Da­ni­el Ko­stuj: Das Le­ben ei­nes In­fluen­cers

Daniel Kostuj: Das Leben eines Influencers

Da­ni­el Ko­stuj: Das Le­ben ei­nes In­fluen­cers

»Ich bin JAYDEN CHECKER auf YOUTUBE, @jaydenchecker auf TWITTER und SNAPCHAT so­wie @jayden-checker auf INSTAGRAM und TIKTOK.« Es fol­gen die Sub­scri­ber- bzw. Fol­lo­wer­zah­len, bei You­tube > 1 Mil­li­on, Tik­Tok > 4 Mil­lio­nen, In­sta­gram > 300.000, ei­ner Fan-Sei­te auf Face­book und so wei­ter. Wie ein Bör­sen­jun­kie starrt Jay­den täg­lich auf die­se Zah­len. Dann be­ginnt die Mor­gen­gym­na­stik und im Lau­fe der Zeit wer­den sie im­mer ab­stru­ser, die­se Zahl der Push-Ups, Pull-Ups, Cruns­hes, Hand­stän­de und Jog­gin­g­er­leb­nis­se mal mit mal oh­ne Un­ter­ho­se bis er dann ir­gend­wann Push-Ups »Oh­ne Ar­me« aus­führt und über sei­nem Par­kett­bo­den schwe­bend meh­re­re Stun­den ver­harrt. Das al­les bis der Tin­ni­tus er­wacht oder auf­hört, je nach dem.

Das Le­ben ei­nes In­fluen­cers steht auf dem Co­ver, ei­ne Art fik­ti­ves Ta­ge­buch (die @ sind al­le in­exi­stent), wo­bei zu­nächst von Tag 7 aus rück­wärts ge­zählt wird und da­nach bis Tag 7 wie­der vor­wärts. War­um auch im­mer. Die Zeit wird mit Pro­dukt­pro­mo­ti­on, Vi­deo­pro­duk­tio­nen und im Zu­sam­men­sein mit an­de­ren In­fluen­cern ver­bracht, man fei­ert oder be­sucht Mes­sen, zieht sich auf, gibt Rat­schlä­ge, ver­sucht neue Pro­duk­te zu be­kom­men (wenn mög­lich nichts aus Chi­na), ver­han­delt mit Ma­na­gern. Jay­den fährt stan­des­ge­mäss im Lam­bor­ghi­ni Huracán vor, be­nutzt für sei­ne Vi­de­os ein iPho­ne XR (ir­gend­wann er­fährt man, dass das al­les in 2019 her­um spielt) und setzt je­den Tag ei­ne lau­ni­ge Vi­deo­bot­schaft für sei­ne »fa­mi­ly« ab, die zwi­schen Koch- und Le­bens­re­zep­ten und ei­ner An­lei­tung zum Selbst­mord chan­giert. Sein Wer­ben um ei­ne In­fluen­ce­rin kommt aber nicht so rich­tig in Gang. Trotz der be­vor­zug­ten Dro­gen­mi­schung aus Me­tam­phet­amin und Via­gra. Spä­ter wird der Ste­ro­id­zy­klus mit Tren­bo­lon, Te­sto­ste­ron-En­an­tat und Ari­mi­dex getweakt. Im wei­te­ren Ver­lauf des Bu­ches wird deut­lich, war­um man so et­was nie zu sich neh­men soll­te.

»Ich bin auf der Flucht vor der Ewig­keit« be­kennt Jay­den in ei­ner sei­ner ra­ren kla­ren Mo­men­te und spä­ter ein­mal heißt es in ei­ner sei­ner wir­ren Vi­deo­an­spra­chen ent­waff­nend: »NATÜRLICH bin ich auf­ge­dreht, aber das ist ei­ne Rol­le, ver­steht ihr?« Die Rei­se ins Influencer(alp)traumland wird nach ei­nem fu­rio­sen Be­ginn mit zu­neh­men­der Län­ge für den Le­ser erst ein­mal müh­sa­mer. Be­vor dann der Zir­kus mit ei­ner Du­bai-Rei­se und wahr­lich gro­ßen Ver­wick­lun­gen wie­der Fahrt auf­nimmt. Der lu­stig­ste Strang ist Jay­dens Ver­such, sei­nen Ma­na­ger zu wech­seln. Am En­de merkt man, dass der CHECKER Jan Je­drze­jc­zak heißt, in Mün­chen wohnt und sei­ne Vas­ek­to­mie­rech­nung von 643,39 Eu­ro nicht be­zah­len kann. Am Be­we­gend­sten bleibt ei­nem der Vi­deo­call mit sei­ner pol­ni­schen Groß­mutter in Er­in­ne­rung, die rät, nach Rzes­zów zu­rück­zu­kom­men.

Die An­lei­hen an die gän­gi­gen Pop-Ro­ma­ne mit ih­rem ge­pfleg­ten Mar­ken­na­men-Fe­ti­schis­mus sind über­deut­lich. Un­klar bleibt, wie Jay­dens Auf­zeich­nun­gen zu­stan­de kom­men; am ehe­stens denkt man sie sich als Fund­stücke auf ei­ner Fest­plat­te. Das Buch birst ir­gend­wann vor Über­trei­bun­gen. Si­cher, Über­trei­bung ist ei­ne Kunst, die, wenn sie ge­lingt, er­hel­lend auf den be­leuch­te­ten Ge­gen­stand wirkt. Dem 1993 ge­bo­re­ne Da­ni­el Ko­stuj glei­tet die Über­trei­bungs­kunst sei­nes Erst­lings al­ler­dings lei­der zu oft ins Psy­che­de­li­sche ab. Da­durch wird die In­fluen­cer-Sze­ne zwar lä­cher­lich ge­macht, be­kommt je­doch auch et­was put­zi­ges. Der Le­ser ent­wickelt Mit­leid. Aber viel­leicht war das ja so ge­wollt.

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