1000. Tat­ort

Heu­te wird in der ARD der 1000. Tat­ort aus­ge­strahlt und der Hype ist dem­entspre­chend. Die Wie­der­ho­lungs­ge­wit­ter in den di­ver­sen ARD-Sen­dern neh­men noch ein­mal grö­sse­re Di­men­sio­nen an. Im Ni­schen­ka­nal »One« (viel­leicht hat man bei der Na­mens­ge­bung das »h« ver­ges­sen – für »ohne« Zu­schau­er?) ka­men gleich meh­re­re hin­ter­ein­an­der. Beim An­se­hen wird deut­lich, dass die ein­zel­nen Tat­ort-Fol­gen längst auch Epo­chen- und Zeit­spie­gel ge­wor­den sind. Ei­ne Er­kennt­nis, die fast schon ba­nal ist. Die ARD re­agier­te 1970 mit der Rei­he auf die Rein­ecker-Kri­mis (»Der Kom­mis­sar« und, ab 1974, »Der­rick«) im ZDF, die frei­tags, pünkt­lich zu Be­ginn des Wo­chen­en­des, um 20.15 Uhr aus­ge­strahlt wur­den. Tat­ort-Kri­mis lie­fen jetzt am En­de, sonn­tags um 20.15 Uhr (zu­nächst noch eher un­re­gel­mä­ßig). So­zu­sa­gen zum Aus­klang.

Die Rei­he soll­te die Re­gio­na­li­sie­rung der ARD ab­bil­den. Die Kom­mis­sa­re wech­sel­ten mit dem Ort, wo­bei auch die ver­meint­li­che Pro­vinz ge­le­gent­lich zum Zu­ge kam. Lo­kal­ko­lo­rit war Trumpf (das ni­vel­liert sich seit Jah­ren; die Schau­plät­ze sind bis auf Dia­lekt­fär­bun­gen und Ac­ces­soires aus­tausch­bar ge­wor­den). Sehr früh wur­den die Kom­mis­sa­re zu »Ty­pen« (heu­te wür­de man »Mar­ken« sa­gen). Sie be­ka­men Ecken und Kan­ten; es men­schel­te. Spä­te­stens mit Rü­pel-Schi­man­ski wur­de man auch über das meist de­sa­strö­se Pri­vat­le­ben der Er­mitt­ler und ih­ren ste­ti­gen Kampf für das Gu­te mit den Vor­ge­setz­ten kon­fron­tiert. Kon­zen­trier­te man sich an­fangs noch auf die Lö­sung des je­wei­li­gen Falls (wo­bei es fast im­mer Tö­tungs­de­lik­te wa­ren, die es auf­zu­klä­ren galt), gab es spä­ter auch Dreh­bü­cher, in de­nen so­zia­le und po­li­ti­sche Aspek­te the­ma­ti­siert wur­den. In­zwi­schen sind die mei­sten Tat­or­te »Whod­u­nits«, d. h. der Zu­schau­er kennt den Tä­ter nicht.

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Rü­di­ger Din­ge­mann: »Tatort«-Lexikon (E‑Book)

Rüdiger Dingemann: Tatort Lexikon (E-Book)
Rü­di­ger Din­ge­mann: Tat­ort Le­xi­kon (E‑Book)
Rü­di­ger Din­ge­mann hat sein »Tatort«-Lexikon von 2010 für die E‑­Book-Aus­ga­be er­gänzt und er­wei­tert. Es sind jetzt al­le Fol­gen bis 11. No­vem­ber 2012 er­fasst. Das sind ins­ge­samt 849 (im Print-Buch wa­ren es 765). Nicht nur je­de ein­zel­ne Fol­ge ist dort chro­no­lo­gisch mit ei­ner klei­nen In­halts­an­ga­be auf­ge­führt (der Sortierungs­schlüssel ist ein­fach: fort­lau­fen­de Fol­ge und nach dem Schräg­strich das Erst­aus­strah­lungs­jahr). Man fin­det auch An­ga­ben zur Quo­te bzw. zum Markt­an­teil, den Dreh­buch­au­tor, Re­gis­seur, die Haupt­dar­stel­ler und ei­ne kur­ze In­halts­an­ga­be.

Der Es­say aus dem Print­buch wur­de ein biss­chen ver­än­dert, klei­ne­re Kor­rek­tu­ren an­ge­bracht und die Zwi­schen­über­schrif­ten wur­den zu ei­ge­nen Ka­pi­teln. Es gibt im­mer noch ei­ne Zeit­rei­se in die »Tatort«-Geschichte mit zahl­rei­chen Ku­rio­si­tä­ten. Hervorge­gangen aus der »Stahlnetz«-Reihe, die sich, im Ge­gen­satz zu den »Tatort«-Folgen, an Ori­gi­nal­fäl­len ori­en­tier­te, soll­te ei­ne Art Ge­gen­ge­wicht zur seit 1968 im ZDF er­folg­rei­chen Kri­mi­rei­he »Der Kom­mis­sar« ge­schaf­fen wer­den. Der Ge­dan­ke, den Fö­de­ra­lis­mus an di­ver­sen Schau­plät­zen mit un­ter­schied­li­chen Er­mitt­lern zu spie­geln, er­wies sich, so Din­ge­mann, als Glücks­griff.

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So sind sie halt...

Ich ge­ste­he dass ich das sonn­täg­li­che Ri­tu­al, sich um 20.15 Uhr den ARD »Tat­ort« an­zu­se­hen im­mer mehr be­reue: Zu schlecht, zu durch­schau­bar, zu holz­schnitt­ar­tig und auch zu zeit­gei­stig ka­men in den letz­ten Mo­na­te di­ver­se Kri­mis die­ser Rei­he da­her. Die Schil­de­run­gen der pri­va­ten Pro­blem­chen und Pro­ble­me der er­mit­teln­den Kom­mis­sa­re nebst def­ti­gem Lo­kal­ko­lo­rit kom­men in­zwi­schen lei­der viel zu rou­ti­niert da­her, dass man sie län­ger als sa­gen wir ein­mal 60 Mi­nu­ten aus­hal­ten kann oh­ne in gäh­nen­de Lan­ge­wei­le aus­zu­bre­chen.

Zu­ge­ge­ben: Das war ge­stern im öster­rei­chi­schen »Tat­ort« »Kein Ent­kom­men« an­ders. Ein Stu­dent – Fah­rer ei­ner Putz­ko­lon­ne – wird an­ge­schos­sen: Die Mör­der ent­decken, dass sie den fal­schen er­wischt ha­ben und strecken ihn mit ei­nem be­dau­ern­den »Du warst zur fal­schen Zeit am fal­schen Ort« mit zwei Kopf­schüs­sen end­gül­tig nie­der. Ge­meint war ein an­de­rer: Jo­sef Mül­ler, der mit sei­ner Frau und dem 6jährigen Max zu­sam­men­lebt. Mül­ler ist krank; ei­ne Grip­pe­wel­le gras­siert wäh­rend des Films und zieht nach und nach al­le mög­li­chen Prot­ago­ni­sten her­un­ter. Die bei­den Kil­ler su­chen Mül­lers Woh­nung auf (Frau und Kind sind beim Arzt), der knapp ent­kommt und mit nack­tem Ober­kör­per durch Wien bis zu den Ge­päck­schließ­fä­chern am Haupt­bahn­hof irrt. Neu ein­ge­klei­det mel­det er sich bei der Po­li­zei. Mo­ritz Eis­ner (Ha­rald Krass­nit­zer) und Bi­bi Fell­ner (Ade­le Neu­hau­ser) be­stau­nen den Mann, der na­tür­lich nicht Jo­sef Mül­ler heisst son­dern Gra­dić und im ju­go­sla­wi­schen Bür­ger­krieg auf sei­ten der Ser­ben Kriegs­ver­bre­chen in ei­ner paramili­tärischen Or­ga­ni­sa­ti­on be­gan­gen hat. Mül­ler ge­steht al­les und legt das auf den Tisch, was die Mör­der ha­ben wol­len: Sein Büch­lein, in dem er fein säu­ber­lich sei­ne und die Ta­ten sei­ner Ka­me­ra­den auf­ge­führt hat.

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