Ak­ti­vis­mus und Re­ak­tanz

Über drei Ana­ly­sen zur Zeit

Ein neu­es Ge­spenst geht um. Man mag es »Iden­ti­täts­po­li­tik« (Bernd Ste­ge­mann), »Wo­ke­ness« (Esther Bock­wyt) oder »Mo­ral­spek­ta­kel« (Phil­ipp Hübl) nen­nen. Im Kern ist es ei­ne aus den USA her­über­schwap­pen­de, sich epi­de­misch aus­brei­ten­de Gei­stes­hal­tung, die, zu En­de ge­dacht, an die Grund­fe­sten plu­ra­li­sti­scher Ge­sell­schaf­ten rüt­telt. Der deut­sche Du­den de­fi­niert das eng­li­sche Lehn­wort wo­ke als »in ho­hem Maß po­li­tisch wach und en­ga­giert ge­gen (ins­be­son­de­re ras­si­sti­sche, se­xi­sti­sche, so­zia­le) Dis­kri­mi­nie­rung«. Ei­gen­schaf­ten, die zu­nächst po­si­tiv be­setzt sind, denn wer ist nicht für ei­ne ge­rech­te Welt und ge­gen Ras­sis­mus? Gin­ge es nach Ver­fech­tern die­sen Den­kens, dürf­ten die Be­grif­fe »wo­ke« und Wo­ke­ness gar nicht ver­wen­det wer­den, denn wie schon »po­li­ti­cal cor­rect­ness« soll es sich um ei­nen rech­ten Kampf­be­griff han­deln. Das kann man als ziem­lich durch­sich­ti­gen Ver­such neh­men, ei­ne dog­ma­tisch auf­tre­ten­de Ideen­leh­re als un­ab­weis­ba­res Er­for­der­nis für ei­ne neue Welt ein­zu­füh­ren.

Die Pu­bli­ka­tio­nen, die sich mit die­sem Phä­no­men be­schäf­ti­gen, neh­men dra­stisch zu. Es ist na­he­zu un­mög­lich, den Über­blick zu be­hal­ten. Hier sol­len drei Bü­cher vor­ge­stellt wer­den, die die The­ma­tik ver­su­chen, mög­lichst un­ideo­lo­gisch zu er­fas­sen, aber un­ter­schied­li­che Prio­ri­tä­ten set­zen. Wäh­rend der Phi­lo­soph Phil­ipp Hübl in Mo­ral­spek­ta­kel ei­nen tie­fen, de­skrip­ti­ven Ein­blick ver­schafft, ana­ly­siert die Psy­cho­lo­gin Esther Bock­wyt in Wo­ke vor al­lem die Aus­wir­kun­gen der Gender-Theorie(n) auf die phy­si­sche und psy­chi­sche Ge­sund­heit Be­trof­fe­ner und zeigt, wie sehr die­ses Den­ken be­reits in po­li­ti­schen In­sti­tu­tio­nen bis hin zu Ge­setz­ge­bern ein­ge­sickert ist. Im be­reits im letz­ten Herbst er­schie­ne­nen Buch Iden­ti­täts­po­li­tik un­ter­sucht der Kul­tur­so­zio­lo­ge Bernd Ste­ge­mann die Aus­wir­kun­gen der von den Prot­ago­ni­sten ver­foch­te­nen schrof­fen Ab­leh­nung des Uni­ver­sa­lis­mus zu Gun­sten ei­nes Wer­te-Re­la­ti­vis­mus und ent­deckt in der Um­deu­tung der Wer­te der Auf­klä­rung frap­pie­ren­de Par­al­le­len zwi­schen rech­ten und lin­ken Denk­rich­tun­gen.

Wei­ter­le­sen ...