Pos­sen­spie­le

»Ich bin psy­chisch sta­bil«, sagt die Schrift­stel­le­rin Mi­chel­le Stein­beck in ei­nem In­ter­view mit dem Schwei­zer »Ta­ges­an­zei­ger«. Ein merk­wür­di­ges State­ment, aber es ist fast schon er­zwun­gen, da die Hil­de Ben­ja­min der deut­schen Li­te­ra­tur­kri­tik, El­ke Hei­den­reich, wie­der ein­mal ei­nen ih­rer Aus­set­zer hat­te und im letz­ten »Li­te­ra­tur­club« der Au­torin ei­ne »ernst­haf­te Stö­rung« at­te­stier­te – und dies ein­zig al­lei­ne, weil ihr, Hei­den­reich, das Buch von Stein­beck (»Mein Va­ter war ein Mann an Land und im Was­ser ein Wal­fisch«) nicht ge­fällt.

Hei­den­reich ent­wicke­le sich zu ei­ner Hy­po­thek für den »Li­te­ra­tur­club« stell­te dann auch Gui­do Kal­be­rer im »Ta­ges­an­zei­ger« fest. Die Li­ste der Hei­den­reich-Es­ka­pa­den sind längst Le­gi­on. Aus Grün­den, die nicht nach­voll­zieh­bar sind, steht und stand die Re­dak­ti­on zu ihr. Als sie mit Ste­fan Zwei­fel an­ein­an­der­ge­riet, weil sie ein fal­sches Zi­tat ver­wen­de­te, muss­te nicht sie ge­hen, son­dern Zwei­fel. Die Gran­dez­za, mit der sie neu­lich die­sen Vor­gang ver­dreh­te, muss man erst ein­mal nach­ma­chen.

All­ge­mein wur­de das State­ment von Stein­beck als be­son­nen und rich­tig be­zeich­net. Die Un­ge­heu­er­lich­keit die­ses Vor­gangs an sich ist da­bei ir­gend­wie un­ter die Rä­der ge­kommen: Müs­sen dem­nächst Schrift­stel­le­rIn­nen auf Mut­ma­ssun­gen von so­ge­nann­ten Kri­ti­kern mit ärzt­li­chen At­te­sten re­agie­ren? Wei­ter ge­spon­nen: Muss ein Kri­mi­nal­ro­man-Au­tor dem­nächst pro­phy­lak­tisch ein po­li­zei­li­ches Füh­rungs­zeug­nis vor­le­gen, das er/sie nicht sel­ber ge­mor­det hat?

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Kom­men­ta­re aus dem Wald­haus

Wer steckt hin­ter den dif­fa­mie­ren­den On­line-Kom­men­ta­ren über Ste­fan Zwei­fel nach des­sen Ab­set­zung als »Literaturclub«-Moderator?

Ins­be­son­de­re in den Schwei­zer Me­di­en wird seit ei­ni­gen Wo­che die Ent­las­sung des »Literaturclub«-Moderators Ste­fan Zwei­fel dis­ku­tiert. Die­ser war in der Sen­dung am 22.4. in ei­nen Streit mit El­ke Hei­den­reich ge­ra­ten, die ver­meint­lich aus ei­nem Buch von Mar­tin Heid­eg­ger zi­tier­te. Als Zwei­fel an­merk­te, dass die­ses Zi­tat nicht aus dem zur Dis­kus­si­on ste­hen­den Buch stammt, be­harr­te Hei­den­reich dar­auf. Die Stel­le kann man in­zwi­schen bei You­tube nach­se­hen.

Dass es sich bei Hei­den­reichs »Zi­tat« gar nicht um ein sol­ches han­delt, son­dern ei­ne frei er­fun­de­ne Schluß­fol­ge­rung, wird je­der, der je­mals auch nur ei­ne Sei­te von Heid­eg­ger ge­le­sen hat, in­tui­tiv wis­sen. Hei­den­reichs Stel­lung­nah­me hier­zu, dass sie die Satz­tei­le zu­sam­men­ge­stellt und sicht- bzw. hör­bar mit ih­rer ei­ge­nen Con­clu­sio ver­se­hen ha­ben soll, wi­der­spricht ih­rem Be­har­ren in der Sen­dung, dass es sich um ein Zi­tat han­de­le. Ent­we­der weiss die stu­dier­te Ger­ma­ni­stin Hei­den­reich nicht, was ein Zi­tat ist, oder sie hat be­wusst die Pro­vo­ka­ti­on ge­sucht.

Ste­fan Zwei­fel hat­te nach der Sen­dung dar­auf be­stan­den, dass das »Zi­tat« ge­prüft wer­de und auf die Ab­set­zung ei­ner Re­dak­teu­rin ge­drun­gen. Bei­des wur­de ab­ge­lehnt. Be­mer­kens­wert an die­ser Sa­che nun: Nicht die Zi­ta­te­fäl­sche­rin Hei­den­reich wird zur Re­chen­schaft ge­zo­gen – son­dern der Mo­de­ra­tor Ste­fan Zwei­fel wird vom Schwei­zer Fern­se­hen ab­ge­setzt. Er kön­ne, so zu­nächst das »An­ge­bot« der weit­ge­hend ge­heim blei­ben­den Re­dak­ti­on des »Li­te­ra­tur­club«, auch wei­ter­hin als Kri­ti­ker in der Run­de teil­neh­men, aber nicht als Mo­de­ra­tor.

In den Kom­men­tar­spal­ten di­ver­ser Me­di­en ging es nun hoch her. Die Ab­leh­nung der Maß­nah­men des Schwei­zer Fern­se­hens und vor al­lem des Be­tra­gens von El­ke Hei­den­reich war – aus durch­aus un­ter­schied­li­chen Grün­den – fast ein­hel­lig. Aber es gab durch­aus auch Ge­gen­stim­men. Ne­ben ei­ner recht ein­sei­ti­gen Dar­stel­lung des Sach­ver­halts im Wi­ki­pe­dia-Ar­ti­kel von Ste­fan Zwei­fel, gab es ei­ne klei­ne Kom­men­ta­r­af­fä­re in der FAZ. Un­ter ei­nem Bei­trag wa­ren zwei Kom­men­ta­re mit dem Na­men von Marc-Au­rel Flo­ros, Hei­den­reichs Le­bens­ge­fähr­te, ge­po­stet wor­den. Flo­ros hat­te durch­ge­setzt, dass die­se Kom­men­ta­re ge­löscht wur­den, da sie, wie er an­gab, nicht von ihm sei­en. Die FAZ hat die Kom­men­ta­re ent­fernt.

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Li­te­ra­tur­club, Hei­den­reich und Schät­zing

Dies­mal mehr als är­ger­lich, son­dern wi­der­lich: El­ke Hei­den­reich im »Li­te­ra­tur­club«, die im­mer noch nicht über­wun­den hat, dass sie die Sen­dung nicht mehr mo­de­riert, son­dern Ste­fan Zwei­fel. Der fragt be­reits zu Be­ginn, ob Schät­zings neu­es Buch »über­haupt Li­te­ra­tur« sei, stellt es ein biss­chen wie ei­ne Na­tur­ka­ta­stro­phe dar, es in die­ser Sen­dung be­spre­chen zu müs­sen. Ab 18:55 ...

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Lie­be Frau Hei­den­reich,

ist Ih­nen lang­wei­lig? Wie sonst soll­te man Ih­re dem »Fo­cus« ge­gen­über ge­mach­ten Äu­ße­run­gen in­ter­pre­tie­ren? Sie fin­den den Buch­markt grau­sig, nur noch »Vam­pi­re, Trol­le, El­fen, Mor­de«. Viel­leicht hät­ten Sie noch »Kat­zen« er­gän­zen kön­nen? Das ist für Sie »der Buch­markt«? Ver­wech­seln Sie das nicht mit den so­ge­nann­ten Best­sel­ler­li­sten? Wann ha­ben Sie ei­gent­lich zum letz­ten Mal ei­ne Buch­hand­lung be­tre­ten? Nein, kei­ne die­ser Ket­ten mit T oder H. Mit Buch­hand­lung mei­ne ich so­was hier. Die­se Buch­hand­lung ist mein »Buch­markt«. Nicht die Best­sel­ler­li­sten, die Sie mit dem »Buch­markt« gleich­set­zen. Aber es ist im­mer gut, ein kul­tur­pes­si­mi­sti­sches La­men­to zu pfle­gen.

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Bri­git­te Schwens-Har­rant: Li­te­ra­tur­kri­tik – Ei­ne Su­che

Brigitte Schwens-Harrant: Literaturkritik - Eine Suche
Bri­git­te Schwens-Har­rant: Li­te­ra­tur­kri­tik – Ei­ne Su­che

»Li­te­ra­tur­kri­tik – Ei­ne Su­che« ist mehr als nur ei­ne Mo­ment­auf­nah­me aus dem »Be­trieb«, der sich zu­meist in Jam­me­rei und mehr oder min­der of­fe­ner Pu­bli­kums­be­schimp­fung übt, wenn es um ihr Me­tier geht. Bri­git­te Schwens-Har­rant, selbst Li­te­ra­tur­kri­ti­ke­rin, lie­fert nicht nur ei­ne pro­fun­de, wun­der­bar un­auf­ge­reg­te Be­schrei­bung des Ist-Zu­stan­des, son­dern ent­wickelt im wei­te­ren Ver­lauf nichts Ge­rin­ge­res als ei­ne Zu­kunfts­per­spek­ti­ve für ih­re Zunft. Dies al­les in la­ko­ni­scher und prä­zi­ser Spra­che, oh­ne in das ab­schrecken­de, letzt­lich nur selbst­be­weih­räu­chern­de Ger­ma­ni­sten­sprech zu ver­fal­len, wel­ches sie be­rech­tig­ter­wei­se bei an­de­ren mo­niert.

Es gibt schö­ne Ge­las­sen­heits­mo­men­te der Au­torin, et­wa wenn sie die all­ge­mei­ne Ver­un­si­che­rung in der Bran­che mit dem Satz Ach­sel­zucken macht mun­ter kom­men­tiert. Schwens-Har­rant zeigt zwar Ver­ständ­nis für die schwie­ri­ge Si­tua­ti­on der Kri­ti­ker (nied­ri­ge Ho­no­ra­re, Spar­zwän­ge in den Zei­tun­gen, »Ge­set­ze« des Be­triebs) sieht aber kei­nen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Im Ge­gen­teil: Wäh­rend die Mit­glie­der des Li­te­ra­tur­be­trie­bes da­mit be­schäf­tigt sind, zu strei­ten, zu jam­mern oder ein­an­der an die Be­deu­tung oder Be­deu­tungs­lo­sig­keit ih­res Tuns zu er­in­nern, sind die Le­ser da­bei, sich via In­ter­net Öf­fent­lich­keit zu schaf­fen und auf ei­ge­ne Faust Li­te­ra­tur­ver­mitt­lung zu be­trei­ben. Die Fra­ge, was der Li­te­ra­tur ei­gent­lich bes­se­res pas­sie­ren kann, als auf die­se Wei­se Auf­merk­sam­keit zu be­kom­men, ist eben nicht iro­nisch ge­meint.

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Der Sprung ins Dunk­le

"Der Sprung ins Dunkle" - Karikatur von 1867
»Der Sprung ins Dunk­le« – Ka­ri­ka­tur von 1867

Als Ben­ja­min Dis­rae­li (ge­trieben von Wil­liam Glad­stone) im Jahr 1867 im soge­nannten »Re­form Act« im bri­ti­schen Un­ter­haus ei­ne Re­form durch­setz­te die ei­ne so­zia­le Öff­nung des Wahl­rechts bis weit in die Ar­bei­ter­klas­se hin­ein vor­sah (vom frei­en und all­gemeinen Wahl­recht heu­ti­ger Zeit al­ler­dings noch weit ent­fernt), war die Em­pö­rung im viktori­anischen Eng­land ins­beson­dere beim klassenbe­wussten Adel aber auch in der Pu­bli­zi­stik gross. Ein »Sprung ins Dunk­le« war noch fast die freund­lich­ste Be­schrei­bung die­ses als un­ge­heu­er­lich ein­ge­stuf­ten Vor­gangs. »Ar­bei­ter« wur­de über­setzt mit »Mas­se« – und »Mas­se« und »Pö­bel« gal­ten syn­onym. Konn­te man ernst­haft die Ge­schicke ei­nes Lan­des in die Hän­de der Mas­se ge­ben?

Das Un­be­ha­gen an der Mas­se hat die west­li­che Gei­stes­ge­schich­te bis heu­te nicht ganz ver­las­sen; es han­delt sich um ei­nen ur­alten To­pos. Der Bo­gen kann von Pla­ton über den Vor­märz bis Heid­eg­ger und Eli­as Ca­net­ti ge­spannt wer­den – un­ter­schied­li­cher könn­ten die al­le­samt der Mas­sen­kul­tur ge­gen­über skep­ti­schen bis ab­leh­nen­den Den­ker kaum sein (sieht man von den Den­kern ab, die die Mas­se in ih­rem Sin­ne for­men bzw. ma­ni­pu­lie­ren woll­ten).

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Schwin­den­de Glaub­wür­dig­keit

Am 30.10.08 stand in ei­ner Glos­se von Chri­stof Sie­mes über die Vor­gän­ge um die Sen­dung »Le­sen!« und El­ke Hei­den­reich in der ZEIT un­ter an­de­rem:

    Glaub­wür­dig­keit sei ihr Er­folgs­ge­heim­nis, hat El­ke Hei­den­reich mal stolz be­haup­tet. Wenn es ihr da­mit wirk­lich ernst war, hät­te sie mit ih­rer Li­te­ra­tur­sen­dung Le­sen! auch oh­ne das Raus­wurf-Tam­tam der letz­ten Ta­ge am 1. Ja­nu­ar 2009 auf­hö­ren müs­sen. Denn im neu­en Jahr wird aus der Mo­de­ra­to­rin die Ver­le­ge­rin El­ke Hei­den­reich; un­ter dem Dach der Ver­lags­grup­pe Ran­dom Hou­se wird sie im El­ke-Hei­den­reich-Ver­lag Bü­cher zum The­ma Mu­sik her­aus­brin­gen. Wie woll­te sie da noch un­ab­hän­gig an­de­re Bü­cher emp­feh­len?

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Cat­weaz­le beim Fern­seh­preis

In den 70er Jah­ren wur­de im deut­schen Fern­se­hen die Se­rie »Cat­weaz­le« aus­ge­strahlt. Ein Zau­be­rer – eben je­ner Cat­weaz­le – wur­de vom 11. Jahr­hun­dert in die 70er Jah­re des 20. Jahr­hun­derts »ver­setzt«. Die Ko­mik be­stand dar­in, dass er all die uns selbstver­ständlich ge­wor­de­nen Er­run­gen­schaf­ten der Tech­nik (Strom, Te­le­fon, Au­tos) an­fangs für Teu­fels­zeug hielt, ver­such­te mit Zau­ber­sprü­chen zu ban­nen und spä­ter dann zur Ma­gie er­klär­te.

Mar­cel Reich-Ra­nicki muss sich am Sams­tag bei der Ga­la zum Deut­schen Fern­seh­preis wie Cat­weaz­le ge­fühlt ha­ben. Was dort für preis­wür­dig be­fun­den wur­de, hat ihm ver­mut­lich ei­nen Kul­tur­schock grö­sse­ren Aus­ma­sses be­schert. Wie es heisst, woll­te der für sein Le­bens­werk preis­wür­dig emp­fun­de­ne Reich-Ra­nicki ir­gend­wann ein­fach ge­hen. Da­mit er nicht zu sehr lei­den muss­te, zog man sei­ne Preis­ver­ga­be vor. Der Rest ist be­kannt.

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