Dis­kurs­ethik und De­mo­kra­tie

Ei­ni­ge Wort­mel­dun­gen, Be­ur­tei­lun­gen und Stel­lung­nah­men zu Pe­gi­da sind ein An­lass, um über die Grund­la­gen und die Wich­tig­keit des öf­fent­li­chen Dis­kur­ses1 als Mit­tel der Ver­hand­lung (über Po­li­tik) in De­mo­kra­tien nach­zu­den­ken; da­ne­ben gibt es ei­ne Rei­he bei­na­he täg­lich an­ge­wand­ter rhe­to­ri­scher Tricks, die die Me­tho­dik und die Kon­zep­ti­on des ra­tio­na­len Dis­kur­ses un­ter­lau­fen und ma­ni­pu­lie­ren: Man ist schein­bar Teil­neh­mer, setzt sich aber auf Grund von Schein­ar­gu­men­ten, un­sach­li­chen An­grif­fen, Täu­schun­gen, usw. durch. — Da die­ser dis­kur­si­ve Rah­men als Kern un­se­rer De­mo­kra­tien im­mer wie­der, nein, man muss sa­gen: lau­fend au­ßer Kraft ge­setzt wird, gilt es re­gel­mä­ßig auf ihn hin­zu­wei­sen und ihn ein­zu­for­dern, als Re­gel­werk, das letzt­lich al­len po­li­ti­schen Dis­kus­sio­nen und Ent­schei­dun­gen zu Grun­de liegt und für Trans­pa­renz und Nach­voll­zieh­bar­keit sorgt.

Aus­gangs­punkt Ta­ges­po­li­tik
In der ta­ges­po­li­ti­schen und par­la­men­ta­ri­schen Dis­kus­si­on wird im­mer wie­der ei­ne Ge­sprächs­ver­wei­ge­rung aus mo­ra­li­schen Grün­den ar­ti­ku­liert: Der po­li­ti­sche Geg­ner ver­tre­te ei­ne Po­si­ti­on die in­dis­ku­ta­bel sei; er be­fin­de sich nicht – hier kön­nen ver­schie­de­ne For­mu­lie­run­gen, je nach Ge­gen­stand oder po­li­ti­scher Rich­tung, ein­ge­fügt wer­den – auf ei­ner Art »ge­mein­sa­men Grund«, den man mit al­len an­de­ren (als Selbst­verständnis) tei­le. Er ste­he au­ßer­halb des­sen, was mo­ra­lisch trag­bar sei und ein Ge­spräch oder ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung sei­en erst mög­lich, wenn die­ser (der ei­ge­ne) Stand­punkt ak­zep­tiert wer­de, in an­de­ren Wor­ten: Die Vor­aus­set­zung für ei­nen Dis­kurs sind nicht des­sen Prin­zi­pi­en und Re­geln, son­dern ei­ne be­stimm­te po­li­ti­sche Posi­tionierung, die zu­erst ein­ge­nom­men wer­den muss; der Dis­kurs wird da­bei, das ist wich­tig, als ver­mittelnde, schlich­ten­de und ent­schei­den­de In­stanz aus­ge­schal­tet (im Re­gel­fall geht es bei die­sen For­de­run­gen nicht um das, was man de­mo­kra­ti­schen Kon­sens nennt). — Die Zu­wei­sung die­ser Po­si­ti­on (bzw. ih­re Zu­rück­wei­sung) wird von den Par­tei­en nicht ge­teilt, et­wa der Vor­wurf, dass man sich nicht auf dem Bo­den der Hu­ma­ni­tät be­fin­de, und fast im­mer post­wen­dend zu­rück­ge­wie­sen; die­se Set­zun­gen wer­den al­so ein­sei­tig vorge­nommen und von al­len Be­tei­lig­ten als Ab­gren­zung wahr­ge­nom­men. Sie müs­sen nicht zwin­gend zwi­schen eta­blier­ten Par­tei­en er­fol­gen, son­dern kön­nen auch zu außer­parlamentarischen Be­we­gun­gen oder De­mon­stra­tio­nen hin ar­ti­ku­liert wer­den. — Dass sol­che Ab­gren­zun­gen ei­ne po­li­ti­sche (meist wohl par­la­men­ta­ri­sche) Zu­sam­men­ar­beit im Fal­le ge­mein­sa­mer In­ter­es­sen nicht aus­schlie­ßen, zeigt, dass sie auch tak­tisch-stra­te­gi­scher Na­tur sei­en kön­nen; des­sen un­ge­ach­tet stel­len sie für man­che den­noch ei­ne Vor­be­din­gung für ei­ne po­li­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung jeg­li­cher Art, die dis­kur­si­ve mit ein­ge­schlos­sen, dar. — Die Be­fürch­tung die mit­schwingt, ist, dass sich über das Spre­chen mit den fal­schen Leu­ten, fal­sche Ge­dan­ken, Mei­nun­gen und An­sich­ten aus­brei­ten könn­ten, dass die Ver­hand­lung über sie be­reits ei­nen Akt der Recht­fer­ti­gung dar­stel­le.

Die Sub­ver­si­vi­tät des Dis­kur­ses
Dies deu­tet auf das sub­ver­si­ve Ele­ment des ra­tio­na­len Dis­kur­ses hin: Er ist nicht durch (po­li­ti­sche) Wert­vor­stel­lun­gen be­grün­det, son­dern al­lei­ne durch kom­mu­ni­ka­ti­ve und dis­kurs­ethi­sche Prin­zi­pen oder Re­geln: Dis­ku­tie­ren kann man über al­les, so­lan­ge es dem Ver­stand und der Spra­che zu­gäng­lich ist, al­so nicht rein sub­jek­tiv be­grün­det bleibt. Und, na­tür­lich: so­lan­ge ein Ge­spräch ge­führt wer­den kann, sei­ne Re­geln und sein Rah­men ge­ach­tet und nicht in­stru­men­ta­li­siert wer­den. Der Rah­men und die »Sa­che« (die Po­li­tik) sind al­so ver­schie­den und un­se­re Hoff­nung lau­tet, dass er ge­nügt, um über sie ei­ne Ent­schei­dung her­bei­zu­füh­ren: Hoff­nung, weil Letzt­be­grün­dun­gen un­mög­lich sind, weil man von ver­schie­de­nen An­nah­men aus­ge­hen kann, weil die Zu­kunft un­ge­wiss und un­ser Wis­sen end­lich und re­vi­si­ons­be­dürf­tig ist. — Ei­ne rea­li­sti­sche Min­dester­war­tung an Ge­spräch und Dis­kurs ist da­her ei­ne Klä­rung von Stand­punk­ten, An­nah­men und Be­züg­lich­kei­ten; eben­so ei­ne An­nä­he­rung an de­ren Be­wer­tung (wo­von ge­hen wir aus, was fol­gern wir dar­aus und wie be­wer­ten wir es).

Der Kern der De­mo­kra­tie
Die­se Sub­ver­si­vi­tät ist das Prin­zip der Ver­hand­lung, nein: die Be­reit­schaft, dass al­les was über Ver­hand­lung und Den­ken ge­won­nen wur­de, al­les Ver­han­deln und Den­ken wird be­stehen kön­nen und be­stehen müs­sen, an­dern­falls wä­re es ei­ne au­to­ri­ta­ti­ve Set­zung oder schlicht Sub­jek­ti­vi­tät. Dar­über hin­aus ist sub­ver­siv, was wir de­mo­kra­tisch nen­nen, als gleich, bes­ser: als gleich­be­rech­tigt an­se­hen; es be­deu­tet, dass selbst der größ­te Lump ein an­er­kann­ter Teil­neh­mer des öf­fent­li­chen Dis­kur­ses ist, wenn er ein va­li­des Ar­gu­ment in ei­ner die All­ge­mein­heit be­tref­fen­den An­ge­le­gen­heit zu for­mu­lie­ren weiß. Der »Mas­se« steht, wie es schon Kant sah, das Recht des Ur­teils, nicht aber das des Rich­tens zu. Das ist das de­mo­kra­ti­sche (gleich­be­rech­ti­gen­de, gleich­rich­ten­de, gleich­ma­chen­de) Prin­zip, das al­le auf den glei­chen Grund und in die glei­chen Pflich­ten setzt. — Nur dem, was sich zu be­wäh­ren weiß und sich schon un­ter den­sel­ben Be­din­gun­gen be­währt hat, wächst An­er­ken­nung zu: Et­was dem Dis­kurs aus­zu­setz­ten, ist kein Ein­ge­ständ­nis von Schwä­che und nie­mand muss da­für sei­ne Po­si­ti­on auf­ge­ben; na­tür­lich kann ei­ne The­se schei­tern, sie kann aber ge­nau­so Be­kräf­ti­gung er­fah­ren. Und dar­über hin­aus sorgt das da­für, dass wir mit Wor­ten und nichts an­de­rem strei­ten: Der Dis­kurs hält die Ge­sell­schaft (in ei­nem funk­tio­na­lem Sinn) zu­sam­men: Wer sei­nen Platz in die­sem Dis­kurs fin­det, wird kaum zu an­de­ren Mit­teln grei­fen: Die noch-nicht-Tu­gend To­le­ranz hat auch hier ih­re Be­rech­ti­gung.

Die Angst, dass über den Dis­kurs miss­bräuch­lich Din­ge ver­brei­tet wer­den kön­nen ist nicht un­be­grün­det, al­ler­dings lässt sich das auf­zei­gen und im dis­kur­si­ven Sinn zu­gäng­lich ma­chen; al­les wei­te­re liegt in der Ver­nunft- und Ver­stan­des­be­ga­bung je­des ein­zel­nen, an der man zwei­feln kann, oh­ne die, dar­an muss er­in­nert wer­den, De­mo­kra­tie aber nicht zu den­ken ist. — Die öf­fent­li­che, po­li­ti­sche De­bat­te ist je­den­falls der Kern un­se­rer Demo­kratien; der Mehr­heits­ent­scheid folgt ihr nach und soll­te sich an ihr ori­en­tie­ren (er wä­re, oh­ne vor­an­ge­gan­ge­nen Dis­kurs, be­lie­big).

Recht­fer­ti­gung und Vor­aus­set­zung
Nach­voll­zieh­bar­keit und Trans­pa­renz der Dis­kus­si­on und der Ent­schei­dungs­pro­zes­se, sind die for­ma­le Recht­fer­ti­gung ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ent­schei­dung, al­so der Fra­ge, war­um im Hin­blick auf das all­ge­mei­ne Wohl ei­ne Ent­schei­dung so und nicht an­ders ge­trof­fen wur­de; sie wird im kon­kre­ten Fall durch Ar­gu­men­te for­mu­liert, ge­recht­fer­tigt und be­grün­det (die An­er­ken­nung ei­ner The­se als Re­sul­tat ei­nes Dis­kur­ses kann so­mit je­der­zeit über­prüft wer­den).

Die Vor­aus­set­zung für ei­ne Dis­kus­si­on (ei­nen Dis­kurs) sind tat­säch­li­che oder zu­min­dest er­wart­ba­re Dif­fe­ren­zen im Hin­blick auf Lö­sungs­vor­schlä­ge, Stand­punk­te, Sicht­wei­sen, Be­ur­tei­lun­gen oder »Fak­ten«. Für das Zu­stan­de­kom­men ei­ner Dis­kus­si­on – das zeigt noch ein­mal das sub­ver­si­ve Ele­ment und macht Ver­wei­ge­rungs­hal­tun­gen ein we­nig ver­ständ­lich – ist die for­ma­le Dis­po­si­ti­on des ei­ge­nen Stand­punkts Vor­aus­set­zung, denn war­um soll­te man dis­ku­tie­ren, wenn man dem Ge­gen­über nicht zu­min­dest die Möglich­keit ein­räumt recht zu ha­ben oder sich selbst die Mög­lich­keit von Feh­ler­haf­tig­keit und Un­zu­läng­lich­keit ein­ge­steht. Je­man­dem, der sich auf der (mo­ra­lisch) rich­ti­gen Sei­te sieht, mag das schwer fal­len; zu­gleich be­deu­tet ei­ne dar­aus re­sul­tie­ren­de Ver­wei­ge­rung die­ser ele­men­ta­ren Prak­tik Aus­schluss und Aus­gren­zung und wird auch so er­fah­ren (man ist das Ge­spräch, die Dis­kus­si­on nicht wert und steht da­mit auf ei­ne be­stimm­te Art und Wei­se au­ßer­halb der Ge­sell­schaft und ih­rer Art Po­li­tik zu ver­han­deln, s.o.).

Ar­gu­men­te
Je­der de­mo­kra­ti­sche Dis­kurs ist im­mer of­fen für je­ne, die sich an sei­ne »Ge­pflo­gen­hei­ten« (Grund­sät­ze) hal­ten und die­se an­er­ken­nen. Ver­ein­facht lässt sich sa­gen, dass je­der, der ein Ar­gu­ment for­mu­lie­ren kann, die Be­din­gun­gen er­füllt.

Ar­gu­men­te sind wi­der­leg­ba­re Be­grün­dun­gen, die sich an in­ter­sub­jek­ti­ven Ideen und Vor­stel­lun­gen oder Fak­ten (Wis­sen) ori­en­tie­ren; Of­fen­heit und Nach­voll­zieh­bar­keit be­grün­den ih­re Wi­der­leg­bar­keit (al­le Ar­gu­men­te las­sen sich ir­gend­wann auf ei­ne oder meh­re­re An­nah­men zu­rück­füh­ren, da kei­ne Letzt­be­grün­dun­gen mög­lich sind). Je­der Dis­kurs be­ruht auf der An­nah­me, dass je­der Dis­kus­si­ons­teil­neh­mer recht ha­ben kann2; auf der Pflicht zu ar­gu­men­tie­ren und die Ar­gu­men­te der an­de­ren wie die Mög­lich­keit ih­res Recht­ha­bens, das sich wäh­rend ei­ner Dis­kus­si­on als Wil­le zeigt, zu ach­ten. — Spä­te­stens hier of­fen­bart sich ei­ne Un­si­cher­heit: Ein Dis­kurs wird nicht durch Per­so­nen und Au­to­ri­tä­ten, son­dern durch Ar­gu­men­te ent­schie­den; er wird da­durch au­to­ma­tisch ein of­fe­ner Pro­zess, der nicht not­wen­dig ab­ge­schlos­sen wer­den muss, weil un­ser Wis­sen end­lich und die Rea­li­tät nicht im­mer ein­deu­tig ist; sich in ei­nen Dis­kurs zu be­ge­ben, be­deu­tet ein Stück Un­si­cher­heit in Kauf zu neh­men, was sei­nen Aus­gang be­trifft.

Wahr­heit, Auf­klä­rung und Kri­tik
Wenn Dis­kur­se Pro­zes­se sind, die ei­nen Aus­gang ha­ben kön­nen, stellt sich die Fra­ge nach dem, was als Ori­en­tie­rung zu die­sem Aus­gang hin, die­nen kann. Wie auch im­mer man es for­mu­lie­ren oder dis­ku­tie­ren möch­te, der Be­griff »Wahr­heit« ist ei­ne sol­che Orien­tierung3, je­den­falls dann, wenn sie in­ter­sub­jek­tiv kon­stru­iert wird (sie muss da­für kei­nes­falls »er­reicht« oder »ge­fun­den« wer­den). We­sent­lich ist, dass sich lo­gi­sche Wi­der­sprü­che und (ver­meint­li­che) Fak­ten an ei­nem ver­gleich­ba­ren Kon­zept ori­en­tie­ren (al­so zu­sam­men­ge­fasst ge­prüft wer­den; die al­ler­mei­sten Dis­kus­sio­nen neh­men so et­was im­pli­zit an, da sie an­son­sten sinn­los oder ein [iro­nisch] un­ter­füt­ter­tes Spiel wä­ren).

Ent­schie­den wird ein Dis­kurs durch die bes­se­ren Ar­gu­men­te, was im Zwei­fels­fall Ge­wich­tung und Ab­wä­gung (im Be­zug auf au­ßen­ste­hen­des) be­deu­tet (ver­gleich­bar ist die Wahl des klein­sten Übels). — Kri­tik ist not­wen­dig und will­kom­men um den Dis­kurs vor­an­zu­trei­ben und in Rich­tung »Wahr­heit« oder Aus­gang zu brin­gen; sie ist, wie al­les an­de­re auch, an die For­de­rung nach Ar­gu­men­ten ge­bun­den. — Auf­klä­rung kann in die­sem Zu­sam­men­hang, oh­ne viel Pa­thos, als kri­tik­ge­lei­te­te par­ti­el­le oder voll­kom­me­ne Er­neue­rung ei­nes Dis­kur­ses ver­stan­den wer­den (er nimmt dann ei­ne an­de­re Rich­tung, ge­winnt ei­ne an­de­re Ori­en­tie­rung).

Red­lich­keit
Die Red­lich­keit ist die we­sent­lich­ste dis­kurs­er­hal­ten­de und ‑för­dern­de Hal­tung, denn Be­trug zer­stört den Dis­kurs auf mitt­le­re und län­ge­re Sicht, weil kei­ner der Teil­neh­mer mehr Ver­trau­en ent­wickelt; ent­we­der be­trügt dann je­der oder man spricht nicht mehr mit­ein­an­der, weil man dar­in kei­nen Sinn mehr sieht (auf Dau­er ist dann ein Zer­fall oder ein ge­walt­ba­sier­te »Er­hal­tung« der Ge­sell­schaft wahr­schein­lich). Sie meint aber auch, sich ihm als Prin­zip zu un­ter­wer­fen und sei­ne Er­geb­nis­se zu ak­zep­tie­ren, vor al­lem je­ner, die man zu Be­ginn nicht ab­se­hen konn­te. Die Dis­kurs­ethik steht, aus gu­ten Grün­den, po­li­ti­schen For­de­run­gen und Stand­punk­ten, ge­ra­de je­nen, die für rich­tig ge­hal­ten wer­den, ein Stück weit ent­ge­gen. — Ih­re Ein­hal­tung und An­er­ken­nung kann als pars pro to­to un­se­res po­li­ti­schen Sy­stems auf­ge­fasst wer­den.


  1. Der Begriff "Diskurs" bezeichnet hier zweierlei: Erstens, die einzelnen, öffentlichen Diskurse zu unterschiedlichen Thematiken und zweitens, diese als Gesamtheit der öffentlichen Auseinandersetzung (öffentlicher Diskurs); der Begriff "Diskussion" findet im Sinn konkreter, von Individuen geführten Gesprächen und Auseinandersetzungen, Anwendung.  

  2. Unabhängig davon sieht sich jeder Einzelne regelmäßig auf der richtigen Seite; dies stellt jedoch keinen Widerspruch dar, sondern verweist auf diese unausgesprochen geteilte Annahme.  

  3. Hier wird angenommen, dass wir als Individuen in einer unabhängig von uns existierenden Welt leben, dass wir diese Welt erkennen können und dass diese Erkenntnisse kommunizierbar sind, auch wenn das nur beschränkt und nicht ohne Probleme und Schwierigkeiten von statten geht. --- Kommunikation kann auf unterschiedlichste Weise erfolgen; für den rationalen Diskurs ist nicht nur, aber vor allem die Sprache entscheidend. --- Für das diskursive Regelwerk selbst, ist die Erkennbarkeit der Welt nicht von Nöten, für seine Sinnhaftigkeit ist sie aber Voraussetzung (andernfalls unterhielten wir uns über Einbildungen, Hirngespinste und Täuschungen). Grundsätzlich kann über alles, was intersubjektiv existiert oder vorstellbar und zugleich sprachlich fassbar ist, diskutiert werden. --- Wahrheit wird hier im Sinne der Korrespondenztheorie aufgefasst.  

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  1. Vie­len Dank für die­sen Bei­trag, der ge­wis­ser­ma­ßen ei­nen Ide­al­zu­stand fast her­auf­be­schwört. Ein Punkt, der in die­sen Be­trach­tun­gen fehlt ist die Gleich­ran­gig­keit der Dis­kurs­teil­neh­mer, was im Jar­gon mit »herr­schafts­frei« be­zeich­net wird.

    Ich ste­he der Dis­kurs­ethik in ih­ren auch hier dar­ge­stell­ten Me­cha­nis­men zu­neh­mend kri­tisch ge­gen­über. Und dies nicht nur, weil die »Herr­schafts­frei­heit« nie­mals er­reicht wird. Es ist so­gar frag­lich, ob sie ein va­li­des Ziel sein kann.

    Das Haupt­pro­blem be­steht dar­in, dass der Dis­kurs nicht in der La­ge ist, grund­sätz­li­che Un­ter­schie­de un­ter den Teil­neh­mern auf­zu­he­ben. Da­zu ge­hö­ren re­li­giö­se oder welt­an­schau­li­che Fra­gen. In­dem je­der Dis­kurs­teil­neh­mer ei­ne Aus­sa­ge trifft, ist dar­in be­reits der An­spruch an die Wahr­heit aus­ge­drückt. Wir kön­nen auf die­se Wei­se 100x den chi­ne­si­schen Macht­ha­bern un­se­re Men­schen­rechts­po­si­tio­nen mit­tei­len – sie be­haup­ten schlicht­weg, es gibt in ih­rem po­li­ti­schen und ge­sell­schaft­li­chen Um­feld ei­ne an­de­re Ge­wich­tung. Ei­ne Ei­ni­gung ist un­mög­lich; als Aus­weg bleibt nur, die je­wei­li­gen Po­si­tio­nen zu re­spek­tie­ren und in an­de­ren Fel­dern Ge­mein­sam­kei­ten zu ent­decken (was mit Chi­na in­zwi­schen leicht ist: es geht fast im­mer ums Ge­schäft).

    Ein an­de­rer Punkt, der ge­ra­de bei Pe­gi­da wich­tig zu sein scheint: Was ist, wenn ein po­ten­ti­el­ler Dis­kurs­teil­neh­mer die­sen schlicht­weg ab­lehnt? Die Dis­kurs­ver­wei­ge­rung wür­de dann ei­nen even­tu­el­len Kon­sens un­mög­lich ma­chen. Die Pro­ble­ma­tik be­steht üb­ri­gens auf bei­den Sei­ten: Die ra­di­ka­len Ab­leh­ner und Pe­gi­da-Be­schimpf­er, die al­le Teil­neh­mer pau­schal als Ras­si­sten be­zeich­nen, leh­nen ge­nau so den Dis­kurs ab wie die Pe­gi­da-De­mon­stran­ten sel­ber.

    Die letz­te Fest­stel­lung zeigt, wie fra­gil auch das De­mo­kra­tie­ver­ständ­nis bei de­nen ist, die stän­dig die­se Vo­ka­beln mit heh­ren Zie­len im Mun­de füh­ren: Man grenzt lie­ber aus, um das un­lieb­sa­me Phä­no­men da­mit viel­leicht aus­zu­trock­nen. Da­bei ha­be ich den Ein­druck das die Ve­he­menz der Ab­leh­nung mit dem Pro­dukt der Hilf­lo­sig­keit kor­re­liert.

    Am En­de kom­me ich zu der Fest­stel­lung, dass dis­kurs­ethi­sche Ver­fah­ren mit der Mas­se der in ihr in­vol­vier­ten Per­so­nen im­mer schwie­ri­ger wer­den. Die Grie­chen hat­ten, wie ich ein­mal ir­gend­wo las, die Ago­ra be­grenzt (m. W. auf 5000 Per­so­nen).

    Am ehe­sten wird das Dis­kurs­ethik-Prin­zip noch beim Eu­ro­päi­schen Rat an­ge­wen­det. For­mal gibt es zwar die Mög­lich­keit ge­gen den ge­fun­de­nen Kon­sens zu stim­men, was aber dann nur mehr da­zu führt, dass ei­ni­ge Be­schlüs­se nicht aus­ge­führt wer­den. Im Eu­ro­päi­schen Rat zeigt sich, dass es un­glaub­lich schwie­rig bis fast un­mög­lich ist, die min­de­stens teil­wei­se di­ver­gie­ren­den In­ter­es­sen der ein­zel­nen Staats- und Re­gie­rungs­chefs in ei­nen trag­fä­hi­gen und vor al­lem wei­ter­brin­gen­den Kon­sens zu über­füh­ren.

  2. Seit Jah­ren ver­folgt mich schon die Idee, dass die west­li­chen De­mo­kra­tien zwei For­ma­tio­nen eta­blie­ren, um dar­aus ei­ne best mög­li­che Sta­bi­li­tät zu ge­win­nen. Der Auf­satz liest sich fast wie ei­ne Er­ör­te­rung da­zu. Der Par­la­men­ta­ris­mus und sei­ne (evi­dent) un-ega­li­tä­re Frak­tio­nie­rung, wel­che die sog. po­li­ti­sche Land­schaft ab­bil­det, wird mit ei­ner zwei­ten (of­fe­ne­ren, fle­xi­ble­ren) For­ma­ti­on er­gänzt, die po­li­ti­sche Öf­fent­lich­keit, resp. der ste­ti­ge Öf­fent­li­che Dis­kurs. Die 2. For­ma­ti­on steht dem Mo­dell der Ago­ra nä­her, ob­wohl der Out­put nur ei­nen Ra­tio­na­li­täts­grad auf­weist, und nicht al­le An­for­de­run­gen er­füllt. Die Sta­bi­li­tät der Ge­sell­schaft, das im­ma­nen­te de­mo­kra­ti­sche Wohl­wol­len, lässt sich wohl an die­sem Ra­tio­na­li­täts­grad ab­le­sen.

    Dies nur da­hin­ge­stellt, weil ich un­ter­strei­chen möch­te, dass ein Par­al­le­lis­mus von Ra­tio­na­li­tät-Sub­ver­si­on auf der ei­nen Sei­te, und Herr­schafts­frei­heit-Macht nicht exi­stiert. Tat­säch­lich ist es so, wie @Mete schreibt: die Sub­ver­si­on ist so­gar ei­ne Mo­dus des rein ra­tio­na­len Dis­kur­ses, weil die Re­geln der kom­mu­ni­ka­ti­ven Ver­nunft es prin­zi­pi­ell ge­stat­ten, das ge­sam­te Ge­mein­we­sen auf den Prüf­stand zu stel­len, die Auf­lö­sung und Neu­ge­stal­tung zu pla­nen, und (ab­so­lu­ter Schrecken für die Kon­ser­va­ti­ven) dar­über even­tu­ell po­si­tiv zu ent­schei­den. Da­zu muss man na­tür­lich die For­ma­ti­on wech­seln, d.h. von der Öf­fent­lich­keit ins Par­la­ment über­ge­hen. Den­noch viel zu viel Frei­heit, be­haup­ten ei­ni­ge!

    Zu­rück zu mei­ner ver­fol­ge­ri­schen Idee: ich möch­te be­haup­ten, die In­ten­ti­on, Sta­bi­li­tät aus dem Duo­pol Par­la­men­ta­ris­mus / Öf­fent­li­cher Dis­kurs zu ge­win­nen, hat sich als min­der er­folg­reich her­aus­ge­stellt. Die Ver­wirk­li­chung zei­tigt in­zwi­schen un­er­wünsch­te Ef­fek­te: Ver­un­si­che­rung, Po­le­mik, Ab­gren­zun­gen, Skan­da­lis­mus, etc. Die­se Ne­ben­wir­kun­gen sind kei­ne Ef­fek­te der Macht an sich, wie man das so­zi­al­psy­cho­lo­gisch selbst­ver­ständ­lich er­war­ten wür­de. Son­dern es han­delt sich um grup­pen­dy­na­mi­sche Aspek­te bzw. in­ter­ak­ti­ve Re­sul­ta­te. De­leu­ze sag­te ein­mal: »Ha­ben wir nicht ge­nug Kom­mu­ni­ka­ti­on (ich er­gän­ze: im rei­nen und im rea­len Sinne!)?!–Nein, wir ha­ben eher zu­viel da­von.«
    Mein Ein­wand wä­re, die Er­war­tung und die For­de­rung von/nach Ra­tio­na­li­tät zielt im­mer auf ein Sub­jekt, und rückt die grup­pen­dy­na­mi­schen Aspek­te in den Hin­ter­grund. Tran­szen­den­tal-phi­lo­so­phisch ge­se­hen, sind wir doch nicht so al­lein, wie der Theo­re­ti­ker an­nimmt. An­ders ge­sagt: die tran­szen­den­ta­le Be­trach­tung ver­fehlt die zeit­ge­nös­si­sche Pro­ble­ma­tik, die Un­ru­he im Ge­trie­be, das Un­be­ha­gen über die »Er­run­gen­schaf­ten«.

  3. @Gregor
    Die Herr­schafts­frei­heit muss man viel­leicht noch ein­mal in Ru­he durch­den­ken: Ei­ner­seits gibt es die nicht, weil – den Re­geln ent­spre­chend – Ar­gu­men­te den Dis­kurs ent­schei­den (kön­nen) und da­mit be­herr­schen (oder an­ders: der ra­tio­na­le Dis­kurs be­deu­tet Herr­schaft, die durch Ar­gu­men­te ver­mit­telt, be­grün­det und wie­der re­vi­diert wer­den kann). — Da­mit er­gibt sich dann der Rest: Da­mit das und nur das gilt, müs­sen al­le an­de­ren Herr­schafts­an­sprü­che zu­rück­ge­wie­sen (oder hint­an­ge­stellt wer­den). — Das ist Theo­rie, in der Pra­xis stimmt das schon aus psy­cho­lo­gi­schen, so­zia­len, u.a. Grün­den nicht, die oft gar nicht (völ­lig) aus­ge­schal­tet wer­den kön­nen.

    Was Du mit Chi­na an­sprichst, ist ein Bei­spiel für das was ich mit Of­fen­heit mein­te: Man kann zu­min­dest das klä­ren, wenn sich die Dis­ku­tan­ten dar­auf ein­las­sen; Men­schen­rech­te sind als ei­ne mensch­li­che Idee nicht per se ge­ge­ben; sie kön­nen be­grün­det, aber nicht letzt­be­grün­det wer­den (was ge­nau­so für die Ge­gen­po­si­ti­on gilt).

    Ja, die Ab­leh­nung ei­nes Dis­kur­ses gibt es auch von PEGIDA (viel­leicht da­zu se­pa­rat et­was). Ich in mir jetzt al­ler­dings nicht si­cher ob das für die Po­li­tik im All­ge­mei­nen gilt (es ist ja auch dem ab­träg­lich was man wo­mög­lich er­rei­chen will). Je­den­falls war et­was wie »wir hö­ren euch nicht mehr zu« zu hö­ren. — Dies ist wo­mög­lich auch ein Mit­tel um Auf­merk­sam­keit zu be­kom­men.

    Auch die Phra­se »Wir sind das Volk« ge­hört in die Ka­te­go­rie »De­mo­kra­tie­ver­ständ­nis« (man ist ja doch nur ein sehr klei­ner Teil des Volks).

    Schon ein Par­la­ment mit 600 Ab­ge­ord­ne­ten ist ei­ne Her­aus­for­de­rung; die Kom­ple­xi­tät kommt zur Mas­se hin­zu; even­tu­ell sprach­li­che Schwie­rig­kei­ten; hier zeigt sich wie­der wie wich­tig und wie sen­si­bel Me­di­en sind, die vie­le Men­schen er­rei­chen oder Zu­stim­mung bzw. Ab­leh­nung ab­bil­den kön­nen.

  4. @die kal­te So­phie
    Ja, die theo­re­ti­sche Be­trach­tung lässt ei­ni­ges au­ßen vor, viel­leicht muss sie das, s.o., die Ant­wort an Gre­gor (wenn nur das Ar­gu­ment Gül­tig­keit ha­ben soll).

    Kom­mu­ni­ka­ti­on ha­ben wir viel­leicht zu viel (na­ja: ziem­lich si­cher), aber Kom­mu­ni­ka­ti­on ist nicht mit ei­ner sinn­vol­len Aus­ein­an­der­set­zung gleich­zu­set­zen.

    Man wird kaum um die­se Zwei­tei­lung her­um kom­men; man kann Par­la­men­te durch di­rek­te Ele­men­te er­gän­zen, aber oh­ne Per­so­nen, die sich voll (zeit­lich ge­se­hen) den po­li­ti­schen Din­gen wid­men, wird es nicht ge­hen (der Kom­ple­xi­tät oder Ex­per­ti­se we­gen).

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  6. me­tep­si­lo­n­e­ma: »Ar­gu­men­te sind wi­der­leg­ba­re Be­grün­dun­gen, die sich an in­ter­sub­jek­ti­ven Ideen und Vor­stel­lun­gen oder Fak­ten (Wis­sen) ori­en­tie­ren«
    Was ein Ar­gu­ment ist, muß qua­li­ta­tiv un­be­stimmt blei­ben, weil es sich im­mer erst im Dis­kurs her­aus­stellt, was als Ar­gu­ment in Be­tracht ge­zo­gen wer­den kann. Es gibt nur ei­ne ein­zi­ge Grund­be­din­gung: Wer ei­ne Mei­nung äu­ßert, muß auch be­reit sein, sie zu be­grün­den. Das be­deu­tet die Be­reit­schaft, sei­ne Mei­nung zur Dis­po­si­ti­on zu stel­len. Die grund­ge­setz­lich ge­schütz­te Mei­nungs­frei­heit meint kei­ne Frei­heit, an sei­ner Mei­nung fest­zu­hal­ten als wä­re sie ein un­ver­äu­ßer­li­cher Be­sitz.

    Nach dem Fall der Mau­er ha­be ich be­ob­ach­tet, wie in der Noch-DDR ei­ne aus­ge­spro­che­ne Mei­nungs­freu­dig­keit gras­sier­te. Je­der hat­te plötz­lich ei­ne Mei­nung und nahm das Recht in An­spruch, sie zu äu­ßern. Das ist sehr nach­voll­zieh­bar, hat­te man doch zu­vor jahr­zehn­te­lang die­se Möglik­chkeit nicht. Al­ler­dings ging die­se Mei­nungs­freu­dig­keit viel­fach mit ei­ner ver­bis­se­nen Dis­kus­si­ons­ver­wei­ge­rung ein­her. Ins­be­son­de­re die frem­den­feind­li­chen Un­ter­strö­mun­gen des ‘Vol­kes’, das wie­der Volk sein woll­te, nah­men je­den Ver­such, die ge­äu­ßer­ten Mei­nun­gen zu dis­ku­tie­ren, als ei­nen An­griff auf die Mei­nungs­frei­heit wahr. Das Ri­tu­al der Mei­nungs­äu­ße­rung ver­lief so: »Ich bin für oder ge­gen dies oder je­nes! – Das ist mei­ne Mei­nung.« – Wo­bei im zwei­ten Satz das Wort »mei­ne« be­son­ders be­tont wur­de: mei­ne Mei­nung ist mein Be­sitz, und kei­ner hat das Recht, sie in Fra­ge zu stel­len! Das ist mei­ne Me­ri­nung, ba­sta, Dis­kus­si­on be­en­det!

    Ge­nau das er­le­ben wir ak­tu­ell mit der Pe­gi­da-Be­we­gung. Die Leu­te ge­hen auf die Stra­ße, um ih­re Mei­nung zu äu­ße­ren. Aber we­he, je­mand ver­sucht, die ge­äu­ßer­te Mei­nung in Fra­ge zu stel­len. Das wird dann als ‘Ver­lo­gen­heit’ der Pres­se und der Po­li­tik de­nun­ziert.

    Das aber hat, wie ge­sagt, mit Mei­nungs­frei­heit nichts zu tun. Des­halb, lie­be CSU, geht es auch nicht dar­um, daß man die­se ver­irr­ten Wahl­bür­ger ir­gend­wie ernst neh­men müß­te. Je­mand, der nicht be­reit ist, sei­ne Mei­nung zur Dis­kus­si­on zu stel­len, nimmt sei­ne ei­ge­ne Mei­nung selbst nicht ernst.

  7. zu #4 Völ­lig d’­ac­cord, ei­ne Ver­ein­fa­chung der dop­pel­ten De­mo­kra­tie ist nicht prak­ti­ka­bel. Ich woll­te zu­nächst dar­auf hin­aus, dass der Par­la­men­ta­ris­mus kei­ne na­tür­li­che Ba­sis hat, »Leu­te wie Du und ich«, Kol­le­gen, Freun­de, son­dern ei­nem ge­sell­schafts­im­ma­nen­ten Sy­stem ent­springt. Die Öf­fent­lich­keit weist eben­falls die­ses so­zi­al­kon­struk­ti­ven Zug auf.
    Ich be­haup­te: es gibt ei­ne An­zahl von Ent­frem­dungs-Me­cha­nis­men in der spät­mo­der­nen Ge­sell­schaft, und die Po­li­ti­sche Öf­fent­lich­keit ge­hört da­zu. Ho­he Ein­stiegs­vor­aus­set­zun­gen, Di­stanz-Ge­sche­hen, chao­ti­sche Merk­ma­le (et­wa durch Be­griffs­dou­blet­ten wie »De­bat­te«, »Po­li­tik« = »Po­li­ti­sche Klas­se«), und vie­les mehr. Als In­ge­nieur darf ich sa­gen: es funk­tio­niert, aber es funk­tio­niert nicht be­son­ders gut.
    Ist Dir mal die (stän­dig wie­der­keh­ren­de) For­mel bei Ha­ber­mas auf­ge­fal­len, er spricht häu­fig vom »hemds­är­me­li­gen Ni­veau«, in das er ger­ne ge­wis­se In­hal­te über­setzt wis­sen woll­te, et­wa The­men der EU. Er weist die­se Auf­ga­be Po­li­ti­kern (!) zu, sein Sche­ma lau­tet im­mer wie folgt: Die hoch­flie­gen­den Ana­ly­ti­ker er­ör­tern die La­ge, die Po­li­ti­ker, dar­an teil­neh­mend, müs­sen die De­bat­te ab­seits run­ter­bre­chen, al­so in ein­fa­chen Wor­ten wei­ter trans­por­tie­ren. Was üb­ri­gens kei­ner­lei Fol­gen für die Ent­schei­dung hat, es kommt ge­nau das raus, was die Groß­bür­ger­li­chen be­schlos­sen ha­ben. Es ge­schieht nur der Voll­stän­dig­keit hal­ber.
    Nun, die­se Vor­stel­lun­gen sind nicht die mei­nen, ich will sie auch gar nicht dis­ku­tie­ren. Es zeigt nur, dass selbst so ein El­fen­bein­turm-Be­woh­ner wie Ha­ber­mas mit­ge­kriegt hat, dass die Athe­ni­sche Voll­ver­samm­lung ei­ne Fik­ti­on ist, und die De­mo­kra­tie be­deu­ten­de Kon­struk­ti­ons­schwä­chen auf­weist. Und des­halb soll­te man Pe­gi­da nicht nur Dumm­heit un­ter­stel­len. Ein biss­chen was ha­ben die schon ver­stan­den...

  8. @Detlef Zöll­ner
    Das von ih­nen be­schrie­be­ne Phä­no­men ist ja kei­nes­falls auf die Pe­gi­da-Be­we­gung be­schränkt (war­um rich­ten Sie ei­nen Ap­pell an die »lie­be CSU«?).

    Äu­ßern Sie sich doch ein­fach mal in locke­rer Run­de po­si­tiv zu Atom­ener­gie oder ver­su­chen ei­ni­ge Ar­gu­men­te po­si­tiv zur Gen­tech­nik an­zu­brin­gen. Mei­nun­gen sind na­tür­lich die bil­lig­ste Form der Äu­ße­rung (im eng­li­schen nennt man sie »my two cents« – manch­mal sind sie noch bil­li­ger). Sie wer­den aber – so mein Ein­druck – in der Ge­sell­schaft im­mer häu­fi­ger er­war­tet. Al­le sol­len zu al­lem ei­ne »Mei­nung« ha­ben: Kli­ma­wan­del, Bio-Le­bens­mit­tel, Eu­ro, di­ver­se po­li­ti­sche Af­fä­ren (oder Pseu­do-Af­fä­ren) – stän­dig wird der Nach­rich­ten­kon­su­ment zu ei­ner Mei­nung her­aus­ge­for­dert, die im we­sent­li­chen auf »pro« oder »con­tra« hin­aus­läuft. Grau­zo­nen gel­ten schon als zu an­stren­gend.

    Der Gip­fel ist für mich die in Um­fra­gen im­mer wie­der ab­ge­frag­te Zu­frie­den­heit mit ein­zel­nen Po­li­ti­kern (»Wie zu­frie­den sind Sie mit der Ar­beit von X?«). Ei­ne sol­che Fra­ge ist von vorn­her­ein ei­ne Mei­nung, die – wie prak­tisch! – durch nichts be­grün­det wer­den muss. Tat­säch­lich kann sich nie­mand über die Ar­beit des Po­li­ti­kers X oder Y ein se­riö­ses Ur­teil bil­den (oder, ma­xi­mal, im Ein­zel­fall auf­grund der von ihm vor­ge­brach­ten Ge­set­zes­vor­la­gen oder Re­de­bei­trä­ge).

    Die »Mei­nung« ist al­so längst zu ei­ner Ram­sch­wa­re ge­wor­den; Tal­mi statt Dia­mant­ring. Me­di­en ver­wech­seln Mei­nung mit ei­nem ab­ge­wo­ge­nen Ur­teil; auch in ih­ren Be­rich­ten, die oft oh­ne gro­sse Mü­he par­tei­isch sind. Dass nun die Pe­gi­da-Leu­te ih­re Mei­nun­gen ent­spre­chend äu­ßern und für er­wäh­nens­wert hal­ten, ist die Fol­ge ei­ner Ver­wäs­se­rung des po­li­ti­schen Dis­kur­ses: Sie glau­ben, dass »Kar­tof­fel statt Dö­ner« ei­ne re­le­van­te po­li­ti­sche Aus­sa­ge ist, die gleich­be­rech­tigt zu an­de­ren Äu­ße­run­gen wahr­ge­nom­men wer­den muss. Das Vor­bild fin­den sie nicht zu­letzt in der Po­li­tik: »Kin­der statt In­der«.

    Ei­ne an­de­re Fra­ge ist, ob die zum Teil hy­ste­ri­schen me­dia­len Er­re­gun­gen in Be­zug auf die Pe­gi­da-Leu­te die­sen nicht in­di­rekt in die Hän­de spielt. Plötz­lich sind Pau­schal­ur­tei­le an der Ta­ges­ord­nung. Zu­recht hat man jahr­zehn­te­lang dar­an ge­ar­bei­tet Pau­scha­lie­run­gen im po­li­ti­schen Dis­kurs ab­zu­bau­en – jetzt sind al­le Pe­gi­da-Leu­te Ras­si­sten oder Na­zis. Das ist zwar be­quem, hat aber das Ni­veau de­rer, die man an­greift.

    Die ge­sell­schafts­po­li­ti­sche Ent­schei­dung über Pe­gi­da ist der­wei­len ge­fal­len: Sie hat kei­ne Zu­kunft. Die »Bild«-Zeitung spricht sich ge­gen sie aus. Das nimmt ihr schon mit­tel­fri­stig die Luft zum At­men. In­ter­es­sant wä­re es ge­wor­den, wenn es an­ders­her­um ge­kom­men wä­re.

  9. @die kal­te So­phie
    In­ter­es­sant. Wür­de die The­se stim­men, könn­te man sich zu­min­dest er­klä­ren, war­um au­ßer­par­la­men­ta­ri­sche Be­we­gun­gen (bspw. die Grü­nen) durch die Ein­bin­dung in die par­la­men­ta­ri­schen Struk­tu­ren vom wil­den Wolf so­zu­sa­gen zu zah­men Haus­hünd­chen wür­den. Und war­um in der Kom­mu­nal­po­li­tik im Osten die Lin­ken nie ein Schreck­ge­spenst wa­ren, son­dern prag­ma­tisch agier(t)en.

    In Düs­sel­dorf gab es mal ei­ne Epo­che, in der strit­ti­ge Ent­schei­dun­gen in Bür­ger­re­fen­den zur Ab­stim­mung ge­stellt wur­den (zur »Si­cher­heit« hat­ten die­se Ab­stim­mun­gen zu­wei­len nur ei­ne Bin­dung von zwei Jah­ren). Sehr häu­fig wur­de das Quo­rum, d. h. die Min­dest­teil­neh­mer­zahl, nicht er­reicht. Und dies bei lo­kal­po­li­tisch kon­tro­vers dis­ku­tier­ten Ent­schei­dun­gen. Es ist al­so et­was an­de­res, mich für oder ge­gen bspw. den Ab­riss ei­nes Ge­bäu­des aus­zu­spre­chen oder an ei­nem Sonn­tag dar­über ein Kreuz in ei­ner Wahl­ka­bi­ne zu ma­chen.

    Wie sieht es mit den Wahl­be­tei­li­gun­gen in den vor­mals kom­mu­ni­sti­schen ost­eu­ro­päi­schen Län­dern aus? Schon rund zehn Jah­re nach der Wen­de schei­ter­ten dort Ab­stim­mun­gen an Min­dest­be­tei­li­gun­gen von 50%. Man war mü­de ge­wor­den. War­um? Weil die Al­ter­na­ti­ven kei­ne sind? Weil es, egal wen man wählt, in ei­nem be­stimm­ten Trott wei­ter­geht?

    Mei­ne The­se geht da­hin, dass man ei­nen (wirt­schaft­li­chen, so­zia­len) Sta­tus er­reicht hat, den man glaubt nicht mehr ver­bes­sern zu kön­nen. Da­her sind Wah­len »sinn­los« ge­wor­den. In Deutsch­land stan­den in den 60ern, An­fang der 70er noch rich­tungs­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen an. Spä­ter ging es nur noch um klein­ste Kor­rek­tu­ren – die gro­ßen De­bat­ten wie Nach­rü­stung und Öko­lo­gie hat­te man in ei­ner neu­en Par­tei »aus­ge­la­gert«. Als es 1998 dar­um ging, ei­ne Ära zu be­en­den (Kohl ab­zu­wäh­len), stieg die Wahl­be­tei­li­gung bei der Bun­des­tags­wahl noch ein­mal über 80%. Da­nach gings nur noch Berg ab. Al­le we­sent­li­che Zie­le sind er­reicht.

  10. zu #8 die GRUENEN sind ein gu­tes Bei­spiel, sie ha­ben tap­fer an der Struk­tur-Schwel­le zwi­schen Ba­sis und Par­tei­ap­pa­rat ge­kämpft. Aber es gibt kei­nen drit­ten Weg, des­halb ging man den Weg al­len po­li­ti­schen Flei­sches, vom Wolf zum Lamm. Ich bin der­sel­ben Mei­nung: die Par­tei als Or­ga­ni­sa­ti­on wird im­mer un­ter­schätzt, al­le Par­tei­en sind hier­ar­chisch or­ga­ni­siert, und hoch­se­lek­tiv in der Pro­gram­ma­tik. Hier wird die Mei­nungs­viel­falt, die im­mer exi­stiert, in trocke­ne Tü­cher ge­bracht, da­mit man par­la­men­ta­risch han­deln kann. Per­so­nell, tritt der klas­si­sche Funk­tio­när auf den Plan, der Mul­ti­rol­len-Spre­cher.
    Die PIRATEN sind eben­falls an der Or­ga­ni­sa­ti­ons­schwel­le ge­schei­tert. Die Viel­falt be­kam die Ober­hand, er­go: En­de der Po­li­tik!
    Ich ge­he mit der De­mo­kra­tie wirk­lich hart ins Ge­richt, weil ich aus der mar­xi­sti­schen Schu­le kom­me. Die Klas­sen­kämp­fe wer­den nicht durch das de­mo­kra­ti­sche Sy­stem mo­de­riert, wie man wei­land nach dem Krieg ei­ne Zeit lang glau­ben konn­te. Das ist be­dau­er­lich, und ein biss­chen pein­lich. Ex­tre­mis­mus ist ei­ne Fol­ge da­von. Man kann sich durch­aus fra­gen: Was war zu­erst, Ex­tre­mis­mus oder De­mo­kra­tie?!

  11. #7: (war­um rich­ten Sie ei­nen Ap­pell an die »lie­be CSU«?)
    Ich ent­schul­di­ge mich für die Po­le­mik mit der CSU. Das rich­tet sich na­tür­lich nur ge­gen die CSU (wen sonst), hat aber an die­ser Stel­le wohl nichts zu su­chen.

    #9: »Ich ge­he mit der De­mo­kra­tie wirk­lich hart ins Ge­richt, weil ich aus der mar­xi­sti­schen Schu­le kom­me.«
    Ich se­he den Kern der De­mo­kra­tie im Schutz der Min­der­hei­ten­rech­te. Ei­ne De­mo­kra­tie ist nicht ein­fach nur das Recht der Mehr­heit über den Rest. So­lan­ge ich sa­gen, was ich will (mit zu­ge­hö­ri­ger Be­grün­dungs­be­reit­schaft), oh­ne be­fürch­ten zu müs­sen, in ir­gend­ei­nem Gu­lag zu lan­den, bin ich un­ein­ge­schränkt für De­mo­kra­tie.

  12. @Detlef Zöll­ner
    Der Kern der De­mo­kra­tie liegt we­der apo­dik­tisch im Schutz der Rech­te von Min­der­hei­ten noch von Mehr­hei­ten. Die­se Rech­te wer­den idea­ler­wei­se in ge­wähl­ten Par­la­men­ten dis­kur­siv aus­ge­han­delt. Ei­ne De­mo­kra­tie ist, mit Chri­stoph Möl­lers ge­spro­chen, das Ver­spre­chen der Or­ga­ni­sa­ti­on von Herr­schaft un­ter den Be­din­gun­gen von Gleich­heit und Frei­heit sei­ner Teil­neh­mer. Be­din­gung ist ein von al­len Sei­ten als ver­bind­lich an­er­kann­tes Ver­fah­ren, po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen durch Wah­len in­sti­tu­tio­nell und re­prä­sen­ta­tiv durch­zu­füh­ren. Da Mehr­heits­ent­schei­dun­gen ver­bind­lich sein müs­sen (sonst bräuch­te man sie nicht ab­zu­fra­gen), gibt es in al­len funk­tio­nie­ren­den De­mo­kra­tien meh­re­re In­sti­tu­tio­nen (Kam­mern), die ei­ne Mehr­heits­dik­ta­tur zu ver­hin­dern su­chen. Dass Min­der­hei­ten per se rechts­be­gün­stigt sein sol­len, ist aber eben­falls ein to­ta­li­tä­rer An­satz.

    Möl­lers ka­pri­ziert sich im üb­ri­gen in sei­nem Buch »De­mo­kra­tie – Zu­mu­tun­gen und Ver­spre­chen« auf den Dis­sens als we­sen­haft. In der Fi­xie­rung auf ei­nen Kon­sens er­kennt er ei­ne Art »Ver­rat« am de­mo­kra­ti­schen Pro­zess. Dass sei­ne The­se nicht ganz aus der Luft ge­grif­fen ist, sieht man u. a. dar­an, dass in Län­dern, in de­nen über sehr lan­ge Zeit gro­ße Ko­ali­tio­nen herr­schen, al­so der Kon­sens in die po­li­ti­sche Ar­beit ein­ge­wo­ben ist), die ex­tre­men po­li­ti­schen An­sich­ten zu­neh­men. Es gibt kei­nen Dis­sens mehr, der dis­kur­siv aus­ge­tra­gen wer­den kann – al­le wis­sen schon im vor­aus, wie’s aus­geht.

  13. #11: »Dass Min­der­hei­ten per se rechts­be­gün­stigt sein sol­len, ist aber eben­falls ein to­ta­li­tä­rer An­satz.«
    Ich wür­de beim Schutz von Min­der­hei­ten nicht von »Rechts­be­gün­sti­gung« spre­chen. Es geht nicht um Pri­vi­le­gi­en, son­dern um ele­men­ta­re Men­schen­rech­te. Hier könn­te man na­tür­lich wie­der zwi­schen Grup­pen­rech­ten und In­di­vi­du­al­rech­ten un­ter­schei­den. Aber ich blei­be ganz be­schei­den bei mei­ner Mei­nungs­frei­heit. Das schließt das Recht auf Dis­sens mit ein. Das wür­de ich schon ir­gend­wie als we­sen­haft be­zeich­nen. Al­les an­de­re ist ei­ne Fra­ge der in­sti­tu­tio­nel­len Aus­ge­stal­tung.

  14. @Detlef Zöll­ner
    Ja, es geht na­tür­lich im­mer um »Men­schen­rech­te«. Ver­zei­hen Sie mir, aber ich kann die­se Phra­se nicht mehr hö­ren, weil sie so wohl­feil da­her­kommt und ir­gend­wie aus­ge­höhlt ist.

    Mei­nungs­frei­heit ist na­tür­lich ele­men­tar, aber die blo­ße Mei­nung die ge­ring­ste und klein­ste Wäh­rung. Es soll­te schon et­was mehr sein.

  15. #13: « Es soll­te schon et­was mehr sein.«
    Die­ses »et­was mehr« be­steht in der Ver­pflich­tung, sei­ne Mei­nung zu recht­fer­ti­gen. An­son­sten ist es es doch ein Be­leg für den Lu­xus, in dem wir le­ben, wenn wir glau­ben, wir dürf­ten ver­ächt­lich auf die­se »ge­ring­ste und klein­ste Wäh­rung« her­ab­se­hen.

  16. @Detlef Zöll­ner
    War­um ich Mei­nung als klein­ste Wäh­rung an­se­he, ha­be ich hier aus­ge­führt. So wä­re zum Bei­spiel mei­ne »Mei­nung« zu Haw­kings Theo­rie über Schwar­ze Lö­cher völ­lig ir­rele­vant, weil ich da­von gar kei­ne Ah­nung ha­be. Sie in ei­ner Um­fra­ge ab­zu­fra­gen und als gleich­ran­gig mit den »Mei­nun­gen« von Phy­sik­pro­fes­so­ren zu be­trach­ten und zu ge­wich­ten, wä­re Blöd­sinn. In der po­li­ti­schen Be­richt­erstat­tung wird das aber lau­fend prak­ti­ziert.

    Be­le­ge für Mei­nun­gen bei­zu­brin­gen ist Pflicht, ins­be­son­de­re wenn es sich um Me­di­en han­delt, die dar­über be­rich­ten. Das Ge­gen­teil pas­siert: Der Mei­nungs­jour­na­lis­mus gras­siert. Rich­tig ist, dass mich »Mei­nun­gen« kaum mehr in­ter­es­sie­ren, weil sie fast im­mer nur Af­fek­te ab­bil­den bzw. er­zeu­gen.

  17. #15
    Jetzt wird mir klar, wor­in un­ser Dis­sens be­steht. Ih­re Wert­schät­zung rich­tet sich auf den Ex­per­ten­dis­kurs, in dem sich Peers, wie Ha­ber­mas es nennt, auf Au­gen­hö­he be­geg­nen. Da ist na­tür­lich je­der Laie und Ama­teur Fehl am Platz.

    Ich selbst schät­ze aber die Au­to­no­mie des in­di­vi­du­el­len Ver­stan­des, der sich im Kan­ti­schen Sin­ne selbst er­mäch­tigt und nicht von Au­to­ri­tä­ten ein­schüch­tern läßt. Ich tre­te al­so für das Recht des Lai­en ein, sich mit al­len The­men, die ihn in­ter­es­sie­ren, zu be­fas­sen und von den Ex­per­ten zu for­dern, daß sie sich all­ge­mein ver­ständ­lich aus­drücken. Auch Ex­per­ten ha­ben ei­ne Recht­fer­ti­gungs­ver­pflich­tung ge­gen­über den Lai­en. Sie dür­fen sich nicht auf den Dis­kurs un­ter Peers be­schrän­ken. Das mag an­stren­gend sein. Aber das ist kein Grund, die­se Ver­pflich­tung mit leich­ter Hand vom Tisch zu wi­schen.

  18. @Detlef Zöll­ner
    Ih­re An­nah­me ist falsch. Ich könn­te sehr wohl im Haw­kings Schwar­ze Lö­cher-Theo­rie ei­ne »Mei­nung« ha­ben, wenn ich mir ent­spre­chen­de Kennt­nis­se an­ge­eig­net hät­te. Ein Bür­ger kann sehr wohl die Ar­beit ei­nes Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten be­ur­tei­len, so­fern er sei­ne In­for­ma­tio­nen nicht aus­schließ­lich aus der Pres­se be­zieht. Dis­kurs be­deu­tet na­tür­lich nicht, dass sich nur »Peers« über The­men aus­las­sen dür­fen. Aber die Af­fekt­mei­nung, die den po­li­ti­schen wie so­zia­len Dis­kurs in den Me­di­en mitt­ler­wei­le do­mi­niert, ist mir zu bil­lig.

    (Ha­ber­mas kon­ter­ka­riert sei­ne leh­re al­lei­ne schon da­durch, dass er sich na­he­zu un­ver­ständ­lich aus­drückt. Es ist mir auch nicht auf­ge­fal­len, dass er je­mals au­ßer­halb sei­nes Be­triebs den Dis­kurs über sei­ne Theo­rien ge­sucht hat. Er be­treibt al­so das Ge­gen­teil des­sen, was er po­stu­liert: ei­nen herr­schafts­frei­en Dis­kurs.)

  19. Ich möch­te die letz­ten Kom­men­ta­re ger­ne auf­grei­fen, und fol­gen­des be­mer­ken:
    Der Be­griff »Mei­nung« kommt in dem Auf­satz von @mete nur 1x vor, da wird ne­ben­säch­lich von ei­ner fal­schen Mei­nung ge­spro­chen, die man un­vor­sich­tig und un­ge­prüft über­nimmt.
    Wich­tig er­scheint mir die Ab­we­sen­heit des Mei­nungs­be­griffs über­haupt. Er spielt in dem Ent­wurf ei­ner Dis­kurs­ethik gar kei­ne we­sent­li­che Rol­le.
    War­um ist das so?!
    Ich den­ke, der Grund ist fol­gen­der: ei­ne stren­ge Ana­lo­gie zwi­schen wis­sen­schaft­li­chem und po­li­ti­schem Dis­kurs ist die Ur­sa­che. Die The­se, ih­re Dar­le­gung und Be­grün­dung wird mit ei­ner Äu­ße­rung im po­li­ti­schen Dis­kurs un­ein­ge­schränkt gleich­ge­setzt. Da­her ist es fast zu schwach, von ei­nem Ge­fäl­le der Teil­neh­mer zu spre­chen. Dann ste­hen sich na­tür­lich die »Peers«, die Groß­bür­ger­li­chen und Pe­gi­da, sprich der ein­fa­che Mann von der Stra­ße ge­gen­über. Ich hal­te die­se Ana­lo­gie für ei­nen sehr tief­grei­fen­den Irr­tum, was die Po­li­ti­sche Phi­lo­so­phie an­geht. Die­ser Par­al­le­lis­mus beschäftigt/irritiert uns schon län­ger, wenn mich nicht al­les täuscht.

  20. Ich ha­be die­se Grund­an­nah­me der Po­li­ti­schen Phi­lo­so­phie noch nicht voll­stän­dig ana­ly­siert, aber der wis­sen­schaft­li­che Dis­kurs im­pli­ziert mei­ner An­sicht nach kei­ne Prag­ma­tik, die von vor­läu­fi­gen punk­tu­el­len The­sen aus­ge­hend auf ak­zep­tier­te Theo­re­me ab­zie­len könn­te. Die­se Kon­so­li­die­rung kann ich auf der theo­re­ti­schen Ebe­ne nicht er­ken­nen. Es bleibt al­les, wie es da­her­kommt. The­sen sind Säu­len, die man nicht in Fun­da­men­te um­wan­deln kann, da­mit sie ei­ne ge­si­cher­te Grund­la­ge ab­ge­ben kön­nen.
    Das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um des hy­po­the­ti­schen Den­kens (sei­ne pseu­do-de­mo­kra­ti­sche Ei­gen­schaft) ist sei­ne Of­fen­heit, sei­ne Ver­füg­bar­keit für je­den, der kom­pe­tent ge­nug ist, da­von Kennt­nis zu neh­men.
    Da­ge­gen hat ei­ne Mei­nung, wenn sie über­haupt zu­stan­de kommt, wie in #13 #15 #17 ein­ge­grenzt, ei­nen an­hal­ten­den prag­ma­ti­schen Cha­rak­ter. Man will et­was er­rei­chen, et­was än­dern. Da­bei ist sie im­mer par­ti­ku­lar, und sie bleibt es selbst wenn Ent­schei­dun­gen zu­stan­de kom­men, weil die Ak­zep­tanz nicht die 100% Mar­ke er­reicht.
    –Von Stim­men und de­ren Mäch­tig­keit (im Sin­ne der Ma­the­ma­tik) wür­de ich über­haupt nicht spre­chen. Die Viel­fach­heit ei­ner Mei­nung ist doch ab­zähl­bar, oder?! Dar­in be­steht ja das de­mo­kra­ti­sche Ver­fah­ren.
    Wie ge­sagt, in al­ler Kür­ze: The­sen und Mei­nun­gen kön­nen ver­mut­lich nicht auf ein und das­sel­be Dis­kurs­mo­dell zu­rück­grei­fen. Das nann­te ich ei­nen Irr­tum. Es scheint mir nicht plau­si­bel.

  21. Das Grund­pro­blem des hier skiz­zier­ten dis­kurs­ethi­schen Ver­fah­rens liegt dar­in, dass es auf den Kon­sens al­ler an­ge­wie­sen ist bzw. erst dann in prak­ti­sche Po­li­tik um­ge­setzt wird. De­mo­kra­ti­sche Ent­schei­dun­gen, wie wir sie ver­ste­hen, le­ben je­doch vom Mehr­heits­prin­zip, dass in check-and-ba­lan­ces aus­ta­riert wird, da­mit es nicht zu ei­ner Mehr­heits­dik­ta­tur kommt. Das ist nicht zu­letzt ein Ge­bot des po­li­ti­schen Han­delns; an­son­sten wä­re ei­ne Ent­schluss­fin­dung kaum noch mög­lich. Par­tei­en die­nen da­bei als Bün­de­lung von In­ter­es­sen und Mei­nungs­strö­men. Sie sind na­tür­lich ra­di­ka­le Ver­ein­fa­cher, denn schon in ei­ner Par­tei ist es un­mög­lich, al­le Strö­mun­gen gleich­be­rech­tigt zu in­te­grie­ren.

    Mei­nun­gen müs­sen in De­mo­kra­tien Mehr­hei­ten fin­den. Dar­in liegt al­ler­dings auch ih­re Ge­fahr. Neu­deutsch nennt man das »Po­pu­lis­mus« (Möl­lers sieht die­se Ge­fahr kaum), was aus­blen­det, dass Mehr­heits­ent­schei­dung im­mer ir­gend­wie »po­pu­li­stisch« sind (al­so min­de­stens 51 : 49). Der Un­ter­schied be­steht dar­in, ob sich po­li­ti­sche Par­tei­en nach den po­pu­lä­ren Mei­nungs­strö­men ein­fach nur aus­rich­ten oder ob sie für ih­re Pro­gram­ma­tik Mehr­hei­ten su­chen. Ich stel­le ein­mal die The­se auf, dass Mer­kel die CDU eher mit den ent­spre­chen­den Mei­nungs­um­fra­gen führt; die Pro­gram­ma­tik rich­tet sich nach den Um­fra­ge­wer­ten. Deut­lich sicht­bar war dies im März 2011, als sie von der Be­für­wor­te­rin der Atom­kraft bin­nen Ta­gen den Aus­stieg ver­kün­de­te. Das hat mit Po­li­tik nichts mehr zu tun; mit »Dis­kurs« eben­falls nicht.

  22. #21
    Nun bin ich doch wie­der da, nach­dem ich mich schon ver­ab­schie­det hat­te. Daß The­sen und Mei­nun­gen nicht den­sel­ben Sta­tus ha­ben, scheint mir ein­leuch­tend zu sein. Das be­deu­tet aber nicht, daß Mei­nun­gen nicht be­grün­dungs­be­dürf­tig wä­ren. Tat­säch­lich muß man wohl zwi­schen ei­nem po­li­ti­schen und ei­nem wis­sen­schaft­li­chen Dis­kurs un­ter­schei­den.
    Ich ha­be den Mei­nungs­be­griff im­mer im Sin­ne von Platon/Sokrates ge­braucht: Mei­nun­gen un­ter­schei­den sich von Wis­sen. Mei­nun­gen sind un­be­grün­de­te Wis­sens­be­haup­tun­gen und Wis­sen be­steht aus be­grün­de­ten bzw. be­gründ­ba­ren Be­haup­tun­gen. Al­ler­dings un­ter­schei­det So­kra­tes im Me­non noch wah­re Mei­nun­gen. Wah­re Mei­nun­gen un­ter­schei­den sich vom Wis­sen da­durch, daß sie nicht be­grün­det wer­den kön­nen, aber trotz­dem zu­tref­fen, und von blo­ßen, aus der Luft ge­grif­fe­nen Mei­nun­gen da­durch, daß ih­nen An­schau­un­gen (Er­fah­run­gen) zu­grun­de­lie­gen. Die Tu­gend be­steht aus sol­chen wah­ren Mei­nun­gen.
    Letzt­lich lan­den wir auf die­sem We­ge bei Husserl/Habermas/Blumenberg, näm­lich beim Le­bens­welt­be­griff. Mei­nung und Le­bens­welt ge­hö­ren eng zu­sam­men. Dann wä­ren Mei­nun­gen et­was, das aus der Le­bens­welt kommt und über den Dis­kurs in Ar­gu­men­te ver­wan­delt wird.

  23. @Detlef Zöll­ner
    Schö­ner Schluß­satz: Mei­nun­gen, die »über den Dis­kurs in Ar­gu­men­te ver­wan­delt« wer­den. Das ist der heh­re An­spruch, der je­doch lei­der fast voll­kom­men ver­lo­ren ge­gan­gen zu sein scheint. Mei­nun­gen (= un­be­grün­de­te Aus­sa­gen) ge­nü­gen heu­te voll­ends als Le­gi­ti­ma­ti­on für po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen. Das hat na­tür­lich mit der Ra­sanz zu tun, in der politische/soziale/ökonomische Dis­kus­sio­nen in den Me­di­en ge­führt und am En­de tri­via­li­siert wer­den.

    Hin­zu kommt, dass der Dis­kurs nicht mehr vor­aus­set­zungs­frei ist, d. h. es kann nur noch sy­stem­im­ma­nent dis­ku­tiert wer­den. Wenn ich aber – um nur ein Bei­spiel zu nen­nen – den Eu­ro in sei­ner der­zei­ti­gen Aus­stat­tung und Form für un­zu­rei­chend hal­te, fließt die­ser Aspekt nicht mehr in den Dis­kurs ein, da die Vor­aus­set­zun­gen an­de­re sind (hier: der Eu­ro ist not­wen­dig, wich­tig, usw.). Das wä­re an sich kein Pro­blem – schließ­lich kann nicht je­des­mal das Rad neu er­fun­den wer­den – wenn nicht vor­her das Dis­kurs­prin­zip ver­letzt bzw. igno­riert wor­den wä­re.

    Mit Be­grif­fen wie »wah­ren Mei­nun­gen« tappt man nur in noch grö­sse­re schwar­ze Lö­cher. Wer legt denn den Wahr­heits­cha­rak­ter fest? Selbst die Na­tur­wis­sen­schaf­ten ha­ben in­zwi­schen weit­ge­hend das Fal­si­fi­ka­ti­ons­prin­zip ak­zep­tiert. Man soll­te sich da­von ver­ab­schie­den, dass po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen im­mer »wahr« sein müs­sen: sie bil­den vor­läu­fi­ge, sich per­ma­nent in Ver­än­de­rung be­find­li­che Ur­tei­le ab.

  24. @ Det­lev Dan­ke für den Pla­ton-Hin­weis. Ge­nau die­ses Mo­dell scheint mir von Pla­ton »in höch­ster Er­klä­rungs­not« auf­ge­stellt wor­den zu sein. Es kann aus heu­ti­ger Sicht kaum ein­leuch­tend dar­ge­stellt wer­den, was ei­ne »wah­re Mei­nung« sein soll.
    Ich bin nicht si­cher, ob die Li­nie Husserl/Blumenberg/Habermas stimmt, aber ich bin auch kein Ex­per­te. Ei­nen ver­steck­ten Pla­to­nis­mus kann ich mir durch­aus vor­stel­len.

    @ Gre­gor Dass Mei­nun­gen Ent­schei­dun­gen vor­aus ge­hen, und mit den Ge­set­zes­än­de­run­gen ei­ne ei­ge­ne Fak­ti­zi­tät er­rei­chen, ist klar. Es ge­hört zur po­li­ti­schen Kul­tur, nicht al­le 4 Jah­re sämt­li­che Uh­ren zu­rück zu stel­len. Das hat mit Ver­trags­treue zu tun, die selbst­ver­ständ­lich auch für die Bun­des­re­pu­blik gilt. Ich glau­be, wir sind uns dar­in ei­nig, dass die ei­gent­li­chen Vor­gän­ge der Mei­nungs­bil­dung zu ei­nem ge­ge­be­nem Po­li­tik­feld kaum noch ernst­haft die Öf­fent­lich­keit be­schäf­ti­gen. Was ge­nau ge­schieht ei­gent­lich in die­sem Tru­bel, den wir Öf­fent­lich­keit nen­nen?! Wur­de die An­stren­gung der Mei­nungs­bil­dung er­setzt durch ei­ne »dif­fu­se Re­fe­ren­zia­li­tät«, so­dass ein Re­gie­rungs­kon­zept nach Um­fra­gen (CDU) funk­tio­nie­ren kann... Ich mei­ne das oh­ne Ver­schwö­rungs­theo­rie, das passt doch gut zu­sam­men, –ein schwe­ben­der Dis­kurs und ein plan­lo­ser Prag­ma­tis­mus?!

  25. Vie­len Dan­ke für die zahl­rei­chen Kom­men­ta­re. Zu ei­ni­gen der an­ge­spro­che­nen Aspek­te:

    @Detlev Zöl­ner
    #5
    Mei­nung wür­de ich im Spek­trum von blo­ßen Set­zun­gen, über As­so­zia­tio­nen hin zu Ein­schät­zun­gen de­fi­nie­ren (ver­or­ten). Grund­sätz­lich ist ei­ne Mei­nungs­äu­ße­rung le­gi­tim, wenn sie als von al­len Be­tei­lig­ten sol­che an­ge­se­hen und ver­stan­den wird. Dar­über hin­aus hat sie in De­mo­kra­tien Be­deu­tung weil sie (fak­tisch ge­se­hen) für die Or­ga­ni­sa­ti­on von Mehr­hei­ten be­deut­sam ist: Was wol­len die Wäh­ler? Wie wird die­ses oder je­nes an­kom­men? In­klu­si­ve al­ler be­kann­ten ne­ga­ti­ven Aspek­te (Macht­er­halt und Or­ga­ni­sa­ti­on von Mehr­hei­ten sind Auf­ga­ben von Po­li­ti­kern).

    Was als Ar­gu­ment taugt, da möch­te ich wi­der­spre­chen, zeigt sich be­reits vor dem Dis­kurs: Nach­den­ken, Über­le­gen, For­mu­lie­ren, Prü­fen, da­zu brau­che ich kein Ge­gen­über; die Be­wäh­rung in Form ei­ner Aus­ein­an­der­set­zung steht al­ler­dings noch aus. — Ar­gu­men­te sind im­mer in ei­nen Rah­men (Raum) von Be­züg­lich­kei­ten ein­ge­bet­tet, das ist es­sen­ti­ell.

    Zu Pe­gi­da möch­te ich noch ei­nen kur­zen Text schrei­ben, dort kön­nen wir ger­ne wei­ter dis­ku­tie­ren (dort wird in der Tat viel ge­meint; das muss man aber in ei­nen, glau­be ich, wich­ti­gen Kon­text set­zen).

    @die kal­te So­phie
    #6
    Ein­stiegs­hür­den, ja. — Ich ha­be nichts von Ha­ber­mas ge­le­sen, kann da­zu al­so nichts sa­gen, bin aber durch­aus ver­wun­dert, dass er so ei­ne »top-down Re­gie­rung« für gut hält (da muss auf kurz oder lang Miss­trau­en ent­ste­hen). Rich­tig ist: Spe­zia­li­sten, z.B. Wis­sen­schaft­ler, müs­sen ihr Wis­sen auf ein­fa­che, aber doch kor­rek­te Wei­se in die öf­fent­li­chen Dis­pu­te ein­brin­gen (in Kom­men­tar #16 ist das schön be­schrie­ben).

    #19
    Mei­nung ist viel­leicht ein (auch von mir) bis­lang un­ter­schätz­ter Aus­gangs­punkt von Dis­kur­sen (oder Über­le­gun­gen), et­was wie ei­ne The­se, ei­ne Idee, die man sich nä­her an­sieht und die dann dis­ku­tiert wird.

    #21
    Viel­leicht ist der Be­griff »The­se« un­pas­send; aber so ver­schie­de­ne The­men wie die Ab­wick­lung ei­ner Bank (et­wa die Hy­po-Al­pe-Adria) oder der an­ge­führ­te Atom­aus­stieg, ha­ben ge­mein, dass wir die zu­künf­ti­gen Ent­wick­lun­gen nicht ken­nen (den ge­gen­wär­ti­gen Stand der Din­ge oft recht gut), aber trotz­dem ei­ne Ent­schei­dung tref­fen müs­sen; das ist ty­pisch für die Po­li­tik und völ­lig un­ty­pisch für die Wis­sen­schaft (der Grund­la­gen­for­scher weiß nicht was und ob er über­haupt et­was »Brauch­ba­res« fin­det). — In der Po­li­tik geht es mehr um Ge­wich­tung und Be­wer­tung.

    @Gregor
    #22
    In der Rea­li­tät lau­fen Ent­schei­dungs­fin­dung und öf­fent­li­che Dis­kus­si­on par­al­lel; sie sind nicht zwin­gend kau­sal oder kon­sen­su­al (hin­zu kommt noch der Aus­gleich von In­ter­es­sen, der wich­tig für die Ge­sell­schaft ist). Al­ler­dings sto­ßen po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen, die nicht er­klärt, nein: für die Bür­ger nicht nach­voll­zieh­bar sind, auf Ab­leh­nung (da ist die Dis­kurs­ethik wie­der we­sent­lich). — Ge­nau: Po­li­tik ist nicht für Wahr­heit zu­stän­dig, son­dern da­für im ei­nem be­stimm­ten Wis­sens­kon­text, die rich­ti­gen Ent­schei­dun­gen für die ent­spre­chen­den Ge­sell­schaf­ten zu tref­fen.

  26. Un­ter der Über­schrift »Was ist ein Dis­kurs?« schrieb ich das Un­ten­ste­hen­de, oh­ne die­sen obi­gen Ar­ti­kel schon ge­le­sen zu ha­ben, was ich nun­mehr nach­hol­te. Trotz­dem und auch des­we­gen blei­be ich bei fol­gen­der, so­wohl ernst als auch un­ernst ge­mein­ten Be­griffs­be­stim­mung:

    Ein oder gar der Dis­kurs ist na­tur­ge­mäß zu­nächst im­mer ei­ne un­kla­re An­ge­le­gen­heit. Ein trü­bes Ge­wäs­ser mit ei­ner un­ge­wis­sen Tie­fe. Ei­ner un­ge­wis­sen Aus­deh­nung. Ein Flie­ßen, in wel­che Rich­tung auch im­mer, macht den Dis­kurs nicht kla­rer. Um klar Fass­ba­res dem Dis­kurs ent­neh­men zu kön­nen, müs­sen die frei schwe­ben­den Teil­chen, die den Dis­kurs trü­ben, still­ge­legt wer­den. Al­so wird, um im Bild zu blei­ben, das Was­ser ab­ge­las­sen von de­nen, die das ver­mö­gen. Sta­bil Er­schei­nen­des wird so er­kenn­bar, auch wenn es im Matsch steht. Im Dreck. Jetzt geht es dar­um, das Er­kenn­ba­re mit­ein­an­der in Be­zie­hung zu set­zen, et­wa­ig vor­han­de­ne Ver­bin­dun­gen, Ver­wandt­schaf­ten und Ge­mein­sam­kei­ten deut­lich zu ma­chen, wor­aus sich zu­gleich das Tren­nen­de er­ge­ben muss, das Ge­gen­ein­an­der­ste­hen­de, das Feind­li­che. So ent­ste­hen deut­li­che, kon­kre­te Mu­ster, Be­zü­ge, Ko­ali­tio­nen, wäh­rend zu­gleich der Matsch, in dem der Dis­kurs grün­det, aus­trock­net und ein fu­rio­ses, ein chao­tisch an­mu­ten­des Netz von Ris­sen aus­bil­det. Dann ist der Dis­kurs an sein En­de ge­kom­men. Und ir­gend­wann kommt das Was­ser zu­rück.

    http://nwschlinkert.de/2015/01/08/was-ist-ein-diskurs/

  27. Ei­ne Be­griffs­be­stim­mung für den Rah­men der Ab­hand­lung der Au­tor @mete ja schon in der Fuß­no­te 1 ge­ge­ben.
    Ich fin­de die De­fi­ni­ti­on an­ge­mes­sen, kon­sta­tie­rend die Un­ord­nung des ge­ge­be­nen Öf­fent­li­chen Dis­kur­ses, dem die Re­geln der Dis­kurs­theo­rie bei­gelegt wer­den, um ei­ne po­si­ti­ve Ent­wick­lung ein­zu­lei­ten. Na­tür­lich kann man sich auf den Stand­punkt stel­len: Cha­os ge­biert nur Cha­os. Aber ich den­ke, es ist in­ter­es­sant, die im­ma­nen­te Mo­ti­ve der Teil­neh­mer mit den Re­geln des idea­len Ge­sprächs zu ver­glei­chen. Es gibt in­kom­pa­ti­ble Teil­neh­mer, es gibt in­kom­pa­ti­ble Bei­trä­ge. Wenn der Öff­fent­li­che Dis­kurs nicht ein Min­dest­maß von Ra­tio­na­li­tät auf­bie­ten könn­te, wür­de sich ja kein er­wach­se­ner Mensch da­mit be­schäf­ti­gen.
    Zen­tra­le An­nah­me ist na­tür­lich: ein Mehr an Ord­nung bringt Fort­schritt. Das bleibt da­hin ge­stellt.

  28. Ein Mehr an Ord­nung kann, so wä­re an­zu­mer­ken, zu ei­ner ge­wis­sen Starr­heit, ei­ner »Aus­trock­nung« des Dis­kur­ses füh­ren, zu ei­ner je statt­fin­den­den Fi­xie­rung von Po­si­tio­nen in ver­meint­lich fe­stem Grund. Be­zo­gen auf die Dis­kus­si­on um Pe­gi­da wä­re es al­so mei­ner An­sicht nach ganz falsch, so lan­ge Be­wei­se da­für zu fin­den, daß die­se Be­we­gung rechts­extrem und/oder na­tio­na­li­stisch ist, bis sich schließ­lich al­le, »mü­de« ge­wor­den, da­mit ab­fin­den, nur um end­lich »Ru­he« zu ha­ben und sich ein­zu­rich­ten im ent­stan­de­nen Bild. Wenn je­doch al­le, auch die, die gar nicht re­den wol­len, noch das Ge­fühl ha­ben, sich ih­rer Sa­che we­gen be­we­gen zu müs­sen, lebt der Dis­kurs, und das ist man je­dem noch so wü­ten­den oder schlicht den­ken­den Teil­neh­mer der Pe­gi­da-De­mon­stra­tio­nen schul­dig. Ein ab­so­lu­tes Aus­gren­zen der sich of­fen­sicht­lich Aus­ge­grenzt­füh­len­den (der Aus­ge­grenz­ten) führ­te nur zu Ex­tre­mis­mus, und von dem ha­ben wir weiß der Teu­fel ja wirk­lich schon ge­nug.
    (In­ter­es­sant auch, daß al­le Par­tei­en die an­ony­men Stim­men der in Dres­den De­mon­strie­ren­den bei Wah­len ger­ne ein­sacken, jetzt aber, wo sie als Men­schen sicht­bar wer­den, sich em­pört ab­wen­den.)

    TL;DR: Dis­kurs ist, wenn’s bro­delt.

  29. @Norbert W. Schlin­kert
    Die Be­stim­mung zu un­scharf, als dass sie kon­kret und prak­tisch mit »der Rea­li­tät« ver­gleich­bar wä­re (grund­sätz­lich se­he ich aber we­nig Dif­fe­ren­zen). Ein Dis­kurs braucht Ord­nung (Ver­ständ­lich­keit, In­ter­sub­jek­ti­vi­tät) wie Un­ord­nung (ei­ner­seits der Of­fen­heit, an­de­rer­seits der Ver­än­der­lich­keit we­gen).

    Für Pe­gi­da und nope­gi­da gilt, dass po­li­ti­sche Fra­gen dis­kur­siv ent­schie­den wer­den (soll­ten); Ge­sprächs­ver­wei­ge­run­gen und Ver­all­ge­mei­ne­run­gen (»Lü­gen­pres­se«, »Na­zis«) sind auf Dau­er kein Mit­tel, son­dern füh­ren, wie Sie schon schrie­ben, zu Spal­tung und zu Ex­tre­mis­mus (das ist dann die ein­zi­ge Kraft, die sich um de­ren An­lie­gen küm­mert, bes­ser die­se für sich nutz­bar macht).

  30. @metepsilonema
    Was aber, wenn Ver­all­ge­mei­ne­run­gen und Kom­ple­xi­täts­re­du­zie­run­gen längst zu an­er­kenn­ten und bei­der­sei­tig ver­wen­de­ten Re­ge­lun­gen des Dis­kur­ses in­ter­na­li­siert wur­den? Wenn es gar nicht mehr dar­um geht, ge­sell­schaft­li­che, öko­no­mi­sche, öko­lo­gi­sche (oder son­sti­ge) Pro­ble­me im De­tail zu durch­drin­gen? Ich er­in­ne­re mich an die Eu­ro-Ret­tungs­pro­gram­me, die vor zwei Jah­ren in schö­ner Re­gel­mä­ssig­keit den po­li­ti­schen Man­dats­trä­gern zu­gin­gen: Mehr als 1000 Sei­ten (meist nur in eng­lisch), über die bin­nen 48 Stun­den zu ent­schei­den sein soll: ja oder nein? Wie kann hier ein Dis­kurs statt­fin­den? Wenn schon im Vor­feld die »Lö­sun­gen« als »al­ter­na­tiv­los« be­zeich­net wer­den und so­mit das Ab­stim­mungs­ver­hal­ten in die »rich­ti­ge« Rich­tung ge­lenkt wer­den sol­len.

  31. Das Pro­ble­ma­ti­sche im Um­gang mit Pe­gi­da scheint mir tat­säch­lich dar­in zu lie­gen, daß die von »uns« so ge­schätz­ten Re­geln des Dis­kur­ses un­ter­lau­fen wer­den, in­dem qua De­mon­stra­ti­on ei­ner pu­ren Mas­se un­ter­kom­plex agiert wird und zu­gleich auch in­di­vi­du­ell sehr emo­tio­nal, mit ei­ni­ger Wut näm­lich auf »die da oben«, die aber nicht ei­gens ar­ti­ku­liert wer­den muß, weil man ja mit an­de­ren Be­trof­fe­nen zu­sam­men für sei­ne Rech­te ein­steht. Man bleibt so­zu­sa­gen un­ter sich. Be­droh­lich da­bei ist mei­ner An­sicht nach vor al­lem, daß sich Men­schen Pa­ro­len an­schlie­ßen, die völ­li­ger Un­sinn sind, et­wa die ver­meint­li­che Is­la­mi­sie­rung des Lan­des be­tref­fend. (Vor­läu­fig ha­ben die so­ge­nann­ten christ­li­chen Kir­chen im­mer noch viel zu viel Ein­fluß, aber da­ge­gen pro­te­stiert nie­mand.) Ich ken­ne aus mei­ner Kind­heit und Ju­gend (in ei­nem aus heu­ti­ger Sicht »trotz al­lem« klein­bür­ger­lich-grund­op­ti­mi­sti­schen Um­feld der 70er und frü­hen 80er Jah­re) die­se ge­ball­te Wut, die mil­lieu­be­dingt ist, weil durch­aus vie­le Men­schen kei­ner­lei Übung ha­ben im Dis­ku­tie­ren und sich si­cher­lich kei­ne Vor­stel­lun­gen da­von ma­chen, was ein Dis­kurs über­haupt ist, be­wir­ken soll und zu sein hat. Im­grun­de ste­hen sich die nach ein­fa­chen Ant­wor­ten und ei­nem ge­lin­gen­den Le­ben gie­ren­den, ein­zel­nen Men­schen (mit Flei­ßig­sein­dür­fen und dem dar­aus re­sul­tie­ren­den gu­ten Ein- und Aus­kom­men usw.) und die tat­säch­lich über­kom­ple­xe Wirk­lich­keit dia­me­tral ge­gen­über, in der es dann aber, sie­he das Bei­spiel mit den Eu­ro-Ret­tungs­pro­gram­men und dem ab­surd an­mu­ten­den Pro­ze­de­re, zwi­schen­zeit­lich auch nur noch um Ja oder Nein geht. So wird es dem Volk je­den­falls ver­mit­telt, so als ha­be das Rin­gen um ei­ne Ent­schei­dung tat­säch­lich statt­ge­fun­den zwi­schen de­nen, die de­mo­kra­tisch ge­wählt wor­den sind, wäh­rend es sich in Wirk­lich­keit um ein sehr kom­ple­xes Sich-Be­kämp­fen der­je­ni­gen han­delt, die Macht ha­ben per Wirt­schafts­kraft. Wo­mög­lich fin­den Dis­kur­se im ei­gent­li­chen Sin­ne über­haupt nicht mehr statt, be­zie­hungs­wei­se er­schei­nen nur in der Nach­be­trach­tung noch als sol­che, weil man sonst das Ge­fühl hät­te, über­haupt nicht mehr be­tei­ligt zu sein.

  32. @Norbert W. Schlin­kert
    Wo­mög­lich fin­den Dis­kur­se im ei­gent­li­chen Sin­ne über­haupt nicht mehr statt, be­zie­hungs­wei­se er­schei­nen nur in der Nach­be­trach­tung noch als sol­che, weil man sonst das Ge­fühl hät­te, über­haupt nicht mehr be­tei­ligt zu sein.
    Das ist m. E. wah­re Wor­te und sie tref­fen den Zu­stand ziem­lich ge­nau. Für mich sind die hy­ste­ri­schen Re­ak­tio­nen auf zum Teil tat­säch­lich blöd­sin­ni­gen Pa­ro­len von Pe­gi­da al­ler­dings eben­falls kein Ruh­mes­blatt: Die Men­schen wer­den pau­schal dif­fa­miert und dis­kre­di­tiert. Wäh­rend es doch an­de­rer­seits über­all heisst, man dür­fe nicht pau­scha­li­sie­ren...

    Tat­säch­lich wird nicht nur die pe­ku­niä­re Sche­re in­ner­halb der Ge­sell­schaft im­mer grö­sser, son­dern auch die so­zia­le und po­li­ti­sche. Ich deu­te­te das oben schon ein­mal an: Wenn man sich – und sei es auch nur als Ad­vo­ca­tus Dia­bo­li – in ei­ner Run­de ei­gent­lich klu­ger Men­schen ein­fach mal für Atom­kraft, Gen­tech­nik oder TTIP aus­spricht – dann kann man ganz schnell das blan­ke Ent­set­zen be­ob­ach­ten. In­ter­es­sant ist dann, dass es kaum mehr Ar­gu­men­te gibt – die blo­ße Ge­sin­nung reicht schon aus. Die­ser mehr oder we­ni­ger un­aus­ge­spro­che­ne Kon­sens wird von der Po­li­tik auf na­he­zu al­le auch nur am Ran­de als kon­tro­vers aus­ge­mach­te The­men an­ge­wen­det. So ver­schwin­det der Dis­kurs, be­vor er über­haupt ein­setz­te. So gab es in Deutsch­land nie­mals ei­ne Art von Re­fe­ren­dum über die Eu­ro­pa­po­li­tik. Der Grund ist ver­mut­lich ba­nal: Man woll­te sich die Ar­beit er­spa­ren, die Wäh­ler von den Vor­zü­gen zu über­zeu­gen.

  33. #33: »Ad­vo­ca­tus Dia­bo­li«
    Es ist in ei­ner mü­den, lang­wei­li­gen Dis­kus­si­ons­at­mo­sphä­re si­cher be­le­bend, ge­le­gent­lich den Ad­vo­ca­tus Dia­bo­li zu spie­len. Aber ich ha­be im aka­de­mi­schen Mi­lieu all­zu oft er­lebt, wie selbst­ver­lieb­te Dis­ku­tan­ten im­mer rasch, nur um zu glän­zen, pro­vo­zie­ren­de The­sen in den Raum stell­ten, die sie selbst gar nicht ernst mein­ten, wäh­rend die an­de­ren ge­ra­de da­bei wa­ren, müh­sam ein The­ma zu ent­fal­ten und zu durch­drin­gen. In­dem sie ih­re Ge­spräch­part­ner vor den Kopf stie­ßen, zeig­ten sie im Grun­de nur ihr völ­li­ges Des­in­ter­es­se am The­ma und heim­sten an­ge­sichts der sprach­los ge­mach­ten Ge­sprächs­part­ner schnel­le Pu­bli­kums­er­fol­ge – ob nun im Se­mi­nar oder auf ei­ner Par­ty – ein.

    Ich ge­he im­mer, egal mit wem ich spre­che, vom ehr­li­chen Wil­len mei­nes Ge­sprächs­part­ners aus, ei­ne ge­mein­sa­me Klä­rung an­zu­stre­ben. Viel­leicht ist das »blan­ke Ent­set­zen«, von der Sie spre­chen, nur Aus­druck der Ver­wir­rung dar­über, ob je­mand wirk­lich ernst meint, was er sagt, oder ob er – be­sten­falls – nur ‘wit­zig’ er­schei­nen will?

  34. @Gregor Keu­sch­nig: So lang­sam schei­nen sich die Men­schen und gro­ße Tei­le der Me­di­en in der Tat (end­gül­tig?) dar­an zu ge­wöh­nen, nur noch in Schwarz-Weiß-Mu­stern zu agie­ren, Dau­men rauf oder run­ter, li­ke oder nicht li­ke, Freund oder Nicht­freund. Daß ein Pro­zeß not­wen­dig ist, um von ei­nem Vor-Ur­teil, ei­nem er­sten Ein­druck, ei­nem Bauch­ge­fühl zu ei­nem be­grün­de­ten Ur­teil zu kom­men, daß da­für mit­un­ter Ar­beit zu in­ve­stie­ren ist, scheint im­mer mehr ver­ges­sen zu wer­den. Vie­le Men­schen ma­chen lie­ber ei­nen Deal mit der Rea­li­tät, lieb sein, funk­tio­nie­ren, Rich­ti­ges sa­gen oder an der rich­ti­gen Stel­le schwei­gen, und da­für dann nicht in Hartz-IV ab­stür­zen – das muß für die mei­sten Be­loh­nung ge­nug sein!
    (Zu Hartz-IV: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zehn-jahre-hartz-iv-immer-den-staat-im-nacken‑1.2293478 )

    Ei­ne wirk­li­che Dis­kus­si­on im grö­ße­ren Rah­men ha­be ich üb­ri­gens schon lan­ge nicht mehr er­lebt, we­der über Po­li­tik noch et­wa über Li­te­ra­tur. In der Tat ste­hen sich ent­we­der Mei­nungs­blöcke ge­gen­über und man kann schon froh sein, wenn kei­ner aus­fal­lend wird, oder aber es wird (in Sa­chen Li­te­ra­tur) be­weih­räu­chert und kei­ner traut sich, mal was Kri­ti­sches zu fra­gen oder zu sa­gen – auch ich mach das in­zwi­schen nicht mehr und halt meist mei­ne Klap­pe, ob­wohl ich der Mei­nung bin, daß auch al­les Künst­le­ri­sche bis zu ei­nem ge­wis­sen ho­hen Gra­de nach Qua­li­täts­merk­ma­len be­wer­tet wer­den muß.

  35. @Detlef Zöll­ner
    Des Teu­fels An­walt zu sein hal­te ich durch­aus für ein le­gi­ti­mes rhe­to­ri­sches Mit­tel ge­gen all­zu gro­ße Selbst­ge­wiss­heit und Denk­faul­heit. Das muss nicht zwin­gend in Un­ernst oder Lä­cher­lich­keit aus­ar­ten. So gibt ja fast im­mer auch Ar­gu­men­te zu den schein­bar un­um­stöß­lich­sten Si­cher­hei­ten. Beim The­ma Atom­kraft ha­be ich das tat­säch­lich mal ge­macht und ar­gu­men­tier­te u. a. mit den Kli­ma­vor­tei­len. Und re­gel­mä­ssig ern­te ich Er­stau­nen, wenn ich für die Le­ga­li­sie­rung und ko­or­di­nier­te Ver­tei­lung von Dro­gen Par­tei er­grei­fe, um da­mit das or­ga­ni­sier­te Ver­bre­chen we­nig­stens auf die­sem Sek­tor aus­zu­trock­nen. Das ist kei­nes­wegs »wit­zig« ge­meint.

  36. Es gibt ja die­sen Mo­de-Be­griff von der »Post­de­mo­kra­tie«. Den könn­te man doch in die­se Rich­tung wen­den und sa­gen: Post­de­mo­kra­tie be­nennt das Ver­schwin­den des In­ter­es­ses am Öf­fent­li­chen Dis­kurs aus Ver­nunft­grün­den. Ei­ne Teil­nah­me ver­spricht kei­nen Ef­fekt, kei­ne Wir­kung, da die tur­bu­len­ten Ak­tio­nen be­reits die Ober­hand ha­ben, und im­mer zu ei­ner Neu­tra­li­sie­rung auch der ernst­haf­ten Bei­trä­ge füh­ren. Ich ver­ste­he die­sen Ver­zicht als die Preis­ga­be der (ei­ge­nen) po­li­ti­schen Iden­ti­tät, ei­nen An­teil des ei­ge­nen Selbst, der la­tent blei­ben muss, weil er nicht mehr sinn­voll ent­fal­tet wer­den kann.
    Das klingt na­tür­lich wie De­fä­tis­mus, könn­te als »pas­si­ve Sub­ver­si­on« ge­deu­tet wer­den. Aber die Fra­ge ist, ob man da­zu nicht ge­zwun­gen ist. Ich wür­de die­sen Ver­zicht je­den­falls nicht als »un­ver­nünf­tig« be­zeich­nen. Die Ver­nunft hat ja ei­ne psy­cho-öko­no­mi­sche Funk­ti­on. Sie ist in der La­ge, die Din­ge... ab­zu­kür­zen, bzw. aus­zu­sor­tie­ren, die sinn­los sind. Zu­ge­spitzt: könn­te man ei­nen re­du­zier­ten Ver­nunft-Be­griff dar­auf an­wen­den?!

  37. @die kal­te So­phie
    Ein re­du­zier­ter Ver­nunft­be­griff? Das wä­re ja so et­was wie run­ter­ge­dimm­te Auf­klä­rung! Au­ßer­dem war es schon im­mer »ver­nünf­tig«, im Sin­ne des Selbst­er­halts, sich mit­un­ter eben nicht der herr­schen­den Be­we­gung in den Weg zu stel­len. Was aber, wenn meh­re­re Be­we­gun­gen zu herr­schen trach­ten und man als »Neu­tralo« zer­rie­ben zu wer­den droh­te? Spä­te­stens dann muß man Par­tei er­grei­fen oder ei­ne ei­ge­ne bil­den, not­falls auch al­lein! Ob da nun Sinn drin lä­ge, ist dann ei­ne Fra­ge der De­fi­ni­ti­on von Sinn oder Un­sinn.

  38. #36:
    Es gibt in Pla­tons »Prot­agoras« ei­ne Sze­ne, in der So­kra­tes zu ei­nem Streit­ge­sprüch her­aus­ge­for­dert wird, bei dem das Pu­bli­kum den Rich­ter dar­über spie­len soll, wer von bei­den der bes­se­re Red­ner ist. So­kra­tes lehnt das ab und for­dert statt­des­sen sei­nen Ge­sprächs­part­ner da­zu auf, sich nur an sei­nem Ge­wis­sen (das So­kra­tes als Dai­mon be­zeich­net) zu ori­en­tie­ren. Er soll sei­ne Ar­gu­men­ta­ti­on nicht nach der Gunst des Pu­bli­kums rich­ten, son­dern der ge­mein­sa­men Sa­che im Ge­spräch un­ter­wer­fen. Ehe ich dem Ge­sprächs­part­ner Denk­faul­heit un­ter­stel­le, las­se ich mich bes­ser gar nicht erst auf ein Ge­spräch ein.

    #37 und #38:
    Das ist auch die pas­sen­de Ant­wort auf so was wie ei­ne »re­du­zier­te Ver­nunft«: Lie­ber gar nicht erst in ein Ge­spräch ein­tre­ten, als Ab­stri­che an der Ver­nunft zu ma­chen. Dann ist Schwei­gen wirk­lich bes­ser. Mit re­du­zier­ter Ver­nunft hat die­ses Schwei­gen nichts zu tun.

  39. Ja, Dis­kur­se fin­den (zu­min­dest teil­wei­se) nicht (mehr) statt, das The­ma Ret­tungs­schirm ist ein gu­tes Bei­spiel und ir­gend­wann stößt man an Gren­zen, das war bei den Ver­fas­sungs­dis­kus­sio­nen ähn­lich; man muss dann für ei­ne Lek­tü­re der Ori­gi­nal­tex­te ei­gent­lich Ju­rist sein, oder Öko­nom, usf. — Oh­ne »Über­set­zer« de­nen man ver­trau­en kann, die al­so Sach­lich­keit ge­wäh­ren, ist das nicht zu stem­men, die Re­sul­ta­te sind, wie schon ge­sagt wur­de, »al­ter­na­tiv­los« und wer­den durch die Par­la­men­te ge­wun­ken.

    An­de­rer­seits kann ich nicht sa­gen, dass das bei al­len The­men so ist: Über die Ukrai­ne­kri­se dis­ku­tie­ren sehr vie­le; bei uns über die Hy­po (ein durch­aus kom­ple­xes The­ma), über die Steu­er­re­form, über das Amts­ge­heim­nis, al­so mehr Trans­pa­renz, usw.

    Im Fall von Pe­gi­da se­he ich et­was an­de­res, ei­nen fun­da­men­ta­le­ren und nicht the­men­be­zo­ge­nen Aus­stieg aus dem Dis­kurs (Pe­gi­da will nicht, weil sie man sich be­lo­gen und ge­täuscht fühlt und die Geg­ner ver­wei­gern ihn, zu­min­dest in Tei­len, aus mo­ra­li­schen Grün­den, qua­si: Mit euch nicht, ihr tre­tet für die fal­sche po­li­ti­sche Po­si­ti­on ein!).

    Dis­kurs ist ein hoch­tra­ben­des Wort, viel­leicht soll­te man Dis­kus­sio­nen sa­gen, Streit­ge­spräch, was auch im­mer, ich den­ke da­bei (rea­li­ter) an die ge­sam­te Band­brei­te po­li­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zung, nichts aka­de­mi­sches je­den­falls. — Es stimmt si­cher­lich, dass es ei­ne Art un­aus­ge­spro­che­nen »Kon­sens« gibt und man sich bei be­stimm­ten The­men au­to­ma­tisch in ei­ne Au­ßen­sei­ter­po­si­ti­on be­gibt (man kann das Kon­for­mi­tät nen­nen). Das ist mit po­li­ti­schen Po­si­tio­nen ähn­lich: Kaum ei­ner wird sich in ei­ner Run­de als rechts be­zeich­nen, weil das dis­kre­di­tiert ist und die Vo­ka­bel rechts, rechts­extrem, na­tio­nal, fa­schi­stisch und na­zi­stisch im­mer mehr ver­schwim­men. Es ent­ste­hen dann Ver­ren­kun­gen wie: Ich bin nicht rechts, aber ... Ir­gend­wo ist das idio­tisch, weil je­der ja (ins­ge­heim) trotz­dem bei sei­nen An­sich­ten bleibt. Mir ist lie­ber, dass man of­fen sagt was man denkt, man kann dann dis­ku­tie­ren oder auf­ste­hen und ge­hen.

    »Ich ge­he im­mer, egal mit wem ich spre­che, vom ehr­li­chen Wil­len mei­nes Ge­sprächs­part­ners aus, ei­ne ge­mein­sa­me Klä­rung an­zu­stre­ben.« Ich tue das auch und ich hal­te das für sehr wich­tig.

    Zum Ad­vo­ca­tus Dia­bo­li: Ich wür­de das, was Gre­gor be­schreibt, ein­fach Kri­tik und Prü­fung von Ar­gu­men­ten und Po­si­tio­nen nen­nen (ja: Faul­heit, Be­quem­lich­keit oder Ge­müt­lich­keit).

    @die kal­te So­phie
    Ver­nunft­ver­wei­ge­rung oder ‑ver­zicht aus Grün­den der Ver­nunft?

  40. @Detlef Zöll­ner
    Na­ja, un­an­ge­nehm kann man schon mal sein und nach­boh­ren, wenn ge­ra­de ein paar Phra­sen fal­len ... das ge­hört ja zum auf­klä­re­ri­schen Ge­dan­ken.

  41. @ 38 & 40 Ver­nunft­ver­zicht oder Ver­wei­ge­rung aus Ver­nunft, das trifft bei­des nicht ganz mei­ne Idee. Eher noch Ver­wei­ge­rung. Aber ich nei­ge zu der An­sicht, dass ei­ne gründ­li­che Ana­ly­se der po­li­ti­schen Si­tua­ti­on die Ent­fal­tung von »Ver­nunft« im po­li­ti­schen Han­deln nicht wirk­lich er­laubt. Die an­ge­stamm­ten Fel­der der Ver­nunft sind die Wis­sen­schaft, das Recht und die Pra­xis des täg­li­chen Le­bens, die Po­li­tik kommt erst mit He­gel da­zu, und seit­dem gibt es auch Kon­tro­ver­sen. Kant hat sich über­haupt nicht für Po­li­tik in­ter­es­siert. Es gibt kein Muss für Po­li­tik, und es gibt kei­ne mo­sai­sche Ga­ran­tie da­für, dass Po­li­tik über­haupt ver­nünf­tig sein kann. Es könn­te sich um ein Hy­brid, ei­ne Qua­si­na­tur han­deln.

  42. @ 38 & 40 Ver­nunft­ver­zicht oder Ver­wei­ge­rung aus Ver­nunft, das trifft bei­des nicht ganz mei­ne Idee. Eher noch Ver­wei­ge­rung. Aber ich nei­ge zu der An­sicht, dass ei­ne gründ­li­che Ana­ly­se der po­li­ti­schen Si­tua­ti­on die Ent­fal­tung von »Ver­nunft« im po­li­ti­schen Han­deln nicht wirk­lich er­laubt. Die an­ge­stamm­ten Fel­der der Ver­nunft sind die Wis­sen­schaft, das Recht und die Pra­xis des täg­li­chen Le­bens, die Po­li­tik kommt erst mit He­gel da­zu, und seit­dem gibt es auch Kon­tro­ver­sen. Kant hat sich über­haupt nicht für Po­li­tik in­ter­es­siert. Es gibt kein Muss für Po­li­tik, und es gibt kei­ne mo­sai­sche Ga­ran­tie da­für, dass Po­li­tik über­haupt ver­nünf­tig sein kann. Es könn­te sich um ein Hy­brid, ei­ne Qua­si­na­tur

  43. @ 42 Seit wann hat sich denn Kant nicht für Po­li­tik in­ter­es­siert. Sei­ne phi­lo­so­phi­sche Ab­hand­lung »Zum ewi­gen Frie­den« dürf­te ja wohl durch­aus Maß­stä­be ge­setzt ha­ben und ist auch heu­te noch ab­so­lut dis­ku­ta­bel.
    http://www.zeno.org/Philosophie/M/Kant,+Immanuel/Zum+ewigen+Frieden.+Ein+philosophischer+Entwurf?hl=zum+ewigen+frieden

    Was die Fra­ge an­geht, ob Po­li­tik ver­nünf­tig sein kön­ne oder gar müs­se, kä­me es mir schon sehr dar­auf an, wie Po­li­tik de­fi­niert wird. Ich für mei­nen Teil se­he all das als Po­li­tik an, was auf das Ge­mein­we­sen zu wir­ken Po­ten­ti­al hat, bzw. tat­säch­lich auf es ein­wirkt. Da es nun zum Bei­spiel für die mei­sten Men­schen sehr ver­nünf­tig ist, die Be­völ­ke­rung mit al­lem Not­wen­di­gen zu ver­sor­gen und Ge­walt und Un­frei­heit zu ver­hin­dern, und was der Din­ge noch mehr sind, liegt die Ver­nunft dem po­li­ti­schen Han­deln ab­so­lut zu­grun­de und ist ihr al­so im­ma­nent. Daß es in der Pra­xis zu un­ver­nünf­ti­gem Han­deln kommt, will ich na­tür­lich nicht be­strei­ten.

  44. So­fern »phi­lo­so­phi­sche Ent­wür­fe« im zar­ten Al­ter von 70 Jah­ren noch als bren­nen­des po­li­ti­sches In­ter­es­se aus­ge­legt wer­den kön­nen...
    Es han­delt sich um ei­ne vor-de­mo­kra­ti­sche Ab­hand­lung, nach un­se­ren Maß­stä­ben. Kant ta­xiert die Mög­lich­keit ei­nes »in­ter­na­tio­na­len Frie­dens­zu­stand« zwi­schen re­prä­sen­ta­ti­ven qua­si-mon­ar­chi­schen Re­pu­bli­ken, die rechts­staat­lich ver­fasst sind. Da kom­men heu­ti­ge Pro­blem­stel­lun­gen gar nicht vor.

  45. @ 46, 47 Ich er­ach­te je­de grund­sätz­lich dis­ku­ta­ble Aus­sa­ge als re­le­vant, ganz gleich, ob sie von He­ra­klit kommt oder von By­ung-Chul Han oder von Ih­nen oder mir, so lan­ge sie der The­ma­tik ei­nen Ge­dan­ken oder ei­ne Sicht­wei­se hin­zu­zu­fü­gen ver­mag. Schließ­lich geht es im­mer um Men­schen­ge­mach­tes. Das Zeit­ver­haf­te­te soll­te na­tür­lich weg­ge­schnit­ten wer­den, um zu se­hen, was üb­rig bleibt.

  46. Na­ja, da ist zum Bei­spiel der Satz »Die bür­ger­li­che Ver­fas­sung in je­dem Staa­te soll re­pu­bli­ka­nisch sein« (»Er­ster De­fi­ni­tiv­ar­ti­kel«), der zu Zei­ten Kants ziem­lich exo­tisch ge­klun­gen ha­ben muss, zu­mal er mit den preu­ßi­schen Zen­sur­edik­ten (1788) zu kämp­fen hat­te (das eher li­be­ra­le Preu­ßen [für da­ma­li­ge Ver­hält­nis­se] en­de­te 1786 mit dem Tod Fried­rich II). Die Ein­schrän­kung, dass mit »re­pu­bli­ka­nisch« nicht »de­mo­kra­tisch« ge­meint ist, ist wohl die­sen Zeit­läuf­ten ge­schul­det. Sein Be­griff des »re­pu­bli­ka­ni­schen« be­ruht auf dem, was man Ge­wal­ten­tren­nung nennt: »Der Re­pu­bli­ka­nism ist das Staats­prin­zip der Ab­son­de­rung der aus­füh­ren­den Ge­walt (der Re­gie­rung) von der ge­setz­ge­ben­den.« Na­tür­lich kann Kant hier nicht aus sei­ner Haut und dockt an sei­ne phi­lo­so­phi­schen Schrif­ten an.

    Ob er beim Ver­fas­sen des Tex­tes 70, 43 oder 17 war, spielt für mich kei­ne Rol­le. Kant in­ter­es­sier­te sich wohl eher nicht für das, was wir heu­te Ta­ges­po­li­tik nen­nen, son­dern ent­wickel­te in die­ser Schrift ei­ne Art uto­pisch-stra­te­gi­sche Vi­si­on. Der Fö­de­ra­lis­mus frei­er Staa­ten, auf dem Kants Kon­strukt be­ruht, ist nicht des­we­gen ge­schei­tert, weil die UN lau­fend ver­sagt.

  47. @metepsilonema
    Ich glau­be, dass man Dis­kurs und Dis­kus­si­on (bzw. De­bat­te) ver­su­chen soll­te, zu tren­nen. Ein Dis­kurs ist lö­sungs­ori­en­tiert; am En­de steht ein Er­geb­nis, ein po­li­ti­sches, öko­no­mi­sches oder ge­sell­schaft­li­ches Pro­blem wird ent­schie­den. Das Ide­al ist, dass der Dis­kurs er­geb­nis­of­fen ist. Da­bei ist ab­zu­se­hen, dass sich nie ei­ne Par­tei al­lei­ne »durch­set­zen« kann. Im Dis­kurs wird ein Kon­sens er­mit­telt (wo­bei ein Kon­sens mehr ist als ein Kom­pro­miß, der bei­de Sei­ten un­zu­frie­den zu­rück­lässt). Ei­ne Dis­kus­si­on ist un­ter Um­stän­den ei­ne Vor­stu­fe zum Dis­kurs, hier wer­den Ar­gu­men­te aus­ge­tauscht. Dis­kus­sio­nen kön­nen ei­nen Dis­kurs an­sto­ßen und/oder be­fruch­ten. – Hier ist ei­ne ganz net­te Über­sicht da­zu.

  48. Ich plä­die­re eben­falls da­für, Kant’s Aus­sa­gen um­fas­send zu be­grei­fen. Sie ha­ben nicht den Schwie­rig­keits­grad resp.Verdunklungsgrad spät­mo­der­ner Schrif­ten, und kön­nen recht gut ver­stan­den wer­den.
    Das al­ler­dings führt uns di­rekt ins Zen­trum ei­ner höchst ein­fäl­ti­gen Staats­theo­rie, wo fast in je­dem Ab­satz ein »agent coll­ec­tif« be­müht wird, der ge­nau das sagt, be­her­zigt oder be­stä­tigt, was Kant im Sinn hat. Das ist phi­lo­so­phi­sches Bauch­red­ner-Thea­ter.
    Es ist doch ge­nau das Feh­len, die ab­so­lut vor­her­seh­ba­re und doch ir­gend­wie be­stür­zen­de Ab­we­sen­heit ei­nes im­ma­nen­ten kol­lek­ti­ven Sub­jekts, des be­rühm­ten gei­ster­haf­ten WIRs, –das uns heu­te so sehr be­schäf­tigt.

  49. »Für das dis­kur­si­ve Re­gel­werk selbst, ist die Er­kenn­bar­keit der Welt nicht von Nö­ten, für sei­ne Sinn­haf­tig­keit ist sie aber Vor­aus­set­zung (an­dern­falls un­ter­hiel­ten wir uns über Ein­bil­dun­gen, Hirn­ge­spin­ste und Täu­schun­gen).«

    Po­li­tik: Der Ver­such, et­was zu »re­geln«, was nicht ge­re­gelt wer­den kann, so­lan­ge es sich durch das vom Ka­pi­ta­lis­mus be­frei­te Spiel der Markt­kräf­te nicht selbst re­gelt.

    Mit an­de­ren Wor­ten: In der gan­zen po­li­ti­schen Sei­fen­oper un­ter­hält man sich seit je­her und aus­schließ­lich über Ein­bil­dun­gen, Hirn­ge­spin­ste und Täu­schun­gen.

    Die Er­kenn­bar­keit der Welt setzt die Über­win­dung der Re­li­gi­on, den ele­men­ta­ren Er­kennt­nis­pro­zess der Auf­er­ste­hung, vor­aus:

    http://www.juengstes-gericht.net