Die vornehmliche Haltung des aktuellen Lesers der Bücher von Ernst Jünger in der moralgetränkten (literarischen) Öffentlichkeit ist gebeugt, die Lektüre erfolgt vorzugsweise versteckt, das Reden darüber flüsternd, in stetiger Abgrenzung sowohl gegen Beschimpfungen wie auch unwillkommenen Umarmungen begriffen. In der Nische zwischen einer im Brustton der Unkenntnis vorgebrachten Ablehnungskamarilla und leidlichen, politisch motivierten Vereinnahmungen befindet sich der Jünger-Rezipient in ständiger Achtsamkeit. Wer sicher gehen will, liest lieber Remarque, Im Westen nichts Neues. Dabei erscheint es wie ein Witz, dass Remarque einst die Stahlgewitter, jene literarisierte Form der Kriegstagebücher des Leutnants Jünger aus dem Ersten Weltkrieg, als »präzise, ernst, stark und gewaltig« lobte und eine »wohltuende Sachlichkeit« herausstellte. Aber wer weiß das schon? Beziehungsweise: Wer will das wissen?
Und dann liest man plötzlich so etwas:
- »Ernst Jüngers Kriegstagebücher liefern vielleicht den besten und ehrlichsten Beweis für die Schwierigkeiten, denen das Individuum ausgesetzt ist, wenn es seine moralischen Wertvorstellungen und seinen Wahrheitsbegriff ungebrochen in einer Welt erhalten möchte, in der Wahrheit und Moral jeglichen erkennbaren Ausdruck verloren haben. Trotz des unleugbaren Einflusses, den Jüngers frühe Arbeiten auf bestimmte Mitglieder der nazistischen Intelligenz ausübten, war er vom ersten bis zum letzten Tag des Regimes ein aktiver Nazi-Gegner und bewies damit, daß der etwas altmodische Ehrbegriff, der einst im preußischen Offizierskorps geläufig war, für individuellen Widerstand völlig ausreichte.«