Im­ma­nu­el Kant: Kö­che oh­ne Zun­ge (Hrsg.: Jens Ku­len­kampff)

Immanuel Kant: Köche ohne Zunge (Hrsg.: Jens Kulenkampff)

Im­ma­nu­el Kant:
Kö­che oh­ne Zun­ge
(Hrsg.: Jens Ku­len­kampff)

»Kant ist kein Apho­ri­sti­ker ge­we­sen.« So be­ginnt Jens Ku­len­kampff sein Vor­wort zu dem Bänd­chen »Kö­che oh­ne Zun­ge«, wel­ches dann doch ir­gend­wie ein apho­ri­sti­sches Buch wer­den soll – und ge­wor­den ist. Ku­len­kampff be­schreibt de­tail­liert und in­struk­tiv das Vor­ge­hen, die be­hut­sa­me und oft ge­nug schwie­ri­ge Entkontex­tualisierung aus dem »Hand­schrift­li­chen Nach­lass« Kants, den Bän­den 14 bis 20 der Ge­samt­aus­ga­be. Je­des der ver­wen­de­ten Zi­ta­te wird aus­ge­wie­sen und phi­lo­lo­gisch be­legt. Man glaubt ei­ner­seits das schlech­te Ge­wis­sen des Her­aus­ge­bers förm­lich zu spü­ren, an­de­rer­seits je­doch auch das gro­ße Ver­gnü­gen, mög­lichst au­then­tisch lo­se Ge­dan­ken des Phi­lo­so­phie­ge­nies auf die­se po­pu­lä­re Art und Wei­se her­aus­zu­brin­gen.

Um es vor­weg zu sa­gen: Es ist wun­der­bar ge­lun­gen; scho­nend und rück­sichts­voll in Be­zug auf Kants Ge­dan­ken­ge­bäu­de, die durch ver­zerr­tes Zi­tie­ren nicht zu put­zi­gen Baum­häu­sern de­gra­diert wer­den. Da­mit ist die­ses Buch – dem Au­tor ent­spre­chend – eben trotz der kur­zen Form kei­ne leich­te Lek­tü­re. Wer glaubt, die knapp ein­hun­dert Sei­ten schnell kon­su­mie­ren zu kön­nen, irrt. Das Tem­po gibt wei­ter­hin Kant vor. Man­che No­ta­te be­schäf­ti­gen den Le­ser und las­sen ihn für lan­ge Zeit nicht mehr in Ru­he, so ver­wickelt sind sie. Es gibt dann ei­ne so­li­de 50:50 Chan­ce, dem Ge­dan­ken­gang Kants auf die Spur zu kom­men. Bei an­de­ren Aus­sprü­chen nickt man hin­ge­gen so­fort; ge­le­gent­lich zu früh.

Und so sieht man Kant beim Den­ken zu. Es geht um Freund­schaft und Lie­be, dem ge­fähr­li­chen Zu­stand der »Ein­bil­dun­gen«, dem Elend des Ver­glei­chens (»Es ist…leichter«) und Ur­tei­lens. Ge­dan­ken zum Häß­li­chen und Schö­nen, den Deut­schen (»von Ta­lent Nach­ah­mer«), über Ge­nies (»viel Blend­werk«), dem Un­ter­schied zwi­schen Buch- und Zei­tungs­lek­tü­re (nebst vier Punk­ten, was er »bei je­dem Buch« sucht), den »Wei­bern« (»Ob das weib­li­che Ge­schlecht wohl Wei­ber zu Rich­tern wäh­len wür­de?«) und dem Un­ter­schied zwi­schen dem Un­wis­sen­den und dem Ein­se­hen­den (»Der Un­wis­sen­de weiß nicht zu fra­gen, der Ein­se­hen­de weiß nicht zu ant­wor­ten«). Es geht na­tür­lich im­mer wie­der um Ethik, Mo­ral und »Sit­te« und um die Frei­heit, ei­ne Idee, die man nicht er­klä­ren kön­ne. Und es geht um das Le­ben ge­mäß der Na­tur, was nicht be­deu­te »den Trie­ben der Na­tur« nach­zu­ge­ben, »son­dern der Idee, wel­che der Na­tur zum Grun­de liegt«.

Man­ches Aper­çu ver­blüfft den heu­ti­gen Le­ser, et­wa wenn von den »Schä­den, wel­che die Sünd­flut von Bü­chern« an­rich­ten, die Re­de ist. Oder wenn da ein­fach steht: »Es ist schon Eh­re, nicht ver­ach­tet zu wer­den.« Und dann for­mu­liert er Fra­gen, de­ren Ant­wor­ten heu­te mehr denn je un­be­kannt sind: »War­um be­trin­ken sich vor­nehm­lich nor­di­sche Völ­ker so gern?«

Das bi­blio­phil ge­mach­te Büch­lein ist ge­ra­de in die­sen Zei­ten Bal­sam auf die oft­mals ge­schun­de­ne Le­ser­see­le. Zu­erst soll­te man es sich sel­ber schen­ken. Und dann an­de­ren. Mög­lichst je­nen, die ver­däch­tig sind, min­de­stens ein we­nig da­von zu ver­ste­hen.

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