Die Welt des Chri­sti­an Nit­sche

Im ta­ges­schau-blog ist ein sehr in­ter­es­san­ter Text von Chri­sti­an Nit­sche, sei­nes Zei­chens »Zwei­ter Chef­re­dak­teur von ARD ak­tu­ell«, er­schie­nen. In­ter­es­sant ist er vor al­lem des­halb, weil in ei­ner gro­ßen rhe­to­ri­schen Be­we­gung ei­ne Ab­lei­tung von den Pe­gi­da-De­mon­stra­tio­nen zur Kri­tik am »Qua­li­täts­jour­na­lis­mus« (Nit­sche) ge­schla­gen wird (»Pe­gi­da« fällt nur ein­mal; an­son­sten sind es in schön­stem Sprech »ei­ne zu­neh­men­de Zahl be­sorg­ter Bür­ger«). Die Vol­te ist be­mer­kens­wert: Dem­nach ist prak­tisch je­der, der die Le­gi­ti­ma­ti­on und Kom­pe­tenz des Jour­na­lis­mus be­fragt ein mehr oder we­ni­ger ver­steck­ter Sym­pa­thi­sant von Pe­di­ga, par­don: ein »be­sorg­ter Bür­ger«, und da­mit na­tür­lich im land­läu­fi­gen Sinn min­de­stens ei­ne per­so­na non gra­ta, oder, je nach Stand­punkt ein Rechts­po­pu­list oder Putin­ver­ste­her oder am be­sten gleich bei­des.

Über­schrie­ben ist Nit­sches Text mit der pa­the­ti­schen Schlag­zei­le »Wer Angst sät, will Macht aus­üben«. Ver­tre­ten wird die The­se, dass die Äng­ste der »be­sorg­ten Bür­ger« be­wusst ge­schürt wer­den:

»Das Bin­de­mit­tel Angst lässt sich leich­ter an­rüh­ren als frü­her. Es ver­klebt die Ver­nunft. Zu sel­ten tritt dies ins Be­wusst­sein: Wer Angst sät, will Macht aus­üben. Wer Emo­tio­nen steu­ern kann, hat ein wir­kungs­vol­les po­li­ti­sches In­stru­ment in der Hand.«

Schein­bar kos­mo­po­li­tisch wird mit dem »Ger­man Angst«-Begriff ar­gu­men­tiert, der in die­ser Form fast nur in Deutsch­land ge­bräuch­lich ist.

Die Angst war in den 1980ern ein po­li­ti­scher Mo­tor

Nit­sche ist 43 Jah­re alt. Er könn­te al­so sehr wohl ei­ne Er­in­ne­rung an den Ju­ni 1982 ha­ben, als in Bonn rund 500.000 Men­schen ge­gen den NA­TO-Dop­pel­be­schluss de­mon­strier­ten. Die­se Men­schen ein­te ei­ne Angst: Dass durch die Sta­tio­nie­rung US-ame­ri­ka­ni­scher nu­klea­rer Ra­ke­ten ein Atom­krieg nicht nur wahr­schein­li­cher, son­dern auf deut­schem Bo­den aus­ge­tra­gen wür­de. Die Dis­kus­si­on wur­de seit An­fang der 1980er Jah­re ge­führt; 1982 ku­mu­lier­te sie in mas­sen­haf­ten De­mon­stra­tio­nen in Deutsch­land und Eu­ro­pa.

War die Ver­nunft die­ser Leu­te »ver­klebt«? Schließ­lich war ih­re Angst zu­nächst voll­kommen un­be­grün­det: sie rich­te­te sich auf et­was, was es noch nicht gab. Zu­dem hat­te die Ab­schreckung bis­her ganz gut funk­tio­niert; die Angst rich­te­te sich auch dar­auf, dass es zu »fal­schem Alarm« mit un­vor­her­seh­ba­ren Fol­gen kom­men könn­te.

Aber ist Angst nicht evo­lu­tio­när wich­tig, weil sie vor un­über­leg­ten Hand­lun­gen schützt? Und ist sie nicht auch im­mer ein we­nig ir­ra­tio­nal? Wie ist das mit der Angst vor dem Flie­gen? Be­sänf­tigt man den­je­ni­gen da­mit, dass man ihm die Sta­ti­stik er­läu­tert, die ein­deu­tig aus­weist, dass der Trans­port zum Flug­ha­fen ein Mehr­fa­ches »ge­fähr­li­cher« ist als der Flug? Oder je­ne ar­men Zeit­ge­nos­sen die (wie ich) Angst vor Spin­nen ei­ner ge­wis­sen Grö­sse ent­wickeln: Sind sie zu über­zeu­gen, dass die Tier­chen ei­nem nichts tun wer­den? Und noch ei­ne drit­te Sor­te Angst, die eben­falls seit An­fang der 1980er Jah­re die po­li­ti­sche Kul­tur um­treibt: die vor der Atom­kraft und der Un­be­herrsch­bar­keit der Ri­si­ken die­ser En­er­gie­form. Ist die­se Angst nicht so­gar durch di­ver­se Un­fäl­le be­stä­tigt wor­den?

Der NA­TO-Dop­pel­be­schluss spal­te­te da­mals die Ge­sell­schaft. Der me­dia­le Main­stream war da­mals mehr­heit­lich da­ge­gen. Künst­ler, In­tel­lek­tu­el­le und Frie­dens­be­weg­te schlu­gen sich auf die Sei­te der Geg­ner. Der im Herbst 1982 an die Macht ge­kom­me­ne Hel­mut Kohl führ­te je­doch un­be­irrt den Be­schluss, den Hel­mut Schmidt ge­gen wei­te Tei­le sei­ner Par­tei durch­ge­setzt hat­te, durch. Die Ra­ke­ten wur­den knapp ein Jahr spä­ter sta­tio­niert. Schmidt wie Kohl ha­ben die Angst der De­mon­stran­ten ge­ach­tet, sich aber po­li­tisch an­ders ent­schie­den.

Nit­sche liegt al­so falsch, wenn er den Be­griff der Angst als po­li­ti­sches Mit­tel per se de­nun­ziert. Denn die Dis­kus­si­on in den 80ern um die Sa­che war le­gi­tim und gerecht­fertigt. Nit­sche ver­gisst auch, dass die Angst um Res­sour­cen und die Na­tur vor al­lem ei­ne Par­tei in den 1980er Jah­ren groß ge­macht hat: Es wa­ren die Grü­nen, die die­se Äng­ste ar­ti­ku­liert und po­li­tisch ver­wer­tet ha­ben. So ir­ra­tio­nal und über­trie­ben sie viel­leicht wa­ren (Wald­ster­ben, Welt­krieg, Nu­kle­ar­ka­ta­stro­phe) – sie hat­ten ent­schei­den­den Ein­fluss auf die po­li­ti­sche Kul­tur der Bun­des­re­pu­blik.

Der Ret­ter des Qua­li­täts­jour­na­lis­mus

Aber es geht ihm um et­was an­de­res: Die Eh­ren­ret­tung des Jour­na­lis­mus, wie er ihn ver­steht. Die Me­tho­den, die er hier­für an­wen­det sind be­kannt. Zu­nächst wird die ei­ge­ne Mei­nung als Fak­tum aus­ge­ge­ben:

»Ei­nen sanf­ten, wohl­wol­len­den Jour­na­lis­mus beim The­ma Pu­tin ein­zu­for­dern, wie dies auch im­mer mehr Pro­mi­nen­te tun, führt in die Sack­gas­se.«

Ver­mut­lich spielt er auf die – zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen schlam­pig und un­prä­zi­se for­mu­lier­te – Er­klä­rung der 60 Pro­mi­nen­ten an. Man ru­fe sich de­ren For­mu­lie­rung in Be­zug auf die Me­di­en je­doch den Sinn:

»Wir ap­pel­lie­ren an die Me­di­en, ih­rer Pflicht zur vor­ur­teils­frei­en Be­richt­erstat­tung überzeugender nach­zu­kom­men als bis­her. Leit­ar­tik­ler und Kom­men­ta­to­ren dä­mo­ni­sie­ren gan­ze Völ­ker, oh­ne de­ren Ge­schich­te aus­rei­chend zu würdigen.«

Von ei­nem »sanf­ten, wohl­wol­len­den Jour­na­lis­mus« ist al­so nicht die Re­de. Es geht, wenn man wei­ter­liest, um »ei­ne ver­ant­wor­tungs­vol­le, auf so­li­den Re­cher­chen ba­sie­ren­de Be­richt­erstat­tung.« Das ist ein gra­vie­ren­der Un­ter­schied. Aber Nit­sche braucht die­se Un­ter­stel­lungs-Rhe­to­rik, um sich und sei­nen Jour­na­lis­mus als Op­fer dar­zu­stel­len:

»Ein Ver­such, den eta­blier­ten Qua­li­täts­me­di­en in Deutsch­land ei­ne ge­mein­schaft­li­che Stra­te­gie zur Ma­ni­pu­la­ti­on der öf­fent­li­chen Mei­nung zu un­ter­stel­len, wä­re frü­her als ab­stru­se Ver­schwö­rungs­theo­rie ab­ge­tan wor­den. Doch auf dem Nähr­bo­den der Angst vor ei­nem neu­en Kal­ten Krieg ge­deiht die Het­ze ge­gen Jour­na­li­sten. Vie­le kri­ti­sche Mails, die Me­di­en er­rei­chen, sind ent­fes­selt ag­gres­siv, durch­setzt von Pau­schal­ur­tei­len, wie sie von in­ter­es­sier­ter Sei­te im In­ter­net ver­brei­tet wer­den.«

Da ist die Re­de von »eta­blier­ten Qua­li­täts­me­di­en«. Wer dies al­so nicht so sieht und kri­ti­siert, be­treibt »Het­ze«, die »von in­ter­es­sier­ter Sei­te« ver­brei­tet wird. Nit­sche will die »ab­stru­se Ver­schwö­rungs­theo­rie« ei­ni­ger Me­di­en­kri­ti­ker da­durch des­avou­ie­ren, dass er sei­ner­seits ei­ne Ver­schwö­rungs­theo­rie im­ple­men­tiert:

»Ei­ne of­fen­bar angst­ge­steu­er­te Wahr­neh­mung blen­det aus, dass ei­ne Kam­pa­gne ge­gen “die Me­di­en” läuft. Das Ziel der Kam­pa­gne ist nicht die Stär­kung der De­mo­kra­tie, sie soll viel­mehr zu ei­ner Ab­kehr von Sen­dern und Zei­tun­gen füh­ren. Im Er­geb­nis schwächt dies die De­mo­kra­tie.«

Fast hat­te man ver­ges­sen, dass die Ge­büh­ren der öf­fent­lich-recht­li­chen Sen­der von die­sen nass­forsch als »De­mo­kra­tie-Ab­ga­be« be­trach­tet wer­den. Nit­sche sug­ge­riert: Wer die Be­richt­erstat­tung kri­ti­siert, wer bei­spiels­wei­se die (stra­te­gi­sche) Po­si­ti­on Russ­lands ver­sucht her­aus­zu­fin­den, ist von au­ßen ge­steu­ert und »schwächt die De­mo­kra­tie«.

Mit pau­scha­len Ur­tei­len ge­gen pau­scha­le Ur­tei­le

Ich leug­ne nicht, dass es »ent­fes­selt aggressiv[e]« Mails und Kom­men­ta­re gibt. Aber es gibt eben auch an­de­re, die sich sehr de­zi­diert mit der Be­richt­erstat­tung auseinander­setzen. Nit­sche die­nen aber die Pol­te­rer und Be­schimpf­er als Grund, jeg­li­che Kri­tik ab­zu­schmet­tern. Er wirft Kri­ti­kern Pau­schal­ur­tei­le vor, die er sel­ber je­doch pflegt wie Ade­nau­er sei­ne Ro­sen. Ei­ner der Hö­he­punk­te des Tex­tes ist der Satz »Ei­ne ge­schür­te Stim­mung des Miss­trau­ens zer­setzt den Dis­kurs«. Da möch­te man schon fra­gen: Wel­chen Dis­kurs meint er jetzt? Wur­de je­mals Horst Telt­schik in den ta­ges­the­men zu sei­nem Ap­pell in­ter­viewt? (Im­mer­hin hat er ei­nen Platz bei 3sat be­kom­men.) Und wie ver­trägt sich die­se Kri­tik an den Kri­ti­kern ei­gent­lich mit der von der ARD im Vor­abend­pro­gramm ge­stal­te­ten Wer­bung für den öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funk, in der fol­gen­der pom­pö­ser Satz fällt. »Die Ge­sell­schaft wächst an de­nen, die sie in­fra­ge stel­len«?

Wenn schon die Ukrai­ne-Kri­se nicht zu lö­sen ist, so soll­te man sich, so Nit­sche, dem Pro­blem des Frem­den­has­ses stel­len. Am En­de gibt er sich staats­tra­gend und stellt er­leich­tert fest: »Ei­ne Al­li­anz der eta­blier­ten Par­tei­en […] kann ein kraft­vol­les Si­gnal sein.« Da­mit hat er nun end­gül­tig im Dra­chen­blut des Gut­ge­sinn­ten ge­ba­det. Sal­bungs­voll heisst es schließ­lich: « Ei­ne star­ke Ge­mein­schaft ist nie ei­ne ängst­li­che, die sich selbst mür­be macht und miss­traut. An­son­sten wird sie zum Spiel­ball für Kräf­te, die auf De­sta­bi­li­sie­rung set­zen.«

Da­mit ist klar: Der miss­traui­sche Me­di­en­nut­zer de­sta­bi­li­siert die De­mo­kra­tie. Das Kri­tik ein we­sent­li­cher Be­stand­teil ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft ist, scheint bei Nit­sche nicht an­ge­kom­men zu sein: Sie wird pau­schal als von au­ßen ge­steu­ert dif­fa­miert.

Noch ein­mal: Ich be­strei­te nicht, dass es Ver­su­che gibt, Mei­nun­gen im Netz zu ma­ni­pu­lie­ren. Ich bin auch nicht der Mei­nung, dass die öf­fent­lich-recht­li­chen An­stal­ten be­wusst ma­ni­pu­la­tiv bspw. von der Ukrai­ne-Kri­se be­rich­ten. Was mir fehlt, ist das Ein­ge­ständ­nis, dass aus Kriegs­ge­bie­ten nur mit Ein­schrän­kun­gen be­rich­tet wer­den. Statt­des­sen sind die Ur­tei­le bom­ben­fest. Was mich stört ist, die Mei­nung des Kor­re­spon­den­ten aus sei­nem Text schon her­aus­zu­hö­ren. Was man ver­bes­sern soll­te: Erst dann be­rich­ten, wenn es ein Min­dest­maß an Fak­ten gibt. Ei­nen Kor­re­spon­den­ten, ei­ne Kor­re­spon­den­tin, die 500 km ent­fernt ein Er­eig­nis kom­men­tie­ren soll, kann das nicht se­ri­ös, oh­ne wie­der­um auf un­ter Um­stän­den ma­ni­pu­lier­te Me­di­en zu­rück­grei­fen zu müs­sen.

Was mich aber vor al­lem stört ist die­se un­fass­ba­re Ar­ro­ganz ei­nes Chri­sti­an Nit­sche, der da­mit ex­akt das Ge­gen­teil des­sen er­reicht, was er als not­wen­dig er­ach­tet. Der öf­fent­lich-recht­li­che Rund­funk, der drin­gen­der be­nö­tigt wird denn je, nimmt mit sol­chen Per­so­nen ei­nen lan­ge Zeit ir­rever­si­blen Scha­den. Statt mit jour­na­li­sti­scher Ar­beit ver­lo­ren ge­gan­ge­nes Ver­trau­en zu­rück zu ge­win­nen, ge­fällt man sich in der Rol­le des selbst­ge­fäl­li­gen Al­les­wis­sers (das hat Ste­fan Nig­ge­mei­er schon aus­führ­lich be­schrie­ben).

Pe­gi­da

Ge­ra­de­zu hy­ste­risch re­agie­ren die Me­di­en der­zeit in Be­zug auf die Pe­gi­da-Be­we­gung. Es ist wohl ein­fach zu ver­füh­re­risch sich der­art bil­lig sein Müt­chen zu küh­len und die­se Leu­te pau­schal als Na­zis oder sonst­wie Ge­schei­ter­te zu de­nun­zie­ren. So sturz­bach­ar­tig der Wert des rus­si­schen Ru­bels der­zeit kol­la­biert, so stark stürzt Preis der »Mei­nung« des Ge­sin­nungs­main­streams un­ter die nor­mal üb­li­chen 2 Cent. Wenn sich Jür­gen Trit­tin und Franz-Jo­sef Wag­ner in ih­rer Spra­che an­nä­hern, kann man be­ru­higt sein – oder, wie ich, eben nicht. Dass Spie­gel- oder ta­ges­schau-Re­dak­teu­re nicht ver­ste­hen kön­nen, dass ein 61jähriger, der 40 Jah­re ge­ar­bei­tet hat, ver­bit­tert ist ob ei­ner Hartz-IV-ähn­li­chen Ren­te und die­se Stel­lung­nah­me als In­diz für die »wir­re Welt« der Pe­gi­da-De­mon­stran­ten her­an­zieht, zeigt mehr als al­les an­de­re die be­trächt­li­che Ent­fer­nung die­ser Jour­na­li­sten von der so­ge­nann­ten Be­völ­ke­rung.

Pe­gi­da hat es im­mer ge­ge­ben. Man nann­te das frü­her Stamm­tisch. Die Leu­te wa­ren ver­teilt im gan­zen Land; nie­mand nahm da­von groß­ar­tig No­tiz. Man trank sein Bier und ging. Die neu­en Me­di­en ka­na­li­sie­ren, bün­deln sol­che Be­we­gun­gen. Sie sind nicht der Un­ter­gang des Abend­lan­des. Wenn man sie da­zu er­klärt, füt­tert man sie. Pe­gi­da pau­scha­li­siert – ih­nen je­doch eben­so pau­schal zu be­geg­nen, ist nicht bes­ser. Das sich in ih­ren Krei­sen Neo­na­zis oder Rechts­na­tio­na­le tum­meln darf nicht als Ar­gu­ment da­zu die­nen, al­le an­de­ren in Bausch und Bo­gen zu ver­dam­men. Auch hier soll­te man sich ei­nes an­de­ren, dif­fe­ren­zier­te­ren Duk­tus be­die­nen.

Pe­gi­da kann man nur durch ge­ziel­te und lücken­lo­se In­for­ma­tio­nen ver­su­chen, aus­zu­trock­nen. Hier­zu soll­ten vor al­lem öf­fent­lich-recht­li­che Me­di­en die­nen; em­pha­tisch ge­sagt liegt hier­in ihr Auf­trag. Mit ab­ge­ho­be­nen Pfau­en wie Chri­sti­an Nit­sche muss man sich über die­sen Pro­gramm­auf­trag gro­ße Sor­gen ma­chen.

49 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Die­ser Chri­sti­an-Nit­sche-Kom­men­tar ist mir auch auf­ge­fal­len und auch ich woll­te mich an ihm ab­ar­bei­ten. Das hast Du mir jetzt aber ab­ge­nom­men, über­zeu­gen­der als ich es je könn­te, ein­fach weil ich bei so ei­ner bla­sier­ten Pu­bli­kums­be­schimp­fung so­fort po­le­misch re­agie­re. Ei­nen Satz in Dei­ner Aus­füh­rung al­ler­dings möch­te ich an­zwei­feln. Du schreibst: ...»Ich bin auch nicht der Mei­nung, dass die öf­fent­lich-recht­li­chen An­stal­ten be­wusst ma­ni­pu­la­tiv bspw. von der Ukrai­ne-Kri­se be­rich­ten...«

    Die ma­ni­pu­lie­ren ganz be­wußt!

  2. Zu­nächst vie­len Dank für die­se kla­re Ana­ly­se der Äu­ße­run­gen ei­nes über­heb­li­chen Dumm­kop­fes der ARD. Mir ist bei der Über­schrift »Wer Angst sät, will Macht aus­üben« spon­tan der Alar­mis­mus ein­ge­fal­len, mit dem sei­tens Po­li­tik und Me­di­en vor Is­la­mis­mus, Sa­la­fi­sten, Ter­ror­ge­fahr bis hin zur Ter­ror-Am­peln in den USA, Pu­tin, In­ter­net­kri­mi­na­li­tät etc. ein­ge­fal­len. In­so­fern muss man Nit­sche für die Fest­stel­lung dank­bar sein, dass es bei die­sen Ver­laut­ba­run­gen nur um ei­nes geht: um Macht. Al­ler­dings wohl we­ni­ger um die Macht des Vol­kes, das ja, folgt man Nit­sche, eh blöd ist, wenn es nicht als Jour­na­list tä­tig ist.

  3. »Ei­ne star­ke Ge­mein­schaft ist nie ei­ne ängst­li­che, die sich selbst mür­be macht und miss­traut.«

    Und so sind wir von 1933 nach 1939 ge­kom­men. Die Be­sten der Be­sten der Be­sten, Sir!

    Ge­sun­de Mi­strau­en ist der Ba­sis der De­mo­kra­tie, nicht ihr Un­ter­gang.

  4. Ich bin über­rascht, dass die Ab­leh­nung und das Miss­trau­en ggü den Top-Me­di­en schon ins In­ne­re der Re­dak­tio­nen durch ge­drun­gen ist. Das ist ein emi­nent wich­ti­ger Vor­gang. Die Mei­nungs­füh­rer­schaft wur­de an­ge­ta­stet, und das stellt ein­deu­tig ei­ne Er­schüt­te­rung ih­rer (Selbst-)Legitimation dar.
    Das muss man Pe­gi­da las­sen. Die ha­ben schon jetzt et­was be­wirkt.
    Dar­an wird man sich er­in­nern. Wie hat das funk­tio­niert, mit Ge­sprä­chen, mit Dis­kur­sen?! – - Nein, mit Ab­gren­zung, mit Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­zicht. Wir, aber nicht: ihr... Wirft ein völ­lig neu­es Licht auf die Per­so­nal­pro­no­men, nicht wahr, Herr Nit­sche?!

  5. @blackconti
    Jour­na­li­sten un­ter­lie­gen Zwän­gen. Der schlimm­ste Zwang dürf­te sein, dass man stän­dig neu­es Ma­te­ri­al zu »pro­du­zie­ren« hat. Man kann das schon bei Luy­en­di­jk nach­le­sen, der in den 1990ern Aus­lands­kor­re­spon­dent war. In­zwi­schen hat sich das po­ten­ziert. Die Re­dak­tio­nen ver­lan­gen da­bei kur­ze, aber knacki­ge State­ments. Wenn man je­doch stän­dig Bei­trä­ge zu ver­fas­sen hat, un­ter­liegt man am En­de wo­mög­lich sei­ner ei­ge­nen kom­ple­xi­täts­re­du­zie­ren­den Be­richt­erstat­tung. Es ist ei­ne Art Selbst­hyp­no­se. Man merkt dann gar nicht mehr, wie man so­zu­sa­gen ein­sei­tig wird; Zeit zur Re­fle­xi­on gibt es kaum. Da­her glau­be ich, dass die Ein­sei­tig­kei­ten in Be­richt­erstat­tun­gen in den sel­ten­sten Fäl­len ideo­lo­gi­scher Na­tur und/oder be­ab­sich­tigt sind. Mir ist das wäh­rend der Ju­go­sla­wi­en-Krie­ge in den 90ern auf­ge­fal­len: Als die Kor­re­spon­den­ten aus den Kri­sen- und Kriegs­ge­bie­ten mit ei­nem ge­wis­sen zeit­li­chen Ab­stand be­rich­te­ten wur­den ih­re Bei­trä­ge aus- und ab­ge­wo­ge­ner.

    @die kal­te So­phie
    Gu­ter Ge­dan­ke. Ab­gren­zung und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­zicht sind üb­ri­gens fast syn­onym für so­zia­le Me­di­en. Hier bleibt man auch lie­ber un­ter sich. Ich mer­ke das sehr deut­lich – u. a. auch an mir. Jetzt bin ich al­ler­dings kein Jour­na­list, der für Plu­ra­li­tät so­zu­sa­gen be­zahlt wird.

    Im üb­ri­gen war die Ab­gren­zung ge­gen­über rech­ten Grup­pie­run­gen und Par­tei­en in der Ver­gan­gen­heit durch­aus er­folg­reich. Hin­zu kam, dass sich die­se Leu­te fast im­mer sel­ber zer­legt ha­ben. Ei­ni­ger spricht da­für, dass es auch dies­mal klappt. Bis dann wie­der ir­gend­wann ein an­de­rer die glei­che Sau durchs Dorf treibt. Man kann nur hof­fen, dass das nicht ir­gend­wann ein Hai­der wird.

  6. Auch ich hat­te den Ein­druck, Leu­te wie Nit­sche, al­so vie­le Jour­na­li­sten, hal­ten uns Nicht-ih­rem-Zir­kel-An­ge­hö­ri­ge für ah­nungs­lo­se Dep­pen. Die ha­ben im­mer noch nicht mit­be­kom­men, dass man heu­te schnell und mehr als aus­rei­chen­de In­for­ma­tio­nen im Netz be­kommt, die oft (ZU oft) die of­fi­zi­el­len Nach­rich­ten wi­der­le­gen, wenn’s nicht gar der ge­sun­de Men­schen­ver­stand oder ei­ne Le­bens­er­fah­rung be­reits tun. Ich in­for­mier’ mich heu­te mehr bei z.B. Fe­fe als dass ich die Ta­ges­schau gucke (oder ihr gar glau­be).

    Auch ab­seits von der Po­li­tik fällt mir im­mer wie­der Blöd­sinn auf. Da wird in den of­fi­zi­el­len 12-Uhr-Nach­rich­ten des Kul­tur­ra­di­os »Djan­go Rein­hardt« als »Fla­men­co-Spie­ler« (!) vor­ge­stellt. Solch’ Ah­nungs­lo­sig­keit bis Dumm­heit ist lei­der kei­ne Aus­nah­me, wie ich als pas­sio­nier­ter Ra­dio­hö­rer fest­stel­len muss. Und der Ein­trag in mei­ner Zi­ta­ten­samm­lung wird all­zu­oft be­stä­tigt: »Er ist dumm wie drei Jour­na­li­sten.«
    Will sa­gen: Es muss kei­ne Ver­schwö­rung sein, es kann auch ’ne Mi­schung zwi­schen Ah­nungs­lo­sig­keit, Faul­heit und Bor­niert­heit sein. Die na­tür­lich von in­ter­es­sier­ter Sei­te ger­ne ge­nutzt wird.

  7. @Theo
    Das wird er schon aus Sta­tus­grün­den nie­mals tun. Man ant­wor­tet ja selbst im ei­ge­nen Blog nicht mehr auf die Kom­men­ta­re.

    @Klaus D. Muel­ler
    Ge­nau die­se Nach­läs­sig­kei­ten und Dumm­hei­ten be­ob­ach­te ich auch.

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  9. »Jour­na­li­sten un­ter­lie­gen Zwän­gen.«
    Bit­te nicht so­was als Ent­schul­di­gung für die Pro­pa­gan­da die­ser Leu­te nut­zen. JEDER Mensch der nicht Jour­na­list ist, un­ter­liegt eben­falls Zwän­gen: an­de­ren, grö­ße­ren, klei­ne­ren...
    Nie­mand (?) zwingt die­se Jour­na­li­sten, in je­dem ih­rer Be­rich­te die ei­ne Sei­te au­to­ma­tisch als Bö­se, die an­de­re im­mer au­to­ma­tisch als die Gu­ten hin­zu­stel­len, mit­tels pas­sen­der Ad­jek­ti­ve und Ver­ben. Nee, das sind kei­ne »Zwän­ge«, das ist ent­we­der Über­zeu­gung ... oder?
    ...oder doch http://homment.com/atlantikbruecke
    etc.

  10. Na­ja, die Sa­che mit der At­lan­tik­brücke hal­te ich für auf­ge­bauscht. Dass Jour­na­li­sten wie je­der an­de­re auch ih­re Über­zeu­gun­gen ha­ben, ist nicht ver­werf­lich. Man muss auch un­ter­schei­den zwi­schen Re­dak­teu­ren und Kor­re­spon­den­ten. Letz­te­re mein­te ich, als ich die vor al­lem zeit­li­chen Zwän­ge an­sprach und Luy­en­di­jk ins Spiel brach­te, des­sen Buch un­ge­ach­tet der zeit­li­chen Di­stanz im­mer noch le­sens­wert ist.

    Was bei den mei­sten Re­por­tern un­ter­bleibt ist die Ein­ord­nung des Ge­sche­hens in ei­nen Kon­text. Das kann die­ser Jour­na­list aber oft ge­nug nicht lei­sten und es ist auch – platt ge­sagt – gar nicht sei­ne Auf­ga­be. Er be­schreibt ein Ge­fecht in der Ost­ukrai­ne, be­fragt die Men­schen dort – war­um die­ser Kon­flikt dort aus­ge­bro­chen ist, kann er nicht re­fe­rie­ren. Das mei­ne ich mit Kom­ple­xi­täts­re­du­zie­rung: Es gibt ei­nen Au­gen­blick-Jour­na­lis­mus und ei­nen Re­fle­xi­ons-Jour­na­lis­mus. Wenn Letz­te­rer aus Ak­tua­li­ät­s­grün­den auf der Strecke bleibt, kommt das Bild in Schief­la­ge. Dass sich jetzt al­le über die Ukrai­ne-Be­richt­erstat­tung auf­re­gen, ist sehr merk­wür­dig-. Mit glei­chem Recht hät­te man sich über die Ju­go­sla­wi­en-Be­richt­erstat­tung der 90er Jah­re echauf­fie­ren kön­nen (auch hier kann­te man nur ein Feind­bild).

  11. Die­se Or­ga­ni­sa­ti­on At­lan­tik­brücke ist in der Tat son­der­bar. Es scheint ein tief­grei­fen­des Be­dürf­nis nach An­er­ken­nung, nach Zu­ge­hö­rig­keit zum west­li­chen La­ger zu ge­ben. Das ist kei­nes­wegs in­ter­es­sen-neu­tral, da muss ich Klaus Muel­ler zu­stim­men. Da schim­mert im­mer noch der deut­sche Iden­ti­täts­ver­lust nach WK II durch, die fast zwin­gen­de Ori­en­tie­rung an Ame­ri­ka, dem al­ter­na­tiv-lo­sen Be­frei­er. Ein deut­sches Son­der­phä­no­men, das ge­nau heu­te ein ne­ga­ti­ves Feed­back aus­sen­det, wo Ame­ri­ka und Eu­ro­pa ver­schie­de­ne We­ge ge­hen. Für mich sieht es so aus, als ob der We­sten (schon der Be­griff kommt aus Ame­ri­ka!) kol­la­biert. Das krie­gen so­gar die Jour­na­li­sten mit, aus­nahms­wei­se.

  12. “Die Herr­schen­den wer­den auf­hö­ren zu herr­schen, wenn die Krie­chen­den auf­hö­ren zu krie­chen.”
    Ge­fällt mir bes­ser ..und pas­sen tut es auch !!
    Bin ge­spannt auf die­se « Jour­na­li­sten « wenn Pe­gi­da 100.000 Teil­neh­mer hat...wir wer­den über­rascht sein wie schnell die­se Hof­pro­pa­gan­di­sten »schwit­schen ».

  13. hal­lo, ich le­se heu­te dei­nen blog das er­ste mal und ich wer­de wie­der kom­men! ge­nau so wünscht man sich jour­na­lis­mus, dan­ke sehr da­für!

    du schreibst:
    »Ich bin auch nicht der Mei­nung, dass die öf­fent­lich-recht­li­chen An­stal­ten be­wusst ma­ni­pu­la­tiv bspw. von der Ukrai­ne-Kri­se be­rich­ten…«

    ich schon!
    und sie tun das in voll­ster über­zeu­gung und wie­der­holt.

  14. Seit heu­te 10:43 wird auf dem Ta­ges­chau­blog un­ter dem Nit­sche-Ar­ti­kel nix mehr ver­öf­fent­licht (?!)
    (Auch mei­ner nicht, von et­wa 11 Uhr)

  15. »Dass Jour­na­li­sten wie je­der an­de­re auch ih­re Über­zeu­gun­gen ha­ben, ist nicht ver­werf­lich.«
    Aber: al­le die­sel­be?

  16. @Klaus D. Moel­ler
    Der Nit­sche-Bei­trag hat­te bis ge­stern abend nur 1 Kom­men­tar; dann sind wel­che da­zu ge­kom­men. Beim ta­ges­schau-blog kommt es (üb­ri­gens wie bei der FAZ) dar­auf an, wer ge­ra­de Dienst hat und die Kom­men­ta­re frei­schal­tet.

    Noch ein­mal zur ein­heit­li­chen Mei­nung: Die Jour­na­li­stin Mi­ra Be­ham hat in ih­rem Buch »Kriegs­trom­meln« die Pro­pa­gan­da­ak­ti­vi­tä­ten zu di­ver­sen Krie­gen und Kon­flik­ten ana­ly­siert. Ir­gend­wo wur­de sie ein­mal dar­auf an­ge­spro­chen, war­um in den mei­sten west­li­chen Me­di­en Ser­bi­en als der Al­lein­schul­di­ge ge­nannt und ent­spre­chend be­rich­tet wur­de. Hier­für gab es zwei Grün­de: Zum ei­nen hat­ten die an­de­ren Kon­flikt­par­tei­en sehr früh PR-Agen­tu­ren ein­ge­setzt, die mit al­ler­lei Mög­lich­kei­ten bspw. auch bei Po­li­ti­kern die »rich­ti­ge« Stim­mung er­zeug­ten. Zum an­de­ren, und das ist nicht zu ver­nach­läs­si­gen: Die Ser­ben schot­te­ten sich ge­gen­über Jour­na­li­sten lan­ge Zeit ab. Man ver­wei­ger­te In­ter­views, Aus­künf­te, ver­an­stal­te­te kei­ne »Pres­se­kon­fe­ren­zen«, usw. Das führ­te fast au­to­ma­tisch da­zu, dass die­se Sicht der Din­ge schlicht­weg nicht vor­kam.

  17. Sehr gu­te Ex­ege­se. Trifft die Sa­che auf den Punkt. Pau­scha­li­sie­ren ist fein­ster Stamm­tisch. Ich ha­be so­gar das Ge­fühl, das die Po­li­tik ei­gent­lich froh ist, das sich der Zorn der PEGIDA ge­gen Aus­län­der rich­tet. Da­mit ist die­se aus dem Schnei­der. Da­mit ist es um­so wich­ti­ger, das die Me­di­en dem tie­fe­ren Sinn der Be­we­gung er­fas­sen und be­rich­ten.

  18. Der Bei­trag ist nicht nur am 16.12. um 11:10 im Ta­ges­schau-Blog pu­bli­ziert wor­den, son­dern auch als di­rek­ter Bei­trag auf tagesschau.de schon am 15.12. um 15:04. Wäh­rend in dem Blog »nur« 33 Kom­men­ta­re auf­tau­chen, sind dies auf der Haupt­sei­te 124 und die Kom­men­tie­rung wird als be­en­det an­ge­zeigt. Der let­ze Kom­men­tar stammt vom 15.12 um 23:02.

    Be­mer­kens­wer­te fin­de ich, dass die Ab­leh­nungs­quo­te sta­li­ni­sti­sche Quo­ten er­reicht. Kein Ge­ple­nkel zwi­schen links und rechts, pro­gres­siv und kon­ser­va­tiv, wie und auch im­mer. Ich bin sehr ge­spannt, ob auf die­se De­mon­stra­ti­on der Zu­schau­er ei­ne Re­ak­ti­on kom­men wird. Wie auch im­mer man die Qua­li­tät der Ein­wür­fe be­ur­teilt, bei 100% Ab­leh­nung muss man sich als Emp­fän­ger der De­mo­kra­tie­ab­ga­be ir­gend­wie ver­hal­ten.

  19. Stich­wort Qua­li­täts­me­di­en am Bei­spiel »Brenn­punkt«, ei­ne klei­ne Se­zie­rung.

    Ge­stern Abend hat es die ARD bzw. der MDR ge­schafft, ei­ne gan­ze Sen­dung http://web.archive.org/web/20151029123353/http://www.tagesschau.de/ausland/terroranschlag-pakistan-111.html zum Schul­at­ten­tat in Pe­scha­war oh­ne ei­ne ein­zi­ge Se­kun­de ei­ge­nen Bild- und Ton­ma­te­ri­als aus der Re­gi­on aus­zu­strah­len, ab­ge­se­hen viel­leicht von ein paar Se­kun­den ei­nes In­ter­views mit ei­ner pa­ki­sta­ni­schen Po­li­ti­ke­rin. We­der hat­ten sie ei­ge­ne Auf­nah­men von dort noch war der Kor­re­spon­dent (vor­ge­stellt mit den Wor­ten: »Jür­gen Oster­ha­ge ist un­ser Kor­re­spon­dent für die ge­sam­te Kri­sen­re­gi­on« – aha!) vor Ort, der in der Sen­dung ei­nen Re­de­an­teil von ins­ge­samt 65 Se­kun­den hat­te, nein, er war noch nicht mal in Pa­ki­stan, son­dern in In­di­en in Neu De­lhi, 900km von Pe­scha­war ent­fernt. Das letz­te Mal war er vor 2 Wo­chen in Pa­ki­stan, zu Pe­scha­war konn­te er gar nichts sa­gen, statt­des­sen schil­der­te er in dra­ma­ti­schen Wor­ten ein vor ei­ni­ger Zeit er­folg­tes Selbst­mord­at­ten­tat an ei­ner in­disch-pa­ki­sta­ni­sche Grenz­sta­ti­on. Man schaue sich das mal an, wie er so­gar ei­ne dra­ma­tur­gi­sche Pau­se in sei­ne Re­de ein­baut, um den Hor­ror des An­schlags zu be­to­nen. Ei­ne ähn­li­che Dra­ma­tik des Off-Spre­chers (»Fie­ber­haft kämp­fen Ärz­te…«, »ein­zig Zu­fall und Glück ent­schei­den über Le­ben und Tod…« usw.) ist beim er­sten zu­sam­men­fas­sen­den Ein­spie­ler­film zu be­ob­ach­ten. Mög­lichst dra­ma­tisch muss es sein beim MDR.

    Dann ein zu­sam­men­ge­stell­ter Ar­chiv­film über die Ta­li­ban und an­schlie­ßend na­tür­lich das ob­li­ga­to­ri­sche Ex­per­ten­ge­spräch, das von ei­nem Ver­tre­ter der »Stif­tung Wis­sen­schaft und Po­li­tik« (SWP) be­strit­ten wird, al­so ei­nes (des mäch­tig­sten?) die Bun­des­re­gie­rung be­ra­ten­den Think Tanks aus Ber­lin, der schon mal ei­ne in­ter­na­tio­na­le mi­li­tä­ri­sche In­ter­ven­ti­on, not­falls auch oh­ne UN-Man­dat, in Sy­ri­en ge­for­dert hat und der mit der For­de­rung auf­ge­fal­len ist, Deutsch­land müs­se end­lich mehr Macht und Ver­ant­wor­tung über­neh­men (https://de.wikipedia.org/wiki/Stiftung_Wissenschaft_und_Politik#Projekt_.22Neue_Macht_-_Neue_Verantwortung.22). Be­son­de­re Neu­ig­kei­ten oder Hin­ter­grün­de brach­te der »Ex­per­te« mit ei­nem Re­de­an­teil von ins­ge­samt 83 Se­kun­den aber auch nicht, au­ßer viel­leicht dass man (Pa­ki­stan, USA, Af­gha­ni­stan) jetzt (end­lich) län­der- und grenz­über­grei­fend ge­gen die Ta­li­ban tä­tig wird (na so­was, das for­dern die Ame­ri­ka­ner von Pa­ki­stan ja schon län­ger). Wie sie wohl auf den ge­kom­men sind?

    Und schließ­lich noch »er­ste Re­ak­tio­nen aus Wa­shing­ton«: Ka­me­ra­schwenk auf das Wei­ße Haus, Droh­nen­bil­der, ein zwei Wo­chen al­tes Fo­to von Ker­ry mit Pa­ki­stans Ar­mee­chef in Wa­shing­ton und dann ei­ne ak­tu­el­le Auf­nah­me ‑wahr­schein­lich aber auch kein ei­ge­nes Ma­te­ri­al- von Ker­ry in – Lon­don, wo er sich zu dem Zeit­punkt ge­ra­de auf­hielt, dar­auf hin­ge­wie­sen wur­de aber im Brenn­punkt an der Stel­le nicht.

    Der gan­ze Brenn­punkt ist ein ziem­li­cher Kä­se, es gä­be noch mehr zu kri­ti­sie­ren, z.B. dass der Mo­de­ra­tor am An­fang der Sen­dung sagt, dass es »kein Zu­fall« sei, dass die Ta­li­ban ei­ne Schu­le über­fal­len wür­den, denn Schu­len wä­ren ja in de­ren Au­gen »west­lich de­ka­dent und un­is­la­misch« (die­se For­mu­lie­rung stammt ver­mut­lich auch aus ei­ner Ticker­mel­dung und wur­de vom Mo­de­ra­tor le­dig­lich über­nom­men und ab­ge­än­dert, sie­he bei­spiels­wei­se http://www.n‑tv.de/politik/Militaer-toetet-alle-Angreifer-in-Peshawar-article14165706.html letz­ter Satz, da drun­ter ste­hen die Quel­len, man su­che nach »west­lich de­ka­dent un­is­la­misch« und fin­de sei­ten­wei­se Links zu ak­tu­el­len Ar­ti­keln mit ei­ner ähn­li­chen For­mu­lie­rung), es dann aber spä­ter in der Sen­dung heißt, die Schu­le wä­re von der pa­ki­sta­ni­schen Ar­mee (!) be­trie­ben wor­den und die Ta­li­ban hät­ten sie aus Ra­che (!) we­gen der mi­li­tä­ri­schen Of­fen­si­ve in Nord­wazi­ri­stan über­fal­len, zu­dem war sie wohl ein ver­gleichs­wei­se leich­tes Ziel. Al­so, was nun, west­li­che De­ka­denz oder Ra­che oder bei­des? Man weiß es nicht.

    Fa­zit: Kei­ne neu­en Er­kennt­nis­se oder er­hel­len­den Hin­ter­grün­de, statt­des­sen Dra­ma, Trä­nen­drü­se und der Kampf ge­gen Ter­ror geht na­tür­lich auch wei­ter. Mit ei­ner der­ar­ti­gen Mi­schung aus Nach­läs­sig­keit gut­be­zahl­ter Fern­seh­re­dak­teu­re und ei­ner zu­min­dest in mei­nen Au­gen ei­gen­wil­li­gen re­dak­tio­nel­len Aus­wahl und der Zu­sam­men­stel­lung die­ser The­men­sen­dun­gen (war­um gab es bei­spiels­wei­se kei­nen Brenn­punkt zum Ru­bel­ver­fall? Oder zum CIA-Fol­ter­be­richt, im­mer­hin wa­ren da­von ja auch ein Deut­scher und ein in Deutsch­land ge­bo­re­ner Tür­ke be­trof­fen? War­um ist ein An­schlag im ent­fern­ten Pa­ki­stan für uns Zu­schau­er der­art wich­tig, dass es da­zu ex­tra ei­ne Sen­dung ge­ben muss?) ist es kein Wun­der, dass sich Zu­schau­er bei den Qua­li­täts­me­di­en dar­über be­schwe­ren.

  20. »Ich be­strei­te nicht, dass es Ver­su­che gibt, Mei­nun­gen im Netz zu ma­ni­pu­lie­ren. Ich bin auch nicht der Mei­nung, dass die öf­fent­lich-recht­li­chen An­stal­ten be­wusst ma­ni­pu­la­tiv bspw. von der Ukrai­ne-Kri­se be­rich­ten.«

    Kurz: Es gibt Ver­su­che, Mei­nun­gen im Netz zu ma­ni­pu­lie­ren, aber ARD und ZDF tun das nicht. – Echt jetzt? Man muss ei­ne Be­haup­tung eben nur oft ge­nug vor­tra­gen, dann wird sie auch ge­fres­sen und halb­ver­daut wie­der her­vor­ge­würgt, oder?

    Wie kommt der Au­tor sonst zu die­ser stei­len The­se? Wenn von be­wuss­ten Ma­ni­pu­la­ti­on der Mei­nun­gen die Re­de ist, wird au­to­ma­tisch in­si­nu­iert, dies sei­en die omi­nö­sen Pu­tin-Trol­le. Von Oba­ma-Trol­len hat man selt­sa­mer­wei­se noch nie ge­hört. Wie kommt’s? Da­bei lie­ße sich durch­aus fra­gen, ob Schrei­ber­lin­ge wie Kor­ne­li­us, Jof­fe, Fran­ken­ber­ger oder Sprü­che­klop­fer wie Kle­ber nicht ge­nau sol­che Trol­le sind. Und zwar nicht als reich­lich wir­kungs­lo­se an­ony­me Schrei­ber, son­dern an ein­fluss­rei­cher Stel­le. Und sind dem Au­toren z. B. die In­ve­sti­tio­nen der CIA (In-Q-Tel) nicht be­kannt in Soft­ware, die voll­au­to­ma­ti­siert Fo­ren­bei­trä­ge er­stellt?

  21. Kürz­lich tauch­te in die­sem Zu­sam­men­hang die Fra­ge auf, ob die­se Mas­sen, der in vie­len Fo­ren wi­der­spre­chen­den Le­ser bzw. Bür­ger, die Jour­na­li­sten even­tu­ell im­mer noch ein we­nig wei­ter zu­sam­men­rücken las­sen und letzt­end­lich da­zu ver­lei­ten könn­ten, aus ver­ständ­li­cher Angst oder fehl­ge­lei­te­ter Recht­ha­be­rei, nicht nur ei­nen Bun­des­prä­si­den­ten zu stür­zen, son­dern gar ei­nen Krieg an­zu­zet­teln…

    (Dort wo man zu Gast ist, ge­hört es sich ei­gent­lich nicht, am In­ven­tar her­um­zu­n­ör­geln. Jedoch:1.Absatz ...Sym­pa­thi­sant von Pe­di­ga....)

  22. Da­mit es nicht zu Miss­ver­ständ­nis­sen kommt, ei­ne klei­ne Vor­re­de: Nor­ma­ler­wei­se kom­men­tie­re ich nichts, we­der hier noch an­ders­wo, ob­wohl ich mich ger­ne auf Kom­men­tar­sei­ten her­um­trei­be. Dies­mal je­doch möch­te ich ei­nen Kom­men­tar ab­ge­ben; ei­gent­lich nicht so sehr we­gen des Ar­ti­kels, son­dern we­gen der bis­lang ver­öf­fent­lich­ten Kom­men­ta­re dar­un­ter. Für mei­ne Be­grif­fe gibt es hier ein klei­nes Miss­ver­hält­nis: wäh­rend der ver­link­te Nit­sche-Ar­ti­kel bei­na­he über­kri­tisch be­trach­tet und na­he­zu je­des Wort auf die Gold­waa­ge ge­legt wird, wird mit dem hie­si­gen Ar­ti­kel so über­haupt nicht um­ge­gan­gen.

    Es gibt ei­ne Men­ge Punk­te, für die man den Nit­sche-Ar­ti­kel kri­ti­sie­ren kann bzw. muss; aber viel­leicht soll­te man ihn nicht in Bausch und Bo­gen ver­dam­men. Um mal ein Bei­spiel zu ge­ben, ei­ne klei­ne An­mer­kung zu Ih­rer Re­plik:

    »Die Angst war in den 1980ern ein po­li­ti­scher Mo­tor« steht in dem Ar­ti­kel als Zwi­schen­über­schrift und wahr­schein­lich ist das durch­aus rich­tig. Viel­leicht ist so­gar noch mehr rich­tig, näm­lich dass Angst sehr viel häu­fi­ger als nur in den 80ern ein po­li­ti­scher Mo­tor war. Viel­leicht ist Angst so­gar im­mer ein sol­cher An­trei­ber; wer will das ge­nau sa­gen? Aber nur, weil es Fäl­le gibt, in de­nen Men­schen aus Angst auf die Stra­ße ge­gan­gen sind und ge­gen et­was de­mon­striert ha­ben, von dem man heu­te even­tu­ell denkt, dass es die »rich­ti­ge Sa­che« war (z.B. Um­welt­schutz bzw. Res­sour­cen­schoh­nung), muss man noch lan­ge nicht den­ken, dass Angst als »Mo­tor« tat­säch­lich nö­tig oder zu­min­dest hilf­reich ist. Trotz al­ler evo­lu­tio­nä­ren Wich­tig­keit der Angst (oder an­de­rer Emo­tio­nen) soll­te doch ei­nes klar sein: Angst ist ein schlech­ter Rat­ge­ber; Angst führt kei­ne De­bat­ten. Klar, sie löst viel­leicht wel­che aus, treibt sie wei­ter an bzw. lässt sie im Ge­sprächt blei­ben, aber sie soll­te sie nicht be­stim­men. Mit an­de­ren Wor­ten: die De­bat­te soll­te (letzt­lich) die Angst ab­lö­sen; ein ra­tio­na­le (Auf-)Lösung ei­nes (nicht zwin­gend ir­ra­tio­na­len son­dern eher a‑rationalen) Ge­fühls soll­te an­ge­strebt wer­den. Nur so ver­läßt man den Stamm­tisch. Und in­so­fern ist es na­tür­lich rich­tig, vor ge­schür­ter Angst bzw. Angst als De­bat­ten­füh­rer zu war­nen, wie Nit­sche es tut; ge­ra­de an­ge­sichts all der Kri­sen, die es mo­men­tan zu be­ach­ten gibt. [Nichts an­de­res wird ja oft der Bild vor­ge­wor­fen (http://www.bildblog.de/62370/von-brandstiftern-zu-brandstiftern) und auch zu­recht kri­ti­siert.]

    Selbst­ver­ständ­lich glau­be ich nicht, dass hier ei­ne klei­ne Apo­loge­tik der Angst ver­fasst wer­den soll­te; aber das Po­ten­ti­al zu ei­nem Miss­ver­ständ­nis ist al­le­mal ge­ge­ben.

  23. @ Jan et al­te­ra
    Al­so, da muss ich Gre­gor bei­sprin­gen: ei­ne Kri­tik muss nicht aus­ge­wo­gen sein, sie ist erst recht nicht dia­lek­tisch. Dann ver­liert sie ih­re Funk­ti­on, wird Ab­hand­lung, Re­fle­xi­on.
    Ich fin­de den Ver­such ei­ner Ver­mitt­lung (Jan) auch nicht zu 100% ge­lun­gen. Der Vor­wurf er­geht an Pe­gi­da und kon­sor­ten: Angst ist ein schlech­tes, ein un­fai­res, ein un­lau­te­res In­stru­ment in De­bat­te und Po­li­tik. Und das hal­te ich für grund­ver­kehrt, ja, ein Schein­ar­gu­ment auf der Ba­sis mas­si­ver Igno­ranz.
    Was hät­te Nit­sche denn ge­sagt, bei dem Ein­wand: die Angst ist echt, das sind kei­ne Angst-Cla­que­re, Zit­ter-Per­ser?!
    Ganz klar, in be­stem Po­lit­bü­ro-Deutsch: na­tür­lich muss man die Äng­ste der Be­völ­ke­rung ernst neh­men...
    Ich sou­flier’ das mal zur Deut­lich­keit: ...aber für »un­se­re« Po­li­tik sind de­ren Äng­ste völ­lig be­lang­los. –Ich muss da an die Psy­cho­ana­ly­se ver­wei­sen: Igno­ranz von Ge­füh­len ist der An­fang vom En­de der ...Freund­schaft.

  24. Zu­nächst bin ich froh, dass sich lang­sam ei­ne kri­ti­sche Mas­se (und da­mit mei­ne ich nicht Pe­gi­da) her­aus­bil­det, die nicht mehr al­les un­ge­kaut schluckt, was ihr an Ein­heits­brei von den Qua­li­täts­me­di­en vor­ge­setzt wird. Vor ei­ni­gen Mo­na­ten dach­te ich noch, dass es ein­fach nicht wahr sein kann, dass of­fen­bar kei­ner merkt wel­che ab­sur­den Zü­ge die Be­richt­erstat­tung an­nimmt.
    Ant­wor­ten vom Kol­le­gen Nit­sche auf Pro­gramm­be­schwer­den sind so we­nig von Sach­kom­pe­tenz, Dis­kurs­be­reit­schaft und An­stand ge­gen­über den Re­zi­pi­en­ten ge­prägt, dass es schwer fällt bei der wei­ter­füh­ren­den Kon­ver­sa­ti­on die Con­ten­an­ce zu wah­ren. https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=30&t=110&p=1081#p758
    Ge­toppt wird das Gan­ze nur noch durch Ant­wor­ten von Kai Gniff­ge: https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=30&t=174&p=1367#p1213
    Un­se­ren, durch­weg mit Be­wei­sen un­ter­mau­er­ten, Be­schwer­den wird aus fa­den­schei­ni­gen Grün­den, ab­sur­de­sten Ar­gu­men­ta­tio­nen und un­glaub­li­chen her­um­la­vie­ren der Pro­gramm­ver­ant­wort­li­chen und In­ten­dan­ten nicht ab­ge­hol­fen. Die Rund­funk- und Fern­sehrä­te als ge­setz­li­che In­ter­es­sen­ver­tre­ter (!) des Pu­bli­kums wer­den sich vor­aus­sicht­lich die­sen (Fehl-)Urteilen an­schlie­ßen. (sie­he https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=30&t=127&p=1405#p717 – das ist der glei­che Sach­ver­halt, der die ARD be­wo­gen hat­te sich für ei­ne Sen­dung der Ta­ges­the­men im Mai – nach im­mer­hin 5 Mo­na­ten – öff­fent­lich zu ent­schul­di­gen.) Sie al­le ver­ges­sen, dass sie ei­nen ge­setz­li­chen Pro­gramm­auf­trag ha­ben und von uns be­zahlt wer­den. Der eu­phe­mi­stisch als De­mo­kra­tie­ab­ga­be be­zeich­ne­te Rund­funk­bei­trag fi­nan­ziert ne­ben Ein­kom­mens­mil­lio­nä­ren al­les mög­li­che, aber kei­ne De­mo­kra­tie. Dass sich Re­dak­teu­re er­drei­sten zu be­haup­ten, Kri­ti­ker woll­ten die Pres­se­frei­heit un­ter­gra­ben, ist ein wei­te­rer Skan­dal. Die Pres­se­frei­heit ist nicht nur Pri­vi­leg, sie ist vor al­lem Ver­ant­wor­tung. Dass die­se groß­ar­ti­ge Frei­heit von Jour­na­li­sten und Re­dak­teu­ren nur un­zu­rei­chend ge­nutzt wird, ist in­ho das Haupt­pro­blem.

  25. @ die kal­te So­phie

    Ich ge­ste­he, ich ver­ste­he nicht, was »ech­te Angst« be­deu­ten soll. Manch­mal spricht man ja von »be­rech­tig­ter Angst« (auch wenn ich lie­ber »be­rech­tig­te Sor­ge« sa­gen wür­de) und meint da­mit die Angst vor/die Sor­ge um et­was, was in der Tat auch be­sorg­nis­er­re­gend ist. Be­rech­tig­te Ängste/Sorgen sind et­was, wo­mit man in ei­ner De­bat­te ar­bei­ten kann; was an dem Zu­satz »be­rech­tigt« auch deut­lich an­klingt. Aber vor Leu­ten, die be­rech­tig­te Äng­ste schü­ren, scheint Nit­sche mMn. nicht zu war­nen (ich wüss­te auch nicht, ob ich ei­nen sol­chen Fall schon mal er­lebt ha­be). Al­so kann es dar­um nicht ge­hen. Aber was heißt »ech­te Angst« dann? Dass sie tat­säch­lich emp­fun­den wird? Und dass man (al­lein) des­we­gen be­stimm­te Mei­nun­gen bil­det oder un­ter­stützt und da­für auch auf die Stra­ße geht? Das al­lein kann doch nicht ge­nug sein; man wür­de doch auch ei­ne An­ti-Spin­nen De­mon­stra­ti­on von Arach­no­pho­bi­kern für al­bern hal­ten, oder?

  26. @Jan Koep­ping
    Dan­ke für Ih­re Re­ak­ti­on. Ich bin nicht ganz Ih­rer Mei­nung, aber ich glau­be auch, dass wir nicht weit von­ein­an­der ent­fernt sind.

    Ich hal­te in be­stimm­ten Gren­zen Angst durch­aus für ei­nen po­li­ti­schen Mo­tor – und auch für le­gi­tim. Die Fra­ge ist, in­wie­weit die­se Angst zu »fal­schen« po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen führt. Wenn man ich die 80er Jah­re ver­ge­gen­wär­tigt, war die Angst in der Be­völ­ke­rung re­la­tiv ge­se­hen zur tat­säch­li­chen Be­dro­hungs­la­ge sehr gross. Die Stich­wor­te ha­be ich ge­nannt: Wald­ster­ben, Um­welt­ka­ta­stro­phen, vor al­lem aber die Atom­kriegs­ge­fahr. Die Be­völ­ke­rung hat die­se Äng­ste in Bür­ger­initia­ti­ven und De­mon­stra­tio­nen ar­ti­ku­liert und po­li­tisch floss dies in die »Grü­nen« ein. Es war – trotz ge­le­gent­li­cher Hy­ste­rien – ei­ne frucht­bar ge­steu­er­te Angst.

    Wenn Sie schrei­ben, dass De­bat­ten Angst »ab­lö­sen« soll, dann sind wir auf ei­ner Li­nie. Dies im­pli­ziert je­doch das Vor­han­den­sein von Äng­sten. Jetzt gibt es ir­ra­tio­na­le Äng­ste und durch­aus le­gi­ti­me, ra­tio­na­le Äng­ste. Hier be­ginnt Po­li­tik und hier liegt die Ver­ant­wor­tung der Me­di­en. Wenn Nit­sche vor Angst als De­bat­ten­füh­rer warnt, so ist das nichts an­de­res als Heu­che­lei: Wer schwa­dro­niert denn stän­dig von »Krieg ge­gen Ter­ror«? Wer zeigt al­le mög­li­chen Mas­sa­ker und Ka­ta­stro­phen? Wer be­treibt denn das Ge­schäft mit der Angst, mit der Hy­ste­rie? Ich bin zu mü­de um Ih­nen Ti­tel der so­ge­nann­ten Talk­shows der ARD her­aus­zu­su­chen – oft wird ge­ra­de dort mit Äng­sten ge­spielt, schein­hei­lig hin­ter ei­nem Fra­ge­zei­chen ver­bor­gen.

    Ich wür­de auch ir­gend­wann ein­mal zu ger­ne ei­nen Bei­trag des Bild­blog le­sen, wenn wie­der ein­mal ir­gend­wo von den Äng­sten an­läss­lich des Kli­ma­wan­del die Re­de ist und Hor­ror­sze­na­ri­en ent­wor­fen wer­den, de­ren Ein­lö­sung nie­mand zu kon­trol­lie­ren ver­mag. Auch hier wird mit Äng­sten ge­spielt um – ja, was: die Welt zu ret­ten, Leu­te auf­zu­rüt­teln?

    Dass Angst ein schlech­ter Rat­ge­ber ist, hal­te ich für ei­ne wohl­fei­le Plat­ti­tü­de. Sie zu ne­gie­ren und ab­zu­tun, ist po­li­tisch fahr­läs­sig.

  27. @Wolfgang B
    Vie­len Dank für die Ar­beit, die Sie sich mit die­ser Sen­dung ge­macht ha­ben. Ich schau’ das gar nicht mehr. Oster­ha­ge als Kor­re­spon­dent hat­te ja we­ni­ge Mi­nu­ten vor­her ein State­ment in der ta­ges­schau ver­fasst. Ihn jetzt noch ein­mal zu­zu­schal­ten, ist na­tür­lich Un­sinn, da er nichts Neu­es sa­gen konn­te. (Ir­gend­wann sag­te mal ein Kor­re­spon­dent in ei­ner sol­chen »Brennpunkt«-Sendung sicht­lich ge­nervt, dass sich seit sei­nem letz­ten Bei­trag zehn Mi­nu­ten vor­her nicht ver­än­dert ha­be.)

    Sen­dun­gen wie »Brenn­punkt« oder »ZDF Spe­zi­al« be­die­nen ei­gent­lich nur die Jour­na­li­sten sel­ber, die sich glau­ben, da­mit pro­fi­lie­ren zu kön­nen. Der Zu­schau­er är­gert sich nur, weil al­les spä­ter be­ginnt. Er­kennt­nis­wert: fast im­mer Null.

  28. »Wer Angst sät, will Macht aus­üben.« – ge­nau­er wur­de das Pro­gramm des Mas­sen­me­di­ums Fern­se­hen schon län­ger nicht mehr aus­ge­drückt. Dass der Mann glaubt, er re­de nicht über sei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on, son­dern über omi­nö­se Hin­ter­män­ner der Me­di­en­kri­tik macht die Sa­che noch kla­rer. Er hat al­so im Prin­zip das­sel­be Welt­bild, das er sei­nen Kri­ti­kern vor­wirft: Fin­ste­re Mäch­te im Hin­ter­grund steu­ern die Ma­rio­net­ten, die im Vor­der­grund her­um­zap­peln.
    Das Wun­der­ba­re an PEGIDA – und des­we­gend sind die auch m. E. so un­glaub­lich über­re­prä­sen­tiert in den Me­di­en, z. B. im Ge­gen­satz zum Frie­dens­win­ter und den vie­len Flücht­lings­hil­fe-In­itia­ti­ven weit und breit: die pas­sen sich dem bei Jour­na­li­sten und Po­li­ti­kern ver­brei­te­ten Bild des voll­ver­blö­de­ten Kon­sum­bür­gers, dem man am be­sten so weit wie mög­lich von ir­gend­ei­ner po­li­ti­schen Ein­fluss­nah­me fern­hält, ziem­lich wi­der­stands­los an. Die kau­en ge­nau den Un­sinn wie­der, der ih­nen me­di­al ver­füt­tert wird – und da­für wer­den sie dann von den Vor­kau­ern ver­ach­tet. (Von wo wer­den sie die Angst vor der Is­la­mi­sie­rung wohl ha­ben? von um­sich­ti­gen Re­por­ta­gen über die Si­tua­ti­on in Sy­ri­en und Irak oder in den gern ge­nom­me­nen Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten in deut­schen Groß­städ­ten si­cher­lich nicht. Und die Po­li­tik hat ja auch nix bes­se­res zu tun, als die Zahl der Sa­la­fi­sten und IS-Sym­pa­tis­an­ten bis auf die drit­te Nach­kom­ma­stel­le zu be­zif­fern und von An­schlags­ri­si­ken zu war­nen – bis­her ge­nau­so ima­gi­när wie die Is­la­mi­sie­rung Eu­ro­pas. Wirk­lich ak­tiv war da­ge­gen ei­ne rech­te Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on.) Wenn die PEGIAD Leu­te selbst kei­nen ir­gend­wie ope­ra­ti­on­li­sier­ba­ren Be­griff von po­li­ti­schem En­ga­ge­ment hin­krie­gen wer­den, sind die nach Weihan­ch­ten Ge­schich­te.

  29. @Doktor D
    Ich glau­be auch, dass Pe­gi­da wun­der­bar in das Welt­bild selbst­zu­frie­de­ner Zeit­ge­nos­sen passt (man hät­te das fast für sie er­fin­den müs­sen). Sie kön­nen ei­ner­seits ihr Müt­chen küh­len und ih­re Ge­sin­nung wun­der­bar de­mon­strie­ren. An­de­rer­seits in­sze­nie­ren sie sich als Fels in der Bran­dung. Ge­stern bei ZAPP konn­te man die Selbst­ge­fäl­lig­keit von ta­ges­schau bis taz wun­der­bar be­ob­ach­ten. Alar­mie­rend ist ja, dass RT Deutsch in­zwi­schen trotz des Wis­sens um sei­nen Pro­pa­gan­da­sta­tus als Al­ter­na­ti­ve an­ge­se­hen wird. Wer dann auf die Kon­fron­ta­ti­on mit den Zah­len über das ge­sun­ke­ne Ver­trau­en der Me­di­en mit »in­ter­es­sant« ant­wor­tet hat den Knall nicht ge­hört. Das In­ter­view mit Nig­ge­mei­er wur­de na­tür­lich nur aus­schnitt­wei­se ge­sen­det. (Wo­bei: Auch er hält sich zu­wei­len nicht an sei­ne Ma­xi­me der vor­ur­teils­frei­en Be­richt­erstat­tung.)

  30. @ Jan et al­te­ra
    Al­so, was »ech­te Angst« ist, will ich ger­ne er­klä­ren. Es geht um die Be­deu­tung der Af­fek­te, un­ver­dräng­ter Emo­tio­nen in der Po­li­tik, und die (zur De­bat­te ste­hen­de) Mög­lich­keit, Äng­ste zu or­ga­ni­sie­ren, oder (kri­tisch:) zu in­stru­men­ta­li­sie­ren.
    Mein Ein­wand ging da­hin, dass ei­ne kom­mu­ni­ka­ti­ve An­er­ken­nung die­ser Emo­tio­nen i.a. nicht reicht, um ei­nen ra­tio­na­len Aus­tausch im Sin­ne bür­ger­lich-ega­li­tä­rer Ver­stän­di­gung zu er­zie­len. Da bleibt das ein­zel­ne Sub­jekt im­mer au­ßen vor. Die »Dis­kur­se der Ver­nunft« kön­nen Re­gun­gen per se zwar an­spre­chen, aber nicht sub­su­mie­ren im Sin­ne der All­ge­mein­gül­tig­keit. Die Ge­wich­tung, die der ein­zel­ne vor­nimmt, und der Trai­nings­stand in Sa­chen Ra­tio­na­li­tät sind höchst un­ter­schied­lich.
    Des­halb kann ich nur schmun­zeln: na­tür­lich ver­ste­hen Sie nicht, was »ech­te Angst« ist. Ganz ein­fach: Angst, die Sie NICHT ha­ben.

  31. Ich hal­te die Selbst­be­schrei­bung von Jour­na­lis­mus als vor­ur­teils­freie Be­richt­erstat­tung für das zen­tra­le Pro­blem: Die kann es nicht ge­ben. Be­sten­falls be­kom­men wir die­ses zahn­lo­se Position1 vs. Po­si­ti­on 2‑Zeugs (was mal gut ge­hen kann, wenn 2 gu­te Schrei­ber auf­ein­an­der los­ge­hen, aber sonst). Ganz schlimm ist das ja in den USA.
    Jour­na­li­sten soll­ten so selbst­re­flek­tiert sein, dass sie wis­sen, aus wel­cher Po­si­ti­on sie schrei­ben – und das auch in die Ar­beit ein­flie­ssen las­sen. Wie we­ni­ge von ih­nen schei­nen zum Bei­spiel ir­gend­ei­ne Vor­stel­lung da­von zu ha­ben, dass sie schon qua Ha­bi­tus und So­zia­li­sie­rung ein Pro­blem ha­ben, mit 3/4 der Re­pu­blik­be­woh­ner zu kom­mu­ni­zie­ren? Son­dern man sich dann ent­spre­chend Mü­he ma­chen muss?

    Als flei­ssi­ge An­ti-S21-De­mon­stran­tin und Ak­ti­vi­stin in Stutt­gart hat­te ich mehr­fach das »Ver­gnü­gen«, Ge­gen­stand jour­na­li­sti­schen In­ter­es­ses zu wer­den. Die in­ter­es­san­te­ste Er­fah­rung: Selbst der fri­sche­ste jour­na­li­sti­sche Frisch­ling mit ge­pflegt vier­tels­bil­den­dem Me­di­en-Bät­sche­ler spricht mit dir als ob du ein Voll­depp wä­rest – und zwar of­fen­sicht­lich, weil du dich ernst­haft mit Hal­tung en­ga­gierst. Da kannst du ein wan­deln­des Le­xi­kon des je­weils re­le­van­ten Sach­ge­bie­tes sein oder seit Jah­ren der füh­ren­de Ex­per­te in dem Be­reich (das be­zieht sich jetzt auf an­de­re Mit­strei­ter, nicht mich) – al­les egal, auch weil der Jour­no meist selbst gar nichts sach­lich wirk­lich ein­ord­nen kann, qua Jour­na­lis­mus aber den Durch­blick hat (ja, so däm­lich ist das wirk­lich). Bis bei­spiels­wei­se die Stutt­gar­ter Zei­tung die­se Hal­tung auf­ge­ge­ben hat, muss­te sie ei­ne er­kleck­li­che Zahl ih­rer Abon­nen­ten ver­lie­ren und sich auf div. Ver­an­stal­tun­gen mit ih­rer jour­na­li­sti­schen Qua­li­tät kon­fron­tie­ren las­sen. Und ei­ner der Groß­jour­na­li­sten auf der Ham­bur­ger Ti­ta­nic hat dann aus Leu­ten wie mir den Wut­bür­ger ge­macht. Ich är­ge­re mich heu­te noch, trotz­dem im­mer nett und zu­vor­kom­mend ge­we­sen zu sein.

  32. Da ha­ben wir ei­nen Dis­sens. Ich glau­be sehr wohl, dass ein Jour­na­list ein Min­dest­mass an Neu­tra­li­tät ein­zu­hal­ten hat. Er muss m. E. so­gar in der La­ge sein, sich in ab­sei­tig schei­nen­de Sach­ver­hal­te min­de­stens ver­suchs­wei­se ein­zu­ar­bei­ten. Das gilt be­son­ders für Aus­lands­kor­re­spon­den­ten und auch für Kri­sen- oder Kriegs­be­richt­erstat­ter.

    (Ich stel­le sel­ber bei Bei­trä­gen zu die­sem Blog manch­mal fest, wie dies »funk­tio­niert«. Ich ha­be ei­ne The­se, die ich mich Fak­ten un­ter­stüt­zen möch­te. Al­so ar­bei­te ich – so­fern ich kei­ne an­de­ren Ma­te­ria­li­en wie bspw. Bü­cher ha­be – mit Such­ma­schi­nen. Im­mer Goog­le, manch­mal auch zu­sätz­lich an­de­re, weil es da ge­le­gent­lich schon ein­mal in­ter­es­san­te Er­geb­nis­se gab. Ge­le­gent­lich pas­siert es mir tat­säch­lich, dass es Such­ergeb­nis­se gibt, die so­wohl mei­ne The­se un­ter­stüt­zen als auch das Ge­gen­teil – und das fast pa­ri­tä­tisch. Dann geht man an die Ge­wich­tung an; manch­mal gibt es Red­un­dan­zen und ei­ner schreibt vom an­de­ren ab. Ist die Sa­che wei­ter­hin am­bi­va­lent, gibt es zwei Mög­lich­kei­ten: Ent­we­der ich ar­bei­te dia­lek­tisch und brin­ge dann erst mei­ne Mei­nung ein. Oder ich stel­le die The­se erst ein­mal zu­rück. – Wenn ich aber will, kann ich fast im­mer ge­nug Ma­te­ri­al fin­den, dass mein Ur­teil trägt. Ich muss dann aber da­von aus­ge­hen, dass in den Kom­men­ta­ren die Fak­ten ni­vel­liert und re­la­ti­viert wer­den – eben mit an­de­ren Fak­ten. Was ma­chen aber in sol­chen Fäl­len Jour­na­li­sten, die für drei Ra­dio- oder Fern­seh­sen­der zehn Bei­trä­ge am Tag ma­chen müs­sen?)

    Wie Nig­ge­mei­er sagt: Das Pro­blem nicht un­be­dingt dar­in, dass falsch oder ir­rig son­dern schnell mit dem Brust­ton der Über­zeu­gung be­rich­tet wird, wo ei­ne küh­ne Ab­wä­gung bzw. ein Kon­junk­tiv not­wen­dig wä­re. Zur Not auch ein­fach mal gar­nix sa­gen.

    Na­tür­lich sind Jour­na­li­sten Men­schen, die Ur­tei­le, Vor-Ur­tei­le und grund­le­gen­de Über­zeu­gun­gen ha­ben. Aber sie müs­sen sich in ih­rer Ar­beit von per­sön­li­chen Sym­pa­thien oder An­ti­pa­thien weit­ge­hend be­frei­en. An­dern­falls ge­ben sie un­ter­schwel­li­ge Kom­men­ta­re ab. Die brauch’ ich aber als Le­ser oder Zu­hö­rer nicht un­be­dingt: Das Ur­teil möch­te ich mir sel­ber bil­den. (Von den als sol­che de­kla­rier­ten Kom­men­ta­ren ab­ge­se­hen: Die brau­che ich wirk­lich nicht.)

    Da­zu passt ja die Be­ob­ach­tung der Ar­ro­ganz der Jour­na­li­sten, die ei­nem wie Dep­pen be­han­deln (ich ha­be das in an­de­rem Zu­sam­men­hang auch schon er­fah­ren und den Kon­takt ganz schnell ab­ge­bro­chen – und zwar nicht im­mer nett).

    Wolf­gang Mi­ch­al hat das ir­gend­wo neu­lich mal be­schrie­ben: Fast al­le jün­ge­ren Jour­na­li­sten sind ver­un­si­chert – nur die öf­fent­lich-recht­li­chen be­kom­men da­von nichts mit. Sie sind in gu­ter auch fi­nan­zi­el­ler Ver­sor­gung und brau­chen sich nicht am Markt zu be­wäh­ren (das gilt auch für die Lang­zeit-An­ge­stell­ten in der Zeit, SZ, FAZ, Spie­gel, usw). Das ist ei­ner­seits gut – an­de­rer­seits führt das aber zu ei­ner Ab­ge­ho­ben­heit, die fast schon so et­was wie ei­ne Par­al­lel­welt dar­stellt.

  33. Ich glau­be, un­ser Dis­sens ist klein: Neu­tra­li­tät ist mög­lich und ge­for­dert, aber Ob­jek­ti­vi­tät nicht. Und ich den­ke auch, dass das Sy­stem der Me­di­en die Blind­heit sei­ner Prot­ago­ni­sten für die ei­ge­nen Blind­hei­ten för­dert – für die Arr­vier­ten und die Pre­kä­ren. So­was ist vlt. or­ga­ni­sa­ti­ons­sy­ste­ma­tisch un­ver­meid­lich (sagt je­den­falls die Sy­stem­theo­rie), bloss steht man dann als Me­di­um und als Jour­na­list dem gro­ßen Wan­del, der sich da ge­ra­de an­bahnt, re­la­tiv wehr­los ge­gen­über. Aber im­mer­hin ha­ben die Ukrai­ne-Kri­se und PEGIDA da­zu ge­führt, dass auch der Kai­ser der Idee nä­her tritt, es gä­be da mit sei­ner Gar­de­ro­be ein Pro­blem.

  34. Ich ver­mu­te mit Pe­gi­da wird auch gleich die Jour­na­lis­mus­kri­tik er­le­digt. Die Skan­da­li­sie­rung als »Lü­gen­me­di­en«, die na­tür­lich ab­so­lu­ter Un­sinn ist, spielt den Kai­sern in die Kar­ten. Merk­wür­di­ger­wei­se wer­den, wenn es um TV und Ra­dio geht, im­mer nur die öf­fent­lich-recht­li­chen Me­di­en kri­ti­siert. Das hat na­tür­lich da­mit zu tun, dass die­se prak­tisch per Zwangs­ab­ga­be fi­nan­ziert wer­den. Hier zeigt sich, dass das nur die zweit­be­ste Lö­sung war, den öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funk zu si­chern.

  35. Vie­len Dank für die Ant­wor­ten bzw. Kom­men­ta­re.

    @die kal­te So­phie:
    Aus Ih­ren Ant­wor­ten wer­de ich lei­der nicht schlau. Mir ist zwar be­wusst, dass es im wei­te­sten Sin­ne um die »kom­mu­ni­ka­ti­ve Si­tua­ti­on« geht, in wel­cher ei­ne (dif­fu­se oder be­rech­tig­te) Angst ar­ti­ku­liert wird, aber ei­gent­lich dach­te ich, mich da­für aus­ge­spro­chen zu ha­ben, dass sich die­se »kom­mu­ni­ka­ti­ve Si­tua­ti­on« nur durch Auf­lö­sung der Angst tat­säch­lich zu­frie­den­stel­lend be­wäl­ti­gen lässt. Mei­nes Er­ach­tens in der Re­gel da­durch, dass die Angst (bspw.) durch Auf­klä­rung, oder durch das ent­schie­de­ne Ent­ge­gen­wir­ken zum angst­aus­lö­sen­den Pro­blem ge­nom­men wird. Wel­che der bei­den Me­tho­den die rich­ti­gen sind, hängt da­bei m.E. im­mer von der ra­tio­na­len Be­wer­tung des aus­lö­sen­den Pro­blems ab; und nie von ir­gend­ei­ner Fa­cet­te oder Cha­rak­te­ri­stik der Emo­ti­on selbst. Da­her auch nach wie vor die klei­ne Mei­nungs­ver­schie­den­heit mit dem Haus­her­ren, da er am Bei­spiel der 80er ar­gu­men­tiert, dass so­gar ei­ne (über­trie­be­ne) Angst al­lein zu et­was po­si­ti­vem füh­ren kann. Aber da­mit soll­te nicht ge­sagt sein, dass ich mich selbst in ir­gend­ei­ner Art und Wei­se für »angst­frei« oder et­was in die­ser Art hal­te. Auch woll­te ich nicht sa­gen, dass mir die­se Art der dif­fu­sen Äng­ste ir­gend­wie neu oder un­be­kannt sind; gro­ße Tei­le der Sa­chen, die ich aus den Äu­ße­run­gen der Pe­gi­da-De­mon­stran­ten ge­hör­te ha­be, er­in­nern mich an die Äng­ste und Vor­ur­tei­le der Ge­ne­ra­ti­on mei­ner Groß­el­tern, die eben­falls das Ge­fühl hat­ten, be­nach­tei­ligt und über­frem­det zu wer­den. Dass ich die­se Angst nicht tei­le ist doch nun wirk­lich ne­ben­säch­lich.

    @Gregor Keu­sch­nig
    Ich ver­ste­he, was Sie mei­nen und wir sind in der Tat nicht weit aus­ein­an­der. Nur mei­ne Fra­ge ist, ob sich bspw. die­je­ni­gen Äng­ste, die sich ak­tu­ell in den Pe­gi­da-De­mon­stra­tio­nen ar­ti­ku­lie­ren, auch das Po­ten­ti­al ha­ben »frucht­bar ge­steu­er­te Angst« zu wer­den? Nach wie vor: viel­leicht kann ei­ne Angst da­zu füh­ren, dass man »die Welt ret­tet«; ei­ne an­de­re Angst kann je­doch ge­nau­so gut zu bren­nen­den Asy­lan­ten­hei­men füh­ren. Was in die­sem Sin­ne »gut« oder »schlecht« ist, scheint mir nie­mals die Angst selbst zu sein, son­dern im­mer nur das, wo­vor Angst ge­habt wird.

  36. @ Jan Ich möch­te ih­ren Op­ti­mis­mus nicht zer­set­zen, aber es er­scheint mir nicht zeit­ge­mäß, die Auf­lö­sung von Äng­sten durch ra­tio­na­le Dis­kur­se be­trei­ben zu wol­len. Ich kann nicht für al­le spre­chen, aber es er­in­nert mich an die Neun­zi­ger, wo man be­flü­gelt war durch die Öff­nung des Ostens. Das ist 20 Jah­re her. In­zwi­schen herrscht ein ge­wis­ser Auf­klä­rungs-Skep­ti­zis­mus, wenn man so sa­gen kann. Klingt wie ein Oxy­mo­ron, trägt aber der Er­fah­rung Rech­nung, dass die Wirk­mäch­tig­keit von Ra­tio­na­li­tät stark be­grenzt ist. Es hat sich ei­gent­lich nur die »Ska­la« ver­än­dert, auf der man von ei­nem Ide­al­ver­hält­nis (be­tref­fend Ra­tio­na­li­tät – Kom­mu­ni­ka­ti­on – ver­bind­li­ches Han­deln) spre­chen kann. Da wach­sen die Bäu­me nicht mehr in den Him­mel, sprich die Brei­te ge­sell­schaft­li­cher Ver­hält­nis­se wird nicht er­fasst. Des­halb sind die Top-Me­di­en auch in die Kri­tik ge­ra­ten... Die ver­su­chen es gar nicht mehr...

  37. @JanKoepping
    Es ist ja kei­nes­falls aus­ge­macht, dass Äng­ste in der Be­völ­ke­rung po­si­tiv ge­wen­det wer­den kön­nen. Mein Bei­spiel mit den Grü­nen ist ein po­si­ti­ves Bei­spiel (un­ab­hän­gig da­von, wie man die Grü­nen als po­li­ti­sche Kraft ak­tu­ell sieht.) Man muss sie aber min­de­stens zur Kennt­nis neh­men und nicht per se dif­fa­mie­ren. Da­mit be­gibt man sich auf das glei­che Ni­veau de­rer, die man ver­meint­lich kri­ti­siert (ich sa­ge da­mit nicht, dass Sie das tun).

    Tat­säch­lich hat die »So­phie« schon ein biss­chen den Na­gel auf den Kopf ge­trof­fen. Selbst die Ver­fech­ter der Auf­klä­rung glau­ben nicht mehr an die­se und ar­gu­men­tie­ren nicht mehr, son­dern be­schrän­ken sich auf Ab­wehr des »Bö­sen«. Das In­ter­net schafft für die frie­ren­den Sta­chel­tie­re die ent­spre­chen­de Wär­me.

  38. Schö­ne Dis­kus­si­on bis­lang, dan­ke (viel­leicht mag der ei­ne oder an­de­re öf­ter hier her­ein­le­sen).

    Emo­tio­nen (»Ge­füh­le«) sind »in­tel­li­gen­te« Be­glei­ter und Mo­ti­va­to­ren, die sich wie un­ser Ver­stand ir­ren kön­nen, aber uns et­was über un­se­re Um­welt und uns selbst mit­tei­len, dass wir auf an­de­rem Weg nicht er­fah­ren (ich ha­be da­zu vor ei­ni­ger Zeit et­was ge­le­sen, wenn es je­mand ge­nau­er in­ter­es­siert, su­che ich das ger­ne her­aus). — Ich wür­de sie da­her (zu­nächst) nicht auf­lö­sen wol­len, son­dern als das neh­men was sie sind: Fehl­ba­re Mit­tei­lun­gen über das Sub­jekt und sei­ne Um­welt. — Auch wenn sie stark sind, soll­ten wir sie nicht ver­all­ge­mei­nern, das ist wohl das Haupt­pro­blem. Sie sind hin­zu­neh­men, ein­zu­ord­nen und zu be­fra­gen, aber kei­nes­falls zu leug­nen. Das al­les ist ein Vor­gang, den das je­wei­li­ge Sub­jet lei­sten muss, das kann ihm nie­mand ab­neh­men. Wenn je­mand beim An­blick ei­ner ver­schlei­er­ten Frau Be­frem­den emp­fin­det ist das so. Das heißt aber nicht, dass man die­se Men­schen des­we­gen de­por­tiert, ein­sperrt, ver­jagt oder be­schimpft. Den­noch ist das, was Auf­klä­rung hier lei­sten kann, be­schränkt: Man kann ver­ste­hen, war­um das ge­tan wird, wo­her die­se »Tra­di­ti­on« stammt, usw., wir al­le ken­nen die­se Dis­kus­sio­nen. Am En­de be­deu­tet das aber nicht, dass das Be­frem­den ver­schwin­det (au­ßer man ge­wöhnt sich dar­an). Das Frem­de ist fremd, we­der gut noch bö­se, es sprengt die­se Ka­te­go­rien; man kann sich nur da­mit be­fas­sen und se­hen wo­hin man kommt und das ist m.E. ge­nau das was man tun soll. Das ist auch das, was ich In­tel­lek­tua­li­tät nen­nen wür­de (auch wenn das nicht nur ei­ne Fra­ge des Ver­stan­des ist, als Hal­tung, wenn man es so nen­nen möch­te).

    Was die Angst be­trifft: Mei­nem Sprach­ver­ständ­nis nach ist die im­mer dif­fus und kau­sal kaum zu be­stim­men (wenn es kon­kret wird, spre­che ich von Furcht). —

    Falls die gan­zen Dis­kus­sio­nen vor, nach und über die Post­mo­der­ne et­was ge­bracht ha­ben, dann viel­leicht das: Auch Ver­stand und Auf­klä­rung sind kri­tik­wür­dig, Er­zäh­lun­gen und Herr­schafts­in­stru­men­te (Auf­lö­sung, Zu­wei­sung, Be­griffs­bil­dung!), aber doch nicht ent­behr­lich. Oh­ne Auf­klä­rung geht es nicht (Be­lie­big­keit), aber da­ne­ben gilt es die »Rech­te« des »An­de­ren« zu wah­ren; ei­ne Welt die nur Lo­gik, Ra­tio­na­li­tät und Sy­ste­ma­tik folgt, ist nicht not­wen­dig le­bens­wert.

    Was die Be­richt­erstat­tung zur Ukrai­ne be­trifft: Das ist schon so viel »pas­siert«, dass man sich fragt, ob das nur Zu­fall ist. Aber: Ei­ne sy­ste­ma­ti­sche Ma­ni­pu­la­ti­on kann und soll­te be­wie­sen wer­den, das ist bis­lang nicht ge­sche­hen. Viel­leicht ist das heu­te mit so­zia­len Me­di­en, Nach­rich­ten- und Wer­be­agen­tu­ren, Think Tanks und Stif­tun­gen, etc. auch gar nicht mehr not­wen­dig. Je­den­falls ha­ben die Über­zeu­gun­gen et­li­cher Jour­na­li­sten (un­re­flek­tiert?) ei­ne zu gro­ße Rol­le ge­spielt (bei Jof­fe konn­te man das ja schon im Zu­ge des Irak­kriegs be­ob­ach­ten). Die At­lan­tik­brücke hat die­se Über­zeu­gun­gen wohl ge­fe­stigt, nach dem Mot­to: Wir sind die Gu­ten. Wir! — Ih­re Rol­le ob­jek­tiv zu be­ur­tei­len, ist für mich je­den­falls schwie­rig.

  39. Ein wich­ti­ger Hin­weis: Der Un­ter­schied zwi­schen Angst und Furcht – ge­le­gent­lich schwer zu tren­nen. In den 80ern hat­ten vie­le Leu­te tat­säch­lich Angst, was die Atom­krieg­ge­fahr an­ging. Furcht wird wohl eher im stil­len Käm­mer­lein ge­pflegt – bei Angst be­quemt man sich nach drau­ßen (en pas­sant: ich war noch nie­mals auf ei­ner De­mon­stra­ti­on, weil mir der stets der Mo­tor da­zu fehl­te; die Angst?) Wo­bei es kei­ne exi­sten­ti­el­le Angst ist; kei­ne »To­des­angst«.

    Ich se­he die Zu­ge­hö­rig­kei­ten von Jour­na­li­sten zu ir­gend­wel­chen ver­ei­nen eher ent­spannt an. Man merkt es meist deut­lich an ih­ren Kom­men­ta­ren. Jo­sef Jof­fe war im­mer At­lan­ti­ker; Hel­mut Schmidt auch, aber er kri­ti­sier­te die USA auch dort, wo es not­tat, was Jof­fe, der Irak­krieg­be­für­wor­ter, nicht mach­te. Spä­te­stens hier hat­te er sich dann dis­qua­li­fi­ziert für sol­che Ein­schät­zun­gen.

    Die Ukrai­ne-Be­richt­erstat­tung fin­de ich nicht schlim­mer als es da­mals die Ju­go­sla­wi­en-Be­richt­erstat­tung war. Letz­te­re war noch ar­ger, als sich ein deut­scher Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster nicht ent­blö­de­te, ei­nem ge­fälsch­ten Do­ku­ment ei­nes ost­eu­ro­päi­schen Ge­heim­dien­stes auf den Leim zu ge­hen. Auf­ge­ar­bei­tet wur­de das in den Me­di­en nie. Der Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster muß­te ir­gend­wann zu­rück­tre­ten, weil er mit sei­ner Le­bens­ge­fähr­tin in ei­nem Pool plantsch­te, wäh­rend deut­sche Sol­da­ten in Af­gha­ni­stan er­schos­sen wur­den. Sein Ju­go­sla­wi­en-En­ga­ge­ment wur­de noch als Plus­punkt auf­ge­führt.

  40. @die kal­te So­phie
    »es er­scheint mir nicht zeit­ge­mäß, die Auf­lö­sung von Äng­sten durch ra­tio­na­le Dis­kur­se be­trei­ben zu wol­len« [...] »Des­halb sind die Top-Me­di­en auch in die Kri­tik ge­ra­ten… Die ver­su­chen es gar nicht mehr…«
    Die­se bei­den Sät­ze emp­fin­de ich als Wi­der­spruch: Wie­so soll­te man ir­gend­wen (z.B. die Main­strem-Me­di­en) für die Un­ter­las­sung von et­was kri­ti­sie­ren, was man oh­ne­hin un­nö­tig, ver­fehlt oder ver­al­tet hält? Wenn man tat­säch­lich der Mei­nung ist, dass ra­tio­na­le Dis­kur­se an­ge­sichts sol­cher Ent­wick­lun­gen kein ge­eig­ne­tes Mit­tel mehr sind, wie­so for­dert man dann ra­tio­na­le Be­richt­erstat­tung oder ei­ne Auf­ar­bei­tung der Si­tua­ti­on?
    @Gregor Keu­sch­nig
    »Man muss sie [die Äng­ste] aber min­de­stens zur Kennt­nis neh­men und nicht per se dif­fa­mie­ren.«
    Das ist mir wohl zu we­nig, wie man an den vor­an­ge­hen­den Posts ge­merkt ha­ben dürf­te. Ich glau­be zwar nicht, dass ich für ei­ne Dif­fa­mie­rung von Äng­sten ge­wor­ben ha­be, al­ler­dings kön­nen Sie mei­nes Er­ach­tens nicht ein­fach nur an­er­kannt wer­den. Im Ge­gen­satz zu in­di­vi­du­el­len Äng­sten, die man viel­leicht schlicht auf sich be­ru­hen las­sen kann, sind doch sol­che ge­sell­schaft­li­chen Äng­ste im­mer drauf und dran, ei­ne
    »Be­we­gung« nach sich zu zie­hen. Man möch­te aber, wie an dem Un­ter­schied zwi­schen den Grü­nen und der Pe­gi­da-Un­ter­stüt­zer viel­leicht au­gen­schein­lich wird, viel­leicht nicht im­mer ei­ne Be­we­gung draus wer­den las­sen. Da­her klingt »zur Kennt­nis neh­men« für mich zu sehr nach »hin­neh­men«. Man spricht an die­ser Stel­le manch­mal da­von, dass ei­ne to­le­ran­te Ge­sell­schaft in der La­ge sein muss, »so et­was aus­zu­hal­ten«, was ich grund­sätz­lich auch un­ter­schrei­be. Das heißt m.E. al­ler­dings nicht, dass man nicht trotz­dem dar­auf aus sein kann, da­ge­gen et­was zu un­ter­neh­men. Sonst wür­de man sich m.E. in ei­nem falsch ver­stan­de­nen ‘Plu­ra­lis­mus’ wie­der­fin­den. (Klingt ein we­nig nach dem al­ten Slo­gan »Ras­sis­mus ist kei­ne Mei­nung«; so ist das auch ge­meint.)
    @ me­tep­si­lo­n­e­ma
    »Falls die gan­zen Dis­kus­sio­nen vor, nach und über die Post­mo­der­ne et­was ge­bracht ha­ben, dann viel­leicht das: Auch Ver­stand und Auf­klä­rung sind kri­tik­wür­dig, Er­zäh­lun­gen und Herr­schafts­in­stru­men­te (Auf­lö­sung, Zu­wei­sung, Be­griffs­bil­dung!), aber doch nicht ent­behr­lich. Oh­ne Auf­klä­rung geht es nicht (Be­lie­big­keit), aber da­ne­ben gilt es die »Rech­te« des »An­de­ren« zu wah­ren; ei­ne Welt die nur Lo­gik, Ra­tio­na­li­tät und Sy­ste­ma­tik folgt, ist nicht not­wen­dig le­bens­wert.«
    Das fasst es in mei­nem Sin­ne ganz gut zu­sam­men (Dan­ke da­für); trotz al­ler post­mo­der­nen »Auf­lö­sungs­er­schei­nun­gen« darf man nicht die Kon­se­quenz zie­hen, dass es egal ist, was man tut.

  41. Ja, die Über­gän­ge sind (manch­mal) flie­ßend, Furcht kann man bes­ser be­geg­nen. Angst kann auch läh­men und hand­lungs­un­fäg­hig ma­chen (oder zu­min­dest vor Ent­schei­dun­gen zu­rück­schrecken las­sen). — »Po­li­tisch« wird die Angst erst wenn sie ge­sell­schaft­li­che Be­zugs­punk­te findet/kennt (die Lei­stung der Dem­ago­gen ist es nicht nur Äng­ste zu schü­ren, son­dern sie zu len­ken und so zu bin­den, dass sie re­le­vant wer­den; wo­bei ich da­mit nicht mei­ne, dass Angst in der Po­li­tik not­wen­dig da­mit zu­sam­men­hängt).

    Die Kor­re­la­tio­nen (Kle­ber, et­wa) und das Nicht­of­fen­le­gen (Bitt­ner war das, so weit ich mich er­in­ne­re) sind schon in­ter­es­sant. Das ist wich­tig zu wis­sen, auch wenn es nicht zwin­gend kau­sal ist. Es stellt sich nicht nur die Fra­ge nach der Di­stanz (und da­mit der Be­richt­erstat­tung), viel­leicht ha­ben sol­che Mit­glied­schaf­ten auch be­ruf­li­che Aus­wir­kun­gen, um hö­he­re Po­si­tio­nen zu er­rei­chen, wer weiß. Grund­sätz­lich müs­sen Jour­na­li­sten na­tür­lich auch in der Nä­he der Mäch­ti­gen u.a. Per­so­nen sein, denn von dort gilt es zu be­rich­ten. — Letzt­end­lich ei­ne Fra­ge per­sön­li­cher In­te­gri­tät.

    Ich ha­be die Be­richt­erstat­tung zu den Ju­go­sla­wi­en­krie­gen nicht mehr gut ge­nug im Kopf, mich da­mals wohl auch nicht in­ten­siv ge­nug da­mit be­fasst (zu den frü­he­ren 1995, usw., oh­ne­hin nicht). — Aber ge­än­dert hat sich in der me­dia­len Welt seit den Neun­zi­gern und heu­te schon ei­ni­ges.

  42. @JanKoepping
    Ge­sell­schaft­li­che Äng­ste stel­le ich mir als Sum­me in­di­vi­du­el­ler vor, die mit ein­an­der wech­sel­wir­ken und dann ei­ne Art kom­mu­ni­zier­ba­re »En­ti­tät« bil­den an der man an­docken kann: Man schließt sich über die­se Äng­ste zu­sam­men, die dann po­li­tisch wirk­sam wer­den kön­nen (wo­bei die er­wach­sen­den po­li­ti­schen For­de­run­gen dann ein zu­sätz­li­ches Band wer­den und ei­ne zu­sätz­li­che An­dock­mög­lich­keit; das er­klärt viel­leicht auch war­um man­che Be­we­gun­gen he­te­ro­gen sind).

    Das kann, muss aber mit der Rea­li­tät nichts (bes­ser: we­nig) zu tun ha­ben; die in­di­vi­du­el­len Äng­ste be­stä­ti­gen sich aber ge­gen­sei­tig, wenn sie auf ein­an­der tref­fen. Ei­nen Um­gang da­mit kann man im All­ge­mei­nen kaum fest­le­gen, wie soll man auch, ei­ne De­mo­kra­tie zeich­net sich ja ge­ra­de da­durch aus, das sol­che Kräf­te in ei­nem de­fi­nier­ten Rah­men ei­nen Platz fin­den (ob als ge­walt­freie De­mon­stra­ti­on oder po­li­ti­sche Be­we­gung, ist gleich). — Die Ge­sell­schaft muss sich da­mit aus­ein­an­der­set­zen, ei­ne Ver­ban­nung (oder Dif­fa­mie­rung, aber das sind wir eh ei­ner Mei­nung) drängt dies in den Be­reich des »ge­sell­schaft­li­chen (kol­lek­ti­ven) Un­be­wuss­ten«. Viel­leicht ist die Mög­lich­keit der Ar­ti­ku­la­ti­on auch schon der Be­ginn des emo­tio­na­len Ab­baus; je­den­falls ist die Aus­ein­an­der­set­zung, Prü­fung und (even­tu­el­le) po­li­ti­sche Ma­ni­fe­sta­ti­on ein Be­stand­teil un­se­rer öf­fent­li­chen po­li­ti­schen Ent­schei­dungs­fin­dung. — Ich möch­te da für ei­ne ge­wis­se Of­fen­heit und Un­be­stimmt­heit plä­die­ren.

  43. @ me­tep­si­lo­me­na: »Wenn je­mand beim An­blick ei­ner ver­schlei­er­ten Frau Be­frem­den emp­fin­det ist das so.«

    Giord­a­no hat sie Pin­gui­ne ge­nannt. Das fin­de ich fehl am Plat­ze.

  44. Ja, ist es (man muss sich im­mer klar dar­über wer­den, wo man spricht: in­ner­halb der vier Wän­de, in der Öf­fent­lich­keit oder Halb­öf­fent­lich­keit...). — Grund­sätz­lich fällt es in den Be­reich der Mei­nungs­äu­ße­rung, der auch sank­tio­nier­bar ist (wo­bei ich der An­sicht bin, dass man nicht im­mer höf­lich, lieb und freund­lich sein muss).

  45. Wert­vol­le Dis­kus­si­on, in der Tat.
    @ Jan. Stimmt, Sie ha­ben den Wi­der­spruch in mir ex­akt be­stimmt. Da muss ich fast nichts da­zu sa­gen, au­ßer viel­leicht: mei­ne Er­war­tung rich­tet sich na­tür­lich auf ei­nen Ab­gleich der zeit­ge­nös­si­schen Dis­kurs-Vor­aus­set­zun­gen. Wir soll­ten gei­stes­ge­schicht­lich al­le un­ge­fähr auf der­sel­ben Li­nie sein. Ich se­he mich als ge­läu­ter­ten Ra­tio­na­li­sten, wäh­rend ich die fe­der­füh­ren­de Pha­lanx der Kon­sens-Um­schrei­ber als par­tei­ische Erb­ver­pras­ser er­le­be, wel­che die gu­te Sa­che der Auf­klä­rung in den Ne­bel der Stel­lungs­krie­ge ver­schlep­pen. Es sind kei­ne Auf­klä­rer, die Qua­li­tät, die Man­gel­haf­tig­keit ih­rer Ar­beit spricht für sich. Sie be­nut­zen die­sel­ben Be­grif­fe und Selbst­be­schrei­bun­gen, aber ich bin nicht be­reit, die­ses an­zu­er­ken­nen.
    Da­zu kommt, dass In­tel­lek­tu­el­le ein ei­ge­ner Ty­pus Mensch sind, zu de­nen ich mich selbst zäh­le, und zu dem ge­wiss auch die be­sag­ten Mei­nungs­ma­cher ge­hö­ren. Es gibt ei­ne ur­tüm­li­che Ähn­lich­keit zwi­schen »uns«, die eben je­nen Kon­flikt (=Wi­der­spruch) in mir be­grün­det. Es sind, wenn Sie so wol­len, Men­schen mei­nes Schla­ges, aber Sie er­le­di­gen nicht die Auf­ga­be, die uns zu­fällt. Das kann ich nicht hin­neh­men. Des­halb bin ich hin und her ge­ris­sen zwi­schen Ab­scheu und En­ga­ge­ment.

  46. @JanKoepping
    Da­her klingt »zur Kennt­nis neh­men« für mich zu sehr nach »hin­neh­men«. Man spricht an die­ser Stel­le manch­mal da­von, dass ei­ne to­le­ran­te Ge­sell­schaft in der La­ge sein muss, »so et­was aus­zu­hal­ten«, was ich grund­sätz­lich auch un­ter­schrei­be. Das heißt m.E. al­ler­dings nicht, dass man nicht trotz­dem dar­auf aus sein kann, da­ge­gen et­was zu un­ter­neh­men.
    Ich fra­ge mich im­mer mehr, was man denn »da­ge­gen« zu »un­ter­neh­men« ge­denkt? Bro­der, mit dem mich ei­gent­lich nicht viel ver­bin­det, weist dar­auf hin, dass von Pe­gi­da wohl noch kei­ner­lei straf­tat­be­währ­te Ak­ti­on aus­ge­gan­gen sein soll. Was wol­len Sie denn »un­ter­neh­men«? Weg­sper­ren? (NB: Bro­ders Hin­weis auf den Pa­ter­na­lis­mus un­ter­schrei­be ich auch.)

    @holio
    »Pin­gui­ne« ist hart. Es gibt in dem Stadt­teil in dem ich le­be min­de­stens zwei Frau­en die ei­nen Tscha­dor mit Ge­sichts­schlei­er tra­gen. Man sieht al­so nur ei­nen Seh­schlitz; der Kör­per ist an­son­sten voll­stän­dig schwarz um­hüllt. Die Frau­en kann ich nur un­ter­schei­den, weil ei­ne recht klein ist und die an­de­re et­was be­leibt. Zum er­sten Mal sah ich die klei­ne­re in der U‑Bahn mit ei­nem Kin­der­wa­gen. Es war un­ge­fähr zwei Wo­chen nach Ascher­mitt­woch. Spon­tan fiel mir ein, dass da je­mand im Ko­stüm her­um­lief. Nach zwei Se­kun­den wuss­te ich, dass das nicht stimm­te.

    Ich hal­te die­se Form der Klei­der­ord­nung für sehr ge­wöh­nungs­be­dürf­tig. Wie­der fiel mir Bro­der ein, der ein­mal sinn­ge­mäss sag­te, er ak­zep­tie­re das erst, wenn sei­ne Toch­ter im Ge­gen­zug im Bi­ki­ni durch Riad/Saudi Ara­bi­en ge­hen dür­fe. Das ist über­trie­ben und po­le­misch, gibt aber gut die Stim­mung wie­der. Ich ge­ste­he, dass ich das zwar to­le­rie­re, aber nicht ak­zep­tie­re.

    @metepsilonema
    Aber ge­än­dert hat sich in der me­dia­len Welt seit den Neun­zi­gern und heu­te schon ei­ni­ges.
    Jein. Ich ge­he mal von den so­ge­nann­ten Main­stream­m­e­di­en aus: Ge­än­dert hat sich für mein Da­für­hal­ten da­hin­ge­hend we­nig, weil es fast im­mer und zu al­len Kon­flik­ten re­la­tiv schnell ei­ne fast ein­hel­li­ge Mei­nungs­rich­tung gibt. Der Un­ter­schied zu 1995ff be­steht viel­leicht da­hin­ge­hend, dass Af­fek­te noch ver­stärkt wer­den. Der Trend zur uni­for­men Be­richt­erstat­tung ist aber m. E. ge­blie­ben. Viel­leicht ist er im­ma­nent.

  47. @Gregor Keu­sch­nig
    Nein, nein. Na­tür­lich nicht weg­sper­ren. Son­dern im­mer und im­mer wie­der das Ge­spräch su­chen, Sta­ti­sti­ken her­vor­ho­len, ar­gu­men­tie­ren, Äng­ste neh­men und da­bei stets sach­lich und un­auf­ge­regt blei­ben. Mehr hat­te ich nicht im Sinn. Mein Pro­blem mit die­sen De­mon­stra­tio­nen rührt ja nicht pri­mär da­her, dass sich dort Äng­ste ar­ti­ku­lie­ren, son­dern dass be­glei­tend die üb­li­chen Ein­stie­ge in ei­ne De­bat­te ver­sperrt wer­den. In der Be­griff­lich­keit der vo­ri­gen Posts: die »Um­wand­lung« der Äng­ste in ei­nen Dis­kurs wer­den ver­sperrt. Trotz­dem muss man es wohl ver­su­chen.

    @die kal­te So­phie
    Ich ver­ste­he. Dem gibt es von mei­ner Sei­te auch nichts hin­zu­zu­fü­gen, ich weiß ge­nau, was Sie mei­nen. Es kann m.E. nur um die rich­ti­ge Ba­lan­ce ge­hen; was schon schwer ge­nug ist.