Über drei Analysen zur Zeit
Ein neues Gespenst geht um. Man mag es »Identitätspolitik« (Bernd Stegemann), »Wokeness« (Esther Bockwyt) oder »Moralspektakel« (Philipp Hübl) nennen. Im Kern ist es eine aus den USA herüberschwappende, sich epidemisch ausbreitende Geisteshaltung, die, zu Ende gedacht, an die Grundfesten pluralistischer Gesellschaften rüttelt. Der deutsche Duden definiert das englische Lehnwort woke als »in hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung«. Eigenschaften, die zunächst positiv besetzt sind, denn wer ist nicht für eine gerechte Welt und gegen Rassismus? Ginge es nach Verfechtern diesen Denkens, dürften die Begriffe »woke« und Wokeness gar nicht verwendet werden, denn wie schon »political correctness« soll es sich um einen rechten Kampfbegriff handeln. Das kann man als ziemlich durchsichtigen Versuch nehmen, eine dogmatisch auftretende Ideenlehre als unabweisbares Erfordernis für eine neue Welt einzuführen.
Die Publikationen, die sich mit diesem Phänomen beschäftigen, nehmen drastisch zu. Es ist nahezu unmöglich, den Überblick zu behalten. Hier sollen drei Bücher vorgestellt werden, die die Thematik versuchen, möglichst unideologisch zu erfassen, aber unterschiedliche Prioritäten setzen. Während der Philosoph Philipp Hübl in Moralspektakel einen tiefen, deskriptiven Einblick verschafft, analysiert die Psychologin Esther Bockwyt in Woke vor allem die Auswirkungen der Gender-Theorie(n) auf die physische und psychische Gesundheit Betroffener und zeigt, wie sehr dieses Denken bereits in politischen Institutionen bis hin zu Gesetzgebern eingesickert ist. Im bereits im letzten Herbst erschienenen Buch Identitätspolitik untersucht der Kultursoziologe Bernd Stegemann die Auswirkungen der von den Protagonisten verfochtenen schroffen Ablehnung des Universalismus zu Gunsten eines Werte-Relativismus und entdeckt in der Umdeutung der Werte der Aufklärung frappierende Parallelen zwischen rechten und linken Denkrichtungen.
Zunächst Philipp Hübl und sein Moralspektakel. Dies liegt nach seiner Definition dann vor, »wenn es in der moralischen Auseinandersetzung nicht um die Sache, sondern vorrangig um Selbstdarstellung geht«, also »wenn moralische Begriffe und Urteile nicht eingesetzt werden, um Probleme des Zusammenlebens zu lösen, echte Missstände zu beseitigen und für Gerechtigkeit zu sorgen, sondern in erster Linie für zwei andere soziale Funktionen: als Symbole für Status und Gruppenzugehörigkeit oder als Waffen, um Macht und Einfluss auszuüben oder sich gegen Angriffe und Druck von anderen zu verteidigen.« (Hervorhebungen im Original.)
Sichtbar wird das Moralspektakel durch »Statusspiele« in den digitalen Medien, die bisweilen zu »Statuskämpfen« eskalieren. Analysiert wird im Buch die »Einschüchterungskultur« der Moralschauspieler nebst ihrem ausgeklügelten »Reputationsmanagement«. Moralspektakel ist erst möglich, so Hübl, weil »unsere Alltagsmoral…sich fundamental von einer universellen Ethik der Menschenrechte« unterscheidet. Hübl differenziert zwischen Moralinstinkt und Vernunftinstinkt. Letzterer ist die Basis unserer moralischen Werteausrichtung. Aber Moralinstinkt bestimmt weitgehend unsere alltäglichen Handlungen. Er ist aber untauglich für »globale Gerechtigkeitsprobleme«. Wird der eigene Moralinstinkt zum Maßstab für Handlungen anderer erhoben, droht eine tribalistische Ordnung.
Hübl unterscheidet drei unterschiedliche Typen von Moralkultur. Da ist zum einen die Ehrenkultur, die weitgehend auf Autoritäten rekurriert und die sich in kollektivistischen Gesellschaften zeigt. Die Würdekultur ist durch eine möglichst große Autonomie des Individuums geprägt. Sie ist egalitär und kommt dem, was wir »westlich« nennen, am nächsten. Schließlich gibt es eine Opferkultur, die den Aspekt der Fürsorge in den Fokus ihrer moralischen Handlungen stellt. Die Empfindsamkeit Einzelner wird zur Handlungs- und Moralmaxime Aller erklärt. Vereinigen sich Peer-Gruppen aus Ehrenkulturen und Fürsorgekulturen, entsteht das, was man »woke« nennt. Wenn »Initiativen von Minderheiten…ihre Interessen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft durchsetzen« wollen, spricht man, so Hübl, von Identitätspolitik.
Auslöser sind Zustände, die als nicht mehr hinnehmbar artikuliert werden. Dabei ist die Frage, ob das Leben beispielsweise in Deutschland tatsächlich so furchtbar ist, durchaus relevant. Hübl bestreitet dies, belegt in Studien, dass Diskriminierungen rückläufig sind, die Kriminalität insgesamt sinkt, die Toleranz zugenommen hat. Vielleicht liegt hierin der Grund, dass im Prinzip Kleinigkeiten, »falsche« Wörter oder Formulierungen, eine unbedachte Geste zu einem »Wettrüsten« der Empörung führen. Auf jeden Fall muss die Empörungsmaschine immer gut geölt bleiben, um das Konto des moralischen Prestige immer hoch zu halten.
Hübl untersucht diese Moralhuberei ausgiebig und quellenreich, beschreibt, wie die sozialen Medien diese Entwicklung noch beschleunigen, in dem beispielsweise Ausschnitte von Texten oder Filmen bewusst dekontextualisiert und somit verfälschend verwendet werden. Er beschäftigt sich mit den kognitiven Dissonanzen der Protagonisten und rät den Benutzern, eine Shitstorm-Resistenz zu entwickeln und nicht bei jedem »digitalen Feuersturm« einzuknicken. Woran man diese Kampagnen erkennt, wird kenntnisreich an sechs Kriterien ausgeführt, wie beispielsweise Angriffen ad hominem, der Organisiertheit der zumeist an den Haaren herbeigeholten, bei näher Sicht eher lächerlichen »Vergehen«, das Ignorieren von Gegenbeweisen und der einzig zugelassene Reaktion: die der Unterwerfung. Nebenbei räumt er mit einem gängigen Vorurteil zur Klarnamenpflicht auf. Studien belegen, dass Postings unter Klarnamen häufig aggressiver sind als anonyme Kommentare (es geht um die Profilierung in der jeweiligen »Echokammer«).
Er findet die »Opfer-Hochstapler«, rückt den Begriff der »Cancel Culture« als »Einschüchterungskultur« zurecht, erklärt, warum »Studierende« falsches Deutsch ist und analysiert moralische Inszenierungen. Sehr instruktiv ist auch sein Blick ins »Waffenarsenal« der inzwischen bis zur Unkenntlichkeit breitgewalzten Begriffe, die zu bloßen Schlagworten erniedrigt werden. Verstand man zum Beispiel unter »Mansplaining« einst die herablassende Art von Männern gegenüber Frauen, so wird der Begriff längst strategisch eingesetzt, wenn Männer Frauen widersprechen. Auch »Community«, »Narrativ«, »Privileg« und die so beliebte »Diversität« wurden zu Gunsten des »zwischenmenschlichen Statusspiels« ausgeweitet. Hierzu gehört auch das »Trauma«, das inzwischen für jede noch so kleine Kränkung verwendet wird.
So lobenswert diese Auflistung auch ist – politische Termini wie beispielsweise »Demokratie«, »Meinungsfreiheit«, »rechts« oder gar das inzwischen rasch verwendete Attribut »Nazi«, Begriffe, die ebenfalls längst inflationär verwendet, ausgeweitet und für die jeweilige Agenda bis zum Missbrauch instrumentalisiert werden, werden von Hübl ausgespart. Dabei fällt seine eher defensive Sprache auf. Die stetige Rede vom Moralspektakel oder Statusspiel (Hervorhebung von mir) suggerieren, als handle es sich eine neckische Form von Talkshow-Unterhaltung. Nur einmal, am Ende, spricht Hübl von »Ideologie« – als er in acht Punkten die »Zukunft des Zusammenlebens« mit Verhaltensvorschlägen für ein neues, geordnetes und respektvolles Miteinander formuliert und unter anderem dafür plädiert, dass Fakten gegenüber ideologischen Annahmen anerkannt werden sollen. Die Aufforderungen zu »Universalismus statt Realismus«, »Gerechtigkeit statt Identität« und »Demokratie statt Spektakel« sind löblich, kommen aber nach der Lektüre ein bisschen überraschend. Steht es etwa schon so schlimm, fragt man sich unwillkürlich.
Im Buch findet sich eine Fülle von Material. Hübl legt Wert auf Meta-Studien, die möglichst eine große Repräsentativität ausweisen. Am Ende sind es 733 Anmerkungen (es werden ausschließlich Quellen angegeben) und eine lange Literaturliste.
Die Psychologin Esther Bockwyt zeigt in ihrem Buch Woke wie ein »in den Grundzügen nachvollziehbares und unterstützenswertes Anliegen des Minderheitenschutzes […] sich über Jahre hinweg, zunächst in den USA, mit dem Impetus einer Kulturrevolution in westlichen Gesellschaften radikalisiert« hat und welche Auswirkungen die auch in Deutschland fortschreitende politische Institutionalisierung »woken« Denkens haben könnte. Im ersten Teil wird das »Welt- und Menschenbild« der Wokeness und die Entwicklungen aus den USA, die ein Indikator für Deutschland werden könnten, beschrieben.
Den Ursprung woken Denkens sieht Bockwyt in den dekonstruktivistischen Lehrsätzen der Postmoderne, der das Paradoxon schuf, es gebe keine »absolute Wahrheit« und alles hänge »vom Standpunkt des Betrachters ab«. Dieses Dogma ist »ein radikaler Skeptizismus gegenüber jeder Realität, der alles – außer…die grundlegenden postulierten Machtverhältnisse – infrage stellt.« Demzufolge ist Realität »vor allem eine soziale Konstruktion.« Fortan kann nun jede Gruppe für sich die passende Realität bestimmen, Quotenregelungen und besondere Maßnahmen für sich einfordern.
Das Vorgehen der Aktivisten ist recht trivial. Die bisher »vorherrschenden Narrative, Diskurse und Erkenntnisse« werden »als Werkzeuge zur Unterdrückung durch Machtinhaber« erklärt, jener »weißen heteronormativen Mehrheitsgesellschaft«, die, wie es dann heißt, ihre Privilegien sichern will. Bockwyt widmet sich in ihrem Buch vor allem der Geschlechterfrage, die eine zentrale Stelle im woken Denken einnimmt (hier wird auf Judith Butler verwiesen). »Woke unterteilen die Menschheit… anhand von Identitätsmerkmalen in Gruppen und betonen deren Unterschiede. Individuen werden wenig als solche gesehen, sondern anhand ihrer Gruppenidentitäten definiert.« Ein Vorgehen, dass aus totalitären Regimen, in denen Individualismus als Bedrohung empfunden wird, bekannt ist.
Der Minderheitenstatus kursiert längst inflationär. Ob Religion, Hautfarbe, Ethnie, sexuelle Orientierung, Herkunft oder auch dass man das »zugewiesene« Geschlecht ablehnt und sich als beispielsweise »transgender, genderqueer, genderfluid, bigender, trigender, pangender [oder] agender« definiert. Jede Gruppe beansprucht, dass ihre Glaubensbekenntnisse als Basis für eine absolute Ordnung erklärt werden. Kompromisse wie auch Gegenargumente werden kategorisch abgelehnt. Es kommt nicht mehr auf den Inhalt des Gesagten, sondern auf den Sprechenden, seine gesellschaftliche Position, Ethnie oder Herkunft an. Es ist der Abschied vom Argument. Bockwyt ist hier prägnanter als Hübl.
Die Autorin zeigt an Beispielen, welche Auswirkungen ein Gesetz auf die Psyche von Menschen haben kann, wenn demnächst Minderjährige ihr Geschlecht selber bestimmen dürfen und sogar noch notwendige medizinische Eingriffe vorgenommen werden sollen. Interessant der Hinweis auf die Widersprüchlichkeit der Herangehensweise der Aktivisten: »Transgender-Personen…zeigen geradezu auf, wie bedeutsam das Geschlecht, das jetzt irrelevant werden soll, für das menschliche Identitätsempfinden ist.« Ähnlich ließe sich auch von Antirassismus-Kämpfern sagen, die gerade die Zäune neu errichten, die sie vorgeben, einzureißen.
Bockwyts Buch bietet im ersten Teil eine konzise Übersicht über die Denkgebäude woker Weltanschauungen, die definiert werden als »Synthese der Postmoderne und der marxistischen Unterdrücker/Unterdrückten-Dichotomien, die nicht mehr nur auf Klasse, sondern jetzt vorwiegend auf Rasse, Geschlecht, Sexualität und Körpermerkmale angewendet werden«. Wer glaubt, dass hier ein paar durchgeknallte Aktivisten ihre Langeweile ausleben, sollte die fortschreitende Institutionalisierung in der Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen. So soll im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz der Nachweis von Diskriminierung, zum Beispiel am Arbeitsplatz oder auch im sozialen Miteinander, erleichtert werden. Die bloße »Glaubhaftmachung« könnte dann bereits ausreichen. Was zählt ist das Gefühl, der Glaube. Nicht von ungefähr werden mehrmals Vergleiche mit religiös motivierten Sekten gezogen.
»Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat die Gender-Theorie als Fakt übernommen«, heißt es lapidar an einer Stelle. Das angesprochene Selbstbestimmungsgesetz scheint nur eine Zwischenstation zu sein. In den Lehrplänen der Schulen werden die »Gender-Theorien« zum Lernstoff. Man findet auf dem Regenbogenportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wohlwollende Informationen zu Pubertätsblockern und den Hinweis, »man könne seinen Körper mit Hormonen und OPs anpassen«, obwohl, wie Bockwyt anhand von Studien aus Großbritannien feststellt, »die chemischen Behandlungen von Trans-Personen« zunehmend kritisch in den Fokus geraten. Aber die »Berichterstattung, nicht nur in den öffentlich-rechtlichen, sondern auch in privaten Medienanstalten ist durchweg einseitig und unkritisch.« Dabei wird die Kernthese, dass Menschen »gender-neutral, jenseits des organischen Vorkommens gleich geboren« werden und nur die »die Gesellschaft … Menschen in ihre Rollen« presse, zunehmend als Tatsache angenommen.
Längst werden Wünsche laut, beispielsweise auch pädophile Menschen vor »Diskriminierung« zu schützen und ihre Neigung als normale sexuelle Lebensform zu legalisieren oder »Autismus, Legasthenie oder ADHS als natürliche Formen menschlicher Diversität« anzuerkennen. Interessant der Hinweis, dass die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen im woken Denken auf Basis der »Neurobiologisierung« erfolgt. Obwohl biologische Gegebenheiten zumeist abgelehnt werden (Stichwort: Geschlechter), wird in Bezug auf die Neurowissenschaften scheinbar eine Ausnahme gemacht.
Was erstaunt ist die Radikalität und Aggression, mit der die woken Thesen durchgesetzt werden sollen und jeder Widerspruch rasch in die Diffamierung ad hominem mündet. Auch diejenigen, die sich den Anti-Rassismus auf die Fahnen geschrieben haben und bereits hinter der Frage nach der Herkunft strukturellen Rassismus wittern, greifen rasch in die Diffamierungskiste. Das Konzept ist deutlich: Alles, was nicht der gewünschten Meinung entspricht, wird als »Hass«, »Hetze«, »queerfeindlich«, »rassistisch« gelabelt und die Personen wahlweise als »Menschenfeind«, »Nazi«, »Faschist«, »Sexist« oder auch schon mal »Müll« oder »Dreck« gebrandmarkt.
Über die Reaktionen derer, die in dieser Form angegangen werden findet sich ein Hinweis über Reaktanz. Damit wird, so Bockwyt, »eine grundlegende psychische Reaktion von Widerwillen und Ablehnung auf eingeengte oder eliminierte Freiheitsspielräume« definiert, »die in der Motivation zur Wiederherstellung dieser Räume mündet.« Weiter heißt es: »Das unermüdliche Streben nach Veränderung, nach Neuem, nach Umstürzen (Dekonstruktion) des Bestehenden« bringt »Gegenkräfte in Form des zähen Festhaltens am Gewohnten hervor – und umgekehrt«. So entsteht eine ungesunde Mischung aus Wut und Trotz auch bei den Gegnern der Wokeness, die die Spaltung der Gesellschaft noch verstärkt.
Im zweiten Teil übernimmt Bockwyt eine präzise Analyse und betont dabei, keine »Psychopathologisierung« betreiben zu wollen. Gezeigt wird, dass Wokeness »eine zutiefst demotivierende Perspektive im Leben eines Individuums forciert, immerzu fokussierend auf eine externale Quelle. Wokeness unterstützt emotionale Fragilität und überhöhten Narzissmus in allen destruktiven Formen, insbesondere die der unentkommbaren Opferrolle, eine pessimistische bis katastrophisierende Grundanspannung, verbunden mit Schwarz-Weiß-Denken und Projektion des Bösen in andere und die gesamte gesellschaftliche Struktur.« Der Wunsch, besonders zu sein, die »Demonstration moralischer Reinheit und Überlegenheit«, die häufig einher geht mit der Inflationierung als »Opfer«, wird als narzisstisch motiviert dargestellt. »Die eigene Grandiosität«, so Bockwyt, »wird zum allein gültigen Maßstab für das persönliche Handeln«; die bestehende Rechtsordnung wird abgelehnt und außer Kraft gesetzt. »Von der Weltrettung wird man irgendwann überwältigt sein«, heißt es einmal fast ein wenig seufzend (ein halber Tag in den Abgründen von »X« bestätigt den Befund).
Der Analysenweg der Autorin ist stringent; sie bemüht Sigmund Freud und Fritz Riemann (sein Buch Grundformen der Angst sei wirklich jedem empfohlen; ein Klassiker), Andreas Reckwitz, Alexander Korte, Christiane Nüsslein-Volhard und Stephan Schleim (um nur einige zu nennen). Wer eine Art Abrechnung erwartet, wird allerdings enttäuscht. Esther Bockwyt verfällt nicht in plumper Reaktion. So wird einer der Hauptkampfplätze im Diskurs um Wokeness, das »Gendern«, im Buch nur gestreift, in dem »die Wichtigkeit einfacher Sprache…bei der Darstellung von komplexeren Themen« betont wird. Die Autorin überrascht mit der These, dass »die woken Bestrebungen an sich…nicht in erster Linie eine Reaktion auf einen Rechtsrutsch« sein sollen, »den es hierzulande um das Jahr 2016 zu verzeichnen gab«. Natürlich existiert Wokeness schon länger – aber von welchem »Rechtsruck« um 2016 die Rede ist, hätte man schon gerne gewusst.
Im kurzen, letzten Kapitel widmet sich Bockwyt der kollektiven »Psychodynamik bipolarer Kräfte«. Auch sie versucht eine Kompromisshaltung zu finden, mahnt die Folgen übertriebener Selbstgeißelung an und appelliert, »nicht immerzu überhöhten, eng definierten Idealen entsprechen« zu wollen. Zum Leben gehöre es, »auch schmerzliche Realitäten anzuerkennen, statt sie umzudeuten oder abzuschaffen.« Ergänzen möchte man, dass es möglich ist, innerhalb geregelter, gesetzgebender Verfahren gesellschaftliche Zustände zu verbessern. Ein hundertprozentiges Ideal wird man indes nirgendwo finden. Bockwyt plädiert dafür, »im gesunden Ausmaß ein Streben nach mehr Gleichberechtigung« zu ermöglichen und »Ambivalenzen auszuhalten und zu balancieren«. Dies und »das psychische Anderssein der anderen zu verstehen versuchen«, sei die »wesentliche Voraussetzung für das Gelingen grundlegenden gesellschaftlichen Friedens und einer offenen, toleranten Demokratie.« Statt false, sei right Balance anzustreben, so der emphatische Weckruf im letzten Satz.
Wie es zu dieser Balance kommen soll, bleibt unklar. Zu stark scheinen die Fronten verhärtet, wie auch in Bernd Stegemann Buch Identitätspolitik sichtbar wird. Stegemann analysiert die proaktiv betriebenen Verschiebungen sich progressiv gebender Akteure, die, wie es einmal heißt, Habermas und Luhmann zu Gunsten einer simplen Gut-Böse-Dichotomie ersetzen, wobei das »Gute« einseitig postuliert wird und über jede Argumentation erhaben ist. Dies führt zu einer durch die Aufklärung eigentlich überwunden geglaubten »Absage an die Voraussetzung der Gleichheit zwischen Menschen«. Der Universalismus, Kern der Aufklärung, wird ausgehebelt.
Wie Hübl bespricht auch Stegemann das Phänomen der »Cancel Culture«, einem weithin missverstandenen Begriff. Dabei handelt es sich weniger um die Verunmöglichung einer Meinungsäußerung oder wissenschaftlichen These, als um einen Modus, in dem »private Regeln« einseitig zu allgemeinen Verhaltensmaximen deklariert werden. Es kommt einem vormodernen »Durchgriffsrecht« nahe. Widerspruch führt zur Stigmatisierung und ggf. Verdrängung aus den jeweils »eingehegten Räumen« (Universität, Kulturverbund, soziale Gruppe). Ziel ist die Säuberung der freien Rede für einen möglichst großen Raum. Auch mit den »Tautologien der Betroffenheit« und den konkurrierenden Identitäten um den je größten »Opferstatus«, der zum sukzessiven Einreißen der »Grundmauern des Universalismus und der Gleichheit« führen und die »Korrektur der Gesellschaft« zur Folge haben soll, lässt sich Stegemann aus.
Hübl beschreibt das Moralspektakel als Spiel mit Statussymbolen. Bockwyt geht weiter, stellt den Narzissmus als die treibende Kraft der Protagonisten der Wokeness heraus. Stegemann versucht, die historischen Ursachen zu analysieren. Neben Gayatri Chakravorty Spivaks Entwurf eines »strategischen Essentialismus« aus dem Jahr 1988, der vorsieht, dass »die unterdrückte Gruppe zuerst ihre eigene Identität stärken muss, um überhaupt zu einer eigenen Sprechfähigkeit zu gelangen«, macht er den »Neoliberalismus« aus, den er bereits in den 1970er Jahren wüten sieht und zitiert die amerikanische Soziologin Nancy Fraser, die von einem »progressiven Neoliberalismus« spricht, der die »soziale Frage« zu Gunsten der Identitätspolitik im politischen Diskurs verdränge. Hier zeigt sich Stegemann, der 2018/19 in Sahra Wagenknechts »Aufstehen«-Initiative kurzzeitig eine Vorstandposition innehatte, wie gehabt als Marxist. Bockwyts Synthese-Theorie erscheint hier deutlich schlüssiger.
Wo Hübl und Bockwyt an Vernunft, Einsicht und Mäßigung appellieren, ist Stegemanns Ausblick ernüchternd. Er weist darauf hin, dass Identitätspolitik nicht nur auf Dauer die Gesellschaft spaltet, sondern wichtige Politikfelder blockiert, wie etwa das politische Handeln in Bezug auf den Klimawandel. Hier werden die Protagonisten der »Letzten Generation« mit ihren kontraproduktiven Aktionen und maximalen Forderungen als Beispiel genannt. Illustrativ die Feststellung, dass Putin und auch Xi die postkolonialen Theoriegebäude für ihre antiwestlichen, imperialen Narrative verwenden. Der blinde Fleck nicht nur bei Stegemann ist die innenpolitische Infiltration durch salafistische und andere dschihadistische Strömungen, die auf dem Ticket des Antikolonialismus unterwegs sind und jede kritische Auseinandersetzung als »islamophob« framen. Hier erscheinen die Erläuterungen über Opfer- und Ehrenkulturen von Hübl fruchtbar.
Nach Lektüre der Bücher fällt es schwer, die Entwicklungen in Deutschland nur als ein vorübergehendes Phänomen einzuschätzen, zumal wenn man den Blick auf die USA richtet. Längst werden in Pflöcke in die Institutionen eingeschlagen, die auf eine sukzessive Übernahme dessen, was man je nach Sicht Moralspektakel, Wokeness oder Identitätspolitik nennt, zielen. Versucht wird eine neue, normative Grundordnung des Staates, die auf einen neuen Umgang, ein neues soziales Miteinander hindeutet. Kaum berücksichtigt wird hier der demographische Faktor, schließlich gehen bald die Anfang der 1960er Jahre geborenen, sogenannten »Boomer«, die aktuell an den akademischen, politischen und medialen Schalthebeln sitzen, in Rente. Dann stehen die Identitären sowohl von rechts (nationalistisch-völkisch) als auch links (woke) bereit. Vieles spricht dafür, dass die »linke«, sich selber progressiv nennende Seite, reüssieren wird. Bereits jetzt sind die Vernetzungen zwischen Aktivismus, Politik und Medien eng.
Es geht auch um Ressourcen‑, sprich: Geldmittelverteilung. Die deutsche »Ampel«-Bundesregierung finanziert zunehmend Vereine und Verbände, die sich formal als sogenannte Nichtregierungsorganisationen (»NGO«) bezeichnen und sich für die »Stärkung« der Demokratie, gesellschaftliche Vielfalt und die Prävention von Extremismus einsetzen. Dies soll mit einem geplanten, sogenannten »Demokratieförderungsgesetz« institutionell festgeschrieben werden. Wer jetzt finanziell bedacht wird, hat in einigen Jahren ein Gewohnheitsrecht erworben. Diese Subventionierung politischer Maßnahmen an demokratisch nicht legitimierte, private Organisationen wird, vorsichtig formuliert, kontrovers diskutiert. Gerade im Hinblick hierauf ist es relevant zu beobachten, ob demokratische Standards als Basis für die zunächst lobenswerten Ziele dienen oder ob »Retribalisierung[en]« (Stegemann) erfolgen, die elementare rechtsstaatliche Regeln zu Gunsten partikulare Interessen absolut setzen und »aus sachlichen Widersprüchen wieder Stammeskämpfe werden.«
Vieles spricht dafür, dass man in Deutschland erst am Anfang einer Entwicklung steht, die in den USA schon weiter fortgeschritten ist. Die Auseinandersetzungen an einigen deutschen Hochschulen wie auch auf der Straße nach den Ereignissen des 7. Oktober 2023 dürfte eine weitere Dimension eröffnen.
Ich glaube auch, daß die hier beschriebenen und analysierten Phänomene inzwischen massiv sind, sich in die Institutionen eingeschlichen haben und die westlichen Gesellschaftsformen zum Implodieren bringen könnten. Ein neuer – sanfter?? – Autoritarismus, ursprünglich angetreten im Namen des Antiautoritarismus, hat sich breitgemacht. Ein antirassistischer Rassismus auch, nicht nur gegen Weiße, was oft heißt: gegen sich selbst, und gegen Männer (manchmal auch: gegen sich selbst), sondern ebenso gegen Alte, gegen »Boomer« z. B., mit der lächerlichen, aber anscheind nachhaltigen Fixierung auf »Generationen«, die meistens von den Medien erfunden sind.
Dennoch scheint mir, daß die nationalistisch-populistische Strömung gefährlicher ist, nicht nur wegen derzeitiger (prognostizierter) Wahlerfolge, sondern weil sie parallel geht mit dem weltpolitischen Erstarken von Russland und China, wo diese Strömung längst an der Macht ist.
Nicht vergessen sollte werden – und zumindest an einer Stelle mißachtet das der obige Artikel -, daß der Schutz und die Achtung vor Minderheiten für Demokratien essentiell sein muß. Erst recht für Leute, die sich für Kunst und Literatur interessieren; Literatur wie die, von der wir in diesem Blog zumeist reden, ist eine Minderheit in einer Minderheit (der Leser nämlich). Ob man Menschen mit ADHS, Autisten, Legastheniker oder auch Pädophile als »Formen der Diversität« anerkennt oder einfach ihre Existenz wahrnimmt und notfalls – bei Kranken – sichert, spielt keine Rolle, das sind nur unterschiedliche Ausdrucksweisen. Natürlich müssen wir sie anderkennen, das ist für uns selbst essentiell. Etwas ganz anderes ist es, im Politischen von Mehrheitsgruppen abzusehen oder sie grundsätzlich zu bekämpfen – da beginnt dann das Problem mit dem Wokismus, oder wie immer man’s nennen will (das Wort kommt ursprünglich von den Woken selbst, jetzt paßt es ihnen nicht mehr).
Längst werden Wünsche laut, beispielsweise auch pädophile Menschen vor »Diskriminierung« zu schützen und ihre Neigung als normale sexuelle Lebensform zu legalisieren oder »Autismus, Legasthenie oder ADHS als natürliche Formen menschlicher Diversität« anzuerkennen.
Ich hielte es für fatal, woke gegen die rechte Ideologie aufzurechnen. Beide zerstören langfristig demokratische Strukturen. Ich glaube sogar, dass bestimmte Formen übergestülpten woken Denkens zu Ausschlagbewegungen in das andere extreme Lager führen. Das ist es, was mit Reaktanz gemeint ist. Wenn dann noch Leitmedien diese ideologischen Fixierungen (von der Sprache angefangen wie »Studierende«, »Forschende« bis hin zu selektiver Berichterstattung) übernehmen dann muss man sich über diese Reaktionen nicht wundern. Viel zu wenig wird in den Büchern, die ich gelesen habe, der Ansehensverlust der Medien, der 2014 begann, thematisiert.
Ich glaube nicht, dass ich mich zu wenig für Minderheitenschutz ausgesprochen habe. Der Satz, den Sie zitieren, ist selber zum Teil ein Zitat. Er zielt darauf ab, dass beispielsweise Legasthenie oder ADHS nicht therapiert werden sondern eher als Ausdruck neuer Lebensformen hingenommen werden sollen. Die Stimmen mehren sich, dies auch für Pädophilie zu fordern. Das sind sicherlich derzeit noch Extremformen »woken« Denkens, aber alles hat einmal »klein« angefangen. Im übrigen bleibe ich bei meiner Prognose, dass ähnlich wie die Homosexualität auch Pädophilie (wie immer sie auch definiert wird) irgendwann straffrei sein wird.
Hübl zitiert einen Artikel, dass eine Statistik aus Meldeämtern besagt, dass sich von ca. 70 Millionen Deutschen insgesamt rund 400 als »divers« haben eingetragen haben, also 0,0006 %. Einer Umfrage des Robert-Koch-Instituts zufolge bezeichnen sich 0,13% als »divers«. Die Diskrepanz ist klar – ein Kreuz auf einem Umfragebogen ist leichter gemacht als zum Einwohnermeldeamt zu gehen. Geht man mal von den 0,13% aus, so ist die mediale Präsenz dieser Minderheit sicherlich überrepräsentiert. (Ähnliches ließe sich zum Beispiel für Veganismus sagen.) Sicherlich muss man diese 0,13% »schützen«, d. h. ihre Empfindung respektieren. Aber das hieraus weitergehende Rechte in Bezug auf die Mehrheitsgesellschaft abgeleitet werden sollen, ist absurd.
Das Argument, dass rechte, oder wie so oft heißt: rechtspopulistische Parteien Russland oder China zugeneigt sind, stimmt. Aber es ist m. E. nur die halbe Wahrheit. Denn auch die »Internationale«, die Linke, strebt ein geostrategisches Gleichgewicht mit diesen Diktaturen an. Sie camoufliert es als »Frieden«. Russland und China haben natürlich ein vitales Interesse daran, dass man sie auf der Welt schalten und walten lässt.
Ich bin allerdings der Meinung, dass wir uns davon verabschieden sollten, unsere »Werte« missionarisch in die Welt zu tragen. Zum einen, weil diese Werte selber sehr »variabel« sind (um es freundlich auszudrücken), und oft genug wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden. Und zum anderen, weil es tatsächlich Strukturen gibt, in denen sie schlichtweg unerwünscht sind (die Liste der Erfahrungen, vulgo: Kriege, die hierfür geführt wurden, ist lang). Und inwiefern ein demokratisch defizitärer Suprastaat wie die EU hier Belehrungen vornehmen kann, ist auch noch fraglich. Schließlich, abschließend: Die EU ist einem sehr großen Maße ökonomisch von China abhängig. Zwar wird immer so getan, als benötigte China den »Markt« des Westens (EU und USA), aber nicht zuletzt in Bezug auf Rohstoffe wie Seltene Erden (aber nicht nur diese) sind wir mehr ausgeliefert, als wir uns eingestehen wollen. Hinzu kommt, dass man die Abhängigkeiten noch verstärkt, indem man Schlüsselindustrien nach Ländern wie Indien, China oder Vietnam verlagert hat.
Ich bin also was den globalen »Universalismus« angeht skeptisch, halte ihn aber für unser Gemeinwesen für notwendig. Leider wird ja ausgerechnet hier allzu gerne einem Relativismus das Wort geredet.
Nachtrag zur Literatur: Gerade im »Betrieb« treibt das woke Denken und Handeln ja längst perverse Blüten. Man braucht sich dann über so etwas nicht zu wundern. Das passiert übrigens nur, weil Literatur und Kunst vom Staat subventioniert werden. Und da regieren im Moment eben in Deutschland die Grünen mit.
Hier der Wokeismus als säkularisierter Islam (Lust an einer Orthodoxie, Unterwerfung: Soumission: ‘ein großes Schuldsystem’). Zugleich wird schon sein Ende ausgerufen. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Propheten kommen.
Danke für den Link. Ich hätte gerne gewusst, woran Brenner die Zenitüberschreitung des Wokeismus festmacht. Ich glaube nämlich, dass wir zumindest in Deutschland noch einige Pirouetten erleben werden, bevor die Tänzer ermüdet sind.
Ja, da ist wohl auch viel Wunschdenken dabei – diese Art Zyklen dauern länger. Und ihre Akteure drohen, mit ihrem Marsch durch die Institutionen, mit absehbar noch so manchem Kollateralschaden.
Aber hier wird zum Beispiel auch gerade zurück-influenzt – vielleicht schlagen sich im Kampf ‘Tribalismus gegen Partikularisierung’ irgendwann alle mit ihren eigenen Waffen?
Ich bin ja eher einfach gestrickt und muss dann immer an meine Jugendlektüre von den »Asterixinischen Kriegen« denken. Jeder kämpfte gegen jeden...
@ Gregor K.
Danke für den Link zum Artikel von Paul Jandl in der NZZ, über politisch-moralisch motivierte Entscheidungen in Literaturjurys. Was dort berichtet wird, entspricht meinen eigenen Wahrnehmungen. Oft sind es nur Vermutungen, weil der Wokismus keineswegs nach Transparenz strebt. Eher im Gegenteil: Obskurantismus.
In den vergangenen Monaten habe ich in Wien Bekanntschaft mit dem Wokismus an Schulen gemacht. Der geht von den Lehrern aus, die Schüler nehmen ihn gerne an. Hier ist mir endgültig klargeworden, daß es sich um eine Ideologie handelt. Zur Zeit der Wende, um 1989, war die Rede vom Ende der Ideologien (mit dem Ende der Geschichte). War mir damals suspekt, inzwischen ist klar, daß es eine massive Wiederkehr von Ideologien gibt, die auf einigen Glaubenssätzen beruhen. Das macht vernunftgeleitete Diskussionen schwierig, an deren Stelle treten Auseinandersetzungen zwischen entgegengesetzten Lagern. Eine schwierige, wo nicht unmögliche situationen für Leute, die differenzieren wollen und Komplexität zunächst mal anerkenn, statt auf einfache Lösungen zuzusteuern. Lange dachte ich, man solle den Vergleich mit den 20er/30er Jahren nicht überstrapazieren. Inzwischen scheint mir, daß die Dynamik tatsächlich so abläuft. Aber vielleicht hat Andreas Brenner, von Herrn Brenner zitiert, recht und der Höhepunkt des Wokismus liegt hinter uns.
Ich verstehe den ganzen Punkt bzgl. Pädophilie nicht, weder bei Hübl noch bei Ihnen. Das Ausleben pädophiler Neigungen (und nur darum kann es ja gehen, Neigungen selbst sind sowieso weder regel- noch verfolgbar) unterscheidet sich fundamental von sexuellen Orientierungen wie Homo- oder Heterosexualität darin, dass es per Definition nicht mit einwilligungsfähigen Personen vollzogen werden kann.
Wie stellen sich diejenigen, die eine Legalisierung entweder wünschen oder (wie Sie) nur prophezeien, den rechtlichen Rahmen und den Weg dorthin konkret vor?
Hübl schreibt in meiner Erinnerung über Pädophilie nichts; den Punkt berührt Bockwyt, die über die sogenannte »MAP«-Flagge, die verschiedentlich beim CSD 2022 zu sehen war, schreibt und dann erklärt:
»Der Begriff ‘minor attracted people’ wird dabei beschönigend und in täuschender Weise verwendet. Er dient als Oberbegriff für die pädophilen Sexualpräferenzen, die auch schon Säuglinge und Kleinkinder bis drei Jahre als Objekte der pathologischen Begierde beinhalten. Die Veranstalter des CSD distanzierten sich später, als der medial kaum bemerkte Skandal in Teile der Öffentlichkeit drang. Gruppierungen von Pädophilen fordern nicht erst seit gestern, dass Pädophile als sexuelle Orientierung gleichwertig neben allen anderen sexuellen Orientierungen anerkannt werden soll. Auch dem Bundestag liegt ein entsprechender Antrag vor.«
Ich stelle mir das nicht vor, hauptsächlich deshalb, weil ich es mir nicht vorstellen will.
PS: Interessant übrigens diese arte-Doku, die unter anderem zeigt, wie breit Pädophilie inzwischen in westlichen Gesellschaften verankert ist.
Fordern kann man viel. Manche fordern auch die Abschaffung des Nationalstaats. Daraus ergibt sich noch kein Weg, auf dem die Forderung auch Wirklichkeit werden kann.
Wenn Sie sagen »Im übrigen bleibe ich bei meiner Prognose, dass ähnlich wie die Homosexualität auch Pädophilie (wie immer sie auch definiert wird) irgendwann straffrei sein wird«, stützt sich das also lediglich darauf, dass irgendjemand so etwas fordert, und nicht auf eine Idee davon, warum die Prognose berechtigt sein soll?
Für die Strafffreiheit von Homosexualität genügte es, mehr oder weniger freistehende Strafgesetzartikel zu streichen und die allgemeine Handlungsfreiheit wirksam werden zu lassen. Dieser Weg steht einer Legalisierung pädophiler Handlungen nicht offen.
Für die Strafffreiheit von Homosexualität genügte es, mehr oder weniger freistehende Strafgesetzartikel zu streichen...
Theoretisch stimmt das, aber es bedarf bei solchen Akten auch immer eines gesellschaftlichen Konsenses. Der war irgendwann erreicht – und dann ging die Streichung der entsprechenden Paragraphen dem nach.
Ich verstehe Ihren Einwand, gebe jedoch zu bedenken, dass grundsätzlich jede Regelung, jedes Gesetz änderbar ist. (Selbst die »Ewigkeitsklausel« des Grundgesetzes könnte nivelliert, aufgeweicht, abgeschafft oder die entsprechend geschützten Artikel neu interpretiert werden.) Neue Gesetze ergänzen bzw. kanonisieren gesellschaftliche Entwicklungen, wie bspw. das angesprochene Selbstbestimmungsgesetz, in dem die Gender-Theorien eingearbeitet sind. Man hätte vor dreißig Jahren Leute, die behaupten, dass es mehr als zwei biologische Geschlechter gibt, ausgelacht.