­nig be­ach­tet. Dan­ke den­noch für die­sen Text, den ich ir­gend­wie nicht mehr in Er­in­ne­rung hat­te.)

    [EDIT: 2009-12-17 09:42]

  11. Ein re­fe­ren­zie­ren­der Text aus ge­ge­be­nem An­lass
    http://steppenhund.twoday.net/stories/weihnachten/

    Ich weiß nicht ge­nau, ob ich da­mit recht ha­be, Aber ich woll­te ein­mal mei­ne Schät­zung von 60 Jah­ren an­brin­gen. Erst in 60 Jah­ren wird der Com­pu­ter so viel kön­nen, dass sich Men­schen oh­ne vi­sio­nä­re Vor­stel­lungs­kraft vor­stel­len kön­nen, dass die Be­gren­zun­gen des Com­pu­ters nicht in der »Krea­ti­vi­tät« lie­gen:)

    [EDIT: 2009-12-17 18:53]

  12. An­ma­ßung
    Ich be­haup­te ein­mal vol­ler An­ma­ßung: NEIN.
    Der Un­ter­schied zwi­schen den mei­sten Sich­ten und mei­ner (und na­tür­lich der von ein paar an­de­ren, mit de­nen ich mich ab­ge­spro­chen und ver­schwo­ren ha­be) liegt dar­in, dass ich mich seit vier­zig Jah­ren mit der Ma­te­rie in rea­li­ter be­schäf­ti­ge.
    Ich er­in­ne­re mich an die Zeit, in der bei Sie­mens im TRI, TRA, TRE – As­sem­bler pro­gram­miert wur­de. (Deut­sche Mne­moics)
    Ich kann Lei­stungs­zahln und funk­tio­na­le Lei­stung sta­ti­stisch über 40 Jah­re be­le­gen. Da­bei kommt dann fol­gen­des her­aus. Die ech­te Da­ten­ver­ar­bei­tung hat im kom­mer­zi­el­len Be­reich heu­te viel­leicht die 100-fa­che funk­tio­na­le Lei­stung wie 1971, ob­wohl die tech­ni­schen Spe­zi­fi­ka­tio­nen um den Fak­tor 1 Bil­li­on (eu­ro­pä­isch 12 Nul­len) ge­stie­gen ist. Die Zahl ha­be ich vor 4 Jah­ren ein­mal auf der Ba­sis Vo­lu­men * 1/Geschwindigkeit nor­miert auf ei­ne kom­ple­xe Re­chen­ope­ra­ti­on be­rech­net.
    Ein Main­frame im Jah­re 2000 hat­te viel­leicht ide Re­chen­ka­pa­zi­tät ei­ner da­ma­li­gen Pen­ti­um CPU-200 MHz, doch die Rech­ner­ar­chi­tek­tur war hin­sicht­lich der Ein­ga­be/Aus­ga­be-Ka­nä­le so op­ti­miert, dass 1000 Be­nut­zer gleich­zei­tig an der ei­nen An­la­ge ar­bei­ten konn­ten.
    Das al­ler­mei­ste der Re­chen­power ist in die Hil­fe­stel­lung für Per­so­nen hin­ein­ge­flos­sen, die sonst Angst vor dem Com­pu­ter ge­habt ha­ben, in Spie­le, Bild­be­ar­bei­tung und Mu­sik. Das Mar­ke­ting hat do­mi­niert und ei­ne be­stimm­te Do­mi­nanz der zu lö­sen­den Pro­ble­me ge­schaf­fen. Wie weit das Mi­li­tär mit­be­stimmt hat, (das wis­sen wir nicht so ge­nau) ist nicht er­gründ­bar aber na­tür­lich auch ekla­tant. Mi­li­tär an sich ist aber nicht krea­tiv. Ganz im Ge­gen­teil: mi­li­tä­ri­sche Ge­rät­schaf­ten zer­stö­ren. Sic.
    Jetzt gibt es al­so ei­ne stei­le Kur­ve, wie sich Rech­ner­lei­stung für den Lai­en dar­stellt. Was ech­te neue Er­kennt­nis­se und Re­sul­ta­te sind, stei­gen die viel­leicht nur mit ei­nem He­bel­fak­tor 1 zu ei­ner Mil­li­on oder noch we­ni­ger.
    Weil sich al­so mei­ne Vor­aus­sa­ge nicht auf den Zeit­raum be­schränkt, zu dem die mei­sten Lai­en das er­ste Mal selbst mit dem Com­pu­ter zu tun hat­ten, son­dern un­ge­fähr 4 mal län­ger ist, kann mei­ne Sicht­wei­se dif­fe­ren­zier­ter sein. Ich glau­be an ste­ti­ge Ent­wick­lun­gen. Manch­mal gibt es ei­nen Sprung, doch im Prin­zip kön­nen Er­hal­tungs­ät­ze, auch be­züg­lich der En­tro­pie in der In­for­ma­tik, nicht ver­nach­läs­sigt oder ge­leug­net wer­den.
    Ich ge­be zu, dass ich mich um plus mi­nus 20 Jah­re ir­ren kann. Aber in der Aus­sa­ge selbst bin ich sehr zu­ver­sicht­lich, dass ich Recht be­hal­ten wer­de.

    [EDIT: 2009-12-17 21:53]

  13. Ich hal­te Dei­ne Pro­gno­se nicht für an­ma­ßend (aus den von Dir selbst ge­nann­ten Grün­den). Wir wer­den ja se­hen... (und viel­leicht bud­delt ir­gend­je­mand in 60 Jah­ren die­sen Bei­trag aus und lacht sich über mei­ne Eng­stir­nig­keit ka­putt)

    Ei­ne Fra­ge hät­te ich da aber noch: Was fängt der Mensch mit die­sen Mög­lich­kei­ten, die ihm durch den Com­pu­ter »zu­flie­ssen« an?

    Bei Dir scheint Schirr­ma­chers An­thro­po­mor­phi­sie­rung schon voll durchzudringen...(sorry, aber die­se Vor­la­ge war ein­fach zu ver­füh­re­risch)

    [EDIT: 2009-12-18 08:49]

  14. Da­zu war die Vor­la­ge ja da
    Und ich pfle­ge ja auch manch­mal scherz­haft zu be­haup­ten, »dass ein Com­pu­ter auch nur ein Mensch ist.« Das dann, wenn sich Men­schen über ir­gend­ei­ne Fehl­funk­ti­on auf­re­gen und da­bei über­se­hen, dass auch Men­schen falsch re­agie­ren, wenn sie mit den fal­schen In­for­ma­tio­nen ge­füt­tert wer­den.
    Was die Men­schen da­mit an­fan­gen wer­den?
    Die Fra­ge kann ich dir nicht so ein­fach be­ant­wor­ten. Bis jetzt ha­be ich den größ­ten Nut­zen der Com­pu­ter in der Pro­the­tik ge­se­hen. Tau­be, die wie­der hö­ren kön­nen, Blin­de, die wie­der se­hen kön­nen, Kno­chen, die drei­di­men­sio­nal so gut nach dem Ori­gi­nal ge­formt wer­den kön­nen, dass heu­te ei­ne Ober­schen­kel­hals­bruch­ope­ra­ti­on kein gro­ßes Pro­blem dar­stellt (mei­ne Groß­mutter ist letzt­lich an den Fol­gen ei­ner heu­te ein­fa­chen Ope­ra­ti­on ge­stor­ben) oder auch künst­li­che Knie ei­nen Sport­ler nicht am Er­rei­chen ei­nes Mei­ster­ti­tels hin­dern. (Ein Freund von mir.)
    Mög­li­cher­wei­se wird es ein­mal zu ei­ner Tech­no­kra­tie kom­men, die – falls je­mand ähn­lich wie Oba­ma oder skan­di­na­vi­sche Po­li­ti­ker denkt – tat­säch­lich ei­nen Ge­winn für das be­tref­fen­de Volk dar­stel­len könn­te.
    Viel­leicht muss die Un­ter­hal­tungs­in­du­strie durch ei­nen Hö­he­punkt wan­dern, in der tech­ni­sche De­tails nicht mehr über­biet­bar sind und ei­ne Rück­kehr auf die Mensch-zu-Mensch-Kom­mu­ni­ka­ti­on statt­fin­det. Das sind al­les Uto­pien, die nicht mehr Wahr­schein­lich­keit als die ent­spre­chen­den Dis­to­pien auf­wei­sen.
    -
    Mo­men­tan stellt der Com­pu­ter eher ei­ne Be­la­stung dar. Aber das hal­te ich für ei­ne tran­si­en­te Pha­se, weil wir als Men­schen uns noch nicht ein­ge­stellt ha­ben, wie man da­mit um­geht.
    Der be­ste Ver­gleich, der mir da­zu ein­fällt, ist das Au­to­fah­ren. In Ame­ri­ka recht nüch­tern be­trach­tet – ein Mit­tel zum Zweck. In Deutsch­land? Ein Mit­tel zur Selbst be­weih­räu­che­rung, zum sich bes­ser füh­len, etc., etc. Der Mensch muss den Um­gang mit be­stimm­ten Din­gen erst über Jahr­zehn­te ler­nen. Wir ha­ben das mit dem Com­pu­ter halt noch nicht ge­lernt.
    Be­ant­wor­tet das dei­ne Fra­ge?

    [EDIT: 2009-12-18 10:12]

  15. @steppenhund
    Jein. Ich glau­be nur (und da ge­he ich ja mit Schirr­ma­cher kon­form), dass die Mög­lich­kei­ten, die uns be­reits jetzt zur Ver­fü­gung ste­hen, gar nicht ge­nutzt wer­den. Wie sieht es dann erst aus, wenn Sy­ste­me op­ti­miert und er­wei­tert wer­den?

    Die von Dir an­ge­spro­che­nen Fort­schrit­te in der Ge­sund­heits­tech­nik sind der­zeit gar nicht flä­chen­deckend vor­han­den; et­li­ches hat Pi­lot­pro­jekt­cha­rak­ter (mei­ne Schwie­ger­mut­ter wird der­zeit mit ih­rem Ober­schen­kel­bruch sehr kon­ven­tio­nell be­han­delt [mit ei­nem Na­gel] – oh­ne be­son­de­ren Er­folg üb­ri­gens).

    In der Un­ter­hal­tungs­in­du­strie wird al­le ge­fühl­te zwei Jah­re ei­ne neue Sau durchs Dorf ge­trie­ben, z. B. was die Spei­cher­me­di­en an­geht (Vi­deo­re­kor­der – DVD – Bluer­ay). Hier geht es we­ni­ger um In­no­va­ti­on als um Um­satz (die Vor­tei­le sind nur mar­gi­nal wenn über­haupt zu be­mer­ken). Über die Über­di­men­sio­nie­rung von ein­fa­cher Text­ver­ar­bei­tungs­soft­ware hat­te ich ja in mei­ner Be­spre­chung ge­spro­chen. Was brau­che ich ei­gent­lich al­le drei Jah­re ein neu­es »Word«-Programm, wenn ich bis­her nur rd. 20% von Word 1998 be­merkt und ver­stan­den ha­be?

    Wenn man na­tür­lich »vi­so­när« in die Zu­kunft denkt, dann fal­len ei­nem spon­tan voll­kom­men über­flüs­si­ge Kul­tur­tech­ni­ken ein – ei­ne da­von ist tat­säch­lich das Au­to­fah­ren – die man doch ge­trost Ma­schi­nen an­ver­trau­en könn­te. Aber auch hier blie­be ein Un­be­ha­gen des Aus­ge­lie­fert­seins (was bei­spiels­wei­se Leu­te über­kommt, die Flug­angst ha­ben).

    [EDIT: 2009-12-18 11:22]

  16. Ich ge­ste­he, über­for­dert zu sein, spe­zi­ell im Au­gen­blick we­gen all der zu be­die­nen­den Gad­gets und of­fe­nen Ka­nä­le, die es zu be­ob­ach­ten gilt, kei­ne Zeit für ei­nen an­ge­mes­se­nen u/o aus­ge­wo­ge­nen Kom­men­tar zu ha­ben. (Na­ja, ei­gent­lich ha­be ich nur ge­ra­de viel zu tun, nicht aus­rei­chend Mu­ße.)

    Das mag Zeit­geist sein, und auf die­sem Ni­veau plät­schern die mei­sten Re­zen­sio­nen da­hin, die ich bis­her zur Kennt­nis ge­nom­men ha­be. Lä­cher­lich auch der Ein­wurf, Schirr­ma­cher ha­be wohl noch nichts von Fil­ter­tech­ni­ken ge­hört. – Die­se Re­zen­si­on hier ist da­ge­gen von an­de­rem Ka­li­ber. Und zu­al­ler­erst auch ein Dank da­für, gleich ein­gangs auf den rhe­to­ri­schen Kniff Schirr­ma­chers hin­ge­wie­sen zu ha­ben, mit dem er wohl nur mög­lichst vie­le Le­ser »mit­neh­men« möch­te.

    Ins­ge­samt stim­me ich dem Te­nor vom step­pen­wolf zu: auch für mich ist es kein ne­ga­tiv kon­no­tier­tes, pes­si­mi­sti­sches Buch. We­der ver­teu­felt Schirr­ma­cher »die Com­pu­ter«, noch Goog­le. Er wird al­les auch künf­tig nut­zen. Wor­auf er hin­ge­wie­sen hat, und nicht nur hier, son­dern auch in die­sem Text ist, dass die na­he­zu ubi­qui­tä­re Prä­senz des Com­pu­ters, von In­for­ma­tik im All­tag uns Men­schen ver­än­dert. Wirk­lich ver­än­dert, so­zu­sa­gen epi­ge­ne­tisch. Und wie das pas­siert, und wo­hin es führt, dar­auf ha­ben die In­for­ma­ti­ker und Pro­gram­mie­rer Ein­fluss. – So­weit ich se­he, ist das ei­ne der ganz sel­te­nen (wert­frei­en) An­er­ken­nun­gen der fak­ti­schen Lei­stun­gen der In­for­ma­tik durch »Fach­frem­de«.

    Wenn man ein biß­chen bei edge.org her­um­stö­bert, dann merkt man, wor­an ge­ar­bei­tet, wor­über nach­ge­dacht wird. Es liegt auf der Hand, dass sich Com­pu­ter-In­tel­li­genz nicht mit Ama­zon-Vor­schlä­gen er­schöpft. Das ist ge­nau­so Trai­ning der Ma­trix wie Goo­gles Book-Scan. Dass da mehr kom­men wird, so­bald die Tech­nik und das Da­ta Mi­ning rei­fer sein wird, das liegt für mich auf der Hand.

    Für mich ist auch nach­voll­zieh­bar, ge­ra­de­zu er­fahr­bar, dass un­voll­stän­dig, feh­ler­haft und spon­tan Sein ei­ne Mög­lich­keit ist, sich zu be­haup­ten ge­gen Be­re­chen­bar­keit und Vor­her­seh­bar­keit. Über­ra­schen­de Per­spek­tiv­wech­sel, Feh­ler­to­le­ranz, der sou­ve­rä­ne Um­gang mit Un­si­cher­hei­ten ge­hö­ren da­zu. Zu­min­dest ei­ne Wei­le kann das hel­fen, aber die heu­ti­gen, wirk­lich gut ent­wor­fe­nen Sy­ste­me sind ge­nau­so – der step­pen­wolf weiß das am be­sten.

    Wo bit­te se­hen Sie da ei­ne Ver­schwö­rungs­theo­rie?: »Aber sehr viel häu­fi­ger hat man ein Werk­zeug in der Hand und über­legt sich dann erst, ob man da­mit nicht auch an un­se­rer Vor­stel­lung von der Welt her­um­ba­steln kann. Ei­ne in­ter­es­san­te Aus­sa­ge, de­ren Es­senz im Satz gip­felt Wahr­schein­lich hat der Ur­mensch erst den Faust­keil ent­deckt und sich dann über­legt, was er mit ihm an­stel­len kann.«

    Ich den­ke, auch der nai­ve, spie­le­ri­sche Um­gang mit Werk­zeu­gen, Com­pu­tern, im­mer lei­stungs­fä­hi­ge­ren Net­zen, Grids, Clouds wha­te­ver kann ei­nen auf Ge­dan­ken brin­gen, Be­gehr­lich­kei­ten wecken, et­was zu ma­chen, was bis­her nicht ging.

    Da­bei kommt mir ge­ra­de ein Bild, ei­ne Se­quenz aus Ku­bricks 2001 in den Sinn: die Er­öff­nungs­sze­ne, das Ent­decken der Werk­zeu­ge Faust­keil und Keu­le...

  17. Für mich ist auch nach­voll­zieh­bar, ge­ra­de­zu er­fahr­bar, dass un­voll­stän­dig, feh­ler­haft und spon­tan Sein ei­ne Mög­lich­keit ist, sich zu be­haup­ten ge­gen Be­re­chen­bar­keit und Vor­her­seh­bar­keit. Über­ra­schen­de Per­spek­tiv­wech­sel, Feh­ler­to­le­ranz, der sou­ve­rä­ne Um­gang mit Un­si­cher­hei­ten ge­hö­ren da­zu. Zu­min­dest ei­ne Wei­le kann das hel­fen, aber die heu­ti­gen, wirk­lich gut ent­wor­fe­nen Sy­ste­me sind ge­nau­so – der step­pen­wolf weiß das am be­sten.
    -
    Ei­ne Zeit­lang war es ei­ne gu­te Stra­te­gie beim Schach­spiel mit dem Com­pu­ter sich von aus­ge­fah­re­nen We­gen weg zu be­we­gen, da­mit der Com­pu­ter nicht so leicht auf Er­öff­nungs- oder End­spiel­bi­blio­the­ken zu­grei­fen kann. Heu­te kann ich noch so spon­tan und un­be­re­chen­bar spie­len, der Com­pu­ter wird gna­den­los mei­ne Feh­ler auf­decken und ein­fach die Ge­winn­lö­sung her­un­ter spie­len. Um­ge­kehrt muss ich mich al­ler­dings mit Zü­gen des Com­pu­ters an­freun­den, die voll­kom­men aber­wit­zig er­schei­nen:)
    -
    Die In­for­ma­ti­ker und Pro­gram­mie­rer sind es nicht, wel­che die Ent­wick­lung so stark be­ein­flus­sen. Es ist der Markt, Kauf­leu­te in er­ster Li­nie, die sich be­stimm­te Sy­ste­me wün­schen. Ein Pro­gram­mie­rer ist mei­stens ein ziem­lich dum­mes Tier, das sich zwar im Zu­ge der Zeit Fach­wis­sen über die Pro­ble­me der ei­ge­nen Fir­ma an­eig­net, aber in den sel­ten­sten Fäl­len Über­le­gun­gen an­stellt, was der Com­pu­ter mit ihm oder mit der All­ge­mein­heit an­stellt. Lei­der. Vor zehn Jah­ren bin ich noch manch­mal über die Un­in­ter­es­siert­heit der Pro­gram­mie­rer er­schüt­tert ge­we­sen. Heu­te se­he ich es be­reits ge­las­se­ner.
    -
    Mo­men­tan gibt es ei­ne Rei­he wirk­lich ge­schei­ter Leu­te, die sich den Kopf zer­bre­chen, wie man den Ent­wick­lungs­pro­zess ver­bes­sern kann, wie man ei­ne Soft­ware­ar­chi­tek­tur ver­bes­sern kann. Aber fast im­mer kommt man an ei­nen Punkt, wo man be­stimm­te sehr in­tel­li­gen­te »Trei­ber« (Ma­na­ger mit Mo­ti­va­ti­on und, und, und...) braucht, um et­was Neu­es und Bes­se­res um­zu­set­zen. Und dann stellt es sich her­aus, dass es von die­ser Gat­tung zu we­nig Ex­em­pla­re gibt.
    (Ein Um­stand, der üb­ri­gens ver­teu­fel­te Ähn­lich­keit mit den Pro­ble­men in der Po­li­tik auf­weist)

  18. step­pen­hund
    ab­ge­se­hen da­von dass sie kaum de­fi­nie­ren – ich wür­de sa­gen dass
    3 % der men­schen nicht krea­tiv sein kön­nen,
    nun kor­rekt­er­halb­er dürf­te die­se zahl ( fik­ti­on ) di­ver­gie­ren al­so
    ei­ne fik­tio­nal ge­schöpf­te ver­bind­lich­keit auf­kün­di­gen kön­nen – na­ja -
    al­so ich möch­te den 4 jäh­ri­gen se­hen und des­sen in­tel­li­genz­lei­stung
    ( sta­ti­stisch ) und dann möch­te ich ein pferd mit hän­den se­hen -
    nen­nen wir es mo­zart.
    al­so mo­zart spielt kla­vier im 18. jahr­hun­dert, tollt her­um und dann ist al­les tut­ti, wa ?

  19. @steppenwolf und pro­gram­mie­rer
    Viel­leicht sind es nicht die In­for­ma­ti­ker und Pro­gram­mie­rer, die die Ent­wick­lung an­trei­ben. (Kri­ti­sche) In­for­ma­ti­ker gar brem­sen eher. Und dass Pro­gram­mie­rer Code­knech­te sind – ge­schenkt.

    Aber Sie be­ein­flus­sen die Ent­wick­lung doch! Die Art und Wei­se wie sie im­ple­men­tie­ren, die Be­nut­zer­schnitt­stel­le, die Be­nut­zer­füh­rung, der gan­ze Um­gang mit Aus­nah­me­zu­stän­den usw. sind ori­gi­nä­re Do­mä­ne der In­for­ma­ti­ker / Pro­gram­mie­rer, nicht der Ma­na­ger. (Letz­te­re bil­den sich das viel­leicht ein.)

  20. @intelligente Trei­ber
    Ja, es braucht Vi­sio­nä­re, Men­schen die Ver­schie­de­nes zu­sam­men­den­ken kön­nen.

    Eben­das scheint mir bei edge.org und den sum­mer clas­ses dort zu pas­sie­ren.

  21. @Jürgen
    Hier hab ich deut­li­cher Stel­lung ge­nom­men zu dem Buch. Den­noch fin­de ich die af­fekt­ar­ti­gen Ant­wor­ten auf Schirr­ma­cher (ins­be­son­de­re der Netz­a­po­lo­ge­ten wie Sa­scha Lo­bo aber auch die­sen dum­men Ar­ti­kel der Pa­s­sig, den man als Ge­gen­ent­wurf le­sen könn­te) falsch.

    Zum Ein­wand der »Ver­schwö­rungs­theo­rie«: Schirr­ma­cher schreibt, dass zu­erst das Werk­zeug und dann das »Pro­blem« da ge­we­sen sei, wel­ches mit dem Werk­zeug be­ho­ben wer­den soll. Das hal­te ich für Un­sinn und ist Teil ei­nes pseu­do-Ori­gi­na­li­tä­ten­spiels, wie es viel eim Buch gibt. Um­ge­setzt auf die Com­pu­ter/­Mensch-Pro­ble­ma­tik be­deu­tet dies (für mich), dass die Er­fin­dung des Com­pu­ters (der ja ur­sprüng­lich nichts an­de­res als ein »Re­chen­werk­zeug« ge­we­sen war) vom ei­gent­li­chen Zweck los­ge­löst war. Da die Ma­schi­ne uns ja – wie Schirr­ma­cher glaubt – »ma­ni­pu­liert« wird da­mit in­sin­nu­iert, dass dies ei­ne Art »Plan« ge­we­sen sein könn­te. Das kommt für mich arg ver­schwö­rungs­theo­re­tisch da­her (zu­ge­ge­ben: das ist viel­leicht nicht so ge­meint).

    Den ver­link­ten Nerd-Ar­ti­kel ha­be ich nur an­ge­le­sen (na­ja, das ma­che ich manch­mal auch; über 200 Sei­ten ge­ball­ter Schirr­ma­cher reicht erst ein­mal). Ich glau­be, Schirr­ma­cher sieht sich zwi­schen Apo­lo­ge­ten und Ver­teuf­ler (Gasch­ke et.al) als ei­ne Art Ver­mitt­ler. Auch da kann man mit Goe­the und den »Wahl­ver­wandt­schaf­ten« kom­men: Mitt­ler rich­te­te mit sei­nen Ver­su­chen zu vermit­teln nur noch mehr Un­heil an.

  22. @Gregor
    Pa­s­sig im Mer­kur – ein dum­mer Ar­ti­kel?
    Fin­de ich ei­gent­lich nicht. Im Ge­gen­teil, die Mu­ster und Pha­sen der Kri­tik fin­de ich ganz gut her­aus­ge­ar­bei­tet. Man­ches ist wie ein Spie­gel für mich, ha­be mich auch schon bei sol­chen flos­kel­haf­ten Ab­leh­nun­gen er­wischt.
    (Da­bei las­se ich ‘mal den Back­ground von Pa­s­sig und die Lo­bo-Con­nec­tion gnä­dig au­ßer Acht.)
    Ja, Payback ist kein Klas­se-Buch, das ge­be ich ja zu. Schirr­ma­cher scheint vie­le, sehr vie­le er­rei­chen zu wol­len; viel­leicht ist des­halb man­ches platt bzw. nicht wirk­lich »zu En­de« ge­dacht. Oder er kann es nicht bes­ser, will nicht nur Mitt­ler sein, son­dern sei­ne Po­si­ti­on ist auch dort, in der Mit­te.
    Trotz »Un­heil« ragt es / er über den Feuil­le­ton-Durch­schnitt (was die Zeit und SZ be­trifft) hin­aus.

  23. @Jürgen
    Pa­s­sigs Ar­ti­kel ist des­we­gen dumm, weil er al­le tech­nik­feind­li­chen Kli­schees, die sich im nach­hin­ein als lä­cher­lich her­aus­ge­stellt ha­ben, wie an der Per­len­schnur auf­reiht und ei­nen Ana­lo­gie­schluss auf die Ge­gen­wart sug­ge­riert. So­was hät­te im »Mer­kur« frü­her nicht ein­mal auf der Toi­let­ten­rol­le ge­stan­den. Aber las­sen wir das.

    Na­tür­lich ist Schirr­ma­chers Buch bes­ser und dif­fe­ren­zier­ter als das Ge­kei­fe aus den an­de­ren Re­dak­ti­ons­stu­ben (in­klu­si­ve der ei­ge­nen). Und ich ha­be es auf den er­sten rund 120 Sei­ten ger­ne ge­le­sen; da­nach war es zu­neh­mend red­un­dant. Aber ein Steak­haus wird nicht zum Gour­met­tem­pel, nur weil es von Im­biß­bu­den um­ge­ben ist.

  24. Steak­hou­se reicht mir voll­kom­men
    Steak­hou­se ge­gen­über Dö­ner-Ke­bap zie­he ich auf al­le Fäl­le vor. Was bes­se­res ha­be ich in dem Zu­sam­men­hang noch nicht ge­le­sen.
    Mög­lich, dass Bes­se­res nach­kommt. Doch zu­erst muss man ein­mal ei­nen An­fang ma­chen.

  25. Co­lum­bia-Bei­spiel
    Das Bei­spiel der Co­lum­bia-Ka­ta­stro­phe fin­de ich et­was un­glück­lich ge­wählt. Die NA­SA-Ver­ant­wort­li­chen ha­ben nicht auf­grund der Power­point-Prä­sen­ta­ti­on ent­schie­den, daß die Raum­fäh­re nicht ge­fähr­det sei.

    Es war eher an­ders­her­um: Die für den Raum­flug ver­ant­wort­li­che Flight-Ma­na­ge­rin (und ei­gent­lich die kom­plet­te Lei­tungs­ebe­ne) hat ge­gen­über ih­ren un­ter­ge­be­nen Tech­ni­kern sehr deut­lich durch­blicken las­sen, daß das Äu­ßern von Be­den­ken nicht er­wünscht war. Im Grun­de ex­akt das glei­che Ver­hal­ten wie 17 Jah­re zu­vor bei der Chal­len­ger-Ex­plo­si­on, was die­ses Ver­sa­gen um­so un­ver­ständ­li­cher macht.

  26. nach der lek­tue­re der re­zen­si­on und al­ler kom­men­ta­re bin ich im­mer noch neu­gie­rig auf das buch, da beibt wohl nur sel­ber le­sen ... aus­zer­dem hab ich schon lang kei­ne so an­re­gen­de dis­kus­si­on ver­folgt – man dankt!

  27. Krea­ti­vi­tät
    Sehr schö­ne Re­zen­si­on, sehr schö­ne Dis­kus­si­on in den Kom­men­ta­ren. Auch wenn ich ge­ste­hen muss, dass ich nicht das Buch selbst, son­dern le­dig­lich den Ar­ti­kel bei Spie­gel on­line ge­le­sen ha­be.

    ...und als Kon­se­quenz der Lek­tü­re die au­to­ma­ti­sche Ak­tua­li­sie­rung mei­ner E‑Mails im Bü­ro von 2 auf 15 Mi­nu­ten ge­än­dert ha­be und seit­dem et­was ent­spann­ter und ziel­ge­rich­te­ter ar­bei­te, aber das nur am Ran­de. Der rhe­to­ri­sche Dreh, sich mit dem Le­ser ge­mein zu ma­chen, hat bei mir zu­min­dest ver­fan­gen.

    Über­rascht bin ich über das Ver­ständ­nis von Krea­ti­vi­tät in den Kom­men­ta­ren: Wel­che Vor­stel­lung Schirr­ma­cher hat, deu­tet er ja mit dem »Gei­stes­blitz ei­nes Schü­lers« an. Krea­ti­vi­tät in die­sem Sin­ne ist nach mei­nem Ver­ständ­nis die Ver­knüp­fung von vor­han­de­nem Wis­sen zu neu­em Wis­sen (so lo­gisch zwin­gend die­se Ver­knüp­fung im Nach­hin­ein auch sein mag). Nicht je­de krea­ti­ve Lei­stung be­wegt sich auf Mo­zart- und Beet­ho­ven-Ni­veau, aber we­der Re­zen­si­on noch Kom­men­ta­ren will ich die Krea­ti­vi­tät ab­spre­chen. So ge­se­hen sind nicht 3%, son­dern eher 100% der Mensch­heit krea­tiv – es bleibt die Fra­ge des Aus­ma­ßes. ;-)

  28. Krea­ti­vi­tät, Mul­ti­tas­king und Ma­the­ma­tik
    Ich hal­te Schirr­ma­chers Buch für ei­nen gu­ten Weg, um Men­schen zu­min­dest dar­auf auf­merk­sam zu ma­chen, dass sie sich zu sehr auf die Ma­schi­ne auf ih­rem Schreib­tisch ver­las­sen. Die Ein­zel­hei­ten und even­tu­el­le Wi­der­sprü­che und Un­stim­mig­kei­ten im De­tail (die Sa­che mit den Ab­len­kun­gen hat mich auch ir­ri­tiert) las­se ich hier ein­mal au­ßen vor, es dreht sich hier ja um Po­pu­lär­li­te­ra­tur.

    Zum The­ma Krea­ti­vi­tät kann ich nur sa­gen, dass es dem Men­schen ge­wiss scha­det, wenn er sich bei jeg­li­cher Form der Ar­beit auf Ma­schi­nen ver­lässt. Ich glau­be, dass wir Men­schen in un­se­rer Krea­ti­vi­tät (ich pflich­te in dem Punkt Da­ni­els Auf­fas­sung des­be­züg­lich bei) ver­min­dert wer­den, wenn wir un­se­re Au­gen auf et­was rich­ten, was vie­le Ar­bei­ten bes­ser und schnel­ler ver­rich­ten kann als wir. Viel­leicht ist es ge­wis­ser­ma­ßen »Neid«, viel­leicht aber auch nur die ei­ge­ne Faul­heit, die mich da­zu ver­an­lasst, so et­was zu be­haup­ten. Je­den­falls, wenn ich mich vom PC lö­se und et­wa an die fri­sche Luft ge­he, so ha­be ich dort meist viel bes­se­re Ideen als vor dem Mo­ni­tor. Und nichts be­la­stet mei­nen schöp­fe­ri­schen Sinn (bit­te kei­ne An­ma­ßung dort hin­ein­in­ter­pre­tie­ren!) mehr, als auf bei­spiels­wei­se ei­ne Mail zu war­ten.

    Mul­ti­tas­king:
    Als ich Schirr­ma­chers Auf­fas­sung je­mand an­de­ren dar­ge­legt ha­be, mein­te er kri­tisch, dann müs­se Kla­vier­spie­len auch schäd­lich sein (wir stan­den zu­fäl­lig ne­ben ei­nem Flü­gel). Ich glau­be, die feh­len­de Un­ter­schei­dung von di­gi­ta­len und »me­cha­ni­schen« Mul­ti­tas­king ist durch­aus ein be­rech­tig­ter Kri­tik­punkt.

    Das Stro­gatz-Zi­tat:
    Ich hielt es für ei­ne wirk­lich tref­fen­de For­mu­lie­rung, als die­ser be­haup­te­te, die Ma­the­ma­tik wer­de zu ei­nem »Zu­schau­er-Sport« (im Buch Sei­te 76f.). Es stimmt ir­gend­wie. Man hat da – sa­lopp ge­sagt – sei­ne Ma­schi­ne (sei es ein ein­fa­cher Ta­schen­rech­ner oder so­gar schon ein CAS [Com­pu­ter-Al­ge­bra-Sy­stem]), füt­tert die mit ir­gend­ei­nem Zeug, zu des­sen Be­rech­nung per Hand wir zu faul sind (oder kei­ne Zeit ha­ben (wol­len)) und er spuckt uns dann das Er­geb­nis aus.
    Aber in dem Punkt se­he ich den Sinn der Ma­the­ma­tik: Nicht ir­gend­ein Al­go­rith­mus for­dert den Ma­the­ma­ti­ker, son­dern die Ver­knüp­fung zwi­schen All­tag und ab­strak­tem Lö­sungs­weg, so­zu­sa­gen das Schaf­fen ei­nes An­sat­zes. Des­we­gen stim­me ich ih­rem Punkt, die­se Wis­sen­schaft sei wie für Com­pu­ter ge­schaf­fen, nur teil­wei­se zu.

    Im Üb­ri­gen fin­de ich es ir­gend­wie hu­mor­voll – sei es be­ab­sich­tigt oder nicht – dass Schirr­ma­cher von In­for­ma­ti­ons­flut und dem dar­aus re­sul­tie­ren­den Ver­lust des Sin­nes, Wich­tig­kei­ten ab­zu­wie­gen, spricht und den Le­ser sel­ber mit un­glaub­lich vie­len Stu­di­en, Nach­for­schun­gen, ver­meint­li­chen Fak­ten etc. bom­bar­diert. Ir­gend­wie pa­ra­dox...

  29. Die An­mer­kung mit dem Kla­vier­spiel fin­de ich ganz amü­sant. Es gibt Per­so­nen, mein Va­ter ge­hör­te da­zu, die Kla­vier spie­len kön­nen und da­ne­ben ei­ne Er­klä­rung über ir­gend­ein De­tail spre­chen.
    Ich sel­ber ver­has­pel mich gna­den­los, wenn ich ne­ben dem Kla­vier spie­len noch zu spre­chen ver­su­che.
    Ich kann an­ge­spro­chen wer­den und brin­ge ge­ra­de ein ja oder nein her­aus. Beim Be­mü­hen, ei­nen gan­zen Satz zu spre­chen ge­ra­te ich au­to­ma­tisch au­ßer Tritt.
    Al­ler­dings spie­le ich sehr viel vom Blatt und ha­be da­bei selbst­ver­ständ­lich ei­ne ganz spe­zi­fi­sche Form des Mul­ti-Tas­king. Le­sen, In­ter­pre­tie­ren, Hand-Ko­or­di­na­ti­on und Em­pha­se aus­le­ben.
    Wäh­rend des Au­to-Chauf­fie­rens kann ich re­den oder auch te­le­fo­nie­ren, wäh­rend des Kla­vier­spiels? Un­mög­lich:)

  30. @Count Le­crin
    Je­den­falls, wenn ich mich vom PC lö­se und et­wa an die fri­sche Luft ge­he, so ha­be ich dort meist viel bes­se­re Ideen als vor dem Mo­ni­tor. Und nichts be­la­stet mei­nen schöp­fe­ri­schen Sinn (bit­te kei­ne An­ma­ßung dort hin­ein­in­ter­pre­tie­ren!) mehr, als auf bei­spiels­wei­se ei­ne Mail zu war­ten.
    Dem stim­me ich rück­halt­los zu. Aber wem will Schirr­ma­cher das sa­gen? Dem­je­ni­gen, der an die fri­sche Luft geht, wenn sein Kopf »ver­stopft« ist? Der hat die­sen Hin­weis nicht nö­tig. Oder dem­je­ni­gen, der es nicht macht? Der ist auch mit Ar­gu­men­ten nicht zu über­zeu­gen (et­wa wie man pas­sio­nier­te Au­to­fah­rer, die die 300 m Weg zum Bäcker mit dem Au­to fah­ren, nicht zum Ge­hen brin­gen kann).

    zu des­sen Be­rech­nung per Hand wir zu faul sind (oder kei­ne Zeit ha­ben (wol­len)) und er spuckt uns dann das Er­geb­nis aus.
    Mei­nes Er­ach­tens ging es Schirr­ma­cher dar­um, dass das »aus­ge­spuck­te« Er­geb­nis von nie­man­dem mehr kon­trol­liert wer­den kann. Selbst bei leich­te­ren Auf­ga­ben ver­wen­den die Leu­te ja in­zwi­schen Ta­schen­rech­ner und über­neh­men das Re­sul­tat, was sie er­hal­ten, oh­ne es durch Über­schlags­rech­nung zu über­prü­fen. Wenn sie sich bei der Ein­nah­me ver­tippt ha­ben, mer­ken sie es häu­fig nicht mehr.

    Ihr »Pa­ra­do­xon« ist ein gu­ter Ein­wand. Das war mir so gar nicht auf­ge­fal­len.

  31. @steppenhund
    Ich ken­ne mich da zwar nicht aus, aber ich glau­be, dass das Kla­vier­spie­len ei­ne Art des Mul­ti­tas­kings ist, wel­che dem Men­schen mehr nutzt als scha­det. Beim Mu­si­zie­ren all­ge­mein und WÄHRENDDESSEN noch et­was an­de­res tun, se­he ich da hin­ge­gen eher die ne­ga­ti­ve Sei­te als über­wie­gend. Das ist be­stimmt in der Be­an­spru­chung be­stimm­ter Tei­le des Ge­hirns be­grün­det, aber fra­gen Sie nicht mich, ich bin kein Neu­ro­lo­ge.

    @Gregor Keu­sch­nig
    Ihn Ih­rer Auf­fas­sung von Schirr­ma­chers Po­si­ti­on se­he ich durch­aus auch die Quint­essenz die­ses Aspek­tes. Ich woll­te je­doch be­to­nen, dass das ei­gent­li­che Rech­nen im In­for­ma­ti­ons­zeit­al­ter mehr und mehr in den Hin­ter­grund tritt. Wenn Sie et­wa ei­ne Brücke bau­en müss­ten, dann müs­sen Sie ir­gend­wel­che ma­the­ma­ti­schen Funk­tio­nen su­chen, die mit der sta­ti­schen In­te­gri­tät des Bau­werks sinn­voll kor­re­spon­die­ren. Das Mo­del­lie­ren scheint mir ak­tu­ell wich­ti­ger zu sein als das ei­gent­li­che Rech­nen, des­we­gen stim­me ich Ih­rer Aus­sa­ge aus dem kom­men­tier­ten Text nur teil­wei­se zu. War al­so nur ei­ne An­mer­kung an Ih­rer For­mu­lie­rung und kei­ne Ver­bes­se­rung an der Aus­sa­ge.

    »Aber wem will Schirr­ma­cher das sa­gen?«:
    Das ist wie­der das klas­si­sche Pro­blem ei­nes­je­den Au­tors. Zwi­schen den In­stan­zen »Wahr­neh­men«, »Ver­ste­hen« und »Be­her­zi­gen« lie­gen of­fen­bar Wel­ten, die man lei­der nur sel­ten über­brücken kann, bzw. will. Si­cher­lich war Schirr­ma­chers Bot­schaft eher an die zwei­te von Ih­nen ge­nann­te Grup­pe ge­rich­tet, aber wie Sie auch an­ge­merkt ha­ben, muss man sich die un­aus­weich­li­che Fra­ge stel­len, wer sich ei­gent­lich auch da­von nach­hal­tig be­ein­flus­sen lässt.

  32. Kla­vier­spie­len an sich ist noch kein Mul­ti­tas­king – wenn man da­bei noch singt, dann sieht es al­ler­dings an­ders aus.

    Die Er­kennt­nis, dass Mul­ti­tas­king beim mensch­li­chen Ge­hirn nicht funk­tio­niert ist in­des nicht wirk­lich neu. Al­ler­dings se­he ich das Schirr­ma­cher nach, denn ich glau­be (ich muss da­zu sa­gen, dass ich erst ge­stern mit dem Le­sen be­gon­nen ha­be, da ich das Ge­schenk dann doch erst zu Weih­nach­ten »rich­tig« aus­ge­packt ha­be), dass sich die Mehr­zahl der Be­völ­ke­rung erst jetzt so lang­sam den Wir­kun­gen der »Seg­nun­gen« des »Com­pu­ter­zeit­al­ters« aus­ge­setzt sieht, die un­ser­eins, der qua­si da­mit auf­ge­wach­sen ist, seit 18 Jah­ren »ver­netzt« lebt (und von da­her mit je­dem »next big thing« so sei­ne de­ja-vu-Er­leb­nis­se hat) für sich schon ver­ar­bei­tet und in den All­tag in­te­griert hat, oh­ne wirk­lich Scha­den da­von­zu­tra­gen. Es ge­hört na­tür­lich ein Blick hin­ter die Ku­lis­sen da­zu, und man muß sich des­sen be­wußt sein, daß das Ge­hirn eben kein Com­pu­ter ist, von da­her hal­te ich das Buch jetzt be­reits für wich­tig und bin ge­spannt, was in der zwei­ten Hälf­te noch kommt... wie auch im­mer: Was mei­ner Mei­nung nach wirk­lich ge­braucht wird ist ei­ne ge­sun­de Me­di­en­kom­pe­tenz, das Wis­sen dar­um, daß Nach­rich­ten nicht un­be­dingt wahr sein müs­sen (aber war auch das nicht schon im­mer so?) und die simp­le Ein­sicht, daß man Mo­bil­te­le­fo­ne auch aus­schal­ten kann, oh­ne et­was le­bens­wich­ti­ges zu ver­pas­sen ;-)

    [EDIT: 2009-12-27 00:19]

  33. Ein klei­ner Zu­satz zur Krea­ti­vi­täts­de­bat­te:
    Ich ha­be heu­te die Be­geg­nung mit ei­nem Kunst­sa­lon ge­schil­dert, wo ich die Pro­to­kol­le der Ky­ber­ne­tik-Kon­fe­ren­zen zwi­schen 1946 und 1953 nicht nur ge­fun­den son­dern letzt­lich auch ge­kauft ha­be.
    Hier­in be­fin­den sich nicht nur Vi­sio­nä­res son­dern auch »Krea­ti­ves«, wenn man da­von ab­sieht, dass auch nach mei­ner De­fi­ni­ti­on auch die­se Leu­te nur das neu ver­knüpft ha­ben, was das da­ma­li­ge Wis­sen der Zeit war.
    Wenn ich ei­nen der Bei­trä­ge heu­te brin­gen wür­de, wä­re er noch im­mer vi­sio­när. Ich könn­te mich be­ju­beln las­sen, weil die all­ge­mei­ne Hal­tung, dass nur das Mo­der­ne zählt, ver­hin­dert, dass ir­gend­je­mand mein Pla­gi­at ent­decken wür­de. Hier gibt es näm­lich auch kei­ne Quel­len im In­ter­net.
    Doch in Wirk­lich­keit geht es doch nur um die sinn­vol­le Zu­sam­men­fü­gung von Ge­dan­ken, die be­reits an­de­re hat­ten, und de­ren An­glei­chung an heu­ti­ge Er­geb­nis­se.
    Ich zie­he al­so die Kon­zep­ti­on ei­ner ste­ti­gen, ab­lei­ten­den Wei­ter­ent­wick­lung in den Köp­fen ei­ni­ger Mensch­heits­ver­tre­ter der idea­li­sie­ren­den An­be­tung ei­ner nicht durch­schau­ba­ren Krea­ti­vi­tät vor.

  34. Hm. Ist denn ein Schrift­stel­ler nicht (un­ter Um­stän­den) »krea­tiv«, ob­wohl (oder weil?) er doch »nur« die schon vor­han­de­nen Wör­ter (oder – um es auf die Spit­ze zu trei­ben – Buch­sta­ben) neu ord­net? Ist Krea­ti­vi­tät nicht mehr als das?

  35. @steppenhund
    al­so dass krea­ti­vi­tät aus ver­knüp­fungs­pro­zes­sen be­steht wür­de ich so­weit auch sa­gen, es sei denn man iso­liert et­was ( z.b. ei­nen – wo­mög­lich ru­di­men­tä­ren – ge­dan­ken­gang ) und baut dies(en) aus
    ( was al­ler­dings wohl auch nur über ver­knüp­fungs­vor­gän­ge ge­sche­hen kann ). wie aus krea­ti­ven ak­ten ver­bind­lich­kei­ten ent­wach­sen wä­re wohl die fra­ge – und da kom­me ich zu dem aspekt der nütz­lich­keit ( der nutz­bar­mach­keit ) von aus krea­ti­vi­tät ent­stan­de­nem ( ma­te­ri­al,
    zeug, o.ä. ). oh­ne letzt­li­che ei­ni­gun­gen von sub­jek­ten hier­über wä­re für mei­ne be­grif­fe et­was sinn­los. ob das die kunst ge­ne­rell an­be­trä­fe, wä­re ich vor­sich­tig. ich kann mir noch vor­stel­len dass man z.b. ein bild malt, wel­ches kei­nem ge­fällt und sich trotz­dem bis an sein le­bens­en­de an je­nem er­freu­en kann. al­ler­dings kann ich mir kaum vor­stel­len dass je­der mensch in der la­ge wä­re, ( je­weils ) ein bild zu ma­len was dann kei­nem ge­fällt.

    p.s. sor­ry dass ich mich hier noch ( wohl et­was lin­kisch ) ran­hän­ge – al­so ir­gend­wie reicht mei­ne (formulierungs)kompetenz kaum für die­ses blog – bin ei­gent­lich nur le­ser.

  36. @wavefeather
    al­ler­dings kann ich mir kaum vor­stel­len dass je­der mensch in der la­ge wä­re, ( je­weils ) ein bild zu ma­len was dann kei­nem ge­fällt.
    -
    Das hal­te ich für ei­nen sehr ge­schick­ten Denk­an­satz, den ich ei­gent­lich als Un­ter­stüt­zung mei­ner The­se ver­wer­ten könn­te.
    Al­ler­dings muss ich über die da­mit ver­bun­de­nen Im­pli­ka­tio­nen auch erst nach­den­ken.

  37. frag­te mich eben noch ob man plan­mä­ssig ein bild ma­len könn­te wel­ches kei­nem ge­fällt. kom­me vor­erst zu dem schluss, dass das viel­leicht in rich­tung mi­nia­tur­for­mat gin­ge ( wo man mit der lu­pe ran­ge­hen müss­te und dar­auf­hin ent­setz­li­ches wahr­näh­me ).
    viel­leicht im­pli­zier­te das dann aber schon ei­ne vor­freu­de dar­über, et­was ge­schaf­fen ha­ben zu wol­len was wirk­lich kei­nem ge­fällt.
    ( wenn ich es mir ge­nau­er durch den kopf ge­hen las­se, wird es wohl im­mer je­man­den ge­ben der sich selbst über ent­setz­li­ches im mi­kro­for­mat freu­en kann ) na­ja – al­so so­weit halt rich­tung kunst spe­ku­liert – und nicht ei­ne krea­ti­vi­tät im all­ge­mei­nen an­vi­siert ha­bend.
    an­son­sten kön­nen sie si­cher­lich den von mei­nem post iso­lier­ten ge­dan­ken­zug so­wohl für ei­ne fa­vo­ri­sie­rung ei­ner eli­tä­ren aus­le­gung des be­grif­fes krea­ti­vi­tät ver­wen­den als auch für ei­ne ei­ner ver­all­ge­mei­nern­den je­nes wür­de ich mal so ver­mu­ten.

  38. Es gibt Pro­gram­me, da gibst Du nur mehr Per­so­nen, Haupt­su­jet und An­zahl Wor­te ein und es kommt et­was vom For­mat ei­nes Ba­stei-Lüb­ke-For­mats her­aus.
    Ob die Din­ger auch schon kom­mer­zi­ell ver­wer­tet wer­den, weiß ich nicht. Und ich glau­be, mo­men­tan geht es nur auf eng­lisch. Al­ler­dings ist es schon Jah­re her, seit ich die letz­te In­for­ma­ti­on dar­über er­hal­ten ha­be. Die war aber glaub­haft.

    Und dann gibt es ja hier auf Two­day
    auch die zu­falls­ar­ti­ge Zu­sam­men­fas­sung:)

  39. Viel­leicht ist der sprin­gen­de Punkt in der Krea­ti­vi­täts­fra­ge die Ziel­set­zung.
    Sich Zie­le zu set­zen, an die vor­her noch kei­ner ge­dacht hat, wä­re viel­leicht der »krea­ti­ve« (schöp­fe­ri­sche) Akt. Aber dann wie­der­ho­le ich mei­ne Sta­ti­stik von wei­ter oben. Denn ich be­zweif­le, dass je­mand der re­gel­mä­ßig Fern­se­hen und die da­mit ver­bun­de­ne Wer­bung ge­nießt, noch zu ei­ner ei­ge­nen Ziel­set­zung fä­hig ist.
    Wenn das der Fall wä­re, dann wä­re die Wie­ner In­nen­stadt nicht zu 25% von SUVs ver­parkt. Die sind das Re­sul­tat von ein­ge­re­de­ten Zie­len und ei­nem un­heim­li­chen Min­der­wer­tig­keits­kom­plex der be­trof­fe­nen Fah­rer!

    Hi­hihi. Ich freue mich schon auf die Re­ak­tio­nen de­rer, die ich mit dem letz­ten Satz be­lei­digt ha­be:)

    Nach­trag: und dann las­sen sich na­tür­lich auch Ur­laubs­fahr­ten in die Ka­ri­bik und die Sa­fa­ris nach Afri­ka un­ter die glei­che Ru­brik rei­hen. Und wenn un­se­re deut­schen Tou­ri­sten nach Öster­reich Ski­fah­ren kom­men, rei­hen sie sich gleich in die glei­che Schar ein. Oder was soll­ten eng­lisch spre­chen­de Flach­in­sel­be­woh­ner in Land Salz­burg zu su­chen ha­ben, die nie Ski­fah­ren an­ders als im Fern­se­hen er­fah­ren ha­ben, zu su­chen ha­ben.

  40. @Gregor Keu­sch­nig
    auch der »nur-le­ser« soll­te zu­min­dest ein in­ter­es­se an wort­be­deu­tungs­fä­hig­keit mit­ge­nom­men ha­ben, 4 su­re ;)

  41. @steppenhund
    ich kann mir nicht vor­stel­len dass es zie­le gibt, die kei­ner vor­her hat­te
    es sei denn das wä­ren ziel­set­zun­gen wel­che sich auf rei­ne dif­fe­ren­zen im de­tail be­rie­fen.
    an­son­sten könn­te ich jetzt viel­leicht end­lich mal da­vid lynch fil­me im an­satz wo­mög­lich be­grei­fen ( de­rer ent­ste­hungs­ge­schich­te )
    computer(programm) iso­liert und mon­tiert plot­ver­satz­stücke vor und
    su­per­vi­die­ren­der ma­ster ( d, lynch ) kon­nek­tiert nach gu­sto schöp­fe­ri­scher lau­nen­haf­tig­keit ( et­was be­hä­big – schär­fel­os – dar­ge­stellt ) ;)

  42. @steppenhund
    Es gibt Pro­gram­me, da gibst Du nur mehr Per­so­nen, Haupt­su­jet und An­zahl Wor­te ein und es kommt et­was vom For­mat ei­nes Ba­stei-Lüb­ke-For­mats her­aus.
    Ach­tung, Po­le­mik: Da­für brau­che ich doch kei­ne Pro­gram­me, son­dern nur Il­lu­strier­ten­ro­man­schrei­ber.

  43. Hoff­nung Com­pu­ter
    Ich le­se ge­ra­de in Axel Roths Buch zu Clau­de Shan­non des­sen in sei­nem To­des­jahr 2001 aus­ge­spro­che­ne Hoff­nung: »[The] sym­bo­lic year 2001 [...] could mark the be­gin­ning of a pha­se-out of stu­pid, en­tro­py-in­cre­a­sing, and mi­li­tant hu­man race in fa­vor for mo­re lo­gi­cal, en­er­gy-con­ser­ving, and fri­end­ly spe­ci­es – the com­pu­ter.«

  44. biss­chen ent­täu­schend ...
    die lek­tü­re war leich­ter als ich dach­te, die sub­stanz der ge­tä­tig­ten aus­sa­gen al­ler­dings auch deut­lich ge­rin­ger, als ich sie – ei­gent­lich auf­grund des ni­veaus der hier ge­führ­ten dis­kus­si­on – er­war­te­te.
    schirr­ma­cher schreibt ja nichts grund­fal­sches, aber ich fin­de, er schreibt auch nichts be­son­ders auf­re­gen­des.
    der er­ste teil hat mich eher be­lu­stigt – ein­fach aus der even­tu­ell doch ein we­nig her­ab­las­sen­den sicht der lang­jäh­ri­gen be­rufs­er­fah­rung (vor al­lem in der edv) – und ich tue ganz si­cher nicht, was ich nicht tun will. im ge­gen­teil, ich bil­de mir im­mer noch ein, re­la­tiv ge­nau zu wis­sen, was ei­ne ma­schi­ne kann und was nicht, selbst wenn ich ga­ran­tiert nicht mehr bei je­der neu­en mo­de am neue­sten tech­ni­schen stand firm bin. so­bald ich mit min­de­stens ei­nem an­de­ren zu­sam­men­ar­bei­ten muss, ler­ne ich, dass men­schen nicht lo­gisch sind und nicht lo­gisch han­deln müs­sen, al­ler­dings er­fül­len men­schen sehr wohl er­war­tun­gen, die an sie ge­stellt wer­den, wenn sie sel­ber sinn oder ge­winn dar­in er­ken­nen kön­nen.

    ich le­be da­von, in­for­ma­tio­nen qua­si auf­zu­be­rei­ten, ein­zu­spei­sen und in ad­äqua­ter form für mei­nen be­reich wie­der zu ver­kau­fen. viel­leicht ent­spannt das die sicht auf den wert al­ler in­for­ma­tio­nen, die mir zwangs­läu­fig ent­ge­hen müs­sen. ich war auch als kind schon trau­rig, dass es mir beim be­sten wil­len nicht ge­lin­gen wird, al­le bü­cher, die es gibt, zu le­sen, und ich le­se bis heu­te – trotz al­ler ab­len­kun­gen – in sehr über­durch­schnitt­li­cher men­ge ..
    *
    auch der zwei­te teil war ganz nett zu le­sen, aber dass ein per­spek­ti­ven­wech­sel ab und zu sehr sinn­reich ist oder dass der be­ob­ach­ter sich des­sen im­mer be­wusst sein muss, dass er nicht weiß, was er nicht weiß, wa­ren jetzt für mich auch nicht ge­ra­de ganz neue ge­dan­ken.
    je län­ger ich schirr­ma­chers aus­füh­run­gen über das su­chen ge­folgt bin, de­sto mehr hat sich in mir ein an­de­rer ge­dan­ke fest­ge­setzt: wir goog­len kei­nes­falls, um ei­nen wett­be­werbs­vor­teil zu ha­ben – wir wol­len haupt­säch­lich un­ter­hal­ten wer­den und un­se­rer lan­ge­wei­le mit uns selbst zu ent­kom­men. und des­halb bin ich wie­der­um op­ti­mi­stisch – je­der, der näm­lich – statt nur zu kon­su­mie­ren- freund­li­cher­wei­se auch et­was pro­du­ziert, hat in dem au­gen­blick et­was für ihn und an­de­re sinn­stif­ten­des – egal ob auf ei­nem zet­terl oder in sei­nem blog oder von mir aus so­gar ge­twit­tert – ge­tan.

  45. @la-mamma
    Eben we­gen der pro­fes­sio­nel­len Sicht auf das, was die dum­men Blech­ki­sten kön­nen und was eben nicht fin­de ich die im Buch ge­äu­ßer­ten Be­den­ken be­züg­lich der »In­tel­li­genz« der Ma­schi­nen auch eher na­iv Die Ge­fahr se­he ich dann eher dar­in, daß eben Ot­to Nor­mal­ver­brau­cher nicht in der La­ge ist, das ent­spre­chend zu durch­leuch­ten und da­her die »künst­li­che In­tel­li­genz« in der Tat als sol­che an­zu­er­ken­nen be­reit ist...

  46. @la-mamma/virtualmono
    Dan­ke für Ih­re Ein­drücke!

    Die im Buch ge­äu­sser­ten Be­den­ken, was die »In­tel­li­genz« der Ma­schi­nen bzw. des­sen Un­durch­dring­lich­keit für den »nor­ma­len« User an­geht tre­ten nur bei dem auf, der dem Com­pu­ter ei­ne Ob­jek­ti­vi­tät un­ter­stellt. Je­der der goo­glet muss wis­sen, dass der Al­go­rith­mus, der die Rei­hen­fol­ge fest­legt, be­stimm­ten Kri­te­ri­en folgt. Schirr­ma­cher er­wähnt dies ja durch­aus, macht es aber nur an der Klick­häu­fig­keit fest, die – mei­nes Wis­sens – nur ein Teil des Ran­kings be­stimmt.

    Die Crux ist, dass der Com­pu­ter ei­ne Ob­jek­ti­vi­tät vor­täuscht, die er de­fi­ni­tiv (aus den ver­schie­dend­sten Grün­den) nicht hat. Aber das ist letzt­lich bei ei­ner Zei­tungs­re­dak­ti­on, Nach­rich­ten­agen­tur, dem Buch­händ­ler um die Ecke oder dem Arzt des Ver­trau­ens ge­nau so. Auch hier wer­den Ent­schei­dun­gen ge­trof­fen, die (1.) für den Kon­su­men­ten nicht trans­pa­rent sind und (2.) Prä­fe­ren­zen fol­gen. Auch der Buch­händ­ler hat nicht al­le Bü­cher des Au­tors X im Re­gal – son­dern nur die ak­tu­ell­sten. Die Re­dak­ti­on ei­ner Nach­rich­ten­sen­dung ge­wich­tet The­men in Se­lek­ti­ons­pro­zes­sen; die Nach­rich­ten, die es nicht in die Sen­dung ge­schafft wer­den, fal­len weg (bei Goog­le ste­hen sie viel­leicht noch auf Sei­te 5 oder 6). Die Au­toren ei­ner En­zy­klo­pä­die ent­schei­den nach ih­rem Gu­sto, wel­che Stich­wor­te be­dient wer­den und wel­che nicht; wie lang ein Ar­ti­kel aus­fällt oder wel­che Per­sön­lich­kei­ten auf­ge­nom­men wer­den. Das war nie­mals an­ders. Dass es jetzt be­fragt wird hat da­mit zu tun, dass das »Ran­king« nicht mehr in her­me­ti­schen (aka­de­mi­schen, pu­bli­zi­sti­schen) Zir­keln aus­ge­kun­gelt wird, son­dern durch die Teil­nah­me qua­si al­ler Nut­zer quan­ti­ta­tiv wie qua­li­ta­tiv neu de­fi­niert wird. Das zeigt sich bei Wi­ki­pe­dia zum Bei­spiel sehr deut­lich: Da es kei­ne Be­gren­zung der The­men mehr gibt und prak­tisch je­der teil­neh­men kann, gibt es ei­ner­seits ei­ne grö­sse­re Viel­falt, an­de­rer­seits droht je­doch un­ter Um­stän­den auch ei­ne schnel­le Mul­ti­pli­ka­ti­on fal­scher, feh­ler­haf­ter oder ten­den­ziö­ser In­for­ma­tio­nen, die dann in den Such­ma­schi­nen im­mer wei­ter ge­tra­gen wer­den. Das Re­cher­chie­ren ist durch das In­ter­net mei­nes Er­ach­tens nicht ein­fa­cher, son­dern schwie­ri­ger ge­wor­den.

    Da­her hal­te ich tat­säch­lich die so oft her­bei­zi­tier­te »Me­di­en­kom­pe­tenz« für den Schlüs­sel, wie man Fal­len und Ver­su­chun­gen wi­der­ste­hen kann. Hier lei­stet Schirr­ma­cher mei­nes Er­ach­tens so gut wie gar nichts, weil es in sei­nem Theo­rie­ge­bäu­de nicht so recht hin­ein­passt. Aber als Rat­ge­ber war es wohl auch nicht ge­dacht.

  47. Ge­fühl­te Un­krea­ti­vi­tät
    Beim Le­sen der Kom­men­tar­spal­te bin ich auch in den Dis­kus­si­onstrang zum frei­en Wil­len ge­langt und ha­be mich so in Ge­dan­ken und Dis­kus­sio­nen mit Kol­le­gen ver­strickt, dass ich noch kei­nen ge­ord­ne­ten Weg zu ant­wor­ten ge­fun­den ha­be.

    I) Als Bei­spiel viel­leicht auch das Schach­spiel bei dem das mensch­li­che Ge­hirn schon ge­schla­gen ge­ben muss­te. Wann kön­nen wir sa­gen, dass die Ma­schi­ne ei­nen ge­nia­len Zug ‘ver­steht’? Wenn sie den Va­ri­an­ten­baum ta­del­los her­un­ter­spielt? – Der Ge­dan­ke, Ma­schi­nen könn­ten den­ken, ist uns un­heim­lich, ja un­an­ge­nehm. Ein Ge­dan­ke von ei­nem mensch­li­chen, le­ben­di­gen We­sen ge­dacht, dem muss ei­ne an­der Qua­li­tät in­ne­woh­nen. Viel­leicht so ei­ne Art Hin­ter­grund­mo­tiv – wel­ches zum Bei­spiel et­was plump in der Aus­sa­ge zum Aus­druck kommt, dass die Ma­schi­nen kei­ne Feh­ler ma­chen könn­ten? War­um die­se Angst? War­um soll­te nicht auch ein ent­spre­chend kom­ple­xes neu­ro­na­les Netz­werk Be­wusst­sein ent­wickeln dür­fen? War­um soll ein Be­weis nicht von ei­nem Al­go­rith­mus ge­führt wer­den dür­fen? – Für mich ist zu nah dar­an schon beim Ir­ra­tio­na­lis­mus Zu­flucht zu su­chen, denn ir­ra­tio­nal zu sein, das würd’ die Ma­schi­ne nie zu­stan­de brin­gen. Was ist denn bei­spiels­wei­se mit:

    II) Wo bleibt die Emer­genz, wenn man sie mal brau­chen könn­te? Ist zwar schon ne ol­le Ka­mel­le, aber ich bin im­mer noch ein Fan von An­der­sons »Mo­re is dif­fe­rent« – Mo­men­tan be­grei­fe ich so die Wis­sen­schaf­ten als Teil­ra­tio­na­lis­men oder Sprach­spie­le für ei­ne ge­wis­se Kom­ple­xi­täts­stu­fe an Sy­ste­men. Die Emer­genz macht neue Be­schrei­bun­gen und Be­grif­fe not­wen­dig und der rich­ti­ge Ge­brauch eben je­ner ist das ‘Ver­ste­hen’ der ent­spre­chen­den Sy­stem­klas­se.

    III) Ein Kol­le­ge brach­te fol­gen­den Ge­dan­ken vor: Wenn das Ge­hirn durch ei­ne neu­ro­na­les Netz be­schrie­ben wer­den kann, so ist die­ses auf ei­ne Tu­ring-Ma­schi­ne ab­ge­bil­det wer­den kann. Da das Tu­ring­sche Hal­te­pro­blem auf ei­ner Tu­ring­ma­schi­ne nicht ge­löst wer­den kann, exi­stie­ren Pro­ble­me, die wir nicht lö­sen kön­nen. (Viel­leicht ein in­ter­es­san­te­rer Ge­dan­ke als all die fal­schen Got­tes­be­wei­se.)

    IV) Was ist mit der Um­keh­rung des Pro­blems der Ver­mensch­li­chung des Com­pu­ters? Man­che spre­chen doch schon von ih­rer »Fest­plat­te« – (ganz ab­surd fand ich es in ‘Ava­tar’, wo Tie­re und Au­ßer­ir­di­sche mit USB-Ports aus­ge­stat­tet wur­den). Wo­zu wird es füh­ren, wenn wir un­se­re ei­ge­nen Ge­dan­ken so be­grei­fen? Wird es ähn­li­che Aus­wir­kun­gen ha­ben wie die Tren­nung von Ver­stand und Ge­fühl, von be­wusst und un­be­wusst, wenn wir schließ­lich nur noch glau­ben, das Ab­ar­bei­ten ei­nes Al­go­rith­mus zu sein?

  48. argh..
    so vie­le Tipp­feh­ler, grau­en­voll. Bit­te ent­schul­di­gen Sie die­sen Murks, es war schon et­was spät (lei­der kann ich nun nicht mehr edi­tie­ren).

  49. @Phorkyas
    Vie­ler Ih­rer Fra­gen kann ich nicht be­ant­wor­ten.

    Ich spü­re bei Schirr­ma­cher ein star­kes Un­be­ha­gen dar­an, dass »sich« Ma­schi­nen mensch­li­che Ei­gen­schaf­ten an­eig­nen, die sie dann so­zu­sa­gen un­ver­wech­sel­bar ma­chen.

    Ich glau­be (aber das ist von mir nicht be­leg­bar), dass der Schach­com­pu­ter den ge­nia­len Zug nicht »ver­steht«. Er »sieht« ihn – das ist ein lo­gi­scher Pro­zess, aber er ver­mag bspw. kei­ner­lei äs­the­ti­schen Ge­nuss dar­an zu fin­den. Das macht es für mich un­in­ter­es­sant Schach­par­tien nach­zu­spie­len, in de­nen bei­de Teil­neh­mer Com­pu­ter sind. Beim Wett­kampf Mensch vs. Ma­schi­ne »be­wun­dert« man die Ma­schi­ne (das war we­nig­stens am An­fang so) und fie­bert mit dem Men­schen. Die Be­wun­de­rung für den Com­pu­ter ist aber even­tu­ell nichts an­de­res als die Be­wun­de­rung für die Pro­gram­mie­rer.

    Schirr­ma­cher greift nicht nur die Ver­mensch­li­chung des Com­pu­ters auf (die be­treibt er sel­ber), son­dern auch die Com­pu­te­ri­sie­rung des Men­schen (das Bei­spiel mit der Fest­plat­te bringt er auch). Ich se­he hier­in ein un­ter­schwel­li­ges Be­dürf­nis, der Krän­kung durch den Com­pu­ter zu ent­ge­hen, in dem man Ei­gen­schaf­ten und Be­griff­lich­kei­ten auf sich sel­ber an­wen­det.

  50. vor­bei – an der Dis­kus­si­on, die vor­bei ist
    Viel­leicht wa­ren es auch noch nicht die rich­ti­gen Fra­gen. – Aber ge­ra­de beim Schach­spiel, dach­te ich, haet­te man ein her­vor­ra­gen­des Bei­spiel da­fuer, was in an­de­ren Be­rei­chen noch pas­sie­ren wird, wenn die Al­go­rith­men bes­ser wer­den.
    Wie re­agie­ren wir dar­auf, ko­gni­tiv von der Ma­schi­ne ueber­holt zu wer­den? Na­tuer­lich hat der Pro­gram­mie­rer die In­tel­li­genz so­zu­sa­gen in das Pro­gramm ge­steckt, aber da­mit stecken ge­ra­de ja auch die Din­ge dar­in, die ein mensch­li­cher Schach­spie­ler ler­nen muss, wenn er von Tak­tik, Stra­te­gie, oder von po­si­tio­nel­len oder ma­te­ri­el­len Vor­tei­len spricht. – Ei­gent­lich hat­te ich ge­hofft Herrn step­pen­hund zur Dis­kus­si­on an­zu­re­gen.. aber wie ich ge­se­hen ha­be wur­de das The­ma bei Herrn Köpp­nick schon aus­führ­lich dis­ku­tiert. (Und ja, ir­gend­wie ha­be ich auch das Ge­fühl, dass der Com­pu­ter nix ka­piert,.. aber wie ist das dann mit neue­ren, evo­lu­tio­nä­ren Al­go­rith­men, aber da ist wohl aber­mals Herr step­pen­hund der Fach­mann)

    Was ich als mög­li­chen Kri­tik­punkt an­se­he, ist dass die Angst von der Ma­schi­ne über­holt zu wer­den ja auch nur da­durch ent­steht, den Men­schen nur noch auf ein Buen­del ko­gni­ti­ver Fae­hig­kei­ten zu re­du­zie­ren. Dass wir dann Ma­schi­nen bau­en kön­nen, die in ein­zel­nen Din­gen bes­ser sind, könn­te uns doch egal sein. Es kratzt doch auch nicht an un­se­rem Mensch­sein, dass Ma­schi­nen schnel­ler oder stär­ker sind. Nur neh­men wir die Ma­schi­nen in die­sen Be­rei­chen na­tür­li­cher­wei­se als Hilfs­werk­zeu­ge hin.. (So wie es beim Schach in den Dis­kus­sio­nen bei Herrn Köpp­nick auch schien: Für KI hat Schach nicht das ge­bracht, was man er­war­te­te, aber es hat so­gar die Mensch ge­gen Mensch Par­tien in­ter­es­san­ter ge­macht.)

  51. @Phorkyas
    dass die Angst von der Ma­schi­ne über­holt zu wer­den ja auch nur da­durch ent­steht, den Men­schen nur noch auf ein Buen­del ko­gni­ti­ver Fae­hig­kei­ten zu re­du­zie­ren
    Da­mit tref­fen Sie m. E. ge­nau ins Schwar­ze. Die Angst des (ei­nes, meh­re­rer) Men­schen vor der Ma­schi­ne re­sul­tiert wohl auch dar­aus, dass der Mensch in­zwi­schen auf neu­ro­bio­lo­gi­sche und che­mi­sche Pro­zes­se re­du­ziert wird. Ich glau­be, dass hier in­zwi­schen so et­was wie die zwei­te (oder drit­te?) nar­ziss­ti­sche Krän­kung des Men­schen re­spekt. des Mensch­seins zu be­ob­ach­ten ist (nach der Sä­ku­la­ri­sie­rung und der Psy­cho­ana­ly­se).

    Der­zeit si­mu­lie­ren Com­pu­ter be­stimm­te Pro­zes­se als »Dienst­lei­stung« für den Men­schen. Die Furcht be­steht dann dar­in, dass die Si­mu­la­ti­on die­ser Pro­zes­se, die ei­gent­lich auf die Lö­sung be­stimm­ter Auf­ga­ben re­du­ziert ist (bspw. aufs Schach-Spie­len oder Lö­sen ma­the­ma­ti­scher Auf­ga­ben) (1.) nicht mehr kon­trol­lier­bar ist und (2.) im­mer mehr auch auf »zwi­schen­mensch­li­che« Ebe­nen aus­ge­wei­tet wird. Das ist auch The­ma bei Schirr­ma­cher, der zwar nicht un­mit­tel­bar ei­ne »Welt­herr­schaft der Com­pu­ter« als Schreckens­sze­na­rio aus­malt, aber doch ein Ent­glei­ten be­fürch­tet. Die­se Furcht hal­te ich für ei­ne vor­weg­ge­nom­me­ne Ka­pi­tu­la­ti­on und so­gar für ge­fähr­lich. Das wä­re in et­wa so, als wür­de je­mand, der Lö­wen für den Zir­kus dres­siert, Angst da­vor ha­ben, dass die Lö­wen ihn in der Ma­ne­ge ir­gend­wann zer­flei­schen. Ist ihm näm­lich die­se Angst an­zu­mer­ken, wer­den die Lö­wen ihn ir­gend­wann nicht mehr als Füh­rungs­per­sön­lich­keit wahr­neh­men und sei­ne Au­to­ri­tät an­grei­fen.

    Na­tür­lich be­sitzt ein Com­pu­ter die­se Em­pa­thie, die­ses »Ge­fühl« nicht. Da­her ist es dop­pelt wich­tig, nicht in Re­si­gna­ti­on zu ver­fal­len und auf die »mensch­li­chen« Ei­gen­schaf­ten zu re­kur­rie­ren. Die Fra­ge ist nur, wie man das macht (ich hal­te Schirr­ma­chers Weg ein biss­chen na­iv).

    Dis­kus­sio­nen sind auch im­mer schnellebi­ger ge­wor­den. Das hat nur am Ran­de mit dem In­ter­net zu tun. Ich bin schon dank­bar ge­we­sen, dass es über­haupt ei­ne solch in­ter­es­san­te Dis­kus­si­on gab; das ist näm­lich auch ziem­lioch sel­ten ge­wor­den.

  52. mar­tia­lisch
    Ih­re Lö­wen­me­ta­pher ist viel­leicht et­was mar­tia­lisch, aber es trifft, – wenn man viel­leicht, mei­ner Mei­nung nach, noch er­gänzt, dass der Lö­we nur ei­ne Kon­struk­ti­on ist, die ih­re Exi­stenz un­se­rem fe­sten Glau­ben an ihn ver­dankt. -
    Ähn­lich wie bei der Slo­ter­di­jk-De­bat­te (ja, schon wie­der): erst re­du­zie­ren wir den Men­schen auf das rein bio­lo­gi­sche und dann gru­seln wir uns da­vor, dass wir drin rum­mat­schen könn­ten.. ob­wohl un­se­re Fas­zi­na­ti­on vor die­sem Ab­grund, die­sen Dys­to­pien gar nicht mög­lich wä­re, hät­ten wir im er­sten Schritt den Men­schen nicht schon so über al­le Ma­ßen re­du­ziert oder gar er­le­digt...

    (Auf der an­de­ren Sei­te, tä­te uns Men­schen manch­mal auch ein biss­chen De­mut gut.. wo ich jetzt den »Men­schen« so über al­le Ma­ßen hoch zu hal­ten ver­such­te..)

  53. Hun­de statt Lö­wen
    Dann ist es nicht mehr so mar­tia­lisch.

    Ich neh­me an, Sie spie­len auf Slo­ter­di­jks »Re­geln für den Men­schen­park« an. Auch hier wür­den Sie mit Ih­rer Be­mer­kung m. E. den Kern der Sa­che tref­fen: Der Bio­lo­gis­mus, der uns seit Jah­ren »ver­kauft« wird, soll letzt­lich kon­se­quenz­los blei­ben. Die­ser Spa­gat ist auf Dau­er nicht durch­zu­hal­ten.

  54. Me­ta­pher
    Ihr Me­ta­pher hät­te ich nicht an­rüh­ren sol­len; mit den Lö­wen ist es schon in Ord­nung. -
    In bei­den Fäl­len, dem Bio­lo­gis­mus und un­se­rem neue­ren »Neu­ro­lo­gis­mus« se­he ich die Wis­sen­schaft ent­stellt. Viel­leicht weil sie sich ver­kau­fen müs­sen oder wol­len, wird so groß po­saunt: Wir ha­ben be­wie­sen, dass es kei­nen frei­en Wil­len gibt, usw.
    Über die Me­di­en blei­ben dann nur noch die Pa­ro­len und ei­ne Schrumpf­form von Wis­sen­schaft üb­rig; un­ser neu­er Göt­ze. (..und ich ar­bei­te in der Wis­sen­schaft,.. aber die­se gan­ze Tech­no­lo­gie- und Fort­rschritts-Pro­pa­gan­da ist mir schon zu wie­der..)

    Müss­ten wir oder un­se­re Kin­der es nicht aus­ba­den, man könn­te dar­über la­chen: dass es die selbst her­auf­be­schwöre­nen Lö­wen, Dä­mo­nen oder Gei­ster sind,.. aber das La­chen könn­te ei­nem stecken blei­ben, wenn nur noch ei­ne Schrumpf­form üb­rig­bleibt, von »Mensch« oder auch von »Wis­sen­schaft«..

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