Mi­cha­el Götschen­berg: Der bö­se Wulff?

michael-goetschenberg-der-boese-wulffVor ei­nem Jahr trat Chri­sti­an Wulff vom Amt des Bundes­präsidenten zu­rück. Über mehr als zwei Mo­na­te pras­sel­te da­mals das me­dia­le Dau­er­feu­er auf ei­nen am­tie­ren­den Bun­des­prä­si­den­ten ein. Mi­cha­el Götschen­berg, Lei­ter des Haupt­stadt­bü­ros von RBB, MDR, Ra­dio Bre­men und des Saar­län­di­schen Rund­funks, be­müht sich in sei­nem Buch »Der bö­se Wulff?« aber nicht nur um die Auf­ar­bei­tung der di­ver­sen Wulff-Af­fä­ren (die ge­le­gent­lich auch nur lä­cher­li­che Af­fär­chen wa­ren), son­dern un­ter­sucht die Um­stän­de vor bzw. bei der Wahl Wulffs und gibt ei­nen Über­blick über die 598 Ta­ge der Prä­si­dent­schaft. Da­bei zieht er was die Amts­zeit an­geht ein über­aus po­si­ti­ves Fa­zit und mag so gar nicht in die ne­ga­ti­ven Stim­men der Jour­na­li­stik ein­stim­men, die, wie man heu­te nach­le­sen kann und Götschen­berg auch zeigt, durch die Dy­na­mik der Um­stän­de ein­ge­färbt wa­ren (und im­mer noch sind).

Des Au­tors po­si­ti­ves Fa­zit speist sich von zwei Sei­ten. Zum ei­nen hebt er die Er­klä­run­gen Wulffs zu »Bun­ten Re­pu­blik Deutsch­land« her­aus. Schon als Mi­ni­ster­prä­si­dent ha­be er mit der No­mi­nie­rung von Ay­gül Öz­kan zur nie­der­säch­si­schen Mi­ni­ste­rin für So­zia­les, Frau­en, Fa­mi­lie, Ge­sund­heit und In­te­gra­ti­on ein Si­gnal ge­setzt, dass sich schließ­lich in der kontro­vers dis­ku­tier­ten Re­de zum 3. Ok­to­ber 2010 ge­zeigt ha­be. Götschen­berg zeich­net die­ses Kon­ti­nu­um in Wulffs Ge­sell­schafts­ver­ständ­nis­ses glaub­haft nach. Er be­rich­tet vom auch pri­vat freund­schaft­li­chen Ver­hält­nis zum tür­ki­schen Prä­si­den­ten Gül. Wulff gilt heu­te noch bei Mi­gran­ten in Deutsch­land als »ihr« Prä­si­dent. Da­mit be­weg­te sich Wulff je­doch eher im »rot-grü­nen« als im »schwarz-gel­ben« La­ger. Am En­de wur­de so­gar die Be­geg­nung mit den An­ge­hö­ri­gen der NSU-Op­fer vor­ge­zo­gen, um, so Götschen­berg, even­tu­el­len Tur­bu­len­zen aus­zu­wei­chen. Par­al­lel zur In­te­gra­ti­on der in Deutsch­land le­ben­den Mus­li­me hat­te Wulff mit dem Be­fund, dass Ju­den­tum ge­hö­re »zwei­fels­frei« zu Deutsch­land ei­ne ähn­lich po­si­ti­ve Re­so­nanz beim Zen­tral­rat der Ju­den her­vor­ge­ru­fen. Im No­vem­ber 2010 rei­ste Wulff mit sei­ner da­mals 17jährigen Toch­ter An­na­le­na nach Is­ra­el, we­ni­ge Mo­na­te spä­ter be­such­te er Ausch­witz. Ein Jahr da­nach er­hielt Wulff den »Leo-Baeck-Preis«, ei­ne Aus­zeich­nung für Men­schen, die sich in »her­aus­ra­gen­der Wei­se für die jü­di­sche Ge­mein­schaft ein­ge­setzt ha­ben«. Wulff soll er­staunt ge­we­sen sein, er ha­be doch noch »gar nichts ge­lei­stet«, so kol­por­tiert Götschen­berg aus dem Um­feld des­sen er­ste Re­ak­ti­on.

Gleich­zei­tig ver­gibt er Wulff (und sei­ner Frau) be­ste No­ten, was die Au­ßen­dar­stel­lung auf Rei­sen an­geht. Wulff ha­be nie ein Mi­ni­mal­pro­gramm ab­sol­viert, ha­be im­mer auch »unbe­queme« Ter­mi­ne wahr­ge­nom­men. Da­bei ha­be er so­wohl pro­to­kol­la­risch als auch mensch­lich über­zeugt. Mehr­mals kommt er auf das gu­te Ver­hält­nis zur Tür­kei und Is­ra­el zu spre­chen, be­tont Wulffs Fein­ge­fühl. Dass er in der Tür­kei dann auch glei­che Rech­te für die Chri­sten ein­ge­for­dert ha­be, be­merkt Götschen­berg po­si­tiv – nach der Re­de vom 3. Ok­to­ber ha­be das je­der ver­stan­den.

Erst im drit­ten Wahl­gang

Die Lö­wen­gru­ben für Wulff lau­er­ten in Deutsch­land. Schon die Fin­dung des Kan­di­da­ten nach dem über­ra­schen­den Rück­tritt Horst Köh­lers zeigt sich im Nach­hin­ein als schlech­tes Omen. Götschen­berg er­zählt den Hin­ter­grund, wie SPD und Grü­ne sehr schnell auf Gauck ka­men und wie Mer­kel da­mit über­rum­pelt wur­de. Er zeigt, wie bei­de Sei­ten die Fin­dung des Kan­di­da­ten als par­tei­po­li­ti­sches Spiel auf­zäum­ten. Die Re­gie­rungs­ko­ali­ti­on war im Früh­som­mer 2010 im Stim­mungs­tief; die FDP sor­tier­te sich ge­ra­de neu. Der Rück­tritt Köh­lers galt all­ge­mein als Nie­der­la­ge für Mer­kel. Die SPD glaub­te, mit ei­nem über­parteilichen Kan­di­da­ten punk­ten zu kön­nen. Aber Mer­kel hat­te längst Kon­tak­te zu Chri­sti­an Wulff ge­knüpft. Wäh­rend­des­sen glaub­te die Öf­fent­lich­keit, Frau von der Ley­en sei ei­ne hei­ße An­wär­te­rin. Tat­säch­lich war sie, wie Götschen­berg her­aus­ge­fun­den hat, nie­mals ernst­haft im Ge­spräch. Als Wulff dann durch die Kanz­le­rin zum Kan­di­da­ten er­nannt wur­de (die FDP schloss sich oh­ne Dis­kus­si­on Mer­kels Vor­schlag an) nutz­te die SPD die po­si­ti­ve Stim­mung für den ehe­ma­li­gen Bür­ger­recht­ler Joa­chim Gauck aus, um Wulff als farb­lo­sen Be­rufs­po­li­ti­ker dar­zu­stel­len, der von Mer­kels Gna­den zum Bundes­präsidenten weg­ge­lobt wer­den soll. Die drei Wahl­gän­ge am 30.6.2010 – und das trotz Mehr­heit in der Bun­des­ver­samm­lung – hat­ten Wulff, so sug­ge­riert Götschen­berg, zu­sätz­lich ei­nen Dämp­fer ge­ge­ben, zu­mal dies als Denk­zet­tel für die Kanz­le­rin in­ter­pre­tiert wur­de. In­ter­es­sant am Ran­de: Die Me­di­en neh­men nach dem drit­ten Wahl­gang nur zur Kennt­nis, dass Wulff ge­wählt war (es reich­te die ein­fa­che Mehr­heit) – das er die ab­so­lu­te Mehr­heit er­reich­te, hör­te man kaum.

Götschen­berg mut­maßt, dass die­se Dis­kus­sio­nen an Wulff nicht spur­los vor­über­ge­gan­gen wa­ren. Er at­te­stiert ihm als Mi­ni­ster­prä­si­dent ei­ne gu­te Ar­beit und zi­tiert hier­für ei­ni­ge Um­fra­gen. Die­se »Um­fra­ge­ri­stis« ist ei­ne Schwä­che des Bu­ches. Bei al­len mög­li­chen Ge­le­gen­hei­ten streut Götschen­berg Er­geb­nis­se von Um­fra­gen ein, um sei­ne The­sen zu be­le­gen. Das führt ge­le­gent­lich da­zu, dass sich Stim­mungs­bil­der so­gar wi­der­spre­chen, was er dann je­doch im Stil der so­ge­nann­ten Um­fra­ge­ex­per­ten auch noch er­klärt. Tat­säch­lich kann man hier­aus ma­xi­mal sehr kurz­fri­ste Stim­mungs­trends ab­le­sen, die aber mit ho­hen Feh­ler­quo­ten be­la­stet sind. Hin­zu kom­men die Fein­hei­ten der zum Teil ten­den­ziö­sen Fra­ge­stel­lun­gen, die ge­eig­net sind, »ge­wünsch­te« Re­sul­ta­te zu er­rei­chen. Die Ver­mu­tung, dass die Be­völ­ke­rung trotz des me­dia­len Ge­gen­winds auch noch im Ja­nu­ar 2012 be­reit ge­we­sen wä­re Wulff ei­ne »zwei­te Chan­ce« zu ge­ben führ­te wohl zur aber­ma­li­gen jour­na­li­sti­schen Auf­rü­stung, die sich dann zum Teil an lä­cher­li­chen schein­ba­ren »Vor­teils­nah­men« ab­ar­bei­te­te.

Schwe­rer Start

Aus­gie­big wird ge­schil­dert wie schwer Wulff ins Amt hin­ein­fand. Dass er dies spä­ter auf ei­ne feh­len­de »Ka­renz­zeit« zu­rück­führ­te, ver­steht Götschen­berg, ist aber Jour­na­list ge­nug um zu ana­ly­sie­ren, dass dies ei­ne un­gün­sti­ge For­mu­lie­rung Wulffs ge­we­sen war, ob­wohl die Tat­sa­che an sich zu­traf. Als Wulff in zwei in­nen­po­li­ti­schen Per­so­nal­fra­gen durch­aus mar­kant po­si­tio­nier­te (soll der Duis­bur­ger Ober­bür­ger­mei­ster Sau­er­land nach der Love-Pa­ra­de-Ka­ta­stro­phe zu­rück­tre­ten und ist Thi­lo Sar­ra­zin als Bun­des­bank­mit­glied nach sei­nem Buch »Deutsch­land schafft sich ab« noch trag­bar) und da­für von den Par­tei­en mehr oder we­ni­ger sanft in die Schran­ken ge­wie­sen wur­de, stieg die Ver­un­si­che­rung Wulffs wei­ter an. Die 100 Ta­ge-Schon­frist galt für ihn nicht. Sehr früh be­gann man zu fra­gen, wo denn die Stel­lung­nah­men des Bun­des­prä­si­den­ten zu den drän­gen­den Fra­gen der Zeit (Eu­ro­kri­se, In­te­gra­ti­on) blie­ben. Da kam der 3. Ok­to­ber, der Tag der Deut­schen Ein­heit, ge­ra­de Recht. Es soll­te Wulffs be­rühm­te­ste Re­de wer­den. We­gen des Sat­zes, dass »auch der Is­lam in­zwi­schen zu Deutsch­land« ge­hört, gab es mas­si­ve Kri­tik.

Er­staun­lich Götschen­bergs In­ter­pre­ta­ti­on, die »Un­schär­fe der For­mu­lie­rung« als »Pro­vo­ka­ti­on durch die Zu­spit­zung« sei »durch­aus kal­ku­liert« ge­we­sen, weil Wulff ei­ne Dis­kus­si­on ha­be an­sto­ßen wol­len. Da­bei be­zieht sich Götschen­berg wie so oft in die­sem Buch auf ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­ter, die je­doch – wie er zu Be­ginn er­läu­tert – al­le­samt an­onym blei­ben woll­ten. Die Dis­kus­si­on um die Re­de, die sich im we­sent­li­chen um ei­nen Satz dreh­te, wird nur in Be­zug auf die kri­ti­schen Stim­men in CDU/CSU an­ge­ris­sen (die der Au­tor – über­ra­schend oder po­le­misch? – die »ei­ge­ne po­li­ti­sche Fa­mi­lie« nennt). Die auch statt­ge­fun­de­ne Dis­kus­si­on jen­seits von Par­tei­gren­zen er­wähnt er nicht mit ei­nem Wort.

Da­nach »ver­liert sich [Chri­sti­an Wulff]…im All­tags­ge­schäft der Pflicht und ver­nach­läs­sigt die Kür«. Er ha­ste­te zwar im­mer noch von Ter­min zu Ter­min, aber es wa­ren zu­meist Be­geg­nun­gen jen­seits der Wahr­neh­mungs­schwel­le über­re­gio­na­ler Me­di­en. Ent­spre­chend fie­len dann auch nach ei­ni­ger Zeit die Kom­men­ta­re aus. Ins­be­son­de­re der »Spie­gel« mach­te aus sei­ner »un­über­seh­ba­ren Ge­ring­schät­zung« für die Per­son Wulff kei­nen Hehl. Hin­zu kam, dass der Bun­des­prä­si­dent den Leit­me­di­en (in­klu­si­ve »Bild«!) kei­ne In­ter­views gab, sich schein­bar vor der Pres­se ab­zu­schot­ten schien. Götschen­berg zeigt in bei der Be­spre­chung die­ser Pha­se der Amts­zeit Wulffs auf sehr in­struk­ti­ve Wei­se die Pro­ble­ma­tik des Am­tes des Bun­des­prä­si­den­ten an sich, der ei­ner­seits Äu­ße­run­gen zu gesellschaftspoli­tischen Phä­no­me­nen und Pro­ble­men vor­neh­men soll, an­de­rer­seits je­doch in­fol­ge in­formeller Re­geln fast ge­zwun­gen ist, das po­li­ti­sche All­tags­ge­schäft nicht zu kommen­tieren oder gar Ein­fluss zu neh­men: »Grund­sätz­lich wird es für den Bun­des­prä­si­dent ge­ne­rell schwie­ri­ger, den Spa­gat zwi­schen der ge­bo­te­nen Zu­rück­hal­tung ge­gen­über der Ta­ges­po­li­tik und der For­de­rung nach mehr Ein­mi­schung zu schaf­fen.« In Zei­ten so­zia­ler Netz­wer­ke und de­ren wach­sen­der Be­deu­tung zeigt sich die­ses »Spannungs­feld« noch mar­kan­ter als vor­her. Zu­nächst scheint die­se Ar­gu­men­ta­ti­on durch­aus tref­fend. Aber es bleibt na­tür­lich schon die Fra­ge, war­um ein Bun­des­prä­si­di­al­amt bzw. des­sen PR-Ap­pa­rat (Olaf Glae­se­ker soll­te ja spä­ter zu ei­ner ge­wis­sen Be­rühmt­heit kom­men) nicht auf die Idee ge­kom­men ist, Wulffs Re­den bei­spiels­wei­se über Twit­ter und/oder Face­book zu ver­lin­ken. Statt­des­sen düm­pel­ten sie auf der of­fi­zi­el­len Web­sei­te des Bun­des­prä­si­den­ten; weit­ge­hend un­be­ach­tet. So wur­de die viel spä­ter zu ei­nem ge­wis­sen Ruhm ge­kom­me­ne Lin­dau­er Re­de zur Eu­ro­kri­se am 24.8.2011 erst post fe­stum ei­nem grö­ße­ren Kreis be­kannt. Die Par­tei­en be­eil­ten sich da­mals schnell, die »Ein­mischung« in Be­lan­ge der EZB ab­zu­leh­nen und Wulff schien durch sein Schwei­gen die­se Kri­tik an­zu­neh­men.

Wie heuch­le­risch die­se Ein­wän­de wa­ren, zeig­te sich dann im wei­te­ren Ver­lauf der Eu­ro­kri­se: in­zwi­schen ist die Au­to­no­mie der EZB nur noch ein lä­cher­li­ches Schmieren­theater. Da­bei stellt Götschen­berg klar, dass die Re­de Wulffs zwar durch­aus Angriffs­flächen bie­tet und un­zu­läs­si­ge Ver­all­ge­mei­ne­run­gen ent­hält. Auch die nach­träg­lich im In­ter­net kur­sie­ren­den Ver­schwö­rungs­theo­rien, Wulff ha­be we­gen die­ser Re­de so­zu­sa­gen zu­rück­tre­ten müs­sen, ver­weist er ins Reich der Mär­chen. Aber die viel er­war­te­te (und ge­for­der­te) Re­de zur Eu­ro­kri­se hat­te Wulff ge­hal­ten. Wulff äu­ßer­te sich – wie auch im­mer – zu ak­tu­el­len Pro­ble­men der Zeit. Aber hart­näckig bis zum Schluss konn­te sich die Mär hal­ten, Wulff ha­be »kei­ne be­deu­ten­de Re­de« (Nils Mink­mar) wäh­rend sei­ner Amts­zeit ge­hal­ten, was nicht nur ei­ner De­nun­zia­ti­on gleich­kommt son­dern auch die Vor­gän­ger Wulffs (wo­mög­lich aus Un­kennt­nis) über­mä­ßig idea­li­siert.

Me­di­en­of­fen­si­ve nach ei­nem Jahr

Nach ei­nem Jahr Prä­si­dent­schaft ent­schloss man sich zur Me­di­en­of­fen­si­ve. Chri­sti­an Wulff gab meh­re­re In­ter­views, die fast par­al­lel in den Me­di­en pu­bli­ziert wur­den. Sehr zum Är­ger von »Bild« gab es ein In­ter­view mit »Bild am Sonn­tag« – je­nem Or­gan, dass ein Jahr vor­her em­pha­tisch Par­tei für Joa­chim Gauck er­grif­fen hat­te. Be­reits ein hal­bes Jahr vor­her hat­te der »Spie­gel« »im Hin­ter­grund« be­gon­nen, den Haus­kauf Wulffs zu un­ter­su­chen. Auch »Bild« und der »Stern« re­cher­chier­ten, wo­bei man da­mals noch da­von aus­ging, Car­sten Maschmey­er sei der Fi­nan­cier ge­we­sen.

Götschen­berg wid­met die zwei­te Hälf­te sei­nes Bu­ches der Ab­läu­fe um die »Kri­se« um Chri­sti­an Wulff. Da­bei lie­fert er durch­aus neue Aspek­te, was wo­mög­lich dar­an liegt, dass er Quel­len kon­sul­tie­ren konn­te, de­nen er An­ony­mi­tät zu­si­cher­te. In­so­fern sind et­li­che der An­ga­ben nicht di­rekt über­prüf­bar; sie wer­den sich wo­mög­lich erst spä­ter als wahr oder falsch her­aus­stel­len. Den­noch sind sei­ne Er­kennt­nis­se teil­wei­se sehr in­ter­es­sant. Ei­nen Grund für die Di­stan­zie­rung von Wulff und »Bild« sieht Götschen­berg in ei­nem klei­nen De­tail. Im Sep­tem­ber 2011 woll­te der Bun­des­prä­si­dent nach Af­gha­ni­stan flie­gen und den dor­ti­gen Trup­pen ei­nen Be­such ab­stat­ten. Wie üb­lich blieb der Ter­min aus Furcht vor Ter­ror­an­schlä­gen in der Öf­fent­lich­keit ge­heim. Als dann ei­nen Tag vor­her An­schlä­ge in Ka­bul statt­fan­den, wur­de der Ter­min ab­ge­sagt. Götschen­berg: »Die Su­che nach ei­nem neu­en Ter­min dau­er­te je­doch län­ger als ge­dacht, so­dass der ‘Spie­gel’ schließ­lich doch Wind von der Ge­schich­te be­kam. Drei Wo­chen nach dem ge­platz­ten Rei­se­ter­min be­rich­te­te der ‘Spie­gel’ über die ab­ge­sag­te Af­gha­ni­st­an­rei­se«. Wie per­vers die Ka­te­go­rien im Jour­na­lis­mus in­zwi­schen ge­wor­den sind, zeigt sich dar­in, dass of­fen­sicht­lich so­gar ei­ne ab­ge­sag­te Rei­se ei­nen ge­wis­sen Nach­rich­ten­wert be­sitzt. Wei­ter wird aus­ge­führt: »Noch vor dem ‘Spie­gel’ hat­te die ‘Bild’-Zeitung von der Ge­schich­te er­fah­ren und beim Bun­des­prä­si­di­al­amt auf den Busch ge­klopft. Dort bat man ‘Bild’ nicht über die ge­plan­te Rei­se zu be­rich­ten, und bot der Zei­tung ei­nen Han­del an: Als Ge­gen­lei­stung für den Ver­zicht auf die Ge­schich­te stell­te Prä­si­den­ten­spre­cher Glae­se­ker ‘Bild’ in Aus­sicht, dann mit­rei­sen zu kön­nen, wenn die Rei­se nach­ge­holt wür­de«. Als dann, knapp ei­ne Wo­che spä­ter, kurz­fri­stig die Rei­se an­ge­setzt wird, ist Glae­se­ker in Ur­laub und nie­mand weiß von die­sem Deal. »Bild« ist nicht da­bei; als Kai Diek­mann dies in ei­ner Sit­zung er­öff­net be­kommt, schweigt er. »‘Nichts sagt so viel, wie wenn Diek­mann schweigt’«, so zi­tiert Götschen­berg ei­nen »Teil­neh­mer der Sit­zung«. (So weit sind wir al­so ge­kom­men, dass die Al­lü­ren ei­nes Par­ve­nüs, die man an­son­sten nur aus Ma­fia-Fil­men kennt, Re­le­vanz be­sit­zen.)

War­um hakt »Bild« nach?

Vier Wo­chen vor­her hat­te der Bun­des­ge­richts­hof dem kla­gen­den »Spie­gel« recht ge­ge­ben: Jour­na­li­sten durf­ten das Grund­buch des Hau­ses der Fa­mi­lie Wulff in Groß­burg­we­del ein­se­hen. Zu­nächst mach­te sich die Ent­täu­schung breit: Car­sten Maschmey­er, in­zwi­schen zum Me­di­en-Schur­ken avan­ciert, hat nichts mit der Sa­che zu tun. Die »BW-Bank« wird als Kre­dit­ge­ber auf­ge­führt. Im Ge­gen­satz zum »Spie­gel« bleibt »Bild« an der Sa­che dran. »Bild« kon­fron­tiert Glae­se­ker mit sei­nen Re­cher­chen und die­ser ant­wor­tet am 30. No­vem­ber 2011. Da­mals soll selbst Glae­se­ker, so Götschen­berg, nichts vom vorge­schalteten Pri­vat­kre­dit Wulffs mit Frau Ge­er­kens ge­wusst ha­ben. Das Ver­hält­nis zwi­schen Wulff und sei­nem Pres­se­spre­cher hat­te be­reits 2008 ei­nen »Knacks« be­kom­men (der im Buch an­ge­deu­tet wird). Seit die­ser Zeit wur­de das Ver­hält­nis Glae­se­ker / Wulff rein dienst­lich wei­ter­ge­führt; Pri­va­tes be­hielt Wulff für sich. Als sich Wulff am 22.12. von Glae­se­ker trenn­te, stürz­te die­ser in ein tie­fes Loch. Am Ran­de schil­dert Götschen­berg, wie Wulff auch spä­ter Glae­se­ker, der nicht mit Eh­ren­sold und Bü­ro­aus­stat­tung ab­ge­si­chert ist, fal­len lässt.

Un­ge­löst bleibt die sich dem Le­ser stel­len­de Fra­ge, war­um »Bild« der­art hart­näckig in­si­stier­te. Was nicht ge­fragt wird im Buch: Wuss­te »Bild«, dass die »BW-Bank« erst spä­ter die Haus­fi­nan­zie­rung über­nom­men hat­te? Wenn ja, wer hat die In­for­ma­ti­on ge­lie­fert? Gab es et­wa ei­ne In­dis­kre­ti­on in der »BW-Bank« (die in der Cau­sa VW vs. Por­sche ei­ne wich­ti­ge Rol­le ge­spielt hat­te und Wulff seit die­ser Zeit sehr gut be­kannt ge­we­sen sein muss)?

Ei­ne Wo­che spä­ter, am 6. De­zem­ber 2011 be­kommt »Bild« von Glae­se­ker den pri­va­ten Kre­dit­ver­trag über 500.000 Eu­ro zwi­schen Chri­sti­an Wulff und Edith Ge­er­kens ge­zeigt. Glae­se­ker will aus­ge­han­delt ha­ben, dass »Bild« die Kre­dit­ge­be­rin nicht nennt, »Bild« be­strei­tet dies spä­ter. Am 12. De­zem­ber droht Glae­se­ker »Bild« »sämt­li­che Rechtsschutz­möglichkeiten« an, »falls da­ten­schutz­re­le­van­te Be­lan­ge oder Persönlichkeits­rechte durch ei­ne Ver­öf­fent­li­chung ver­letzt wer­den soll­ten.« Aber da hat­te man längst Blut ge­ro­chen: In der Re­dak­ti­on stieß man auf die Aus­sa­ge Wulffs vom 18.2.2010 vor dem nie­der­säch­si­schen Land­tag, in der er jeg­li­che Ge­schäfts­be­zie­hung zu Egon Ge­er­kens be­stritt. For­mal hat­te zwar Frau Ge­er­kens den Kre­dit ge­währt, aber im wei­te­ren Ver­lauf der Af­fä­re zeig­te sich, dass man rich­tig ver­mu­te­te und Egon Ge­er­kens sehr wohl die Fä­den in der Hand ge­hal­ten hat­te.

Götschen­berg be­schreibt das Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­hal­ten des Bun­des­prä­si­den­ten und des Bun­des­prä­si­di­al­amts als ei­ne Ket­te von Pan­nen und Ka­ta­stro­phen. Im­mer wie­der ver­strickt sich Wulff in klei­ne­re Wi­der­sprü­che, gibt im­mer nur das zu, was ihm nachge­wiesen kann und/oder lässt sich zu un­nö­ti­gen Ver­spre­chun­gen hin­rei­ßen, die er nicht oder nur wie­der mit neu­en Kom­pli­ka­tio­nen er­fül­len kann. Als er am 4. Ja­nu­ar 2012 im be­rühmt ge­wor­de­nen Fern­seh­in­ter­view vol­le Trans­pa­renz im In­ter­net was die Be­ant­wor­tung von mehr als 400 Fra­gen durch sei­ne An­wäl­te ver­spricht, dann je­doch nicht zu­letzt aus Da­ten­schutz­grün­den zu­nächst nur ei­ne Zu­sam­men­fas­sung er­scheint, wird ihm dies aber­mals als »Sa­la­mi­tak­tik« aus­ge­legt. Was die Me­di­en bis zu­letzt ver­schwei­gen: Die »FAZ«, an vor­der­ster Stel­le der Wulff-Kri­tik, ver­wei­ger­te die Ver­öf­fent­li­chun­gen der Fra­gen und Ant­wor­ten, die sie be­tra­fen. »Frank­fur­ter Rund­schau«, »Ber­li­ner Zei­tung« und an­de­re Zei­tun­gen der Du­Mont-Fir­men­grup­pe schränk­ten ih­re Zu­stim­mungs­er­klä­rung ein, »Stern« und »Spie­gel« »nah­men ein­zel­ne Fra­gen her­aus«. Et­li­che de­rer, die »vol­le Trans­pa­renz« ein­for­der­ten, schraub­ten hin­ter den Ku­lis­sen am Ge­gen­teil.

Was Wulff auch macht – al­les ist falsch. Stellt er sich der Öf­fent­lich­keit in ARD und ZDF be­schwe­ren sich Print­jour­na­li­sten so­wie die Pri­vat­sen­der. Soll­te der Bun­des­prä­si­dent et­wa vor ei­nem »Tri­bu­nal« (Götschen­berg) ge­stellt wer­den? De­le­giert Wulff die Sa­che an An­wäl­te – um, wie Götschen­berg be­merkt – nicht das per­so­nell hier­für nicht aus­ge­stat­te­te Bun­des­prä­si­di­al­amt mit der Klä­rung sei­ner pri­va­ten An­ge­le­gen­hei­ten zu be­la­sten, wird ihm dies eben­falls ne­ga­tiv aus­ge­legt. Aber Götschen­berg stellt auch klar: Wulff macht wirk­lich gro­ße Feh­ler. Als er ei­ne Ur­laubs­li­ste vor­legt, fehlt der spä­ter ent­schei­dend wer­den­de Ur­laub mit Da­vid Groe­ne­wold auf Sylt. Die ver­zö­ger­te Pu­bli­ka­ti­on im In­ter­net wur­de schon er­wähnt. Als Kai Diek­mann Wulff bit­tet, die Ab­schrift sei­ner Mail­box-Nach­richt zu ver­öf­fent­li­chen, ver­weist der Bun­des­prä­si­dent auf sei­ne Ent­schul­di­gung, die Diek­mann auch an­ge­nom­men ha­be. Da­mit be­geht Wulff den schwe­ren stra­te­gi­schen Feh­ler, dass sich nun je­der aus den vor­sätz­lich von »Bild« ge­streu­ten »In­dis­kre­tio­nen« be­die­nen kann. Wulff ma­nö­vriert sich selbst für sei­ne Freun­de im­mer mehr ins Ab­seits. Ei­ne Twit­ter-Nach­richt vom 10. Ja­nu­ar 2012 des da­ma­li­gen Bun­des­ge­schäfts­füh­rers der CDU Pe­ter Alt­mai­er, der Wulff zu­nächst in di­ver­sen Talk­shows im­mer ver­tei­digt hat­te, dient Götschen­berg als Zei­chen: »Wün­sche mir, dass Chri­sti­an sei­ne An­wäl­te an die Lei­ne legt und die Fragen/Antworten ins Netz stellt«. Von nun an über­nahm Pe­ter Hint­ze, eben­falls ein Mer­kel-Ver­trau­ter aber oh­ne of­fi­zi­el­les Amt, in den Me­di­en Wulffs »Ver­tei­di­gung«. Es ent­behrt nicht ei­ner ge­wis­sen Ko­mik wenn am En­de aus­ge­rech­net Pe­ter Hint­ze, oh­ne es zu wol­len, durch die Ver­öf­fent­li­chung ei­nes Do­ku­ments, wel­ches Wulff ent­la­sten soll­te, zum Sarg­na­gel sei­ner Prä­si­dent­schaft wird.

Aus­las­sun­gen und Un­ge­nau­ig­kei­ten

Götschen­berg be­schreibt die Vor­gän­ge zu­nächst sehr ge­nau. Ir­gend­wann droh­te die me­dia­le Er­re­gung ab­zu­flau­en (aber­mals wer­den Um­fra­gen, die Wulff ei­ne »zwei­te Chan­ce« ge­ben wol­len, her­an­ge­zo­gen). Ab­stru­se »Ver­wer­fun­gen« wer­den jetzt her­an­ge­zo­gen: Ein ge­schenk­tes Bob­by-Car et­wa oder ko­sten­los zur Ver­fü­gung ge­stell­te Klei­der von De­si­gnern für Bet­ti­na Wulff. Er­staun­lich, dass ei­ne An­ge­le­gen­heit, die nicht so oh­ne wei­te­res vom Tisch zu wi­schen ist, gar nicht im Buch er­wähnt wird: Die Maschmey­er-Fi­nan­zie­rung der Wer­bung des Bu­ches von Hu­go Mül­ler-Vogg über und mit Chri­sti­an Wulff. Ei­ne be­mer­kens­wer­te Aus­las­sung.

Und es ist nicht der ein­zi­ge Kri­tik­punkt. Die so­ge­nann­te Mail­box-Af­fä­re, die zu Be­ginn des Jah­res 2012 die Auf­merk­sam­keit von der Haus­fi­nan­zie­rung (die me­di­al doch eher uner­giebig war) ab­löst, wird nicht prä­zi­se und lei­der auch un­voll­stän­dig re­ka­pi­tu­liert. Als Wulff am 12.11.2011 auf Kai Diek­manns Mail­box schein­bar in­kri­mi­nie­ren­de Sät­ze spricht, die, so die lan­ge gül­ti­ge Dik­ti­on, die Pres­se­frei­heit der Bun­des­re­pu­blik be­droh­ten oder min­de­stens ei­nen An­griff auf die­se dar­stel­len soll­ten, weiß dies Olaf Glae­se­ker zu­nächst nicht, wie Götschen­berg be­rich­tet. Ob­wohl Gla­se­ke­rer Wulff ge­be­ten ha­be, Diek­mann an­zu­ru­fen – er kom­me mit »Bild« nicht wei­ter. Ist es mög­lich, dass Wulff Glae­se­ker nichts von sei­nem Aus­bruch am Te­le­fon er­zählt hat­te? Wor­um ging es? »Bild« woll­te ei­nen Be­richt zur Haus­fi­nan­zie­rung Wulffs am näch­sten Tag brin­gen. Wulff war aber auf Staats­be­such in Ku­wait und den ara­bi­schen Emi­ra­ten. Der Mail­ver­kehr zwi­schen »Bild« und dem Bun­des­prä­si­di­al­amt, den »Bild« spä­ter ver­öf­fent­licht, zeigt, dass man den Um­stand der Rei­se nicht gel­ten ließ. Ob­wohl »Bild« den Dar­le­hens­ver­trag kann­te, setz­te man Glae­se­ker mas­siv un­ter Druck; Wort­wahl und Duk­tus der ver­öf­fent­lich­ten Fra­gen las­sen zu­wei­len ver­mu­ten, »Bild« sei ei­ne Staats­an­walt­schaft. Die Grün­de für die­sen mas­si­ven Druck lie­gen auf der Hand: »Bild« will als Er­ster die Ge­schich­te brin­gen. Mitt­ler­wei­le sind auch »Spie­gel« und »Stern« an der Sa­che dran und sie ver­fü­gen wohl über ähn­li­che In­for­ma­tio­nen (auch wenn sie den Ver­trag si­cher­lich nicht kann­ten). »Bild« steht sel­ber un­ter Druck. In der Stu­die »Bild und Wulff – Ziem­lich be­ste Part­ner« von Hans­Jürgen Arlt und Wolf­gang Storz [pdf], die Götschen­berg aus­führ­lich zi­tiert, wird die The­se auf­ge­stellt, »Bild« sei ein »Ge­trie­be­ner« ge­we­sen und muss­te sich als er­ster »Ent­hül­ler« prä­sen­tie­ren, da man jah­re­lang Wulff (und sei­ne Frau) mit ei­ner »Ju­bel­be­richt­erstat­tung« be­glei­tet ha­be. »Bild« wä­re von an­de­ren Me­di­en ge­schol­ten wor­den, ob die­ser »Geschäftsbe­ziehung« zu Wulff nicht am Ball ge­blie­ben zu sein.

In der Lo­gik der Me­di­en mag die Cha­rak­te­ri­sie­rung der »ge­trie­be­nen« »Bild« stim­men. Aber wie sieht es mit der The­se der »Ge­schäfts­be­zie­hung« zwi­schen Wulff und »Bild« aus, die längst über­all ka­no­ni­siert ist? Da­bei weist die Stu­die von Arlt/Storz nicht nur me­tho­di­sche Män­gel auf (die man dort auch durch­aus zu­gibt), son­dern blen­det ele­men­ta­re Ent­wick­lun­gen aus. Zum ei­nen wer­den Ar­ti­kel von »Bild«, »bild.de« und »Bild am Sonn­tag« in ei­nen Topf ge­wor­fen. Das hängt da­mit zu­sam­men, dass man sich schlicht dem Ar­chiv von »bild.de« be­dient hat. Dort wer­den al­le Ar­ti­kel der drei Me­di­en sub­sum­miert. Zwar ist dann in den ein­zel­nen Ar­ti­keln beim Ab­ruf die Dif­fe­renz zur »Bild am Sonntag«-Redaktion sicht­bar, aber in die Aus­wer­tung schaff­te es die­ser Un­ter­schied nur sehr sel­ten. An­son­sten hät­te auf­fal­len müs­sen, dass »Bild am Sonn­tag« 2010 mit der Schlag­zei­le »Yes, we Gauck« ex­pli­zit Par­tei für Joa­chim Gauck als Bun­des­prä­si­dent nahm. So ein­deu­tig war die Un­ter­stüt­zung al­so nicht. Und nach der »Islam«-Rede Wulffs vom 3. Ok­to­ber 2010 wa­ren es so­wohl »Bild« wie auch »Bild am Sonn­tag«, die mas­siv ge­gen Wulffs Prä­mis­se, der Is­lam ge­hö­re in­zwi­schen zu Deutsch­land, Stim­mung mach­te. Das kann man bei­spiels­wei­se hier, hier und hier nach­le­sen. Ins­be­son­de­re Kri­ti­ker aus den Rei­hen von CDU/CSU – bis hin­ein in die Frak­ti­ons­spit­ze der CDU – be­ka­men in »Bild« ein Fo­rum für ih­ren Wi­der­spruch.

Dies zeigt, dass »Bild« an ei­nen po­li­ti­schen Bun­des­prä­si­den­ten Chri­sti­an Wulff, der sich pro­gres­siv jen­seits fest­ge­füg­ter Par­tei­mu­ster be­weg­te, nicht in­ter­es­siert war; Diek­mann und sei­ne Re­dak­ti­on woll­ten ei­nen Hoch­glanz-Prä­si­den­ten mit apar­ter Frau und sü­ßen Kin­dern. So­bald ei­ne für die gän­gi­ge »Bild« ‑Le­ser­schaft ab­sei­ti­ge so­zi­al­po­li­ti­sche The­se ge­äu­ßert wur­de (die man in der Tat dis­ku­tie­ren kann), schwenk­te »Bild« um. Dies tat zu­nächst der Af­fi­ni­tät zum »Glamour«-Wulff kei­nen Ab­bruch. Und noch in den Zei­ten, als Chri­sti­an Wulff sy­ste­ma­tisch an­ge­grif­fen wur­de, lob­te man Bet­ti­na Wulffs Auf­trit­te im Sti­le der »Yel­low Press«. Die­se Dop­pel­zün­gig­keit ist viel zu we­nig un­ter­sucht wor­den. In­ter­es­sant ist, dass Wulff die­se Un­ter­schei­dun­gen sel­ber vor­nimmt. Im Rah­men des In­ter­views mit Ul­rich Dep­pen­dorf und Bet­ti­na Schau­sten am 4. Ja­nu­ar 2012 kann man an­hand sei­ner Ant­wor­ten die Per­sön­lich­keits­spal­tun­gen er­ken­nen. Mal re­det er als Bun­des­prä­si­dent von sich, dann über sich und schließ­lich auch als »Pri­vat­per­son«. Ob be­wusst oder nicht be­trieb »Bild« sehr lan­ge auch die­ses Spiel: Der po­li­ti­sche Mensch Wulff mit sei­nen für CDU-Ver­hält­nis­se eher pro­gres­si­ven An­sich­ten in­ter­es­sier­te nur so lan­ge, bis sich die­ses Bild im Rah­men ei­ner »Home-Sto­ry« ver­mark­ten ließ. Als Wulffs Aus­sa­gen po­li­ti­sche Kon­se­quen­zen hät­te zei­gen kön­nen – der Is­lam soll­te ein gleich­ran­gi­ger kul­tu­rel­ler Be­stand­teil Deutsch­lands sein – nahm man Ab­stand von Wulff.

Mail­box-Af­fä­re – Am Na­sen­ring von »Bild« durch die me­dia­le Are­na

Die Kal­ku­la­ti­on von »Bild« – aber bei­lei­be nicht nur von »Bild« al­lei­ne: Wenn es mehr Ruhm, Auf­la­ge oder auch ein­fach nur Auf­merk­sam­keit bringt, ei­ne bis­her hof­fier­te Per­son zu de­mon­tie­ren, dann wird sie eben de­mon­tiert. Das ist bei­lei­be kein Mar­ken­zei­chen von »Sprin­ger«; in­so­fern ist der be­rühmt-be­rüch­tig­te Döpf­ner-Satz vom Fahr­stuhl nach oben und nach un­ten in­zwi­schen längst gän­gi­ge Jour­na­li­sten­pra­xis. So­bald auch nur ei­ne Spo­re ei­nes Skan­dals zu ent­decken ist, wer­den in­for­mel­le Al­li­an­zen für null und nich­tig er­klärt. Der Skan­dal muss nur tra­gen, d. h. ei­ner mög­lichst gro­ßen Mas­se der Be­völ­ke­rung als sol­cher er­schei­nen. Als die Haus­fi­nan­zie­rung sich (fast) als Rohr­kre­pie­rer ent­wickel­te bzw. zu »kom­pli­ziert« zu wer­den droh­te, hat­te »Bild« längst ei­nen zwei­ten Pfeil im Kö­cher: den omi­nö­se Mail­box-Text.

Ob man will oder nicht: Nach­träg­lich zeigt sich die Be­hand­lung die­ser An­ge­le­gen­heit durch »Bild« als Mei­ster­stück ma­chia­vel­li­sti­schen Agie­rens: Durch ge­schick­tes Tak­tie­ren im Hin­ter­grund skan­da­li­sier­ten an­de­re den Vor­gang und ar­bei­ten da­mit für »Bild«. Das Blatt wur­de zum »Op­fer« de­kla­riert – et­was, was in der ge­sam­ten Ge­schich­te der Zei­tung noch nie ge­ge­ben hat­te. Es ist schon ein drei­stes Stück, das aus­ge­rech­net die größ­te Dreck­schleuder Deutsch­lands plötz­lich als Grals­hü­ter der Pres­se­frei­heit er­schien. Ge­nau das er­reich­te man, in dem man die Nach­richt nicht öf­fent­lich mach­te, son­dern ne­ben ei­ni­gen, we­ni­gen »Bild« – Re­dak­teu­ren zwei ex­ter­nen Jour­na­li­sten aus­schnitt­wei­se zur Kennt­nis gab.

Götschen­berg weist dar­auf hin, dass dies die Aus­sa­ge von »Bild« ist. Wer die bei­den Jour­nalisten wa­ren, gibt man nicht be­kannt. Lei­der be­geht der Au­tor nun ei­ne klei­ne, er­ste Un­ge­nau­ig­keit. Er weist auf ei­nen Ar­ti­kel der »Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung« vom 31.12.2011 hin, in dem »ein er­ster Hin­weis« mit Zi­ta­ten aus der Mail­box-Nach­richt ge­stan­den ha­be. (Am Ran­de: Es ist schon sehr ner­vig, dass Götschen­berg die Na­men der Jour­na­li­sten im­mer erst ab Ebe­ne Chef­re­dak­teur-Her­aus­ge­ber-Res­sort­lei­ter nennt und da­mit ein sehr hier­ar­chi­sches Den­ken zeigt.) Ge­meint ist ein Ar­ti­kel von Eck­art Loh­se mit dem Ti­tel »Im Schat­ten der Wahr­heit«. Loh­se ver­wen­det et­li­che der von nun an im­mer wie­der kol­por­tier­ten Phra­sen, die Wulff ver­wen­det ha­ben soll (»end­gül­ti­ger Bruch«, »Krieg­füh­ren«, »Ru­bi­kon« über­schrit­ten).

Das mit dem »er­sten Hin­weis« ist je­doch un­ge­nau. Tat­säch­lich hat­te Nils Mink­mar in ei­ner »Früh­kri­tik« über ei­ne Gün­ther Jauch-Talk­show be­reits am 19.12.2011 ge­schrie­ben: »In Jour­na­li­sten­krei­sen er­zählt man sich von um­ständ­li­chen, ge­wun­de­nen Mail­box­an­sa­gen bei Me­di­en­chefs, in de­nen der Bun­des­prä­si­dent bald dro­hend, bald bit­tend noch vor Ver­öffentlichung in­ter­ve­niert.« Mink­mar, der sich zu ei­nem ve­ri­ta­blen Wulff-Kri­ti­ker ent­wickel­te, er­klär­te in der ARD-Sen­dung »Beck­mann« vom 12. Ja­nu­ar 2012 et­was ne­bu­lös, ihm sei­en Tei­le der Mail­box-Nach­richt zu­ge­spielt wor­den (dies ist von mir, G. K., aus dem Ge­dächt­nis zi­tiert). Die Nach­fra­ge Beck­manns, ob es ei­ne schrift­li­che Ver­si­on ge­ge­ben hat­te, ver­nein­te Mink­mar. Viel­leicht war Nils Mink­mar ei­ner der bei­den ex­ter­nen Jour­na­li­sten? Zu­min­dest war er der er­ste, der die­sen An­ruf über­haupt er­wähn­te – frei­lich der­art ver­steckt, dass kaum je­mand dar­auf re­agier­te.

Erst die Zi­ta­te vom 31.12. von Loh­se sorg­ten für Auf­se­hen. Ins­be­son­de­re die »Süd­deutsche Zei­tung« und der »Spie­gel« leg­ten sich ins Zeug. Über­all gär­te die Be­fürch­tung, Wulff ha­be die Pres­se­frei­heit an­grei­fen wol­len. Nah­rung er­hält die­se Sicht, als auch be­kannt wird, dass Wulff Mat­thi­as Döpf­ner an­ge­ru­fen hat­te. Als die­ser auf die Au­to­no­mie der Re­dak­ti­on hin­wies, ver­such­te Wulff noch Frie­de Sprin­ger zu er­rei­chen. Die­sen Ver­such, erst­mals vom »Ci­ce­ro« be­rich­tet, er­wähnt Götschen­berg merk­wür­di­ger­wei­se gar nicht, was doch arg ver­wun­dert.

Wulff muss­te sich nun er­klä­ren; der Strom der Vor­wür­fe hielt an, ob­wohl kaum je­mand den voll­stän­di­gen Wort­laut von Wulffs Nach­richt kann­te. Es stand Aus­sa­ge ge­gen Aus­sa­ge als Wulff be­teu­er­te, er ha­be nicht die Ver­öf­fent­li­chung über die Haus­fi­nan­zie­rung ver­hin­dern, son­dern nur den Zeit­punkt ver­schie­ben wol­len. Man soll­te, so Wulff über sei­ne In­ten­ti­on, noch ei­nen Tag war­ten bis er wie­der zu­rück von sei­ner Rei­se sei. Diek­mann wi­der­sprach die­ser Dar­stel­lung. Es ist be­zeich­nend, dass man in­zwi­schen eher ge­neigt war, dem Chef­re­dak­teur ei­nes Lü­gen­blatts zu glau­ben als Chri­sti­an Wulff, dem am­tie­ren­den Bun­des­prä­si­den­ten. Dass sich die Ko­or­di­na­ten hier zu Gun­sten »Bild« ver­scho­ben hat­ten, spricht Bän­de für den prak­ti­zier­ten blin­den Meu­ten­jour­na­lis­mus in der Wulff-Af­fä­re.

Mit gro­ßer Ge­ste of­fe­rier­te Diek­mann schließ­lich, er wol­le die Nach­richt ver­öf­fent­li­chen, aber nur, wenn Wulff dem zu­stim­me. Nach ei­ni­ger Über­le­gung lehn­te er ab, was Götschen­berg da­mit be­grün­det, dass Wulff nicht mehr ge­nau wuss­te, was er tat­säch­lich ge­sagt hat­te. Of­fi­zi­ell be­müh­te er ein sehr kur­zes Ge­spräch, in dem Wulff sich bei Diek­mann ent­schul­digt hat­te. Die­ser hat­te die Ent­schul­di­gung an­ge­nom­men. Da­mit war, so Wulff, die Sa­che er­le­digt. Aber Wulff rech­ne­te nicht mit der stra­te­gi­schen Schläue Diek­manns. Die­ser setz­te den nur im Un­ge­fäh­ren krei­sen­den Text als Waf­fe ge­gen Wulff ein. Un­ver­ges­sen für mich in die­sem Zu­sam­men­hang der Auf­tritt von Ma­s­co­lo (»Spie­gel« ) und Blo­me (»Bild« ) in der ARD-Sen­dung »Gün­ther Jauch« vom 8. Ja­nu­ar 2012, in der sich Ma­s­co­lo vor der Ka­me­ra die Zi­ta­te aus dem Wut­an­ruf Wulffs von Blo­me be­glau­bi­gen lässt – die ein­zi­ge Quel­le des »Spie­gel« war das ge­fil­ter­te Ma­te­ri­al von »Bild« (selbst­verständlich folg­ten auch ei­ni­ge pflicht­schul­dig-di­stan­zie­ren­de Sät­ze Ma­s­co­los, aber da war der Kö­der schon ge­fres­sen).

»Bild« führ­te die so­ge­nann­ten Leit­me­di­en am Na­sen­ring durch die me­dia­le Are­na, stell­te sich als »Op­fer« dar und wühl­te wei­ter. Arlt/Storz wei­sen dar­auf hin, dass Wulffs »Ver­wer­fun­gen« sich in der »Ju­bel-Pha­se« der »Bild«-Berichterstattung er­eig­net hat­ten. »Bild« wird Heu­che­lei vor­ge­wor­fen – ein Vor­wurf, der durch­aus ge­recht­fer­tigt ist, aber auch reich­lich ba­nal. Schließ­lich re­cher­chie­ren Jour­na­li­sten im­mer Er­eig­nis­se aus der Ver­gan­gen­heit und dass sie zum Zeit­punkt ih­rer viel­leicht po­si­ti­ven Be­richt­erstat­tung von be­stimm­ten Sach­ver­hal­ten kei­ne Kennt­nis hat­ten, darf sie nach­her nicht da­von ab­hal­ten, die­se zu er­for­schen. Die Heu­che­lei der »Bild« liegt nicht dar­in, dass sie ge­gen Wulff re­cher­chiert hat, son­dern wie sie ih­re Sicht der Din­ge an­de­ren Me­di­en ge­gen­über prä­sen­tiert hat. Der Skan­dal ist dann, wie sich die Jour­na­li­sten die­ser Me­di­en von »Bild« zu wil­li­gen Hand­lan­gern in­stru­men­ta­li­sier­ten lie­ßen.

Wulff, der waid­wun­de Prä­si­dent

Längst hat­te sich die An­ge­le­gen­heit der­art ent­wickelt, dass Wulff, der waid­wun­de Prä­si­dent, nicht mehr »da­von­kom­men« durf­te. War­um und wie es schließ­lich da­zu kam be­schreibt Götschen­berg an­schau­lich: am En­de stürz­te Wulff über ein paar Hun­dert Eu­ro Ho­tel­ko­sten an­läss­lich ei­nes Sylt-Ur­laubs. Nicht ganz aus­ge­go­ren ist das Ka­pi­tel, wenn der me­dia­le Druck auf die Ju­stiz ab­ge­spro­chen wird, wie man über­haupt zwi­schen­zeit­lich das Ge­fühl ei­nes eher »sanft« re­cher­chier­ten und ge­schrie­be­nen Bu­ches hat, in dem Götschen­berg zwar ei­ne über­mä­ßi­ge und ge­le­gent­lich über­mo­ti­vier­te Be­richt­erstat­tung con­tra Wulff the­ma­ti­sie­ren möch­te und gleich­zei­tig be­tont, wie Wulff durch de­sa­strö­ses Ma­nage­ment und schwe­re stra­te­gi­sche Feh­ler sel­ber zu sei­nem Sturz bei­trug. Bei al­len Quel­len, die Götschen­berg ge­habt ha­ben mag (und die al­le an­onym blei­ben) – von »Bild« scheint nie­mand da­bei ge­we­sen zu sein. So fällt sei­ne Re­cher­che zur Rol­le von »Bild« eher ma­ger aus. Und wäh­rend er die Schrift­er­güs­se von Bet­ti­na Wulff mit durch­aus spit­zen Fin­gern zi­tiert, er­wähnt er noch nicht ein­mal, dass der Text der Mail­box-Nach­richt an­schei­nend seit De­zem­ber 2012 vor­liegt (in bzw. zu ei­nem Kunst­werk ver­ar­bei­tet). Wenn die­ser Text der Rea­li­tät ent­spricht, dann kann Kai Diek­mann als Lüg­ner be­zeich­net wer­den, als er be­haup­te­te, Wulff ha­be die Ver­öf­fent­li­chung der Re­cher­chen ge­ne­rell un­ter­sa­gen wol­len. Viel­leicht glaub­te Wulff, dass auch die ehr­ab­schnei­den­den Ge­rüch­te um Bet­ti­na Wulffs Ver­gan­gen­heit Ge­gen­stand der »Bild« ‑Un­ter­su­chun­gen ge­we­sen sei­en – dies kann man aus zwei Pas­sa­gen durch­aus her­aus­le­sen. Dann er­schei­nen die recht­li­chen Dro­hun­gen und die mar­tia­li­sche Spra­che durch­aus in ei­nem an­de­ren Licht.

Aber wie hat sich die Po­li­tik ver­hal­ten? Götschen­berg schreibt, dass Wulff häu­fig mit An­ge­la Mer­kel in Kon­takt war. Sie soll bis zum Schluss an ei­ner Fort­set­zung sei­ner Prä­si­dent­schaft in­ter­es­siert ge­we­sen sein. Nicht zu­letzt des­halb, weil sie nach Horst Köh­ler nicht schon wie­der ei­nen Kan­di­da­ten ha­be »ver­schlei­ßen« woll­te. Sie ha­be mit ih­ren öf­fent­li­chen Äu­ße­run­gen zu Wulff mehr­fach die Di­stanz ver­las­sen, die man ge­mein­hin zwi­schen zwei »Ver­fas­sungs­or­ga­nen« er­war­te, so Götschen­berg. Wenn das stimmt, dann er­üb­rigt sich aber sei­ne Kri­tik, die »Po­li­tik« ha­be Wulff nicht aus­rei­chend bei­gestan­den. Und: Was ist ein Bun­des­prä­si­dent am En­de als mo­ra­li­sche In­stanz wert, wenn er der per­ma­nen­ten Un­ter­stüt­zung di­ver­ser Frak­ti­ons- oder Re­gie­rungs­spre­cher be­darf?

Am En­de stün­de Chri­sti­an Wulff nach »drei­ßig Jah­ren in der Po­li­tik« vor ei­nem Trüm­mer­feld, so lau­tet der letz­te Satz in die­sem Buch. Aber es ist nicht nur der »Eh­ren­sold«, der mein Mit­leid hier­für in en­gen Gren­zen hält. Und doch bleibt ein sehr scha­ler Nach­ge­schmack, was die ein­zel­nen Er­re­gungs­stu­fen in den Me­di­en an­geht. Man hat nach dem Buch mehr als vor­her den Ein­druck, dass es am En­de gar nicht mehr um Wulff oder des­sen Ver­hal­ten ging. Es war längst ein Macht­spiel ge­wor­den, das Wulff nicht zu­letzt auf­grund sei­nes ver­kork­sten Kri­sen­ma­nage­ments nicht ge­win­nen konn­te. Jour­na­li­sten er­prob­ten ih­re Mus­keln. Nur schein­bar hat es den rich­ti­gen Sie­ger ge­ge­ben, zu­mal die »Trans­pa­renz«, die die Jour­na­li­sten von Wulff ein­for­der­ten für sich sel­ber – wie im­mer – nicht galt. Das wur­de na­tür­lich nicht the­ma­ti­siert – zu eng wa­ren die Spiel­chen über Ban­de zwi­schen »Bild«, »Frank­fur­ter Allgemeine«-Gruppe, »SZ«, »Stern« und »Spie­gel«. Nur ganz sel­ten wur­de die­ses Ver­hal­ten da­mals ge­ne­rell be­fragt, wie et­wa bei Ste­fan Nig­ge­mei­er hier und hier.

Götschen­bergs Buch be­müht sich um ei­ne neu­tra­le Dar­stel­lung, was hin­sicht­lich Wulffs kur­zer Amts­zeit durch­aus ge­lingt. Aber als Me­di­en­kri­tik taugt das Buch nur be­grenzt; am En­de scheint der Au­tor zu stark im Be­trieb ver­an­kert. An­de­re Kri­tik­punk­te wur­den schon vor­ge­bracht. Am En­de gibt es nicht ein­mal ein Li­te­ra­tur­ver­zeich­nis; der Le­ser muss sich die Ar­ti­kel müh­sam sel­ber aus dem In­ter­net her­aus­sau­gen.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Die Wahr­heit ist zu­mut­bar? Sie ist viel zu müh­se­lig! (Wenn sie nicht so­wie­so im­mer schon nur ei­ne Ver­si­on, d.h. Teil des Des­in­for­ma­ti­on d.h. der Fik­ti­on ist.)

    So not­wen­dig das Nach­re­cher­chie­ren wohl ist, am En­de ist es doch nie voll­stän­dig ge­nug, um die un­be­frie­digt blei­ben­de Be­schäf­ti­gung da­mit auf­zu­wie­gen (selbst wenn ei­nem das be­wusst ist, bleibt es fru­strie­rend).

    Auch hier könn­te man den Rans­mayr-Satz an­brin­gen: Ge­schich­te er­eig­net sich nicht, sie wird er­zählt. (In­so­fern kann ich sel­ber dann auch wie­der mei­nen Frie­den da­mit ma­chen: Hat sie, »die [neue­re] Wahr­heit« mich we­nig­stens un­ter­hal­ten?)

    Aber seit Jah­ren ha­be ich auch die­sen Satz im Kopf (ich weiß nicht von wem er ur­sprüng­lich ist): Wer sich in die Öf­fent­lich­keit be­gibt kommt dar­in um.

    Ob­wohl oder weil je­der weiß, wie es eben kom­pli­ziert ist, wird kaum je­mand das in An­wen­dung brin­gen und ver­langt al­so doch ver­ständ­li­che, d.h. ein­fa­che Lö­sun­gen. Nicht mal un­se­rer Nach­rich­ten­la­gen, un­se­res »Wis­sens« wer­den wir Herr.

  2. Ich nei­ge im­mer mehr der Slo­ter­di­jk-Theo­rie der iden­ti­täts­stif­ten­den »Er­re­gungs­ge­mein­schaf­ten« zu. Nur noch in der Hy­per­ven­ti­la­ti­on ent­wickeln wir ein »wir«.Ob der Skan­dal nun ein nicht ge­ge­be­ner Elf­me­ter ist, falsch de­kla­rier­te Le­bens­mit­tel oder ein un­sen­si­bler Bun­des­prä­si­dent. In­ter­es­sant, dass die Lauf­zeit ei­nes Skan­dals im­mer kür­zer wird. In­so­fern wird der Nach­blick auf die so­ge­nann­ten Af­fä­ren, die sich län­ger ge­hal­ten ha­ben, schon in­ter­es­sant. Bei Wulff ging es Mit­te No­vem­ber mit dem Haus­kre­dit los. Kurz nach Weih­nach­ten wur­de dann die Mail­box-Nach­richt the­ma­ti­siert. Das dau­er­te bis et­wa Mit­te Ja­nu­ar. Da­nach wuss­te man nicht so recht, wie es wei­ter­ging, bis dann schließ­lich der Sylt-Ur­laub dran war.

    Nach­träg­lich ha­be ich fast im­mer das Ge­fühl, ei­ner eher schlech­ten Thea­ter­auf­füh­rung zu­ge­schaut zu ha­ben. Ich be­wer­te dann auch mei­ne Blog-Bei­trä­ge durch­aus kri­tisch. Im vor­lie­gen­den Fall war mir von An­fang an das Ver­hal­ten von »Bild« und das blin­de Drauf­stür­zen der an­de­ren Me­di­en su­spekt. Eben ganz schlech­tes Thea­ter, was aber in der Dau­er­be­rie­se­lung, der ich mich dann doch aus­set­ze, merk­wür­di­ger­wei­se nicht im­mer auf­scheint.

    Ich fin­de, man müß­te auch ei­nen Blog grün­den, der die Un­tie­fen von Jour­na­li­sten und de­ren Bi­got­te­rie the­ma­ti­siert.