War­um nicht?

Gro­ße Auf­re­gung in der Fuß­ball­welt: Das Bun­des­land Bre­men möch­te bei so­ge­nann­ten »Ri­si­ko­spie­len« die Ko­sten für Po­li­zei­ein­sät­ze den Bun­des­li­ga­clubs in Rech­nung stel­len. All­über­all wohl­fei­le Em­pö­rung, vor al­lem na­tür­lich bei der DFL und des­sen Chef Rein­hard Rau­ball. Den Hin­weis auf die Mil­lio­nen­ge­häl­ter und Ab­lö­se­sum­men, die Ver­ei­ne be­zah­len, wer­den pau­schal als »Po­le­mik« ab­ge­tan. »Dar­um geht es nicht«, sag­te Rau­ball in der NRZ.

Was aber, wenn es ge­nau dar­um geht? Seit Jah­ren lau­fen die In­itia­ti­ven von Ver­ei­nen und dem DFB mehr oder we­ni­ger ins Lee­re, wenn es um so­ge­nann­te »Fan­pro­jek­te« geht, die die aus­ufern­de Ge­walt vor, wäh­rend und nach Spie­len – mei­stens so­ge­nann­ten »Der­bys« – in so­zi­al­de­mo­kra­ti­scher Ma­nier prä­ven­tiv be­kämp­fen sol­len. Das kann man be­kla­gen und dann zur Ta­ges­ord­nung über­ge­hen. Oder man kann Maß­nah­men er­grei­fen, die den Ver­ei­nen mehr ab­ver­langt, als ein paar tau­send Eu­ro zur Ge­wis­sens­be­ru­hi­gung ab­zu­zwacken und an­son­sten busi­ness as usu­al zu be­trei­ben.

Die Bre­mer In­itia­ti­ve führt zu ei­ner Wie­der­be­le­gung alt be­kann­ter Ste­reo­ty­pen. Et­wa wenn es im­mer wie­der heißt, die Ran­da­lie­rer sei­en kei­ne Fuß­ball­fans und das al­les hät­te mit Fuß­ball nichts zu tun. Mit was hat es denn dann zu tun? Mit Hal­len­hand­ball? Das ist un­ge­fähr so, als be­haup­te man, dass die rund 3000 Ver­kehrs­to­ten im Jahr auf deut­schen Stra­ßen nichts mit dem Au­to­fah­ren zu tun ha­ben. Ach ja, das ist ja auch so ein The­ma: Ge­schwin­dig­keits­be­gren­zung. Aber ich schwei­fe ab.

Wenn ich auf dem Weg zum Sta­di­on ei­ne Faust ins Ge­sicht be­kom­me, ist es mir zu­nächst ein­mal egal, ob der- bzw. die­je­ni­ge »Fan« im Sin­ne des DFB, der ARD oder der DFL ist oder ein­fach nur ein Voll­trot­tel. Mit der Pa­ro­le »Das hat mit Fuß­ball nichts zu tun« macht man sich nicht nur ei­nen schlan­ken Fuß, son­dern ver­la­gert die Pro­ble­ma­tik groß­zü­gig auf die All­ge­mein­heit. Die Ge­sell­schaft ist dann schuld und viel­leicht auch noch das Zei­gen ei­ner ir­gend­wie nicht »rich­ti­gen« Fah­ne. Als sei­en die Fuß­ball­fans kei­ne Men­schen, son­dern in Reiz-Re­ak­ti­ons­sche­ma­ta Ge­fan­ge­ne.

Ich ha­be bis 1994 jahr­zehn­te­lang auf ei­ner Stra­ße in Mön­chen­glad­bach ge­wohnt, die ex­akt auf der Mit­te zwi­schen Haupt­bahn­hof und dem Bö­kel­berg-Sta­di­on lag. Mit der Zeit wuss­te man ge­nau, wann man sams­tags ab ca. 13 Uhr bes­ser nicht mehr aus dem Haus ging. (Von den Er­eig­nis­sen bei den Teil­nah­men Mön­chen­glad­bachs an eu­ro­päi­schen Wett­be­wer­ben lie­ber kein Wort.) Da wa­ren ei­ner­seits die Lo­kal­ri­va­len (Düs­sel­dorf, Köln, Duis­burg, auch Dort­mund), an­de­rer­seits die Ta­bel­len­ri­va­len (aus den Hoch­zei­ten noch re­sul­tie­rend der HSV und vor al­lem Bay­ern Mün­chen, spä­ter auch an­de­re). Und da gab es dann an­de­re Be­geg­nun­gen, bei­spiels­wei­se mit Frei­bur­gern oder den Fans vom Karls­ru­he SC (da­mals mit Win­ni Schä­fer als Trai­ner). Da konn­te man be­ru­higt im Im­biß ei­ne Brat­wurst es­sen ge­hen.

Es war al­so nicht im­mer Aus­nah­me­zu­stand. Aber eben manch­mal. Dann gab es vom Bahn­hof bis zum Sta­di­on ein ki­lo­me­ter­lan­ges Spa­lier, mit Ein­satz­kräf­ten aus der gan­zen Re­gi­on. We­he, man hat­te dann ein Pro­blem, das mit der Po­li­zei ge­löst wer­den soll­te. Da ging schon da­mals nichts mehr.

Die me­dia­le Emo­tio­na­li­sie­rung hat seit­dem nicht nach­ge­las­sen, um es freund­lich zu for­mu­lie­ren. Wo­chen­lang vor­her wer­den die Der­bys schon an­ge­kün­digt, die Spie­ler lau­fend da­nach be­fragt, die Stim­mung auf­ge­heizt und da­mit eben auch ein Ag­gres­si­ons­raum er­zeugt, der sich dann zum Spiel bei ei­ni­gen ent­lädt. Die Lip­pen­be­kennt­nis­se der Ver­ei­ne wie auch die Aus­gren­zung und Ver­drän­gung der Ge­walt­tä­ter in den Me­di­en sind bi­gott. Die schö­nen Spots mit Pro­mis er­zeu­gen bei de­nen, die es an­ge­hen müss­te, nur Lach­krämp­fe. Es ist so ein­fach, sich aus der Ver­ant­wor­tung zu steh­len, wenn man nicht di­rekt be­trof­fen ist. Herr Rau­ball wohnt be­stimmt nicht an Fan­schnei­sen und be­nutzt kei­nen nor­ma­len Sta­di­on­ein­gang.

War­um soll der Fuß­ball von der Ver­ur­sa­cher­re­ge­lung aus­ge­nom­men wer­den?1 Na­tür­lich le­ben Mil­lio­nen Men­schen di­rekt oder in­di­rekt vom Fuß­ball. Das soll auch wei­ter so blei­ben. Aber das recht­fer­tigt nicht, dass die Ko­sten für die im­mer auf­wen­di­ger wer­den­den Po­li­zei­ein­sät­ze bei der All­ge­mein­heit ver­blei­ben, wäh­rend Spie­ler, Ver­ei­ne, DFL und DFB Mil­lio­nen kas­sie­ren und sich in Wirk­lich­keit ei­nen Dreck dar­um sche­ren. Das ist kein Neid und kei­ne Po­le­mik, son­dern Rea­li­tät.

Rau­ball möch­te die Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit des Bre­mer Ent­wurfs über­prü­fen las­sen. Ich bin sehr da­für, dass man dies macht. Die an­de­ren Bun­des­län­der win­ken ab; sie wol­len sich nicht un­nö­tig un­be­liebt ma­chen. Wenn es zur Ver­fas­sungs­kla­ge kom­men soll­te und der Bre­mer Weg in Ord­nung durch­ge­wun­ken wür­de, wür­den al­le so­fort nach­zie­hen. Dar­auf ein Sky-Abo.

Und da­bei ver­liert man noch kein Wort über die an­de­ren Aus­wüch­se, die die­sen Sport wirk­lich exi­sten­ti­ell be­dro­hen…


  1. Wie ich übrigens auch dafür bin, dass bei notorisch schwierigen Musikkonzerten ebenfalls die Kosten an die Veranstalter umzulegen, falls diese überproportional hoch bzw. aufwendig sind.