Der Sprung ins Dunk­le

"Der Sprung ins Dunkle" - Karikatur von 1867

»Der Sprung ins Dunk­le« – Ka­ri­ka­tur von 1867

Als Ben­ja­min Dis­rae­li (ge­trieben von Wil­liam Glad­stone) im Jahr 1867 im soge­nannten »Re­form Act« im bri­ti­schen Un­ter­haus ei­ne Re­form durch­setz­te die ei­ne so­zia­le Öff­nung des Wahl­rechts bis weit in die Ar­bei­ter­klas­se hin­ein vor­sah (vom frei­en und all­gemeinen Wahl­recht heu­ti­ger Zeit al­ler­dings noch weit ent­fernt), war die Em­pö­rung im viktori­anischen Eng­land ins­beson­dere beim klassenbe­wussten Adel aber auch in der Pu­bli­zi­stik gross. Ein »Sprung ins Dunk­le« war noch fast die freund­lich­ste Be­schrei­bung die­ses als un­ge­heu­er­lich ein­ge­stuf­ten Vor­gangs. »Ar­bei­ter« wur­de über­setzt mit »Mas­se« – und »Mas­se« und »Pö­bel« gal­ten syn­onym. Konn­te man ernst­haft die Ge­schicke ei­nes Lan­des in die Hän­de der Mas­se ge­ben?

Das Un­be­ha­gen an der Mas­se hat die west­li­che Gei­stes­ge­schich­te bis heu­te nicht ganz ver­las­sen; es han­delt sich um ei­nen ur­alten To­pos. Der Bo­gen kann von Pla­ton über den Vor­märz bis Heid­eg­ger und Eli­as Ca­net­ti ge­spannt wer­den – un­ter­schied­li­cher könn­ten die al­le­samt der Mas­sen­kul­tur ge­gen­über skep­ti­schen bis ab­leh­nen­den Den­ker kaum sein (sieht man von den Den­kern ab, die die Mas­se in ih­rem Sin­ne for­men bzw. ma­ni­pu­lie­ren woll­ten).

Hö­he­punk­te die­ser Form der Kul­tur­kri­tik sind im­mer dann zu be­ob­ach­ten, wenn sich Ver­än­de­run­gen in der Ge­sell­schaft hin zu ei­ner grö­sse­ren Par­ti­zi­pa­ti­on der Mas­sen er­ge­ben. Die Ge­schich­te hat ge­zeigt, dass es bei al­ler be­rech­tig­ten Kri­tik und durch­aus re­le­van­ten Vor­be­hal­ten ge­gen­über Mas­sen­ge­sell­schaf­ten den Kri­ti­kern meist pri­mär zu­nächst um den dro­hen­den Ver­lust der ei­ge­nen Pri­vi­le­gi­en ging. Das war na­tür­lich nie­mals Be­stand­teil ih­rer Kri­tik. Die­se äu­sser­ten sie meist mit em­pha­ti­scher Re­de gar­niert mit apo­ka­lyp­ti­scher Un­ter­gangs­rhe­to­rik und in ap­pel­la­ti­vem Ge­stus.

»Selt­sa­me Mor­gen­rö­ten«

Hat man die­ses ein biss­chen kom­pri­mier­te Bild vor Au­gen, stellt man fest, dass sich an den Grund­mu­stern die­ser Re­stau­ra­ti­ons­me­ta­pho­rik bis heu­te nicht viel ver­än­dert hat: So wird zum Bei­spiel seit Jah­ren in Deutsch­land er­bit­tert dar­über dis­ku­tiert, wie das In­ter­net un­se­re Wahr­neh­mung der Welt ver­än­dert und wel­che Fol­gen dies hat. Wie im­mer gibt es Vi­sio­nä­re, die in der Mög­lich­keit, dass je­der sei­ne Sicht der Din­ge bei­spiels­wei­se in Web­logs oder auf Web­sei­ten (fast) un­ge­hin­dert dar­stel­len, als »De­mo­kra­ti­sie­rung« der Ge­sell­schaft fei­ern. Und es gibt an­de­re, die hier­in mehr oder we­ni­ger den Un­ter­gang des Abend­lan­des se­hen.

Gre­gor Dot­zau­er ist Li­te­ra­tur­kri­ti­ker und hat vor ei­ni­gen Ta­gen den Al­fred-Kerr-Preis 2009 be­kom­men. Dass Prei­se auch im­mer et­was Se­lek­ti­ves ha­ben (man hat sich un­ter ei­ner be­stimm­ten Aus­wahl durch­set­zen kön­nen), merkt man häu­fig den Dan­kes­re­den der Preis­trä­ger an. Sie sind in ei­ne Art Zir­kel auf­ge­nom­men, las­sen an­de­re Preis­trä­ger Re­vue pas­sie­ren, schmücken sich mit ih­nen, knüp­fen an den Na­mens­ge­ber an – kurz: Preis­vergaben ha­ben et­was von mo­der­nen In­itia­ti­ons­ri­ten.

In die­sem Sin­ne fühlt sich wohl auch Dot­zau­er jetzt end­lich auf­ge­nom­men in das (vir­tu­el­le) Haus der (im wört­li­chen Sin­ne) aus­ge­zeich­ne­ten Li­te­ra­tur­kri­ti­ker. In sei­ner Re­de wid­met sich Dot­zau­er der Stel­lung der Li­te­ra­tur­kri­tik und stimmt in das rau­nen­de Par­lan­do der Bran­che ein. Die­se sieht die se­riö­se Li­te­ra­tur­kri­tik in Ge­fahr, gar am ei­nem Wen­de­punkt. Schein­bar sieht es doch so gut aus:

Denn Wo­che für Wo­che fin­den sich in un­se­ren Zei­tun­gen die le­ben­dig­sten, gründ­lich­sten und poin­tier­te­sten Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Bü­chern, die ei­nem die Not­wen­dig­keit von Li­te­ra­tur vor Au­gen füh­ren. Die Kri­tik steht al­so schein­bar blen­dend da, ih­re Ver­tre­ter sit­zen wie eh und je teils hoch zu Ross – doch rings­her­um zit­tert und wankt die jour­na­li­sti­sche Er­de. In ei­nem Land, das Dut­zen­de von her­vor­ra­gen­den Li­te­ra­tur­kri­ti­kern be­sitzt, be­we­gen wir uns in ei­ner Nacht der rei­ten­den Lei­chen, wäh­rend am Ho­ri­zont selt­sa­me Mor­gen­rö­ten auf­zie­hen.

Wer jetzt denkt, Dot­zau­er re­kur­riert auf Aus­wüch­se, die sich in den Feuil­le­tons ins­besondere je­doch in der Li­te­ra­tur­kri­tik in den Mas­sen­me­di­en im­mer mehr ab­zeich­nen, der irrt. Zwar greift er den ge­le­gent­lich prak­ti­zier­ten Ober­leh­rer­ton man­cher Kri­ti­ker an, aber schnell hat er den wah­ren Schul­di­gen aus­ge­macht, der na­tür­lich nicht in­ner­halb des Be­triebs zu su­chen ist (man be­schmutzt nicht das ei­ge­ne Nest – ins­be­son­de­re bei ei­ner Preis­ver­lei­hung), son­dern kommt na­tür­lich von au­ssen:

Im Licht der am Ho­ri­zont auf­zie­hen­den Mor­gen­rö­ten mar­schie­ren seit Jah­ren Hee­re von Ama­teur­ex­per­ten, die sich auf den Web­sites ih­rer Lieb­lings­buch­ver­sen­der über ih­re Lek­tü­re­er­leb­nis­se aus­las­sen. Sie komm­entieren in Blogs, was sie auf­ge­wühlt und was sie kalt ge­las­sen hat. Das al­les hat sei­nen Sinn für das un­ver­zicht­ba­re Fort­be­stehen ei­nes Ge­sprächs über Bü­cher, wenn­gleich es der Sub­stanz nach oft­mals Un­sinn ist. Mit der De­mo­kra­ti­sie­rung al­len Wis­sens schrei­tet je­den­falls zu­gleich die Demo­kratisierung des li­te­ra­tur­kri­ti­schen Ge­wer­bes vor­an. Es ge­schieht dies in der gan­zen Am­bi­va­lenz ei­ner Ent­wick­lung, die es der le­sen­den Ba­sis einer­seits er­mög­licht, den li­te­ra­tur­kri­ti­schen Man­da­ri­nen ein­mal die Mei­nung zu sa­gen, an­de­rer­seits in der Mas­se und Form­lo­sig­keit, mit der sie un­se­re Auf­merk­sam­keit be­an­sprucht ei­ne Ver­gleich­gül­ti­gung al­ler In­hal­te her­stellt, in der sich die mög­li­che Au­to­ri­tät schrift­li­cher Äu­ße­run­gen selbst ver­schlingt – als gä­be es, wenn nicht ob­jek­ti­ve, so doch in­ter­sub­jek­tiv gül­ti­ge Maß­stä­be für die Qua­li­tät von Tex­ten.

In Wirk­lich­keit ist al­les noch viel schlim­mer, aber wir ha­ben es nur noch nicht ge­merkt.. Die so hoch ge­lob­te deut­sche Li­te­ra­tur­kri­tik muss er­ret­tet wer­den. Dot­zau­er sieht sich als de­ren Ret­ter und ver­gleicht sich mit dem Air­bus-Pi­lo­ten, der auf dem Hud­son-Ri­ver lan­den konn­te.

Der tat­säch­lich an Li­te­ra­tur In­ter­es­sier­te ist ein »Ver­rück­ter«

Al­so nicht die markt­schreie­ri­schen Hei­den­reichs, die bü­cher­zer­rei­ssen­den Reich-Ra­nickis, die Best­sel­ler-weg­schleun­dern­den Schecks oder de­vo­ten Ra­dio­feuil­le­to­ni­sten ma­chen der Kri­tik den Gar­aus und ver­wäs­sern sie, son­dern die »Stüm­per« aus dem In­ter­net sind Schuld. Denn dass in­zwi­schen so vie­le Schrei­häl­se und Phra­sen­dre­scher un­ter­wegs sind, hat si­cher auch da­mit zu tun, dass sie sich nur so ge­gen das all­ge­mei­ne Netz­ge­mur­mel durch­set­zen zu kön­nen mei­nen. Dis­kurs­ho­heit, weiss Dot­zau­er, ist auch ei­ne Volumen­frage. Ja, klar. Wel­ches Vo­lu­men denn? Die Zei­tungs­auf­la­gen im Ver­gleich zu den Klicks von Li­te­ra­tur­blogs? Die Ver­brei­tung der Mas­sen­me­di­en (zu de­nen auch noch Zeit­ungen zäh­len) im Ver­hält­nis zu In­ter­net­pu­bli­ka­tio­nen, kann man an der ins Netz »aus­gewanderten« El­ke Hei­den­reich se­hen. Herr Dot­zau­er, lä­cher­li­cher geht’s nim­mer.

Und wel­che Sub­stanz ist ge­meint? Et­wa die, dass die mei­sten Kri­ti­ker fast nur noch drö­ge In­halts­an­ga­ben der Bü­cher ab­lie­fern, oh­ne sie in ei­nen Kon­text zu set­zen, ge­schwei­ge denn ein li­te­ra­ri­sches Ur­teil ab­zu­ge­ben? Hin­zu kommt ja, dass es selbst bei In­halts­ga­ben oft­mals der­art gra­vie­ren­de Feh­ler gibt, dass man sich fragt, ob bzw. wie der Re­zen­sent das Buch über­haupt ge­le­sen oder nur mit ei­nem Wisch­zet­tel des Ver­lags und Stich­pro­ben Vor­lieb ge­nom­men hat. Kein Wun­der, dass die Le­ser wie wei­land in der Heim­wer­ker­be­we­gung die An­ge­le­gen­heit in­zwi­schen lie­ber sel­ber in die Hand neh­men.

War­um man so oft das Ge­fühl hat, der sich in den Vor­der­grund stel­len­de Kri­ti­ker sei nur noch der ver­län­ger­te Arm der The­sen des Au­tors – die­se Fra­ge kommt Dot­zau­er nicht in den Sinn. Frei­lich, auch wo es noch nach Drucker­schwär­ze riecht, gibt es, ver­trau­en Sie mei­ner Er­fah­rung, trü­be Tas­sen, wird hei­ter er­gänzt (und wir wis­sen na­tür­lich wo­von er re­det, denn als Le­ser hat man mit die­sen trü­ben Tas­sen ja durch­aus sei­ne Er­fah­run­gen ge­macht). Und für den Le­ser von ausländische[n] Zeit­schrif­ten ist das In­ter­net, so »Ver­­trau­en-Sie-mir-Gre­gor« was ganz Tol­les. Ver­mut­lich muss die Mehr­zahl der Zu­hö­rer Dot­zau­er tat­säch­lich ver­trau­en, denn ih­re In­ter­net­kennt­nis­se dürf­ten sich et­wa auf dem Stand der DSL-Ver­brei­tungs­ra­te ei­nes afri­ka­ni­schen Ent­wick­lungs­lan­des be­fin­den.

Kei­nen bil­li­gen Kul­tur­pes­si­mis­mus will der Red­ner ver­brei­ten – aber wir be­fin­den uns an ei­nem jour­na­li­sti­schen Wen­de­punkt. Die­sen Wen­de­punkt sieht Dot­zau­er kaum als Heraus­forderung oder gar Chan­ce, son­dern eher als Be­dro­hung. Dar­an än­dert auch sei­ne lo­ben­de Er­wäh­nung von »literaturkritik.de« nichts, denn Dot­zau­er mut­masst (ver­mut­lich kor­rekt), dass man hin­ter den ver­schlos­se­nen Tü­ren der Chef­re­dak­teu­re und Geschäfts­führer längst be­schlos­sen hat die­se Ver­rück­ten, die Li­te­ra­tur als gesell­schaft­liches Über­le­bens­mit­tel be­trach­ten lie­ber in ih­ren Ghet­tos blei­ben zu las­sen.

Si­cher: Es gibt sie noch, die Li­te­ra­tur­kri­ti­ker, von de­nen der Le­ser tat­säch­lich über das Buch er­fährt und von dem man et­was ler­nen kann. Und es gibt na­tür­lich auch un­ter Ama­teur­ex­per­ten Dep­pen und Dem­ago­gen. Aber ver­un­glimpft man des­halb so pau­schal? Und wie war das frü­her als das Le­sen von »Bü­chern« von wis­sens­dur­sti­gen Kin­dern als Teu­fels­zeug galt? Heu­te schüt­telt man den Kopf über die­sen Pa­ter­na­lis­mus und star­tet kost­spie­li­ge Le­se­kam­pa­gnen.

Kul­tur­kampf ge­gen das Web 2.0«

Am En­de sei­ner Re­de singt dass Dot­zau­er das tod­trau­ri­ge Lied vom En­de der Zei­tun­gen. Da­bei er­hebt er sich und sei­ne Kol­le­gen im­mer wei­ter in den Olymp und übt sich als Kunst- und Kul­tur­ver­tei­di­ger. Wie schön, dass man für die ei­ge­nen Ver­säum­nis­se mit ge­wohn­ter ar­ro­gan­ter At­ti­tü­de im­mer ei­nem an­de­ren die Schuld ge­ben kann.

Schein­bar funk­tio­niert die Schub­la­de des »Stüm­pers« und »Pö­bels« noch. Der selbst­ernannte Qua­li­täts­jour­na­lis­mus ret­tet sich zu­se­hends in Be­schimp­fun­gen und ein­seitigen, pau­scha­len An­grif­fen. Das Pfei­fen im Wald wird al­so lau­ter. Ste­fan Nig­ge­mei­er spricht so­gar von ei­nem »Kul­tur­kampf ge­gen das Web 2.0« und er zi­tiert den »Stern«-Redakteur Gerd Blank (der – na­tür­lich! – vom »Pö­bel« spricht) und »WamS«-Chefredakteur Tho­mas Schmid. Bei­de pran­gern nicht den teil­wei­se ekel­haf­ten Pseudo­journalismus im Zusammen­hang mit dem Amok­lauf von Win­nen­den in den gän­gi­gen Mas­sen­me­di­en an, son­dern ka­pri­zie­ren ih­re Kri­tik auf das Me­di­um In­ter­net. Ih­re Äu­sse­run­gen ha­ben ver­däch­tig viel von dem, was sie an­de­ren vor­wer­fen: Sie sind pau­schal, von we­nig Sach­kennt­nis ge­prägt und teil­wei­se ha­ne­bü­chen.

13 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Be­sten Dank
    ...für die­sen Ein­blick. Li­te­ra­tur­kri­tik ist für mich in der Re­gel das, was in den Feuil­le­tons oder eben in aus­ge­wähl­ten Blogs steht, man­chen Kri­ti­ker (w/m) schät­ze ich, manch an­de­ren nicht. Der »Li­te­ra­tur­kri­tik­be­trieb« ist mir in­des gänz­lich fremd.

    Gleich­wohl: bei der Lek­tü­re der Kri­ti­ken fragt man sich dann doch ge­le­gent­lich, ob der Kri­ti­ker sei­ne Le­ser in­for­mie­ren, viel­leicht auch er­hel­len, oder ih­nen doch eher ih­re Un­wis­sen­heit vor Au­gen füh­ren will, und un­wei­ger­lich ent­steht das Bild ei­nes eli­tä­ren, selbst­zu­frie­de­nen Zir­kels. Das von Herrn Dot­zau­er be­stä­tigt wird.

  2. Der Na­me Gre­gor Dot­zau­er war mir bis jetzt un­be­kannt,
    wahr­schein­lich da ich sel­ten den Ta­ges­spie­gel von Se­at­tle aus be­su­che.

    Was Herrn Dotzauer’s Lob der mo­men­ta­nen Deut­schen Ta­ges-Li­te­r­ar­tur­kri­tik be­trifft kann ich schlecht be­ur­tei­len, sie scheint mir bes­ser als die hie­si­ge, aber, mei­nes Er­ach­tens nach, am mie­se­sten in Blaet­tern wie Die Zeit und der F.A.Z. Ver­lass ist auf we­ni­ge Leut, au­sser dem Gre­gor Keu­sch­nig, man soll­te auf je­den Fall in sei­nen Buch­la­den ge­hen je­de Woch und rum­schmö­kern. Für mich ge­nügt ei­ne Le­se­pro­be von ein zweit Sei­ten, bei Bel­les Lett­res. Ein Ernst Ro­bert Cur­ti­us wünsch ich mir ge­nau so gern wie ei­nen Au­er­bach oder Theo­dor Ador­no oder Ge­or­gy Lu­kacs. Die Welt hat sich sehr er­wei­tert seit je­nen Zei­ten, dass Blogs Kul­tur ma­chen find ich gross­ar­tig, die Welt be­steht aus ei­nem drecki­gen Ko­me­ten Schwanz von dem aus Wal­ter Ben­ja­min auf uns zu­rück­schaut, hie and da fin­det er ei­nen Dia­man­ten, und manch­mal macht er ei­ne Schnur dar­aus. Bes­se­res faellt mir im Mo­ment da­zu nicht ein.

  3. Dot­zau­er
    hat auch frü­her für die ZEIT ge­schrie­ben (Ta­ges­spie­gel und ZEIT sind eh ver­ban­delt).

    Schlim­mer als FAZ oder ZEIT fin­de ich bspw. SPIEGEL. Teil­wei­se ist die Kri­tik an den Lai­en­kri­ti­ken na­tür­lich be­rech­tigt, aber nur weil es häss­li­che Bü­cher gibt, wür­de nie­mand pau­schal Bü­cher ver­dam­men.

  4. Kul­tur­kampf
    Ich glau­be, es gibt ein Wort, das schon al­les ver­rät: »Dis­kurs­ho­heit«.

    Letzt­lich geht es um die Angst vor der Mar­gi­na­li­sie­rung je­der tat­säch­li­chen oder an­ge­maß­ten Kom­pe­tenz durch die simp­le Zu­mu­tung der Stim­men der Vie­len. Selbst die noch bei­tra­gen kön­nen­den Ex­per­ten ver­lie­ren lang­fri­stig, weil sie das Wis­sen mit der Ver­öf­fent­li­chung, egal wo, ab­ge­ben und es ih­nen buch­stäb­lich nicht mehr ge­hört. Und dann kom­men noch die »Ver­rück­ten«, die Fans, die wirk­lich dem Ge­gen­stand ernst­haft Ge­neig­ten und neh­men ihn ein mit ih­rer Lei­den­schaft, wo­mit sie dann ent­we­der die Sach- und Fak­ten­la­gen über­wu­chern, oder sie durch un­end­lich sich ver­viel­fäl­ti­gen­de Tri­via­li­sie­rung ver­dün­nen.

    Die al­te Glei­chung Qua­li­tät vor Quan­ti­tät stimmt dann auch nicht mehr. Und was als er­stes ein­mal un­ter­geht, ist Ori­en­tie­rung und die, die sie ge­ben. Das mag schon bit­ter sein...

     

  5. Wit­zig ist ja,
    dass es die »Ver­rück­ten« im­mer gab – sie ha­ben nun aber die Mög­lich­kei­ten, sich (min­de­stens theo­re­tisch) für al­le ab­ruf­bar mit­zu­tei­len. Das führt na­tür­lich zu schreck­li­chen Ex­zes­sen, die man von sei­ten der »Ex­per­ten« na­tür­lich als re­prä­sen­ta­tiv her­an­zieht. Als stün­de »Mein Kampf« re­prä­sen­ta­tiv für das Buch.

    ich zö­ge­re im­mer noch, das ei­nen »Kul­tur­kampf« zu nen­nen, weil die Kri­ti­ker letzt­lich nur wie die Ope­la­ner an »Ihr« Un­ter­neh­men glau­ben und nicht zur Kennt­nis neh­men, dass sie ir­gend­wann wenn nicht über­flüs­sig so doch »un­wich­ti­ger« wer­den. Wo­bei nicht aus­ge­macht ist, ob es so kom­men wird.

  6. Wenn schon nicht »Kampf«, dann aber doch et­was mit Ver­lu­sten.
    Die Ge­schich­te wie Goog­le jetzt den Ur­he­bern im Nach­hin­ein er­laubt, ent­we­der sich mit ei­nem Häpp­chen Geld ab­spei­sen zu las­sen oder aus­zu­stei­gen aus et­was, das erst mal als Tat­sa­che in die Welt ge­setzt wird und für das man frü­her ge­fragt wer­den muss­te... das zeigt schon an, dass der Con­tent-Ver­ur­sa­cher zu­rück­tritt hin­ter dem Con­tent-Ver­trei­ber bzw. dass da et­was dif­fus wird.

    Die »Ver­rück­ten« sind es dann viel­leicht so­gar, die mit ih­rem sub­jek­ten Zu­spruch bzw. der ob­jek­ten Zahl (Klick-Quo­te) wie­der so et­was wie Re­le­vanz her­stel­len (oder de­ren Be­wer­tung bzw. Ver­schie­bun­gen).

    Dass aber zu­künf­tig viel­leicht »Ge­schäfts­mo­del­le« die We­ge der Kul­tur be­stim­men – soll man das kon­se­quent nen­nen (a la Öko­no­mi­sie­rung von al­lem) und sich da­mit ab­fin­den? So hat es schon et­was von ei­nem Kul­turum­bruch. Oder ist es ei­ne Kultur-»Revolution« von oben?

     

  7. Kunst, Li­te­ra­tur – das ist doch längst durch­kom­mer­zia­li­siert. Bü­cher, die nicht in be­stimm­te ak­tu­el­le Sche­ma­ta pas­sen, ha­ben kaum Chan­cen, ver­legt zu wer­den. (Eher sieht man ei­ne Frau mit Ach­sel­haa­ren im Fern­se­hen.)

    Wenn doch ein­mal, dann bei ei­nem klei­nen Ver­lag mit 1000 oder 2000 Auf­la­ge – dann be­kom­men ei­ni­ge Re­zen­sen­ten Le­se­ex­em­pla­re, die mei­stens igno­riert wer­den. In die gro­ssen Feuil­le­tons kom­men nur ei­ne be­stimm­te An­zahl von Bü­chern im Jahr; die In­no­va­tions- bzw. Ori­gi­na­li­täts­quo­te sinkt stän­dig. Es ist die­se »Macht«, auf die un­se­re Dis­kurs­füh­rer so un­gern ver­zich­ten mö­gen.

    Ich per­sön­lich glau­be, dass die Vor­be­hal­te ge­gen­über Blogs, Fo­ren und Web­sei­ten in Deutsch­land noch län­ger an­hal­ten und be­wusst kon­ser­viert wer­den kön­nen. Ein­zig in der FAZ (aus­ge­rech­net dort!) scheint man pro­gres­si­ver zu den­ken. Man bin­det den auf­müp­fi­gen Blog­ger ein und macht ihm zum Teil der Dis­kurs­spi­ra­le.

  8. ctd Dot­zau­er etc.
    Nach ei­ner sel­te­nen Nacht lan­gen und gu­ten Schlafs reich­lich aus­ge­stat­tet mit noch un­ver­dau­ten Träu­men dröhnt die Dot­zau­er Preis Re­de im­mer noch un­an­ge­nehm laut so­wie ein­tö­nig un­mo­de­liert in dem in­ne­ren Ge­hirn Ohr. Ja, stimmt schon, dass der Spie­gel sich wahr­lich ver­schlech­tert hat, so auch Dot­zau­er, seit dem Ab­le­ben von Ru­dolf Aug­stein. Apro­pos Goog­le: ei­ne gro­sse über­zeu­gen­de Suc­cess Sto­ry des Ame­ri­ka­ni­schen »De­mos« in Ac­tion! Da kom­men die­se Kin­der auch her! Ei­ne Art Mas­sen Eli­tae­ris­mus!
    Tech­nisch bes­ser als al­le an­de­ren die Mo­no­po­li­sten sind oder wer­den woll­ten, MS, Ya­hoo, etc.; frei­gie­big – aber im Grund von Ver­kauf, der Cir­cula­ti­on von Wa­re le­bend! Die­sem gro­ssen Wir­bel­sturm! Ja so lan­ge man da­drin noch mit­wir­belt als klein­ster Fet­zen...

  9. Es ist ja lei­der eben­so mensch­lich wie häu­fig, daß man die Feh­ler, die man bei An­de­ren an­pran­gert bei sich nicht sieht und auch gar nicht se­hen will...
    Ich je­den­falls weiss die Viel­zahl der Mei­nun­gen im Web sehr zu schät­zen...
    Na­tür­lich ist nicht al­les se­ri­ös und vie­les sehr sub­jek­tiv...
    Aber meiss­tens kann man doch recht schnell ein­ord­nen wie glaub­wür­dig ei­ne Sei­te ist und klickt dann ge­ge­be­nen­falls eben ein­fach schnell wei­ter...
    Ge­ra­de die Mög­lich­kei­ten vie­le ver­schie­de­ne Sicht­wei­sen se­hen zu kön­nen... die hat man hier im Web um ein Viel­fa­ches mehr als in den Mas­sen­me­di­en, wo ei­nem fast im­mer nur ei­ne Mei­nung vor­ge­setzt wird... um nicht zu sa­gen vor­ge­kaut...
    Und ge­ra­de im trau­ri­gen Fall von Win­nen­den wur­de hier in ei­nem two­day-Blog schon ge­sagt, daß die An­kün­di­gung des Amok­laufs nur ein Fake war, wäh­rend die... Qua­li­täts­jour­na­li­sten... noch Stun­den­lang von des­sen Echt­heit über­zeugt wa­ren...
    Schlim­mer als die Ver­su­che der Me­di­en die Mei­nungs­herr­schaft zu be­hal­ten fin­de ich al­ler­dings die Be­stre­bun­gen der Po­li­tik die Frei­heit und da­mit eben auch die Mei­nungs­frei­heit im In­ter­net im­mer mehr ein­zu­schrän­ken...
    Ich fra­ge mich in­zwi­schen erst­haft, wie lan­ge wir, bei ei­ner sich wahr­schein­lich wei­ter ver­tie­fen­den Welt­wirt­schafts­kri­se, hier noch wei­ter of­fen wer­den schrei­ben kön­nen, was wir den­ken...
    Vie­le Grü­ße
    Au­ri­sa

  10. Ich fra­ge mich in­zwi­schen erst­haft, wie lan­ge wir, bei ei­ner sich wahr­schein­lich wei­ter ver­tie­fen­den Welt­wirt­schafts­kri­se, hier noch wei­ter of­fen wer­den schrei­ben kön­nen, was wir den­ken...
    Die Sor­ge ha­be ich nicht.

  11. Der un­end­li­che Vor­teil je­des Jour­na­li­sten ge­gen­über Lai­en ist doch, dass er – zu­min­dest theo­re­tisch, es gibt si­cher auch ge­gen­tei­li­ge Ent­wick­lun­gen – Zeit für Re­cher­che, und zwar vor Ort, hat. Und das gilt auch für je­den Ex­per­ten, ob er nun Li­te­ra­tur­kri­ti­ker, oder Wis­sen­schaft­ler ist. Er wird im­mer mehr Zeit für »sei­ne The­ma­tik« auf­wen­den kön­nen. Dass man jetzt – wie oben an­ge­spro­chen – Angst da­vor hat, nicht mehr Ori­en­tie­rung ge­ben zu kön­nen, und in der Viel­stim­mig­keit un­ter­zu­ge­hen meint, hört sich nur im er­sten Mo­ment plau­si­bel an. Ei­ne Laie kann si­cher­lich or­dent­li­che Re­zen­sio­nen ver­fas­sen, auch gu­te Li­te­ra­tur­kritk (wie hier), er kann zu po­li­ti­schen The­men Stel­lung be­zie­hen, oder be­ruf­li­che Per­spek­ti­ven (al­so in ge­wis­sem Sin­ne Ex­per­ti­sen) ein­flie­ßen las­sen, aber Jour­na­li­sten ihr ur­ei­ge­nes Ge­wer­be strei­tig ma­chen? Wie denn? Doch nur dann, wenn Jour­na­li­sten sich dar­auf be­schrän­ken von Wi­ki­pe­dia ab­zu­schrei­ben, un­ter­hal­ten wol­len, oder Re­cher­che auf das Netz und Nach­rich­ten­agen­tu­ren ein­schrän­ken.

    Aber et­was sehr un­an­ge­neh­mes kön­nen Lai­en nun mehr denn je: Den her­kömm­li­chen Me­di­en auf die Fin­ger se­hen, und Irr­tü­mer auf­zei­gen. Blogs sind zu ei­nem gu­ten Teil ei­ne me­di­en­kri­ti­sche Me­ta­ebe­ne.

  12. Kon­troll­funk­ti­on
    Die­se »Kon­troll­funk­ti­on« der Lai­en ist aber (fast hät­te ich ge­schrie­ben: na­tür­lich) von den Pro­fis nicht be­son­ders ge­wünscht (was ich mensch­lich ver­ste­he). Aber man er­geht sich zu sel­ten in de­zi­dier­te Kri­tik, son­dern pau­scha­li­siert. Das ist na­tür­lich ein­fa­cher – hat aber den Nach­teil, dass sol­che ver­ba­len Rund­um­schlä­ge nicht un­be­dingt Aus­weis von Kom­pe­tenz sind.