Anfang der 90er Jahre beobachtete der Schriftsteller Bodo Morshäuser einen Prozess gegen vier junge Männer, die eine Frau bestalisch ermordet hatten und mindestens teilweise dem rechten Milieu zugeordnet wurden. Morshäuser fuhr nach Kellinghusen, traf auf Skinheads, Xenophobe und sozial gescheiterte Existenzen. Er fand im Verfassungsschutzbericht von 1986 einen Hinweis auf den Ort. Es gab / gibt eine Neonazi-Szene. 1987 kam es zu einem Treffen in Kellinghusen, zu dem die rechtsradikale »FAP« aufgerufen hatte. (Die »FAP« wurde 1995 vom Bundesverfassungsgericht verboten.) Morshäuser berichtet von einer Polizeieskorte für die Rechtsradikalen und spärlichen Gegendemonstrationen.
Interessant ist die in solchen Fällen zu beobachtende Dichotomie, die als repräsentativ bis zum heutigen Tag angesehen werden kann. Morshäuser macht im Diskurs um Rechtsextremismus Verharmloser und Übertreiber aus. Beide Seiten treiben ihr idiotisches Meinungsspiel, das eher ein Vorurteilsrecycling ist. Jeder will sich vor dem Problem und vor der Gegenseite ins Recht sowie die Gegenseite ins Unrecht setzen. Handlungsimpuls ist nicht, das Problem zu lösen, also erst mal zu benennen – was schon schwierig ist, weil Teil des Problems sofort auch die sind, die mit diesen verfluchten zwei Meinungen aufkreuzen, jener Scheindifferenz, die sie für die Differenz halten.
Im konkreten Fall rubrizierte Morshäuser Polizei und Politik in die Gruppe der Verharmloser. Sie hatten falsche gute Gründe, über die rechtsextreme Erneuerung zu schweigen.. Die Übertreiber agierten rhetorisch überzogen, nennen den faschistisch, der nur dabei ist, Tabuzonen zu entdecken (und auf eine stößt). Die Verharmloser meinen, man könne die Gefahr herbeireden. Die Übertreiber sagen, man könne die Gefahr herbeischweigen.