Zu­mu­tun­gen auf NDR2

Manch­mal steht man fas­sungs­los vor dem, was sich in­zwi­schen in Deutsch­land Literatur­kritik nennt. Und fragt sich, es mög­lich ist, dass so et­was im Ra­dio ei­ne Stim­me be­kommt.

Ga­brie­la Jas­kul­la hat für NDR2 Sa­bi­ne Gru­bers Ro­man »Still­bach oder Die Sehn­sucht« ge­le­sen. Schon die­ser Satz ent­hält je­doch ei­nen Feh­ler, denn Jas­kul­la kann das Buch gar nicht ge­le­sen ha­ben. Sie hat nur un­ge­fähr ei­ne Ah­nung von dem, was sie da ge­le­sen hat. Sie ver­or­tet den Sehn­suchts­ort Still­bach näm­lich in Kärn­ten (in der Ein­gangs­mo­de­ra­ti­on zum Pod­cast wird dies mit Ma­ja Ha­der­laps Ro­man »En­gel des Ver­ges­sens« ver­knüpft). Sa­bi­ne Gru­ber ha­be, so Jas­kul­la, ei­nen Ro­man über die »jün­ge­re Ge­schich­te Kärn­tens« ge­schrie­ben. Mehr­fach be­tont die (so­ge­nann­te) Re­zen­sen­tin die Ver­or­tung mit Kärn­ten und Öster­reich. Das ist na­tür­lich ein ha­ne­bü­chen­der Un­fug, denn je­der, der das Buch wirk­lich ge­le­sen hat, weiss, dass es um Süd­ti­rol und die jün­ge­re ita­lie­ni­sche Ge­schich­te geht, die hier er­zählt wird.

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Weih­nach­ten mit Wolf­diet­rich Schnur­re

      Sum­mend und pfei­fend gin­gen wir los; Va­ter den Spa­ten auf dem Rücken, ich ei­nen Sack un­ter dem Arm. Hin und wie­der hör­te Va­ter auf zu pfei­fen, und wir san­gen zwei­stim­mig »Mor­gen, Kin­der, wird’s was ge­ben« und »Vom Him­mel hoch, da komm’ ich her«. Wie im­mer bei sol­chen Lie­dern, hat­te Va­ter Trä­nen in den Au­gen, und auch mir war schon ganz fei­er­lich zu­mu­te.
      Dann tauch­te vor uns der Fried­richs­hain auf, und wir schwie­gen.
      Die Blau­tan­ne, auf die Va­ter es ab­ge­se­hen hat­te, stand in­mit­ten ei­nes stroh­ge­deck­ten Ro­sen­ron­del­ls. Sie war gut an­dert­halb Me­ter hoch und ein Mu­ster an eben­mä­ßi­gem Wuchs.
      Da der Bo­den dicht un­ter der Ober­flä­che ge­fro­ren war, dau­er­te es auch gar nicht lan­ge, und Va­ter hat­te die Wur­zeln frei­ge­legt. Be­hut­sam kipp­ten wir den Baum dar­auf um, scho­ben ihn mit den Wur­zeln in den Sack, Va­ter hing sei­ne Jop­pe über das En­de, das raus­sah, wir schipp­ten das Loch zu. Stroh wur­de drü­ber­ge­streut. Va­ter lud den Baum auf die Schul­ter, und wir gin­gen nach Hau­se.

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Mit spit­zen Fin­gern

Mi­cha­el Spreng er­läu­tert auf sei­nem Blog das »Prin­zip Han­no­ver« und »Wulffs Bio­top« ganz ge­nau. Dem ist ei­gent­lich nichts hin­zu­zu­fü­gen. For­mal hat Wulff da­mals den nieder­sächsischen Land­tag nicht be­lo­gen, als er den Kre­dit der Un­ter­neh­mens­gat­tin Ge­er­kens für sein Haus ver­schwie­gen hat­te. Aber die Ent­rü­stung vor al­lem in der op­po­si­tio­nel­len po­li­ti­schen Klas­se ist den­noch hoch: Wulff ha­be »ge­täuscht« heißt es da. Chef­an­klä­ger Op­per­mann von der SPD, der sich im Er­ei­fern ge­gen Ex-Bun­des­prä­si­dent Köh­ler schon her­vor­ge­tan hat­te, mein­te dies­mal et­was di­plo­ma­ti­scher, di­plo­ma­tisch Wulff ha­be wohl nicht voll­stän­dig die Wahr­heit ge­sagt.

Ich ge­ste­he: Ich hal­te die­ses Ver­hal­ten ei­nes Bun­des­prä­si­den­ten für un­wür­dig (auch wenn er es ver­bro­chen hat­te, als er noch nicht Bun­des­prä­si­dent war). Chri­sti­an Wulff als Bun­des­prä­si­dent ist ei­ne Schan­de für die­ses Land. Er hat jeg­li­che mo­ra­li­sche Au­to­ri­tät dau­er­haft ein­ge­büßt. Und es ist ge­nau die­se mo­ra­li­sche Au­to­ri­tät, die ein im Prin­zip fast macht­lo­ser deut­scher Bun­des­prä­si­dent in die Waag­scha­le wer­fen kann.

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Wil­fried F. Schoel­ler: Al­fred Dö­b­lin. Ei­ne Bio­gra­phie

Die gro­ßen Stär­ken die­ser Bio­gra­phie lie­gen im in­ten­si­ven und dich­ten Er­zäh­len der Wirr­nis­se, die in die­sem Le­ben an­ge­legt sind und de­nen Dö­b­lin schutz­los aus­ge­lie­fert war. Hier wird der Le­ser ge­packt und er­grif­fen. Es ist da­her um­so be­dau­er­li­cher und ei­ni­ger­ma­ßen rät­sel­haft, wie fahr­läs­sig die Chan­ce ver­spielt wur­de, ei­ne un­ter den heu­ti­gen Um­stän­den mög­lichst wahr­haf­ti­ge Re­kon­struk­ti­on von ...

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Bull­shit oc­cu­p­ied

Ei­nen »pla­ka­ti­ven Text« kün­digt das »Ti­tel Ma­ga­zin« an, der den »re­si­gnier­ten« Le­ser auf­rüt­teln will. Ein al­ter To­pos des Feuil­le­tons wird da be­dient: Man nimmt den Le­ser, der sich nicht weh­ren kann, in den Arm und spricht – na­tür­lich un­ge­fragt – für ihn. Nicht der ein­zi­ge Trick. Denn was dann von Thor Kun­kel folgt, ist ein ha­stig zu­sam­men­ge­stop­pel­tes, lar­moy­an­tes Ge­plap­per mit reich­lich sach­li­chen Feh­lern gar­niert. Das Pro­to­koll ei­nes Wut­li­te­ra­ten, der um Auf­merk­sam­keit win­selt, in dem er mög­lichst dra­stisch die­je­ni­gen an­schreit, de­ren Zu­nei­gung er doch so er­sehnt.

Früh wird klar: Es geht Kun­kel über­haupt nicht um Li­te­ra­tur­kri­tik. In sei­nem Text ist nicht ein Wort dar­über zu fin­den. Es geht um das »Be­triebs­sy­stem«, die­ses omi­nö­se Hin- und Her­ge­scha­cher, was sich zur Ver­blüf­fung vie­ler Jungli­te­ra­ten jen­seits so­zia­ler Netz­werke ab­spielt. In Köln hat man da­für den Di­mi­nu­tiv »Klün­gel« er­fun­den. Kun­kel ent­deckt den Klün­gel im­mer wie­der neu. So weit, so schlecht. Und so be­kannt. Aber se­lek­ti­ve Wahr­neh­mung ist im­mer der Freund des Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­kers. Wo bleibt die fach­li­che Aus­ein­an­der­set­zung? Wo blei­ben Hin­wei­se auf ei­ne al­ter­na­ti­ve Literatur­kritik jen­seits der Loven­bergs, Ra­dischs, Wei­der­manns und Schecks? Statt­des­sen greift er lie­ber in die Kli­schee­ki­ste und suhlt sich in sei­nen Ori­gi­na­li­tät si­mu­lie­ren­den In­vek­ti­ven. Man sieht ihn förm­lich jauch­zen, wie er ei­ne schie­fe Me­ta­pher an die an­de­re klebt. Der Le­ser, zum Auf­rüt­teln be­stellt, gähnt und spen­det sanf­tes Mit­leid.

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Aus der Pup­pen­stu­be oder Die Kri­tik ei­ner Kri­tik

Peter Handke: Die Geschichte des Dragoljub Milanovic
Pe­ter Hand­ke:
Die Ge­schich­te des Dra­gol­jub Mila­no­vic

Vor ei­ni­gen Mo­na­ten er­schien im Ver­lag »Jung und Jung« Pe­ter Hand­kes klei­nes Buch mit dem Ti­tel »Die Ge­schich­te des Dra­gol­jub Mila­no­vić«. Hand­ke be­han­delt hier auf 40 Sei­ten das Schick­sal ei­nes ehe­ma­li­gen Fern­seh­di­rek­tors, der von ei­nem ser­bi­schen Ge­richt zu ei­ner mehr­jäh­ri­gen Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt wur­de, weil er das Ge­bäu­de ent­ge­gen ei­ner an­geb­lich exi­stie­ren­den An­ord­nung nicht eva­ku­iert hat­te. Bei ei­nem NA­TO-Bom­ben­an­griff 1999 wur­den 16 Men­schen ge­tö­tet. Hand­ke, der in jun­gen Jah­ren Ju­ra stu­diert hat­te, be­han­delt so­wohl die recht­li­che wie auch die per­sön­li­che Si­tua­ti­on von Mila­no­vić. Er be­sucht ihn zwei Mal im Ge­fäng­nis und es ge­lingt ei­ne in­ni­ge Schil­de­rung von Bei­stand. Und na­tür­lich wird auch der NA­TO-Krieg ge­gen Ju­go­sla­wi­en the­ma­ti­siert und – für Hand­ke neu – mit Zy­nis­mus kom­men­tiert.

Man könn­te nun Carl Wil­helm Mackes Be­spre­chung die­ses Bu­ches auf »culturmag.de« auf sich be­ru­hen las­sen und un­ter Nör­ge­lei statt Auf­klä­rung ein­ord­nen. Da ist je­mand be­müht sein Un­be­ha­gen in ver­mut­lich ge­bo­te­ner Kür­ze zu ar­ti­ku­lie­ren. Au­ßer ein paar nichts­sagenden Mei­nungs­af­fek­ten hat Macke nichts zu bie­ten. Er be­ginnt mit der gön­ner­haf­ten At­ti­tü­de, je­der ha­be »al­les Recht der Welt…als frei­er Schriftsteller….ein rechts­kräf­ti­ges Ur­teil an­zu­grei­fen«. Die­se Er­kennt­nis ten­diert für den Le­ser gen Null, be­rei­tet aber im­mer­hin rhe­to­risch ge­wis­se Ein­wän­de vor. Ob­wohl: Ein­wän­de? Wenn es denn wirk­li­che Ein­wän­de wä­ren. Mit Ar­gu­men­ten bei­spiels­wei­se.

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»Frü­her wuss­te der Adel, was an so ei­ner Stel­le zu tun ist ...«

Es wur­de und wird viel ge­schrie­ben und ge­sagt zum Come­back-Ver­such von Karl Theo­dor zu Gut­ten­berg und mit der Zeit (und viel­leicht auch mit der »Zeit«) wer­den die im In­ter­view ge­nann­ten Be­haup­tun­gen suk­zes­si­ve ei­ner Über­prü­fung un­ter­zo­gen wer­den.

Mit ei­ner ha­be ich schon mal be­gon­nen.

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Wer bie­tet mehr?

NPD-Ver­­­bot ja oder nein? Schnell­schuß­po­li­ti­ker be­für­wor­ten ein ent­spre­chen­des Ver­fah­ren, ob­wohl sich an den Kri­te­ri­en, die 2003 zur Nicht­zu­las­sung beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt führ­ten, nichts ge­än­dert hat. Dis­ku­tiert wird es den­noch, weil es Ent­la­stung für die po­li­ti­schen und straf­recht­li­chen Ver­säum­nis­se der letz­ten Jah­re ver­spricht – als könn­te mit dem Ver­bot auch nur ein Neo­na­zi be­kehrt wer­den. Die Fra­ge ...

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