Ak­ti­vis­mus und Re­ak­tanz

Über drei Ana­ly­sen zur Zeit

Ein neu­es Ge­spenst geht um. Man mag es »Iden­ti­täts­po­li­tik« (Bernd Ste­ge­mann), »Wo­ke­ness« (Esther Bock­wyt) oder »Mo­ral­spek­ta­kel« (Phil­ipp Hübl) nen­nen. Im Kern ist es ei­ne aus den USA her­über­schwap­pen­de, sich epi­de­misch aus­brei­ten­de Gei­stes­hal­tung, die, zu En­de ge­dacht, an die Grund­fe­sten plu­ra­li­sti­scher Ge­sell­schaf­ten rüt­telt. Der deut­sche Du­den de­fi­niert das eng­li­sche Lehn­wort wo­ke als »in ho­hem Maß po­li­tisch wach und en­ga­giert ge­gen (ins­be­son­de­re ras­si­sti­sche, se­xi­sti­sche, so­zia­le) Dis­kri­mi­nie­rung«. Ei­gen­schaf­ten, die zu­nächst po­si­tiv be­setzt sind, denn wer ist nicht für ei­ne ge­rech­te Welt und ge­gen Ras­sis­mus? Gin­ge es nach Ver­fech­tern die­sen Den­kens, dürf­ten die Be­grif­fe »wo­ke« und Wo­ke­ness gar nicht ver­wen­det wer­den, denn wie schon »po­li­ti­cal cor­rect­ness« soll es sich um ei­nen rech­ten Kampf­be­griff han­deln. Das kann man als ziem­lich durch­sich­ti­gen Ver­such neh­men, ei­ne dog­ma­tisch auf­tre­ten­de Ideen­leh­re als un­ab­weis­ba­res Er­for­der­nis für ei­ne neue Welt ein­zu­füh­ren.

Die Pu­bli­ka­tio­nen, die sich mit die­sem Phä­no­men be­schäf­ti­gen, neh­men dra­stisch zu. Es ist na­he­zu un­mög­lich, den Über­blick zu be­hal­ten. Hier sol­len drei Bü­cher vor­ge­stellt wer­den, die die The­ma­tik ver­su­chen, mög­lichst un­ideo­lo­gisch zu er­fas­sen, aber un­ter­schied­li­che Prio­ri­tä­ten set­zen. Wäh­rend der Phi­lo­soph Phil­ipp Hübl in Mo­ral­spek­ta­kel ei­nen tie­fen, de­skrip­ti­ven Ein­blick ver­schafft, ana­ly­siert die Psy­cho­lo­gin Esther Bock­wyt in Wo­ke vor al­lem die Aus­wir­kun­gen der Gender-Theorie(n) auf die phy­si­sche und psy­chi­sche Ge­sund­heit Be­trof­fe­ner und zeigt, wie sehr die­ses Den­ken be­reits in po­li­ti­schen In­sti­tu­tio­nen bis hin zu Ge­setz­ge­bern ein­ge­sickert ist. Im be­reits im letz­ten Herbst er­schie­ne­nen Buch Iden­ti­täts­po­li­tik un­ter­sucht der Kul­tur­so­zio­lo­ge Bernd Ste­ge­mann die Aus­wir­kun­gen der von den Prot­ago­ni­sten ver­foch­te­nen schrof­fen Ab­leh­nung des Uni­ver­sa­lis­mus zu Gun­sten ei­nes Wer­te-Re­la­ti­vis­mus und ent­deckt in der Um­deu­tung der Wer­te der Auf­klä­rung frap­pie­ren­de Par­al­le­len zwi­schen rech­ten und lin­ken Denk­rich­tun­gen.

Philipp Hübl: Moralspektakel

Phil­ipp Hübl:
Mo­ral­spek­ta­kel

Zu­nächst Phil­ipp Hübl und sein Mo­ral­spek­ta­kel. Dies liegt nach sei­ner De­fi­ni­ti­on dann vor, »wenn es in der mo­ra­li­schen Aus­ein­an­der­set­zung nicht um die Sa­che, son­dern vor­ran­gig um Selbst­dar­stel­lung geht«, al­so »wenn mo­ra­li­sche Be­grif­fe und Ur­tei­le nicht ein­ge­setzt wer­den, um Pro­ble­me des Zu­sam­men­le­bens zu lö­sen, ech­te Miss­stän­de zu be­sei­ti­gen und für Ge­rech­tig­keit zu sor­gen, son­dern in er­ster Li­nie für zwei an­de­re so­zia­le Funk­tio­nen: als Sym­bo­le für Sta­tus und Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit oder als Waf­fen, um Macht und Ein­fluss aus­zu­üben oder sich ge­gen An­grif­fe und Druck von an­de­ren zu ver­tei­di­gen.« (Her­vor­he­bun­gen im Ori­gi­nal.)

Sicht­bar wird das Mo­ral­spek­ta­kel durch »Sta­tus­spie­le« in den di­gi­ta­len Me­di­en, die bis­wei­len zu »Sta­tus­kämp­fen« es­ka­lie­ren. Ana­ly­siert wird im Buch die »Ein­schüch­te­rungs­kul­tur« der Mo­ral­schau­spie­ler nebst ih­rem aus­ge­klü­gel­ten »Re­pu­ta­ti­ons­ma­nage­ment«. Mo­ral­spek­ta­kel ist erst mög­lich, so Hübl, weil »un­se­re Alltagsmoral…sich fun­da­men­tal von ei­ner uni­ver­sel­len Ethik der Men­schen­rech­te« un­ter­schei­det. Hübl dif­fe­ren­ziert zwi­schen Mo­ral­instinkt und Ver­nunft­in­stinkt. Letz­te­rer ist die Ba­sis un­se­rer mo­ra­li­schen Wer­te­aus­rich­tung. Aber Mo­ral­instinkt be­stimmt weit­ge­hend un­se­re all­täg­li­chen Hand­lun­gen. Er ist aber un­taug­lich für »glo­ba­le Ge­rech­tig­keits­pro­ble­me«. Wird der ei­ge­ne Mo­ral­instinkt zum Maß­stab für Hand­lun­gen an­de­rer er­ho­ben, droht ei­ne tri­ba­li­sti­sche Ord­nung.

Hübl un­ter­schei­det drei un­ter­schied­li­che Ty­pen von Mo­ral­kul­tur. Da ist zum ei­nen die Eh­ren­kul­tur, die weit­ge­hend auf Au­to­ri­tä­ten re­kur­riert und die sich in kol­lek­ti­vi­sti­schen Ge­sell­schaf­ten zeigt. Die Wür­de­kul­tur ist durch ei­ne mög­lichst gro­ße Au­to­no­mie des In­di­vi­du­ums ge­prägt. Sie ist ega­li­tär und kommt dem, was wir »west­lich« nen­nen, am näch­sten. Schließ­lich gibt es ei­ne Op­fer­kul­tur, die den Aspekt der Für­sor­ge in den Fo­kus ih­rer mo­ra­li­schen Hand­lun­gen stellt. Die Emp­find­sam­keit Ein­zel­ner wird zur Hand­lungs- und Mor­al­ma­xi­me Al­ler er­klärt. Ver­ei­ni­gen sich Peer-Grup­pen aus Eh­ren­kul­tu­ren und Für­sor­ge­kul­tu­ren, ent­steht das, was man »wo­ke« nennt. Wenn »In­itia­ti­ven von Minderheiten…ihre In­ter­es­sen ge­gen­über der Mehr­heits­ge­sell­schaft durch­set­zen« wol­len, spricht man, so Hübl, von Iden­ti­täts­po­li­tik.

Aus­lö­ser sind Zu­stän­de, die als nicht mehr hin­nehm­bar ar­ti­ku­liert wer­den. Da­bei ist die Fra­ge, ob das Le­ben bei­spiels­wei­se in Deutsch­land tat­säch­lich so furcht­bar ist, durch­aus re­le­vant. Hübl be­strei­tet dies, be­legt in Stu­di­en, dass Dis­kri­mi­nie­run­gen rück­läu­fig sind, die Kri­mi­na­li­tät ins­ge­samt sinkt, die To­le­ranz zu­ge­nom­men hat. Viel­leicht liegt hier­in der Grund, dass im Prin­zip Klei­nig­kei­ten, »fal­sche« Wör­ter oder For­mu­lie­run­gen, ei­ne un­be­dach­te Ge­ste zu ei­nem »Wett­rü­sten« der Em­pö­rung füh­ren. Auf je­den Fall muss die Em­pö­rungs­ma­schi­ne im­mer gut ge­ölt blei­ben, um das Kon­to des mo­ra­li­schen Pre­sti­ge im­mer hoch zu hal­ten.

Hübl un­ter­sucht die­se Mo­ral­hu­be­rei aus­gie­big und quel­len­reich, be­schreibt, wie die so­zia­len Me­di­en die­se Ent­wick­lung noch be­schleu­ni­gen, in dem bei­spiels­wei­se Aus­schnit­te von Tex­ten oder Fil­men be­wusst de­kon­tex­tua­li­siert und so­mit ver­fäl­schend ver­wen­det wer­den. Er be­schäf­tigt sich mit den ko­gni­ti­ven Dis­so­nan­zen der Prot­ago­ni­sten und rät den Be­nut­zern, ei­ne Shits­torm-Re­si­stenz zu ent­wickeln und nicht bei je­dem »di­gi­ta­len Feu­er­sturm« ein­zu­knicken. Wor­an man die­se Kam­pa­gnen er­kennt, wird kennt­nis­reich an sechs Kri­te­ri­en aus­ge­führt, wie bei­spiels­wei­se An­grif­fen ad ho­mi­nem, der Or­ga­ni­siert­heit der zu­meist an den Haa­ren her­bei­ge­hol­ten, bei nä­her Sicht eher lä­cher­li­chen »Ver­ge­hen«, das Igno­rie­ren von Ge­gen­be­wei­sen und der ein­zig zu­ge­las­se­ne Re­ak­ti­on: die der Un­ter­wer­fung. Ne­ben­bei räumt er mit ei­nem gän­gi­gen Vor­ur­teil zur Klar­na­men­pflicht auf. Stu­di­en be­le­gen, dass Po­stings un­ter Klar­na­men häu­fig ag­gres­si­ver sind als an­ony­me Kom­men­ta­re (es geht um die Pro­fi­lie­rung in der je­wei­li­gen »Echo­kam­mer«).

Er fin­det die »Op­fer-Hoch­stap­ler«, rückt den Be­griff der »Can­cel Cul­tu­re« als »Ein­schüch­te­rungs­kul­tur« zu­recht, er­klärt, war­um »Stu­die­ren­de« fal­sches Deutsch ist und ana­ly­siert mo­ra­li­sche In­sze­nie­run­gen. Sehr in­struk­tiv ist auch sein Blick ins »Waf­fen­ar­se­nal« der in­zwi­schen bis zur Un­kennt­lich­keit breit­ge­walz­ten Be­grif­fe, die zu blo­ßen Schlag­wor­ten er­nied­rigt wer­den. Ver­stand man zum Bei­spiel un­ter »Mans­plai­ning« einst die her­ab­las­sen­de Art von Män­nern ge­gen­über Frau­en, so wird der Be­griff längst stra­te­gisch ein­ge­setzt, wenn Män­ner Frau­en wi­der­spre­chen. Auch »Com­mu­ni­ty«, »Nar­ra­tiv«, »Pri­vi­leg« und die so be­lieb­te »Di­ver­si­tät« wur­den zu Gun­sten des »zwi­schen­mensch­li­chen Sta­tus­spiels« aus­ge­wei­tet. Hier­zu ge­hört auch das »Trau­ma«, das in­zwi­schen für je­de noch so klei­ne Krän­kung ver­wen­det wird.

So lo­bens­wert die­se Auf­li­stung auch ist – po­li­ti­sche Ter­mi­ni wie bei­spiels­wei­se »De­mo­kra­tie«, »Mei­nungs­frei­heit«, »rechts« oder gar das in­zwi­schen rasch ver­wen­de­te At­tri­but »Na­zi«, Be­grif­fe, die eben­falls längst in­fla­tio­när ver­wen­det, aus­ge­wei­tet und für die je­wei­li­ge Agen­da bis zum Miss­brauch in­stru­men­ta­li­siert wer­den, wer­den von Hübl aus­ge­spart. Da­bei fällt sei­ne eher de­fen­si­ve Spra­che auf. Die ste­ti­ge Re­de vom Mo­ralspek­ta­kel oder Sta­tusspiel (Her­vor­he­bung von mir) sug­ge­rie­ren, als hand­le es sich ei­ne necki­sche Form von Talk­show-Un­ter­hal­tung. Nur ein­mal, am En­de, spricht Hübl von »Ideo­lo­gie« – als er in acht Punk­ten die »Zu­kunft des Zu­sam­men­le­bens« mit Ver­hal­tens­vor­schlä­gen für ein neu­es, ge­ord­ne­tes und re­spekt­vol­les Mit­ein­an­der for­mu­liert und un­ter an­de­rem da­für plä­diert, dass Fak­ten ge­gen­über ideo­lo­gi­schen An­nah­men an­er­kannt wer­den sol­len. Die Auf­for­de­run­gen zu »Uni­ver­sa­lis­mus statt Rea­lis­mus«, »Ge­rech­tig­keit statt Iden­ti­tät« und »De­mo­kra­tie statt Spek­ta­kel« sind löb­lich, kom­men aber nach der Lek­tü­re ein biss­chen über­ra­schend. Steht es et­wa schon so schlimm, fragt man sich un­will­kür­lich.

Im Buch fin­det sich ei­ne Fül­le von Ma­te­ri­al. Hübl legt Wert auf Me­ta-Stu­di­en, die mög­lichst ei­ne gro­ße Re­prä­sen­ta­ti­vi­tät aus­wei­sen. Am En­de sind es 733 An­mer­kun­gen (es wer­den aus­schließ­lich Quel­len an­ge­ge­ben) und ei­ne lan­ge Li­te­ra­tur­li­ste.

Esther Bockwyt: Woke

Esther Bock­wyt: Wo­ke

Die Psy­cho­lo­gin Esther Bock­wyt zeigt in ih­rem Buch Wo­ke wie ein »in den Grund­zü­gen nach­voll­zieh­ba­res und un­ter­stüt­zens­wer­tes An­lie­gen des Min­der­hei­ten­schut­zes […] sich über Jah­re hin­weg, zu­nächst in den USA, mit dem Im­pe­tus ei­ner Kul­tur­re­vo­lu­ti­on in west­li­chen Ge­sell­schaf­ten ra­di­ka­li­siert« hat und wel­che Aus­wir­kun­gen die auch in Deutsch­land fort­schrei­ten­de po­li­ti­sche In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung »wo­ken« Den­kens ha­ben könn­te. Im er­sten Teil wird das »Welt- und Men­schen­bild« der Wo­ke­ness und die Ent­wick­lun­gen aus den USA, die ein In­di­ka­tor für Deutsch­land wer­den könn­ten, be­schrie­ben.

Den Ur­sprung wo­ken Den­kens sieht Bock­wyt in den de­kon­struk­ti­vi­sti­schen Lehr­sät­zen der Post­mo­der­ne, der das Pa­ra­do­xon schuf, es ge­be kei­ne »ab­so­lu­te Wahr­heit« und al­les hän­ge »vom Stand­punkt des Be­trach­ters ab«. Die­ses Dog­ma ist »ein ra­di­ka­ler Skep­ti­zis­mus ge­gen­über je­der Rea­li­tät, der al­les – außer…die grund­le­gen­den po­stu­lier­ten Macht­ver­hält­nis­se – in­fra­ge stellt.« Dem­zu­fol­ge ist Rea­li­tät »vor al­lem ei­ne so­zia­le Kon­struk­ti­on.« Fort­an kann nun je­de Grup­pe für sich die pas­sen­de Rea­li­tät be­stim­men, Quo­ten­re­ge­lun­gen und be­son­de­re Maß­nah­men für sich ein­for­dern.

Das Vor­ge­hen der Ak­ti­vi­sten ist recht tri­vi­al. Die bis­her »vor­herr­schen­den Nar­ra­ti­ve, Dis­kur­se und Er­kennt­nis­se« wer­den »als Werk­zeu­ge zur Un­ter­drückung durch Macht­in­ha­ber« er­klärt, je­ner »wei­ßen he­te­ro­nor­ma­ti­ven Mehr­heits­ge­sell­schaft«, die, wie es dann heißt, ih­re Pri­vi­le­gi­en si­chern will. Bock­wyt wid­met sich in ih­rem Buch vor al­lem der Ge­schlech­ter­fra­ge, die ei­ne zen­tra­le Stel­le im wo­ken Den­ken ein­nimmt (hier wird auf Ju­dith But­ler ver­wie­sen). »Wo­ke un­ter­tei­len die Mensch­heit… an­hand von Iden­ti­täts­merk­ma­len in Grup­pen und be­to­nen de­ren Un­ter­schie­de. In­di­vi­du­en wer­den we­nig als sol­che ge­se­hen, son­dern an­hand ih­rer Grup­pen­iden­ti­tä­ten de­fi­niert.« Ein Vor­ge­hen, dass aus to­ta­li­tä­ren Re­gi­men, in de­nen In­di­vi­dua­lis­mus als Be­dro­hung emp­fun­den wird, be­kannt ist.

Der Min­der­hei­ten­sta­tus kur­siert längst in­fla­tio­när. Ob Re­li­gi­on, Haut­far­be, Eth­nie, se­xu­el­le Ori­en­tie­rung, Her­kunft oder auch dass man das »zu­ge­wie­se­ne« Ge­schlecht ab­lehnt und sich als bei­spiels­wei­se »trans­gen­der, gen­der­que­er, gen­der­flu­id, bi­gen­der, tri­gen­der, pan­gen­der [oder] agen­der« de­fi­niert. Je­de Grup­pe be­an­sprucht, dass ih­re Glau­bens­be­kennt­nis­se als Ba­sis für ei­ne ab­so­lu­te Ord­nung er­klärt wer­den. Kom­pro­mis­se wie auch Ge­gen­ar­gu­men­te wer­den ka­te­go­risch ab­ge­lehnt. Es kommt nicht mehr auf den In­halt des Ge­sag­ten, son­dern auf den Spre­chen­den, sei­ne ge­sell­schaft­li­che Po­si­ti­on, Eth­nie oder Her­kunft an. Es ist der Ab­schied vom Ar­gu­ment. Bock­wyt ist hier prä­gnan­ter als Hübl.

Die Au­torin zeigt an Bei­spie­len, wel­che Aus­wir­kun­gen ein Ge­setz auf die Psy­che von Men­schen ha­ben kann, wenn dem­nächst Min­der­jäh­ri­ge ihr Ge­schlecht sel­ber be­stim­men dür­fen und so­gar noch not­wen­di­ge me­di­zi­ni­sche Ein­grif­fe vor­ge­nom­men wer­den sol­len. In­ter­es­sant der Hin­weis auf die Wi­der­sprüch­lich­keit der Her­an­ge­hens­wei­se der Ak­ti­vi­sten: »Transgender-Personen…zeigen ge­ra­de­zu auf, wie be­deut­sam das Ge­schlecht, das jetzt ir­rele­vant wer­den soll, für das mensch­li­che Iden­ti­täts­emp­fin­den ist.« Ähn­lich lie­ße sich auch von An­ti­ras­sis­mus-Kämp­fern sa­gen, die ge­ra­de die Zäu­ne neu er­rich­ten, die sie vor­ge­ben, ein­zu­rei­ßen.

Bock­wyts Buch bie­tet im er­sten Teil ei­ne kon­zi­se Über­sicht über die Denk­ge­bäu­de wo­ker Welt­an­schau­un­gen, die de­fi­niert wer­den als »Syn­the­se der Post­mo­der­ne und der mar­xi­sti­schen Un­ter­drücker/­Un­ter­drück­ten-Di­cho­to­mien, die nicht mehr nur auf Klas­se, son­dern jetzt vor­wie­gend auf Ras­se, Ge­schlecht, Se­xua­li­tät und Kör­per­merk­ma­le an­ge­wen­det wer­den«. Wer glaubt, dass hier ein paar durch­ge­knall­te Ak­ti­vi­sten ih­re Lan­ge­wei­le aus­le­ben, soll­te die fort­schrei­ten­de In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung in der Öf­fent­lich­keit zur Kennt­nis neh­men. So soll im All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz der Nach­weis von Dis­kri­mi­nie­rung, zum Bei­spiel am Ar­beits­platz oder auch im so­zia­len Mit­ein­an­der, er­leich­tert wer­den. Die blo­ße »Glaub­haft­ma­chung« könn­te dann be­reits aus­rei­chen. Was zählt ist das Ge­fühl, der Glau­be. Nicht von un­ge­fähr wer­den mehr­mals Ver­glei­che mit re­li­gi­ös mo­ti­vier­ten Sek­ten ge­zo­gen.

»Die An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­stel­le des Bun­des hat die Gen­der-Theo­rie als Fakt über­nom­men«, heißt es la­pi­dar an ei­ner Stel­le. Das an­ge­spro­che­ne Selbst­be­stim­mungs­ge­setz scheint nur ei­ne Zwi­schen­sta­ti­on zu sein. In den Lehr­plä­nen der Schu­len wer­den die »Gen­der-Theo­rien« zum Lern­stoff. Man fin­det auf dem Re­gen­bo­gen­por­tal des Bun­des­mi­ni­ste­ri­ums für Fa­mi­lie, Se­nio­ren, Frau­en und Ju­gend wohl­wol­len­de In­for­ma­tio­nen zu Pu­ber­täts­blockern und den Hin­weis, »man kön­ne sei­nen Kör­per mit Hor­mo­nen und OPs an­pas­sen«, ob­wohl, wie Bock­wyt an­hand von Stu­di­en aus Groß­bri­tan­ni­en fest­stellt, »die che­mi­schen Be­hand­lun­gen von Trans-Per­so­nen« zu­neh­mend kri­tisch in den Fo­kus ge­ra­ten. Aber die »Be­richt­erstat­tung, nicht nur in den öf­fent­lich-recht­li­chen, son­dern auch in pri­va­ten Me­di­en­an­stal­ten ist durch­weg ein­sei­tig und un­kri­tisch.« Da­bei wird die Kern­the­se, dass Men­schen »gen­der-neu­tral, jen­seits des or­ga­ni­schen Vor­kom­mens gleich ge­bo­ren« wer­den und nur die »die Ge­sell­schaft … Men­schen in ih­re Rol­len« pres­se, zu­neh­mend als Tat­sa­che an­ge­nom­men.

Längst wer­den Wün­sche laut, bei­spiels­wei­se auch pä­do­phi­le Men­schen vor »Dis­kri­mi­nie­rung« zu schüt­zen und ih­re Nei­gung als nor­ma­le se­xu­el­le Le­bens­form zu le­ga­li­sie­ren oder »Au­tis­mus, Leg­asthe­nie oder ADHS als na­tür­li­che For­men mensch­li­cher Di­ver­si­tät« an­zu­er­ken­nen. In­ter­es­sant der Hin­weis, dass die Ent­stig­ma­ti­sie­rung psy­chi­scher Er­kran­kun­gen im wo­ken Den­ken auf Ba­sis der »Neu­ro­bio­lo­gi­sie­rung« er­folgt. Ob­wohl bio­lo­gi­sche Ge­ge­ben­hei­ten zu­meist ab­ge­lehnt wer­den (Stich­wort: Ge­schlech­ter), wird in Be­zug auf die Neu­ro­wis­sen­schaf­ten schein­bar ei­ne Aus­nah­me ge­macht.

Was er­staunt ist die Ra­di­ka­li­tät und Ag­gres­si­on, mit der die wo­ken The­sen durch­ge­setzt wer­den sol­len und je­der Wi­der­spruch rasch in die Dif­fa­mie­rung ad ho­mi­nem mün­det. Auch die­je­ni­gen, die sich den An­ti-Ras­sis­mus auf die Fah­nen ge­schrie­ben ha­ben und be­reits hin­ter der Fra­ge nach der Her­kunft struk­tu­rel­len Ras­sis­mus wit­tern, grei­fen rasch in die Dif­fa­mie­rungs­ki­ste. Das Kon­zept ist deut­lich: Al­les, was nicht der ge­wünsch­ten Mei­nung ent­spricht, wird als »Hass«, »Het­ze«, »que­er­feind­lich«, »ras­si­stisch« ge­la­belt und die Per­so­nen wahl­wei­se als »Men­schen­feind«, »Na­zi«, »Fa­schist«, »Se­xist« oder auch schon mal »Müll« oder »Dreck« ge­brand­markt.

Über die Re­ak­tio­nen de­rer, die in die­ser Form an­ge­gan­gen wer­den fin­det sich ein Hin­weis über Re­ak­tanz. Da­mit wird, so Bock­wyt, »ei­ne grund­le­gen­de psy­chi­sche Re­ak­ti­on von Wi­der­wil­len und Ab­leh­nung auf ein­ge­eng­te oder eli­mi­nier­te Frei­heits­spiel­räu­me« de­fi­niert, »die in der Mo­ti­va­ti­on zur Wie­der­her­stel­lung die­ser Räu­me mün­det.« Wei­ter heißt es: »Das un­er­müd­li­che Stre­ben nach Ver­än­de­rung, nach Neu­em, nach Um­stür­zen (De­kon­struk­ti­on) des Be­stehen­den« bringt »Ge­gen­kräf­te in Form des zä­hen Fest­hal­tens am Ge­wohn­ten her­vor – und um­ge­kehrt«. So ent­steht ei­ne un­ge­sun­de Mi­schung aus Wut und Trotz auch bei den Geg­nern der Wo­ke­ness, die die Spal­tung der Ge­sell­schaft noch ver­stärkt.

Im zwei­ten Teil über­nimmt Bock­wyt ei­ne prä­zi­se Ana­ly­se und be­tont da­bei, kei­ne »Psy­cho­pa­tho­lo­gi­sie­rung« be­trei­ben zu wol­len. Ge­zeigt wird, dass Wo­ke­ness »ei­ne zu­tiefst de­mo­ti­vie­ren­de Per­spek­ti­ve im Le­ben ei­nes In­di­vi­du­ums for­ciert, im­mer­zu fo­kus­sie­rend auf ei­ne ex­ter­na­le Quel­le. Wo­ke­ness un­ter­stützt emo­tio­na­le Fra­gi­li­tät und über­höh­ten Nar­ziss­mus in al­len de­struk­ti­ven For­men, ins­be­son­de­re die der un­ent­komm­ba­ren Op­fer­rol­le, ei­ne pes­si­mi­sti­sche bis ka­ta­stro­phi­sie­ren­de Grund­an­span­nung, ver­bun­den mit Schwarz-Weiß-Den­ken und Pro­jek­ti­on des Bö­sen in an­de­re und die ge­sam­te ge­sell­schaft­li­che Struk­tur.« Der Wunsch, be­son­ders zu sein, die »De­mon­stra­ti­on mo­ra­li­scher Rein­heit und Über­le­gen­heit«, die häu­fig ein­her geht mit der In­fla­tio­nie­rung als »Op­fer«, wird als nar­ziss­tisch mo­ti­viert dar­ge­stellt. »Die ei­ge­ne Gran­dio­si­tät«, so Bock­wyt, »wird zum al­lein gül­ti­gen Maß­stab für das per­sön­li­che Han­deln«; die be­stehen­de Rechts­ord­nung wird ab­ge­lehnt und au­ßer Kraft ge­setzt. »Von der Welt­ret­tung wird man ir­gend­wann über­wäl­tigt sein«, heißt es ein­mal fast ein we­nig seuf­zend (ein hal­ber Tag in den Ab­grün­den von »X« be­stä­tigt den Be­fund).

Der Ana­ly­sen­weg der Au­torin ist strin­gent; sie be­müht Sig­mund Freud und Fritz Rie­mann (sein Buch Grund­for­men der Angst sei wirk­lich je­dem emp­foh­len; ein Klas­si­ker), An­dre­as Reck­witz, Alex­an­der Kor­te, Chri­stia­ne Nüss­lein-Vol­hard und Ste­phan Schleim (um nur ei­ni­ge zu nen­nen). Wer ei­ne Art Ab­rech­nung er­war­tet, wird al­ler­dings ent­täuscht. Esther Bock­wyt ver­fällt nicht in plum­per Re­ak­ti­on. So wird ei­ner der Haupt­kampf­plät­ze im Dis­kurs um Wo­ke­ness, das »Gen­dern«, im Buch nur ge­streift, in dem »die Wich­tig­keit ein­fa­cher Sprache…bei der Dar­stel­lung von kom­ple­xe­ren The­men« be­tont wird. Die Au­torin über­rascht mit der The­se, dass »die wo­ken Be­stre­bun­gen an sich…nicht in er­ster Li­nie ei­ne Re­ak­ti­on auf ei­nen Rechts­rutsch« sein sol­len, »den es hier­zu­lan­de um das Jahr 2016 zu ver­zeich­nen gab«. Na­tür­lich exi­stiert Wo­ke­ness schon län­ger – aber von wel­chem »Rechts­ruck« um 2016 die Re­de ist, hät­te man schon ger­ne ge­wusst.

Im kur­zen, letz­ten Ka­pi­tel wid­met sich Bock­wyt der kol­lek­ti­ven »Psy­cho­dy­na­mik bi­po­la­rer Kräf­te«. Auch sie ver­sucht ei­ne Kom­pro­miss­hal­tung zu fin­den, mahnt die Fol­gen über­trie­be­ner Selbst­gei­ße­lung an und ap­pel­liert, »nicht im­mer­zu über­höh­ten, eng de­fi­nier­ten Idea­len ent­spre­chen« zu wol­len. Zum Le­ben ge­hö­re es, »auch schmerz­li­che Rea­li­tä­ten an­zu­er­ken­nen, statt sie um­zu­deu­ten oder ab­zu­schaf­fen.« Er­gän­zen möch­te man, dass es mög­lich ist, in­ner­halb ge­re­gel­ter, ge­setz­ge­ben­der Ver­fah­ren ge­sell­schaft­li­che Zu­stän­de zu ver­bes­sern. Ein hun­dert­pro­zen­ti­ges Ide­al wird man in­des nir­gend­wo fin­den. Bock­wyt plä­diert da­für, »im ge­sun­den Aus­maß ein Stre­ben nach mehr Gleich­be­rech­ti­gung« zu er­mög­li­chen und »Am­bi­va­len­zen aus­zu­hal­ten und zu ba­lan­cie­ren«. Dies und »das psy­chi­sche An­ders­sein der an­de­ren zu ver­ste­hen ver­su­chen«, sei die »we­sent­li­che Vor­aus­set­zung für das Ge­lin­gen grund­le­gen­den ge­sell­schaft­li­chen Frie­dens und ei­ner of­fe­nen, to­le­ran­ten De­mo­kra­tie.« Statt fal­se, sei right Ba­lan­ce an­zu­stre­ben, so der em­pha­ti­sche Weck­ruf im letz­ten Satz.

Bernd Stegemann: Identitätspolitik

Bernd Ste­ge­mann:
Iden­ti­täts­po­li­tik

Wie es zu die­ser Ba­lan­ce kom­men soll, bleibt un­klar. Zu stark schei­nen die Fron­ten ver­här­tet, wie auch in Bernd Ste­ge­mann Buch Iden­ti­täts­po­li­tik sicht­bar wird. Ste­ge­mann ana­ly­siert die pro­ak­tiv be­trie­be­nen Ver­schie­bun­gen sich pro­gres­siv ge­ben­der Ak­teu­re, die, wie es ein­mal heißt, Ha­ber­mas und Luh­mann zu Gun­sten ei­ner simp­len Gut-Bö­se-Di­cho­to­mie er­set­zen, wo­bei das »Gu­te« ein­sei­tig po­stu­liert wird und über je­de Ar­gu­men­ta­ti­on er­ha­ben ist. Dies führt zu ei­ner durch die Auf­klä­rung ei­gent­lich über­wun­den ge­glaub­ten »Ab­sa­ge an die Vor­aus­set­zung der Gleich­heit zwi­schen Men­schen«. Der Uni­ver­sa­lis­mus, Kern der Auf­klä­rung, wird aus­ge­he­belt.

Wie Hübl be­spricht auch Ste­ge­mann das Phä­no­men der »Can­cel Cul­tu­re«, ei­nem weit­hin miss­ver­stan­de­nen Be­griff. Da­bei han­delt es sich we­ni­ger um die Ver­un­mög­li­chung ei­ner Mei­nungs­äu­ße­rung oder wis­sen­schaft­li­chen The­se, als um ei­nen Mo­dus, in dem »pri­va­te Re­geln« ein­sei­tig zu all­ge­mei­nen Ver­hal­tens­ma­xi­men de­kla­riert wer­den. Es kommt ei­nem vor­mo­der­nen »Durch­griffs­recht« na­he. Wi­der­spruch führt zur Stig­ma­ti­sie­rung und ggf. Ver­drän­gung aus den je­weils »ein­ge­heg­ten Räu­men« (Uni­ver­si­tät, Kul­tur­ver­bund, so­zia­le Grup­pe). Ziel ist die Säu­be­rung der frei­en Re­de für ei­nen mög­lichst gro­ßen Raum. Auch mit den »Tau­to­lo­gien der Be­trof­fen­heit« und den kon­kur­rie­ren­den Iden­ti­tä­ten um den je größ­ten »Op­fer­sta­tus«, der zum suk­zes­si­ven Ein­rei­ßen der »Grund­mau­ern des Uni­ver­sa­lis­mus und der Gleich­heit« füh­ren und die »Kor­rek­tur der Ge­sell­schaft« zur Fol­ge ha­ben soll, lässt sich Ste­ge­mann aus.

Hübl be­schreibt das Mo­ral­spek­ta­kel als Spiel mit Sta­tus­sym­bo­len. Bock­wyt geht wei­ter, stellt den Nar­ziss­mus als die trei­ben­de Kraft der Prot­ago­ni­sten der Wo­ke­ness her­aus. Ste­ge­mann ver­sucht, die hi­sto­ri­schen Ur­sa­chen zu ana­ly­sie­ren. Ne­ben Ga­ya­tri Chakra­vor­ty Spiv­aks Ent­wurf ei­nes »stra­te­gi­schen Es­sen­tia­lis­mus« aus dem Jahr 1988, der vor­sieht, dass »die un­ter­drück­te Grup­pe zu­erst ih­re ei­ge­ne Iden­ti­tät stär­ken muss, um über­haupt zu ei­ner ei­ge­nen Sprech­fä­hig­keit zu ge­lan­gen«, macht er den »Neo­li­be­ra­lis­mus« aus, den er be­reits in den 1970er Jah­ren wü­ten sieht und zi­tiert die ame­ri­ka­ni­sche So­zio­lo­gin Nan­cy Fra­ser, die von ei­nem »pro­gres­si­ven Neo­li­be­ra­lis­mus« spricht, der die »so­zia­le Fra­ge« zu Gun­sten der Iden­ti­täts­po­li­tik im po­li­ti­schen Dis­kurs ver­drän­ge. Hier zeigt sich Ste­ge­mann, der 2018/19 in Sahra Wa­gen­knechts »Aufstehen«-Initiative kurz­zei­tig ei­ne Vor­stand­po­si­ti­on in­ne­hat­te, wie ge­habt als Mar­xist. Bock­wyts Syn­the­se-Theo­rie er­scheint hier deut­lich schlüs­si­ger.

Wo Hübl und Bock­wyt an Ver­nunft, Ein­sicht und Mä­ßi­gung ap­pel­lie­ren, ist Ste­ge­manns Aus­blick er­nüch­ternd. Er weist dar­auf hin, dass Iden­ti­täts­po­li­tik nicht nur auf Dau­er die Ge­sell­schaft spal­tet, son­dern wich­ti­ge Po­li­tik­fel­der blockiert, wie et­wa das po­li­ti­sche Han­deln in Be­zug auf den Kli­ma­wan­del. Hier wer­den die Prot­ago­ni­sten der »Letz­ten Ge­ne­ra­ti­on« mit ih­ren kon­tra­pro­duk­ti­ven Ak­tio­nen und ma­xi­ma­len For­de­run­gen als Bei­spiel ge­nannt. Il­lu­stra­tiv die Fest­stel­lung, dass Pu­tin und auch Xi die post­ko­lo­nia­len Theo­rie­ge­bäu­de für ih­re an­ti­west­li­chen, im­pe­ria­len Nar­ra­ti­ve ver­wen­den. Der blin­de Fleck nicht nur bei Ste­ge­mann ist die in­nen­po­li­ti­sche In­fil­tra­ti­on durch sa­la­fi­sti­sche und an­de­re dschi­ha­di­sti­sche Strö­mun­gen, die auf dem Ticket des An­ti­ko­lo­nia­lis­mus un­ter­wegs sind und je­de kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung als »isla­mo­phob« framen. Hier er­schei­nen die Er­läu­te­run­gen über Op­fer- und Eh­ren­kul­tu­ren von Hübl frucht­bar.

Nach Lek­tü­re der Bü­cher fällt es schwer, die Ent­wick­lun­gen in Deutsch­land nur als ein vor­über­ge­hen­des Phä­no­men ein­zu­schät­zen, zu­mal wenn man den Blick auf die USA rich­tet. Längst wer­den in Pflöcke in die In­sti­tu­tio­nen ein­ge­schla­gen, die auf ei­ne suk­zes­si­ve Über­nah­me des­sen, was man je nach Sicht Mo­ral­spek­ta­kel, Wo­ke­ness oder Iden­ti­täts­po­li­tik nennt, zie­len. Ver­sucht wird ei­ne neue, nor­ma­ti­ve Grund­ord­nung des Staa­tes, die auf ei­nen neu­en Um­gang, ein neu­es so­zia­les Mit­ein­an­der hin­deu­tet. Kaum be­rück­sich­tigt wird hier der de­mo­gra­phi­sche Fak­tor, schließ­lich ge­hen bald die An­fang der 1960er Jah­re ge­bo­re­nen, so­ge­nann­ten »Boo­mer«, die ak­tu­ell an den aka­de­mi­schen, po­li­ti­schen und me­dia­len Schalt­he­beln sit­zen, in Ren­te. Dann ste­hen die Iden­ti­tä­ren so­wohl von rechts (na­tio­na­li­stisch-völ­kisch) als auch links (wo­ke) be­reit. Vie­les spricht da­für, dass die »lin­ke«, sich sel­ber pro­gres­siv nen­nen­de Sei­te, re­üs­sie­ren wird. Be­reits jetzt sind die Ver­net­zun­gen zwi­schen Ak­ti­vis­mus, Po­li­tik und Me­di­en eng.

Es geht auch um Ressourcen‑, sprich: Geld­mit­tel­ver­tei­lung. Die deut­sche »Ampel«-Bundesregierung fi­nan­ziert zu­neh­mend Ver­ei­ne und Ver­bän­de, die sich for­mal als so­ge­nann­te Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen (»NGO«) be­zeich­nen und sich für die »Stär­kung« der De­mo­kra­tie, ge­sell­schaft­li­che Viel­falt und die Prä­ven­ti­on von Ex­tre­mis­mus ein­set­zen. Dies soll mit ei­nem ge­plan­ten, so­ge­nann­ten »De­mo­kra­tie­för­de­rungs­ge­setz« in­sti­tu­tio­nell fest­ge­schrie­ben wer­den. Wer jetzt fi­nan­zi­ell be­dacht wird, hat in ei­ni­gen Jah­ren ein Ge­wohn­heits­recht er­wor­ben. Die­se Sub­ven­tio­nie­rung po­li­ti­scher Maß­nah­men an de­mo­kra­tisch nicht le­gi­ti­mier­te, pri­va­te Or­ga­ni­sa­tio­nen wird, vor­sich­tig for­mu­liert, kon­tro­vers dis­ku­tiert. Ge­ra­de im Hin­blick hier­auf ist es re­le­vant zu be­ob­ach­ten, ob de­mo­kra­ti­sche Stan­dards als Ba­sis für die zu­nächst lo­bens­wer­ten Zie­le die­nen oder ob »Retribalisierung[en]« (Ste­ge­mann) er­fol­gen, die ele­men­ta­re rechts­staat­li­che Re­geln zu Gun­sten par­ti­ku­la­re In­ter­es­sen ab­so­lut set­zen und »aus sach­li­chen Wi­der­sprü­chen wie­der Stam­mes­kämp­fe wer­den.«

Vie­les spricht da­für, dass man in Deutsch­land erst am An­fang ei­ner Ent­wick­lung steht, die in den USA schon wei­ter fort­ge­schrit­ten ist. Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen an ei­ni­gen deut­schen Hoch­schu­len wie auch auf der Stra­ße nach den Er­eig­nis­sen des 7. Ok­to­ber 2023 dürf­te ei­ne wei­te­re Di­men­si­on er­öff­nen.

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  1. Ich glau­be auch, daß die hier be­schrie­be­nen und ana­ly­sier­ten Phä­no­me­ne in­zwi­schen mas­siv sind, sich in die In­sti­tu­tio­nen ein­ge­schli­chen ha­ben und die west­li­chen Ge­sell­schafts­for­men zum Im­plo­die­ren brin­gen könn­ten. Ein neu­er – sanf­ter?? – Au­to­ri­ta­ris­mus, ur­sprüng­lich an­ge­tre­ten im Na­men des An­ti­au­to­ri­ta­ris­mus, hat sich breit­ge­macht. Ein an­ti­ras­si­sti­scher Ras­sis­mus auch, nicht nur ge­gen Wei­ße, was oft heißt: ge­gen sich selbst, und ge­gen Män­ner (manch­mal auch: ge­gen sich selbst), son­dern eben­so ge­gen Al­te, ge­gen »Boo­mer« z. B., mit der lä­cher­li­chen, aber an­scheind nach­hal­ti­gen Fi­xie­rung auf »Ge­ne­ra­tio­nen«, die mei­stens von den Me­di­en er­fun­den sind.

    Den­noch scheint mir, daß die na­tio­na­li­stisch-po­pu­li­sti­sche Strö­mung ge­fähr­li­cher ist, nicht nur we­gen der­zei­ti­ger (pro­gno­sti­zier­ter) Wahl­er­fol­ge, son­dern weil sie par­al­lel geht mit dem welt­po­li­ti­schen Er­star­ken von Russ­land und Chi­na, wo die­se Strö­mung längst an der Macht ist.

    Nicht ver­ges­sen soll­te wer­den – und zu­min­dest an ei­ner Stel­le miß­ach­tet das der obi­ge Ar­ti­kel -, daß der Schutz und die Ach­tung vor Min­der­hei­ten für De­mo­kra­tien es­sen­ti­ell sein muß. Erst recht für Leu­te, die sich für Kunst und Li­te­ra­tur in­ter­es­sie­ren; Li­te­ra­tur wie die, von der wir in die­sem Blog zu­meist re­den, ist ei­ne Min­der­heit in ei­ner Min­der­heit (der Le­ser näm­lich). Ob man Men­schen mit ADHS, Au­ti­sten, Leg­asthe­ni­ker oder auch Pä­do­phi­le als »For­men der Di­ver­si­tät« an­er­kennt oder ein­fach ih­re Exi­stenz wahr­nimmt und not­falls – bei Kran­ken – si­chert, spielt kei­ne Rol­le, das sind nur un­ter­schied­li­che Aus­drucks­wei­sen. Na­tür­lich müs­sen wir sie an­der­ken­nen, das ist für uns selbst es­sen­ti­ell. Et­was ganz an­de­res ist es, im Po­li­ti­schen von Mehr­heits­grup­pen ab­zu­se­hen oder sie grund­sätz­lich zu be­kämp­fen – da be­ginnt dann das Pro­blem mit dem Wo­kis­mus, oder wie im­mer man’s nen­nen will (das Wort kommt ur­sprüng­lich von den Wo­ken selbst, jetzt paßt es ih­nen nicht mehr).

    Längst wer­den Wün­sche laut, bei­spiels­wei­se auch pä­do­phi­le Men­schen vor »Dis­kri­mi­nie­rung« zu schüt­zen und ih­re Nei­gung als nor­ma­le se­xu­el­le Le­bens­form zu le­ga­li­sie­ren oder »Au­tis­mus, Leg­asthe­nie oder ADHS als na­tür­li­che For­men mensch­li­cher Di­ver­si­tät« an­zu­er­ken­nen.

  2. Ich hiel­te es für fa­tal, wo­ke ge­gen die rech­te Ideo­lo­gie auf­zu­rech­nen. Bei­de zer­stö­ren lang­fri­stig de­mo­kra­ti­sche Struk­tu­ren. Ich glau­be so­gar, dass be­stimm­te For­men über­ge­stülp­ten wo­ken Den­kens zu Aus­schlag­be­we­gun­gen in das an­de­re ex­tre­me La­ger füh­ren. Das ist es, was mit Re­ak­tanz ge­meint ist. Wenn dann noch Leit­me­di­en die­se ideo­lo­gi­schen Fi­xie­run­gen (von der Spra­che an­ge­fan­gen wie »Stu­die­ren­de«, »For­schen­de« bis hin zu se­lek­ti­ver Be­richt­erstat­tung) über­neh­men dann muss man sich über die­se Re­ak­tio­nen nicht wun­dern. Viel zu we­nig wird in den Bü­chern, die ich ge­le­sen ha­be, der An­se­hens­ver­lust der Me­di­en, der 2014 be­gann, the­ma­ti­siert.

    Ich glau­be nicht, dass ich mich zu we­nig für Min­der­hei­ten­schutz aus­ge­spro­chen ha­be. Der Satz, den Sie zi­tie­ren, ist sel­ber zum Teil ein Zi­tat. Er zielt dar­auf ab, dass bei­spiels­wei­se Leg­asthe­nie oder ADHS nicht the­ra­piert wer­den son­dern eher als Aus­druck neu­er Le­bens­for­men hin­ge­nom­men wer­den sol­len. Die Stim­men meh­ren sich, dies auch für Pä­do­phi­lie zu for­dern. Das sind si­cher­lich der­zeit noch Ex­trem­for­men »wo­ken« Den­kens, aber al­les hat ein­mal »klein« an­ge­fan­gen. Im üb­ri­gen blei­be ich bei mei­ner Pro­gno­se, dass ähn­lich wie die Ho­mo­se­xua­li­tät auch Pä­do­phi­lie (wie im­mer sie auch de­fi­niert wird) ir­gend­wann straf­frei sein wird.

    Hübl zi­tiert ei­nen Ar­ti­kel, dass ei­ne Sta­ti­stik aus Mel­de­äm­tern be­sagt, dass sich von ca. 70 Mil­lio­nen Deut­schen ins­ge­samt rund 400 als »di­vers« ha­ben ein­ge­tra­gen ha­ben, al­so 0,0006 %. Ei­ner Um­fra­ge des Ro­bert-Koch-In­sti­tuts zu­fol­ge be­zeich­nen sich 0,13% als »di­vers«. Die Dis­kre­panz ist klar – ein Kreuz auf ei­nem Um­fra­ge­bo­gen ist leich­ter ge­macht als zum Ein­woh­ner­mel­de­amt zu ge­hen. Geht man mal von den 0,13% aus, so ist die me­dia­le Prä­senz die­ser Min­der­heit si­cher­lich über­re­prä­sen­tiert. (Ähn­li­ches lie­ße sich zum Bei­spiel für Ve­ga­nis­mus sa­gen.) Si­cher­lich muss man die­se 0,13% »schüt­zen«, d. h. ih­re Emp­fin­dung re­spek­tie­ren. Aber das hier­aus wei­ter­ge­hen­de Rech­te in Be­zug auf die Mehr­heits­ge­sell­schaft ab­ge­lei­tet wer­den sol­len, ist ab­surd.

    Das Ar­gu­ment, dass rech­te, oder wie so oft heißt: rechts­po­pu­li­sti­sche Par­tei­en Russ­land oder Chi­na zu­ge­neigt sind, stimmt. Aber es ist m. E. nur die hal­be Wahr­heit. Denn auch die »In­ter­na­tio­na­le«, die Lin­ke, strebt ein geo­stra­te­gi­sches Gleich­ge­wicht mit die­sen Dik­ta­tu­ren an. Sie ca­mou­fliert es als »Frie­den«. Russ­land und Chi­na ha­ben na­tür­lich ein vi­ta­les In­ter­es­se dar­an, dass man sie auf der Welt schal­ten und wal­ten lässt.

    Ich bin al­ler­dings der Mei­nung, dass wir uns da­von ver­ab­schie­den soll­ten, un­se­re »Wer­te« mis­sio­na­risch in die Welt zu tra­gen. Zum ei­nen, weil die­se Wer­te sel­ber sehr »va­ria­bel« sind (um es freund­lich aus­zu­drücken), und oft ge­nug wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen un­ter­ge­ord­net wer­den. Und zum an­de­ren, weil es tat­säch­lich Struk­tu­ren gibt, in de­nen sie schlicht­weg un­er­wünscht sind (die Li­ste der Er­fah­run­gen, vul­go: Krie­ge, die hier­für ge­führt wur­den, ist lang). Und in­wie­fern ein de­mo­kra­tisch de­fi­zi­tä­rer Su­pra­staat wie die EU hier Be­leh­run­gen vor­neh­men kann, ist auch noch frag­lich. Schließ­lich, ab­schlie­ßend: Die EU ist ei­nem sehr gro­ßen Ma­ße öko­no­misch von Chi­na ab­hän­gig. Zwar wird im­mer so ge­tan, als be­nö­tig­te Chi­na den »Markt« des We­stens (EU und USA), aber nicht zu­letzt in Be­zug auf Roh­stof­fe wie Sel­te­ne Er­den (aber nicht nur die­se) sind wir mehr aus­ge­lie­fert, als wir uns ein­ge­ste­hen wol­len. Hin­zu kommt, dass man die Ab­hän­gig­kei­ten noch ver­stärkt, in­dem man Schlüs­sel­in­du­strien nach Län­dern wie In­di­en, Chi­na oder Viet­nam ver­la­gert hat.

    Ich bin al­so was den glo­ba­len »Uni­ver­sa­lis­mus« an­geht skep­tisch, hal­te ihn aber für un­ser Ge­mein­we­sen für not­wen­dig. Lei­der wird ja aus­ge­rech­net hier all­zu ger­ne ei­nem Re­la­ti­vis­mus das Wort ge­re­det.

    Nach­trag zur Li­te­ra­tur: Ge­ra­de im »Be­trieb« treibt das wo­ke Den­ken und Han­deln ja längst per­ver­se Blü­ten. Man braucht sich dann über so et­was nicht zu wun­dern. Das pas­siert üb­ri­gens nur, weil Li­te­ra­tur und Kunst vom Staat sub­ven­tio­niert wer­den. Und da re­gie­ren im Mo­ment eben in Deutsch­land die Grü­nen mit.

  3. Hier der Wo­keis­mus als sä­ku­la­ri­sier­ter Is­lam (Lust an ei­ner Or­tho­do­xie, Un­ter­wer­fung: So­u­mis­si­on: ‘ein gro­ßes Schuld­sy­stem’). Zu­gleich wird schon sein En­de aus­ge­ru­fen. Wenn der Pro­phet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Pro­phe­ten kom­men.

  4. Dan­ke für den Link. Ich hät­te ger­ne ge­wusst, wor­an Bren­ner die Ze­nit­über­schrei­tung des Wo­keis­mus fest­macht. Ich glau­be näm­lich, dass wir zu­min­dest in Deutsch­land noch ei­ni­ge Pi­rou­et­ten er­le­ben wer­den, be­vor die Tän­zer er­mü­det sind.

  5. Ja, da ist wohl auch viel Wunsch­den­ken da­bei – die­se Art Zy­klen dau­ern län­ger. Und ih­re Ak­teu­re dro­hen, mit ih­rem Marsch durch die In­sti­tu­tio­nen, mit ab­seh­bar noch so man­chem Kol­la­te­ral­scha­den.

    Aber hier wird zum Bei­spiel auch ge­ra­de zu­rück-in­flu­enzt – viel­leicht schla­gen sich im Kampf ‘Tri­ba­lis­mus ge­gen Par­ti­ku­la­ri­sie­rung’ ir­gend­wann al­le mit ih­ren ei­ge­nen Waf­fen?

  6. @ Gre­gor K.

    Dan­ke für den Link zum Ar­ti­kel von Paul Jandl in der NZZ, über po­li­tisch-mo­ra­lisch mo­ti­vier­te Ent­schei­dun­gen in Li­te­ra­tur­ju­rys. Was dort be­rich­tet wird, ent­spricht mei­nen ei­ge­nen Wahr­neh­mun­gen. Oft sind es nur Ver­mu­tun­gen, weil der Wo­kis­mus kei­nes­wegs nach Trans­pa­renz strebt. Eher im Ge­gen­teil: Ob­sku­ran­tis­mus.

    In den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten ha­be ich in Wien Be­kannt­schaft mit dem Wo­kis­mus an Schu­len ge­macht. Der geht von den Leh­rern aus, die Schü­ler neh­men ihn ger­ne an. Hier ist mir end­gül­tig klar­ge­wor­den, daß es sich um ei­ne Ideo­lo­gie han­delt. Zur Zeit der Wen­de, um 1989, war die Re­de vom En­de der Ideo­lo­gien (mit dem En­de der Ge­schich­te). War mir da­mals su­spekt, in­zwi­schen ist klar, daß es ei­ne mas­si­ve Wie­der­kehr von Ideo­lo­gien gibt, die auf ei­ni­gen Glau­bens­sät­zen be­ru­hen. Das macht ver­nunft­ge­lei­te­te Dis­kus­sio­nen schwie­rig, an de­ren Stel­le tre­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen ent­ge­gen­ge­setz­ten La­gern. Ei­ne schwie­ri­ge, wo nicht un­mög­li­che si­tua­tio­nen für Leu­te, die dif­fe­ren­zie­ren wol­len und Kom­ple­xi­tät zu­nächst mal an­er­kenn, statt auf ein­fa­che Lö­sun­gen zu­zu­steu­ern. Lan­ge dach­te ich, man sol­le den Ver­gleich mit den 20er/30er Jah­ren nicht über­stra­pa­zie­ren. In­zwi­schen scheint mir, daß die Dy­na­mik tat­säch­lich so ab­läuft. Aber viel­leicht hat An­dre­as Bren­ner, von Herrn Bren­ner zi­tiert, recht und der Hö­he­punkt des Wo­kis­mus liegt hin­ter uns.

  7. Ich ver­ste­he den gan­zen Punkt bzgl. Pä­do­phi­lie nicht, we­der bei Hübl noch bei Ih­nen. Das Aus­le­ben pä­do­phi­ler Nei­gun­gen (und nur dar­um kann es ja ge­hen, Nei­gun­gen selbst sind so­wie­so we­der re­gel- noch ver­folg­bar) un­ter­schei­det sich fun­da­men­tal von se­xu­el­len Ori­en­tie­run­gen wie Ho­mo- oder He­te­ro­se­xua­li­tät dar­in, dass es per De­fi­ni­ti­on nicht mit ein­wil­li­gungs­fä­hi­gen Per­so­nen voll­zo­gen wer­den kann.

    Wie stel­len sich die­je­ni­gen, die ei­ne Le­ga­li­sie­rung ent­we­der wün­schen oder (wie Sie) nur pro­phe­zei­en, den recht­li­chen Rah­men und den Weg dort­hin kon­kret vor?

  8. Hübl schreibt in mei­ner Er­in­ne­rung über Pä­do­phi­lie nichts; den Punkt be­rührt Bock­wyt, die über die so­ge­nann­te »MAP«-Flagge, die ver­schie­dent­lich beim CSD 2022 zu se­hen war, schreibt und dann er­klärt:

    »Der Be­griff ‘mi­nor at­trac­ted peo­p­le’ wird da­bei be­schö­ni­gend und in täu­schen­der Wei­se ver­wen­det. Er dient als Ober­be­griff für die pä­do­phi­len Se­xu­al­prä­fe­ren­zen, die auch schon Säug­lin­ge und Klein­kin­der bis drei Jah­re als Ob­jek­te der pa­tho­lo­gi­schen Be­gier­de be­inhal­ten. Die Ver­an­stal­ter des CSD di­stan­zier­ten sich spä­ter, als der me­di­al kaum be­merk­te Skan­dal in Tei­le der Öf­fent­lich­keit drang. Grup­pie­run­gen von Pä­do­phi­len for­dern nicht erst seit ge­stern, dass Pä­do­phi­le als se­xu­el­le Ori­en­tie­rung gleich­wer­tig ne­ben al­len an­de­ren se­xu­el­len Ori­en­tie­run­gen an­er­kannt wer­den soll. Auch dem Bun­des­tag liegt ein ent­spre­chen­der An­trag vor.«

    Ich stel­le mir das nicht vor, haupt­säch­lich des­halb, weil ich es mir nicht vor­stel­len will.

    PS: In­ter­es­sant üb­ri­gens die­se ar­te-Do­ku, die un­ter an­de­rem zeigt, wie breit Pä­do­phi­lie in­zwi­schen in west­li­chen Ge­sell­schaf­ten ver­an­kert ist.

  9. For­dern kann man viel. Man­che for­dern auch die Ab­schaf­fung des Na­tio­nal­staats. Dar­aus er­gibt sich noch kein Weg, auf dem die For­de­rung auch Wirk­lich­keit wer­den kann.

    Wenn Sie sa­gen »Im üb­ri­gen blei­be ich bei mei­ner Pro­gno­se, dass ähn­lich wie die Ho­mo­se­xua­li­tät auch Pä­do­phi­lie (wie im­mer sie auch de­fi­niert wird) ir­gend­wann straf­frei sein wird«, stützt sich das al­so le­dig­lich dar­auf, dass ir­gend­je­mand so et­was for­dert, und nicht auf ei­ne Idee da­von, war­um die Pro­gno­se be­rech­tigt sein soll?

    Für die Straff­frei­heit von Ho­mo­se­xua­li­tät ge­nüg­te es, mehr oder we­ni­ger frei­ste­hen­de Straf­ge­setz­ar­ti­kel zu strei­chen und die all­ge­mei­ne Hand­lungs­frei­heit wirk­sam wer­den zu las­sen. Die­ser Weg steht ei­ner Le­ga­li­sie­rung pä­do­phi­ler Hand­lun­gen nicht of­fen.

  10. Für die Straff­frei­heit von Ho­mo­se­xua­li­tät ge­nüg­te es, mehr oder we­ni­ger frei­ste­hen­de Straf­ge­setz­ar­ti­kel zu strei­chen...
    Theo­re­tisch stimmt das, aber es be­darf bei sol­chen Ak­ten auch im­mer ei­nes ge­sell­schaft­li­chen Kon­sen­ses. Der war ir­gend­wann er­reicht – und dann ging die Strei­chung der ent­spre­chen­den Pa­ra­gra­phen dem nach.

    Ich ver­ste­he Ih­ren Ein­wand, ge­be je­doch zu be­den­ken, dass grund­sätz­lich je­de Re­ge­lung, je­des Ge­setz än­der­bar ist. (Selbst die »Ewig­keits­klau­sel« des Grund­ge­set­zes könn­te ni­vel­liert, auf­ge­weicht, ab­ge­schafft oder die ent­spre­chend ge­schütz­ten Ar­ti­kel neu in­ter­pre­tiert wer­den.) Neue Ge­set­ze er­gän­zen bzw. ka­no­ni­sie­ren ge­sell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen, wie bspw. das an­ge­spro­che­ne Selbst­be­stim­mungs­ge­setz, in dem die Gen­der-Theo­rien ein­ge­ar­bei­tet sind. Man hät­te vor drei­ßig Jah­ren Leu­te, die be­haup­ten, dass es mehr als zwei bio­lo­gi­sche Ge­schlech­ter gibt, aus­ge­lacht.

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