Mara Wolf ist zu Beginn von Marlen Hobracks Roman Schrödingers Grrr 23 Jahre alt. Der Titel ist Maras Pseudonym auf Instagram; ihre Faszination zur populären Deutung des Quantenphysik-Problems »Schrödingers Katze« ist derart, dass sie schon auf der ersten Seite ihren Briefkasten zu »Schrödingers Giftbox« erklärt – mit all den Rechnungen, Mahnungen und Behördenschreiben, die real sind und zugleich irreal erscheinen, sobald der Kasten geschlossen ist. Mara Wolf ist mit 15 als Einser-Schülerin von der Schule gegangen (warum, erfährt der Leser gegen Ende) und verbringt ihren Tag mit einem merkwürdigen Kater, den sie »Psykater« nennt, in einer kleinen Wohnung in Dresden. Der Vater ist tot, ihre Mutter führt eine Art Messie-Dasein; gelegentliche Besuche der Tochter erschöpfen sich in gegenseitigem Einandervorbeireden beim Fernsehkonsum und der Feststellung des Mottenbefalls bei den Lebensmitteln der Mutter. Maras Leben ist »ein tägliches Scheitern«. Es sind Zeichen einer veritablen Alltagsdepression, die zeitweise von borderlineähnlichen Euphorien abgelöst werden. Aber die Depressionen sind das einzige, was Mara Wolf tatsächlich gehört, wie sie keck betont und daher Hilfe ablehnt.
Ihr Traum ist eine Influencerkarriere bei Instagram, aber vorerst ist sie eher selber Kundin und leidet darunter, die angesagten Makeups aus Geldmangel nicht kaufen zu können. Die billigeren Sachen klaut sie bisweilen mit einem cleveren Trick aus dem Supermarkt. Alarm ist bei ihr, wenn sie sich zu einem Termin beim Jobcenter einzufinden hat, aber Frau Kramer ist verständnisvoll und umgänglich. Besonders besorgt ist Mara um ihr Aussehen; jede Hautunreinheit stürzt sie in Reparaturarbeiten; Dehnungsfalten versetzen sie in Schrecken. Das Körpergewicht möchte sie derart regulieren, dass sie von Größe 38 auf 36 kommt; die Beckenknochen zeigen ihr irgendwann an, dass das Ziel erreicht hat und demnächst unterschreiten wird.