Wahr­heit und Trost in der spä­ten Mo­der­ne. Ein Ver­such.

Die Wahr­heit ist dem Men­schen zu­mut­bar: In­ge­borg Bach­mann be­gann ih­re Re­de mit der Fest­stel­lung, dass es wun­der­bar sei, wenn der Schrift­stel­ler be­merkt, dass er zu wir­ken ver­mag [...] um­so mehr, wenn er we­nig Tröst­li­ches sa­gen kann vor Men­schen, die des Tro­stes be­dürf­tig sind, wie nur Men­schen es sein kön­nen, ver­letzt, ver­wun­det und voll von dem gro­ßen Schmerz, mit dem der Mensch vor al­len an­de­ren Ge­schöp­fen aus­ge­zeich­net ist.

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  1. Viel­leicht nur schein­bar »off to­pic« – mir aber ein Be­dürf­nis:
    Die Wahr­heit, die den Selbst­mör­der zum töd­li­chen Sprung an­set­zen lässt, muss man un­be­dingt ver­schwei­gen.
    Gross­ar­tig!

    Und dass, ob­wohl ich die Be­zeich­nung »Selbst­mör­der« ei­gent­lich nicht mag... Aber die In­ten­ti­on die­ses Sat­zes ist eben groß­ar­tig.

  2. Aber wä­re sie, »die Wahr­heit«, dann noch »wahr«?
    Ab­ge­se­hen da­von, dass ich ih­rer »Zu­mut­bar­keit« im­mer und über­all schon lan­ge nicht mehr zu­stim­me: Müss­te sie, als ja stets zu­min­dest ge­wusst un­voll­stän­di­ge, um auch nur hin­rei­chend wahr zu sein, ih­re Zwei­fel und Frag­lich­kei­ten nicht zu­min­dest im­mer mit aus­stel­len?

    Über­spitzt for­mu­liert: Kann sie sich um Selbst­mör­der, al­so um wie sie sel­ber im­mer Un­zu­rei­chen­de, denn küm­mern oh­ne das Min­de­ste, näm­lich den An­spruch auf sich selbst zu ver­lie­ren?

    (So­gar zum Trost – und viel­leicht am ehe­sten noch zu dem mir sehr ein­leuch­ten­den Camus’schen Trost – könn­te man dann evtl. noch auf ganz an­de­ren We­gen ge­lan­gen.)

     

  3. Lie­ber en-pas­sant,

    ich ver­ste­he zwei Aspek­te nicht: War­um soll­te sich die Wahr­heit um den Selbst­mör­der küm­mern müs­sen? Und wenn sie das doch tun soll­te, dann doch als per­sön­li­che oder ei­ne, die ih­rer Zwei­fel und Frag­lich­kei­ten be­wusst ist.

    Die an­de­ren We­ge wür­den mich sehr in­ter­es­sie­ren.

  4. @Metepsilonema
    Nein, nein, das mein­te ich ja: Die Wahr­heit – könn­te man ihr et­was Selbst-In­ten­tio­na­les un­ter­stel­len -, dürf­te sich ei­gent­lich um den Selbst­mör­der nicht küm­mern.

    Wäh­rend wir Men­schen das in je­dem Fall müss­ten – selbst wenn es uns in al­lem über­steigt. Und das deu­tet schon wie­der auf das der Wahr­heit letzt­lich eher eig­nen­de Re­la­ti­ve: Das Un­be­ding­te mag in sel­te­nen Fäl­len für Men­schen gel­ten – und dann wie­der doch nicht, weil wir ja Men­schen, al­so per se fehl­bar sind. Wäh­rend die Wahr­heit – we­nig­stens so mei­stens ihr von uns un­ter­stellt – auf das Ab­so­lu­te ver­weist – was sie aus sich aber eben nicht lei­sten kann (al­so ab­so­lu­te Gel­tung), da sie zu­letzt im­mer ei­ne den Um­stän­den un­ter­wor­fe­ne bleibt. (Der Feh­ler ist wohl die­ser Ab­so­lu­tis­mus selbst, das Entwder – Oder: Ei­ne Zwangs­struk­tur, die den Rea­lie­en nicht mehr ge­recht wird.)

    Und das be­rührt letzt­lich auch Bach­manns »Zu­mut­bar­keit«. Dar­in steckt ein mo­ra­li­scher He­ro­is­mus – der sei­ne ei­ge­ne Gül­tig­keit ha­ben mag, aber so apo­dik­tisch, zu­min­dest heut­zu­ta­ge, ei­gent­lich nicht mehr gel­ten kann. Ter­ti­um da­tur!

    Über­haupt se­he ich Bach­mann im­mer mehr, so sehr ich sie im­mer noch schät­ze, in ih­rer Zeit­ver­haf­t­et­heit. Wür­de es et­wa »wah­re Sät­ze« ge­ben, müss­ten wir mit über zwei­tau­send Jah­ren an Gei­stes­ge­schich­te nicht ei­gent­lich schon zu ein paar von ih­nen ge­kom­men sein?

    Ich se­he Wahr­heit als ei­ne Re­fe­renz, oh­ne die es un­ter Men­schen, die auf Ver­bind­lich­keit und Be­grün­dungs­prag­ma­tik an­ge­wie­sen sind, nicht geht.

    Das Drit­te aber – ist es viel­leicht eben der Trost?

     

  5. Dan­ke.
    Ja, es geht nicht oh­ne ei­ne Art Wahr­heit, weil wir ei­gent­lich im­mer über uns selbst hin­aus rei­chen wol­len oder müs­sen (au­ßer es gä­be nur ei­ne ein­zi­ge Mo­na­de). Selbst die Be­haup­tung, dass es kei­ne Wahr­heit gibt, ent­hält ei­ne. Viel­leicht kann man sie als dis­kur­si­ve »Stim­mig­keit« auf­fas­sen, als Ori­en­tie­rungs­hil­fe in ei­ner un­durch­sich­ti­gen Welt – eben: Ei­ne Re­fe­renz.

    Ob das Drit­te der Trost ist? In­ter­es­san­ter Ge­dan­ke.

  6. @Metepsilonema
    Ja, »Mord« ist in Be­zug auf das ei­ge­ne Ich ziem­lich pe­jo­ra­tiv emeint. Seit Jean Amé­rys Es­say »Hand an sich le­gen« ver­su­che ich die­sen be­griff zu ver­mei­den, weil er eben im­mer die­se Schuld­fra­ge stellt und be­ant­wor­tet: Ein Mör­der ist schul­dig – al­so auch ein Selbst­mör­der. Man darf kei­nen an­de­ren men­schen tö­ten, aber man darf durch­aus sich sel­ber tö­ten. Ich be­vor­zu­ge da­her »Frei­tod«, wo­bei es da­zu kein sinn­vol­les Sub­stan­tiv aus Sicht des Tö­ten­den gibt; »Frei­tö­ter« klingt un­sin­nig.

    Amé­rys Es­say hat mich sehr be­ein­druckt, weil er die Selbst­tö­tung als freie Ent­schei­dungs­mög­lich­keit sieht. Na­tür­lich be­rück­sich­tigt er im­mer ei­nen streng in­tel­lek­tu­el­len Stand­punkt, d. h. ei­nen krank­haf­tes Selbst­tö­tungs­trieb be­leuch­tet er nicht. Für ihn ist die­ser Akt Aus­druck der Frei­heit des Men­schen (ge­gen Kant, der ja den Selbst­mör­der gei­ßel­te). Er ist Jah­re spä­ter die­sem Dik­tum ge­folgt und hat dann Hand an sich ge­legt.

    Trost und Wahr­heit
    Ich fin­de die­se Di­cho­to­mie in­ter­es­sant. Aber ich weiss nicht, ob es auf­geht. Nach dem Weg­fall des »me­ta­phy­si­schen Tro­stes« (Nietz­sche) ent­steht im »mo­der­nen« Sub­jekt ei­ne selt­sa­me Lee­re. Man kann zei­gen, wie par­al­lel zum Be­deu­tungs­schwund der Re­li­gio­nen die Tech­ni­fi­zie­rung und der Glau­be an die Na­tur­wis­sen­schaf­ten fort­schritt. Hin­zu kam, dass die Öko­no­mi­sie­rung der Welt das Heil im Dies­seits ver­sprach – all­zu ver­locken­de Aus­sich­ten.

    Viel­leicht ist – um noch ein biss­chen Öl in das Feu­er um die Dis­kus­si­on über Mo­der­ne und Post­mo­der­ne zu gie­ßen – die Post­mo­der­ne die Epo­che, die auch die­sen dies­sei­ti­gen Trost in der ir­di­schen Re­li­gi­on des Fort­schritts­glau­bens nicht mehr ent­decken kann. Ge­wiss­hei­ten tau­meln in Ab­stän­den von Le­gis­la­tur­pe­ri­oden. Die sä­ku­la­ren Welt­erklä­rungs- und Welt­ret­tungs­mo­del­le funk­tio­nie­ren nicht mehr. Es gibt nur noch Wahr­hei­ten auf Zeit – wo­bei das Schlim­me ist, dass wir die­se Zei­ten er­le­ben. Ir­gend­wann er­scheint nichts mehr wahr – was die Pro­duk­ti­on von My­then und Ver­schwö­rungs­theo­rien an­facht.

    Was bleibt al­so als Trost­ge­ber? Die Kunst? Die Li­te­ra­tur? – Ich hal­te die­sen Ge­dan­ken für zwei­schnei­dig.

  7. Nur als Hinweis...(auf so­was wie ei­nen Got­tes­be­weis)
    Ich bin längst kein »Gläu­bi­ger« der lau­fen­den Er­geb­nis­se der Neu­ro­lo­gie (sie zie­hen meist viel zu schnel­le Schluss­fol­ge­run­gen bzw. Spe­ku­la­tio­nen nach sich). Aber in­ter­es­sant ist wohl doch, dass es in Men­schen­hir­nen ei­ne Art phy­sio­lo­gi­sche Ent­spre­chung zu ei­ner Art me­ta­phy­si­schen oder ei­nem tran­szen­den­ten Ver­mö­gen ge­ben soll.

    Mög­li­cher­wei­se ist es ein Ab­fall­pro­dukt der dis­kre­ten Hirn­ver­ar­bei­tung oder exi­stiert es nur für Ex­trem­fäl­le (sie­he et­wa die Er­lö­sungs- und Licht­tun­nel­ef­fek­te bei kli­nisch Ge­stor­be­nen, die Mög­lich­kei­ten Schmerz aus­zu­blen­den, zu ei­nem Glau­ben, der Ber­ge ver­setzt). Aber es deu­tet auf ein emer­gen­tes, ein per se vor­han­de­nes Po­ten­zi­al. Und da­mit – wie­der­um mög­li­cher­wei­se – auf ein Be­dürf­nis, ein Wir­kungs­mo­ment im Re­gel­kreis, das be­dient wer­den will oder un­will­kür­li­che Ef­fek­te zei­tigt, über de­ren Sin­n­ef­fek­te wir dann rät­seln.

    Wie ge­sagt, das wür­de si­cher nicht al­les er­klä­ren. Aber auch so man­che Äu­ße­rung an mensch­li­chen Be­dürf­tig­kei­ten, im Glau­ben wie im post­mo­der­nen All­tag, er­scheint da­durch wo­mög­lich in ei­nem et­was an­de­ren Licht – schon al­lein, dass wir nach al­len Auf­klä­run­gen die­ser Gott­sa­che nicht ent­kom­men. (Wie man hört, sind so­gar man­che al­le Un­ver­nunft leug­nen­de Wis­sen­schaft­ler »aber­gläu­big«. Aber man se­he auch die star­ken Wir­kun­gen der Wa­ren­äs­the­tik-Pro­fa­ni­en.)

    Und wahr­schein­lich müss­te man auch al­le Neu­ro­lo­gie wie­der­um se­pa­rie­ren von ei­ner Qua­li­tät wie »Trost« – für die wird man si­cher nie­mals ei­ne lo­ka­li­sier­ba­re »Stel­le« im Hirn fin­den wird. Man­che Din­ge sind eben »sy­ste­misch« oder schlicht aprio­risch ge­ge­ben, sind Un­hin­ter­geh­bar­kei­ten un­se­rer »Na­tur«.

    Dass so vie­le so un­ter­schied­li­chen Wahr­hei­ten so fa­na­tisch ver­tei­digt wer­den zeugt je­den­falls von ei­ner star­ken Be­dürf­tig­keit, die un­se­re Ver­nunft viel­leicht zwangs­läu­fig über­steigt? Die Ab­we­sen­heit von Er­klä­run­gen be­zeugt je­den­falls nicht per se ein Nicht­vor­han­den­sein an Sinn. Nach dem Grund­le­gend­sten muss man oft eben län­ger su­chen. Auch in Genf, bei CERN, ha­ben sie da­für Ber­ge ver­setzt – und su­chen und su­chen...

     

  8. iel­leicht sind die­se Bild­nis­se der Neu­ro­bio­lo­gie auch wie­der nur Krücken? Schließ­lich lie­fer­ten auch schon to­te Lach­se ent­spre­chen­de »Hin­wei­se«.

    Der Mensch ist wo­mög­lich nicht in der La­ge, die »Ab­we­sen­heit von Er­klä­run­gen« ein­fach nur hin­zu­neh­men. Er muss sie ent­we­der my­sti­fi­zie­ren oder ver­wis­sen­schaft­li­chen. Aber ir­gend­wann stellt sich dann doch die­ser Über­druss ein, den schon Goe­thes Faust emp­fand. Der konn­te noch mit Me­phi­sto kom­mu­ni­zie­ren. Selbst die­ser Glau­be fehlt uns heu­te.

  9. Da bin ich we­ni­ger pes­si­mi­stisch
    Das mit den to­ten Lach­sen hat­te ich auch ge­le­sen, aber wie al­le Feh­ler und Idio­tis­men – so­gar, scheint’s, die glo­ba­len Fia­nanz­kri­se – ge­hö­ren sol­che Din­ge zur Ver­bes­se­rung des Ge­samt­sy­stems. Im­mer­hin ha­ben mit den neu­ro­lo­gi­schen Er­kun­dun­gen der Hirn­land­schaf­ten man­che Be­hin­der­te er­heb­li­che Le­bens­ver­bes­se­run­gen er­rei­chen kön­nen.

    An­son­sten kann man mit der Kon­stanz der omi­nö­sen ei­ge­nen »Na­tur« im­mer­hin auf ein Qua­si-In­fi­ni­te­si­ma­les set­zen – und das sitzt viel­leicht auch die Pe­ri­oden der Klein­gläu­big­keit aus.

     

  10. Was bleibt al­so als Trost­ge­ber? Die Kunst? Die Li­te­ra­tur?

    Was bleibt? Der Trost ent­hält ein be­ja­hen­des Ele­ment: Man könn­te sa­gen, dass al­les, was uns an un­se­rem Le­ben fest­hal­ten, dar­auf be­har­ren lässt, auch trö­stet. Freu­de oder Lie­be an Tun und Las­sen, ist das nicht schon ge­nug?

    [Oder ein paar Au­gen­blicke »Seins­ver­ges­sen­heit«?]

  11. Viel­leicht noch ei­ne An­mer­kung zu Selbst­mord, bzw. ‑tö­tung, die nicht von mir stammt, aber be­rück­sich­tigt wer­den soll­te: Muss nicht je­de Be­trach­tung, die nur den Selbst­mör­der ein­schließt, fehl ge­hen, weil sie die­sen iso­liert be­trach­tet? Ist sein Mo­ment an Frei­heit, nicht in glei­chem Maß ei­ner des Irr­tums?

  12. @Metepsilonema
    Für die­se Fra­ge emp­feh­le ich wirk­lich Jean Amé­rys »Hand an sich le­gen« hier ei­ni­ge Zi­ta­te; hier ein klei­ner Text von Karl-Mar­kus Gauß; hier et­was vom Ver­lag [das Buch dürf­te es auch als Ta­schen­buch ge­ben]). Ich stim­me mit ihm nicht im­mer über­ein, aber das Buch hat­te mich be­ein­druckt. Es ist im­mer­hin mög­lich, die Selbst­tö­tung als frei­en Akt vor­zu­neh­men. Dem­nach wä­re es die ein­zi­ge »Trö­stung«, wie ja über­haupt der Tod als »Gleich­ma­cher« ei­nen ge­wis­sen Trost bie­ten könn­te.

  13. Dan­ke
    War­um ei­gent­lich nicht, und the­ma­tisch passt es auch gut zu un­se­ren Dis­kus­sio­nen (Dein er­ster Link funk­tio­niert nicht).

    Ja, der Tod trö­stet, er holt über­mensch­lich Er­schei­nen­des wie­der auf die Er­de zu­rück: »Ster­ben müs­sen wir al­le.«

  14. Für die­se Fra­ge emp­feh­le ich wirk­lich Jean Amé­rys »Hand an sich le­gen« hier ei­ni­ge Zi­ta­te; hier ein klei­ner Text von Karl-Mar­kus Gauß; hier et­was vom Ver­lag [das Buch dürf­te es auch als Ta­schen­buch ge­ben]). Ich stim­me mit ihm nicht im­mer über­ein, aber das Buch hat­te mich be­ein­druckt. Es ist im­mer­hin mög­lich, die Selbst­tö­tung als frei­en Akt vor­zu­neh­men. Dem­nach wä­re es die ein­zi­ge »Trö­stung«, wie ja über­haupt der Tod als »Gleich­ma­cher« ei­nen ge­wis­sen Trost bie­ten könn­te.

  15. @Metepsilonema
    Ist sein [des Selbst­mör­ders] Mo­ment an Frei­heit, nicht in glei­chem Maß ei­ner des Irr­tums?

    Ist Frei­heit nicht im­mer ein Irr­tum? Her­aus ei­nes Pa­thos des ge­stei­ger­ten Er­le­ben des Mo­ments? Und wä­re sie das nicht so­gar not­wen­dig, der Irr­tum?

    Über Sui­zid kann (mag) ich nicht spe­ku­lie­ren, weil ich sel­ber nie in ei­ner auch nur na­hen Si­tua­ti­on ge­we­sen bin, mir aber ih­ren Aus­nah­me­cha­rak­ter auch nicht weg­er­klä­ren oder »weg­den­ken« las­sen will. Ir­gend­wie ver­mu­te ich im­mer, hät­te der­je­ni­ge die Ge­le­gen­heit da­zu, müss­te er auch nach sei­nem de­fi­ni­ti­ven Schritt von Be­trach­tun­gen über des­sen Um­schlag in ei­nen Irr­tum, zu­min­dest aber die wie­der­ge­fun­de­ne Be­dingt­heit be­rich­ten.

    (Das pas­siert mir üb­ri­gens auch bei an­de­ren ex­tre­men Din­gen, dass ich ge­wis­se Din­ge lie­ber von der – mir oft eher leicht­sin­nig denn er­hel­lend er­schei­nen­den – Be­schäf­ti­gung da­mit un­be­rührt las­sen will. Des­halb konn­te / woll­te ich Ame­rys »Hand an sich le­gen« da­mals auch nicht zu En­de le­sen: Ich stim­me zu, dass Den­ken Mut ist (L. Hohl) und dass es Über­le­gun­gen hin zu »frei­en Ak­ten« des Han­delns braucht. Aber das Den­ken im Aus­nah­me­zu­stand ist eben per se nicht frei. [Das macht für mich et­wa auch Ernst Jün­ger in sei­nem Ko­ket­tie­ren im »Grand Ho­tel Ab­grund« oft so läp­pisch: So­wohl sei­ne Be­trach­tun­gen wie sei­ne Wor­te da­für wer­den der zu er­le­ben be­haup­te­ten Au­ßer­ge­wöhn­lich­keit gar nicht ge­recht. Au­ßer­dem er­weist er sich dann über­ra­schend oft als ein­fach nur schlech­ter Schrift­stel­ler. Dass sonst so lu­zi­de Köp­fe wie et­wa K.H.Bohrer das nicht se­hen, ver­wun­dert.])

    Dass aus­ge­rech­net der Tod dann ein Trost sein soll (»Der Trost ent­hält ein be­ja­hen­des Ele­ment«), ist, Ver­zei­hung, mir dann auch ei­ne Pi­rou­et­ten­dro­hung zu sehr pa­ra­dox. Aber wo­mög­lich mei­nen Sie hier den »vir­tu­el­len« Be­trach­tungs­punkt, her von ei­nem ab­strak­ten, die Er­lö­sung schon im­pli­zie­ren­den En­de? Der Tod kann dort, egal wie mu­tig die Ge­dan­ken, aber ge­dank­lich noch nicht in­be­grif­fen sein, weil es kei­nen Er­fah­rungs­satz da­für gibt! Dem Tod wird da so­zu­sa­gen al­so et­was un­ter­stellt.

    &nbsp

  16. @en-passant – Tod als Trost
    Der Tod ist DER Gleich­ma­cher – hier­in liegt in mei­nen Au­gen sein trö­sten­des Ele­ment. Das ist na­tür­lich sehr ru­sti­kal und viel­leicht ein »fau­ler Trost«. Es für sich ver­ge­gen­wär­ti­gen, ihn min­de­stens sel­ber her­bei­füh­ren zu kön­nen, kann durch­aus ei­ne Kraft be­deu­ten und frei­set­zen. Die Frei­heit wä­re dann, es nicht zu tun – nicht aus ei­nem fah­len Pflicht­be­wusst­sein her­aus (Kant), son­dern im Wis­sen um die Au­to­no­mie der Ver­wei­ge­rung. (Auch ich bin bis­her nie in die Si­tua­ti­on ge­kom­men, in der ein Frei­tod at­trak­tiv ge­we­sen wä­re. Frech for­mu­liert könn­te man sa­gen: Ich bin nicht re­li­gi­ös ge­nug, um so et­was zu tun [na­tür­lich wür­de Amé­ry das nicht gel­ten las­sen].)

    Und na­tür­lich kann man über den Tod nicht aus ei­ner Er­fah­rung her­aus re­den. Aber auch über an­de­re me­ta­phy­si­sche Din­ge las­sen sich kei­ne Er­fah­rungs­sät­ze ab­lei­ten; es bleibt al­les – so­zu­sa­gen – Un­ter­stel­lung.

  17. @en-passant/Gregor
    Ich mein­te nicht, dass Frei­heit ein Irr­tum wä­re, ob­wohl man das so se­hen kann, son­dern, dass ei­ne Über­mäch­tig­keit (von Ein­drücken, Din­gen, Ge­scheh­nis­sen), die man selbst nicht sieht oder über­ge­hen kann, ei­nen frei ge­wähl­ten Ent­schluss irr­tüm­lich er­grei­fen las­sen (kön­nen). Das kann nun an der ei­ge­nen Perspektivität/Erfahrung lie­gen oder an der Be­dingt­heit der Über­mäch­tig­kei­ten. Ich möch­te sa­gen, dass Frei­heit Irr­tum nicht aus­schließt: Ein frei­er Ent­schluss kann auf ei­nem Irr­tum be­ru­hen. Und Frei­heit schließt Be­dingt­heit nicht aus, ja oh­ne Be­dingt­heit wä­re sie gar nicht mög­lich (und al­les zu­fäl­lig). (Die Fra­ge ist auch wie sehr das Er­geb­nis der Be­trach­tung und Re­fle­xi­on be­dingt sein kann.)

    Wenn ich nach reif­li­cher Über­le­gung kei­ne le­bens­wer­te Zu­kunft mehr er­war­te und be­schlie­ße aus dem Le­ben zu schei­den, kann das ein frei­er Ent­schluss ge­we­sen sein. Er kann aber auf ei­nem Irr­tum be­ru­hen, weil nur mei­ne Per­spek­ti­ve im Spiel ge­we­sen ist. Ein an­de­rer hät­te un­ter Um­stän­den und mit Leich­tig­keit auf et­was ver­wei­sen kön­nen, was mich ge­hal­ten hät­te (ich ha­be mich auch nie mit dem Ge­dan­ken frei­wil­lig aus dem Le­ben zu ge­hen „auf­ge­hal­ten“, was ich aber ken­ne, sind Si­tua­tio­nen, die sich auf ei­ne be­stimm­te Art und Wei­se dar­stel­len; nach ei­ni­ger Zeit oder durch an­de­re Er­eig­nis­se be­dingt, er­kennt man aber, dass ein an­de­res Bild tref­fen­der ge­we­sen wä­re).

    Der Tod als Trost, weil er uns – wie Gre­gor schon schrieb – gleich­macht (ja: ru­sti­kal). Ein Leib­ei­ge­ner konn­te sich sa­gen: Auch Adel und Kle­rus zer­fal­len zu Staub. Die­ser Ge­dan­ke trö­stet, weil er das was ei­nen über­ragt zer­stört oder zu­min­dest be­schä­digt und da­durch am/im Le­ben hält (das wä­re dann das be­ja­hen­de Ele­ment).

  18. Der Tod ist DER Gleich­ma­cher – hier­in liegt in mei­nen Au­gen sein trö­sten­des Ele­ment.

    Das ha­ben Sie gut ge­sagt – so ähn­lich ha­be ich das jetzt selbst er­le­ben müs­sen...
    (http://phorkyas.wordpress.com/2011/04/15/llego-la-muerte-por-fin/ ‑wenn das in Ord­nung ist- und auch ei­ner der Grün­de war­um ich mich hier raus­ge­hal­ten ha­be.. die an­de­ren ver­su­che ich ein­mal an­zu­deu­ten: mir ist die­se To­des­ar­ten-Be­find­lich­keit oft zu­wi­der, die­se Sti­li­sie­rung als Un­glück­li­che, Le­bens­un­fä­hi­ge {auch wenn mir das in Ma­ni­la schon wie­der schlüs­sig er­schien}.. Da geht es mir wie Herrn Stein: »Ir­gend­wo ha­be ich ge­le­sen, das Wort »To­des­ar­ten« sei in sich falsch. Es müs­se »Ster­be­ar­ten« hei­ßen« http://turmsegler.net/tag/ingeborg-bachmann/ – lei­der steht dort nicht die Quel­le und ich weiß sie auch nicht.. und es ist si­cher nicht rich­tig Bach­manns Pro­sa und Poe­sie dann un­ter Ge­ne­ral­ver­dacht zu stel­len, aber es hat bei mir doch ei­ne ge­wis­se Di­stan­zie­rung be­wirkt...)

  19. @Phorkyas / Sti­li­sie­rung
    Viel­leicht ist die Bach­mann – nicht zu­letzt durch die Art ih­res To­des – zu ei­ner Art sa­kro­sank­ten Iko­ne ge­wor­den. Man hat ja ih­re de­kla­ma­to­risch-pa­the­ti­sche Stim­me im­mer gleich mit im Ohr, wenn man ih­re Ge­dich­te liest. Und wenn man sich erst ein­mal dar­auf ein­ge­las­sen hat, kann man sich sehr schön der Schwer­mut hin­ge­ben. Und es mag ja wirk­lich so sein, dass sie ihr Le­ben höchst sti­li­siert hat­te, so dass dann von den Ex­ege­ten die Ver­wechs­lung zwi­schen Werk und Le­ben zu all­zu wil­lig be­trie­ben wur­de.

    Und mag sein, dass der »Gleich­ma­cher« Tod auch wie­der nur ein bil­li­ger Trost ist, der im An­ge­sicht der Rea­li­tät – dem Ver­lust ei­nes lieb­ge­wor­de­nen Men­schen – zur lä­cher­li­chen Phra­se mu­tiert, weil man für DIESEN Men­schen dann nicht »gleich«-gültig emp­fin­det.

    Merk­wür­dig, wie schlei­chend die­ser Pro­zess da­her­kommt, wenn in den Nach­rich­ten, in Re­por­ta­gen, Es­says oder wis­sen­schaft­li­chen Pu­bli­ka­tio­nen plötz­lich von Pro­gno­sen in zwan­zig, drei­ßig oder noch mehr Jah­ren die Re­de ist, so­fort ab­zu­wä­gen, ob die­se In­for­ma­ti­on noch von Re­le­vanz für ei­nen selbst ist bzw. sein wird. Hier wird das Wis­sen um die End­lich­keit der ei­ge­nen Exi­stenz in Ver­bin­dung mit dem ab­so­lu­ten Dies­sei­tig­keits­glau­ben zum Hemm­nis für das, was man ge­mein­hin Nach­hal­tig­keit nennt. Sä­ku­la­re Ge­sell­schaf­ten kom­men nicht mehr auf die Idee, Ka­the­dra­len zu bau­en, die vor­aus­sicht­lich erst in 200 oder 300 Jah­ren fer­tig sind. Al­len­falls ih­re Müll­pro­duk­ti­on hin­ter­las­sen sie noch den »Er­ben«.

  20. @ »To­des­ar­ten« vs »Ster­be­ar­ten«
    Die­se Un­ter­schei­dung wä­re wohl rich­tig. Und da­mit ist man gleich bei Bach­mann. Die näm­lich gar nicht mehr so sa­kro­sankt ist, wenn man neue­ren Ly­rik-Theo­re­ti­kern glaubt. (Und es gibt ei­ne ein­drucks­vol­le »Ab­rech­nung« mit ihr als Wor­te-Schlam­pe­rin von Eve­lyn Schlag, lei­der nicht on­line – die hat­te mir im Le­sen sei­ner­zeit sehr zu den­ken ge­ben und mein Bach­mann-Bild auch ziem­lich un­ter­mi­niert: Heu­te se­he ich, wenn al­te Do­kus mit ih­ren Le­sun­gen lau­fen, doch sehr ih­re Po­se.)

    Aber das führt – mit dem Ver­weis auf den »Zu­mut­bar­keits-Satz« von ihr zu noch et­was an­de­rem. Es gibt ja, zu­erst bei Schle­gel, wenn ich mich rich­tig er­in­ne­re, den Hin­weis auf das un­auf­lös­ba­re »Dar­stel­lungs­pro­blem« der Wahr­heit, ei­ner fun­da­men­ta­len Dif­fe­renz zwi­schen ei­ner »ei­gent­li­chen« Sa­che und den Mög­lich­kei­ten der Spra­che sie kor­rekt zu rer­ä­sen­tier­ten. Im­mer wird es ei­nen Rest an Un­dar­stell­bar­keit ge­ben, und die­ser Rest sei kon­sti­tu­tiv für die mensch­li­che Re­de: Sie er­zeugt al­so so­wohl die Not­wen­dig­keit, nach Aus­drücken der Wahr­heit zu su­chen, wie sie zu­gleich an­dau­ernd auf die Un­mög­lich­keit trifft, ei­ne all­seits gül­ti­ge, ge­schwei­ge denn fi­na­le Form da­für zu fin­den.

    Ei­gent­lich ist das mit den »wah­ren Sät­zen« un­mög­lich. Aber das hält da­für die Su­che da­nach am Lau­fen (und die wahr­heits-be­dürf­ten Sub­jek­te). Und Bach­mann muss das (nicht nur als Ly­ri­ke­rin) ge­wusst ha­ben.

    Viel­leicht ist es nicht nur ei­ne Poin­te, wenn man von da­her ver­mu­tet, sie sei in der Welt letzt­lich un­tröst­lich ge­we­sen. Und da­mit wä­re man wie­der bei ei­ner ge­wis­sen »dunk­len« Ob­ses­si­on bei ihr, was Spra­che und Le­ben an­ging, die letzt­lich in ihr To­des­ar­ten-Pro­jekt mün­de­te. (Aber das ist na­tür­lich arg ver­ein­facht.)

  21. Selbst­mord und Post­mo­der­ne
    Die Post­mo­der­ne ist viel­leicht da­durch cha­rak­te­ri­siert, dass es kein Au­ßen mehr gibt. Kei­nen Ort jen­seits des Ta­ges­ge­schäfts. (Mir scheint, dass die ge­gen­wär­tig zu be­ob­ach­ten­den Le­bens­pra­xen die­sen Be­fund decken. Die Job­wer­dung des Pri­va­ten, die Pri­vat­wer­dung des Ge­schäft­li­chen, bei­spiels­wei­se. Das sind ja al­les To­tal­mo­del­le, die auf Un­ter­schieds­lo­sig­keit set­zen.) Da­her aber gibt es auch kei­ne sinn­vol­le Per­spek­ti­vie­rungs­mög­lich­keit mehr. Bei­spiels­wei­se ei­nen Ewig­keits­stand­punkt. Tran­szen­denz. Me­ta­phy­sik. War ja al­les auf ein Au­ßen be­zo­gen ... heu­te al­les ge­stürzt. Wir stecken im Treib­sand der Din­ge. Und kön­nen nur ver­su­chen, nicht gänz­lich zu ver­sin­ken. Letzt­lich nimmt das dem Selbst­mord na­tür­lich auch sei­ne Wür­de. Er führt uns in kein Au­ßen mehr – das wur­de ja abgeschafft.Er ist le­dig­lich ein Aus­schal­ten des Fern­seh­pro­gramms. Die Off-Ta­ste.

    [EDIT: Aus Grün­den der Über­sicht­lich­keit in der Kom­men­tar­struk­tur wur­de der Zeit­punkt des Kom­men­tars ge­än­dert. Die Ori­gi­nal-Da­ten lau­ten: 2011-05-17 11:36]

  22. Ja, die­se räum­li­che Be­trach­tung ist sehr in­ter­es­sant. Nur: War­um neh­men wir das Stecken im »Treib­sand der Din­ge« als Fa­tum hin?

    [EDIT: Aus Grün­den der Über­sicht­lich­keit in der Kom­men­tar­struk­tur wur­de der Zeit­punkt des Kom­men­tars ge­än­dert. Die Ori­gi­nal-Da­ten lau­ten: 2011-05-19 08:12]

  23. Sind wir al­so in Ador­nos To­ta­li­tät an­ge­kom­men? – Vie­les lie­ße sich da­mit so gut in­ter­pre­tie­ren, bzw. klingt es bei Ih­nen ähn­lich.
    (Was ich sehr schön fin­de ist, dass Sie es räum­lich fas­sen – dass ich selbst noch nicht dar­auf ge­kom­men bin – Me­ta­phy­sik wä­re ein Au­ßen­raum, den wir nun ab­ge­schafft ha­ben, und nun sind wir auf ewig in uns­rem im­ma­nen­ten In­nen­raum ge­sperrt,.. bis viel­leicht end­lich ein Zeit­al­ter grö­ße­rer me­ta­phy­si­scher Ge­las­sen­heit her­an­zieht, in wel­chem man dann un­se­re Epo­che mil­de lä­chelnd als die­ses dü­ste­re, zer­stö­re­risch-ir­ra­tio­na­le, zum Glück über­wun­de­ne Zeit­al­ter der Wis­sen­schaft be­zeich­nen könn­te... {Un­ser Den­ken orientiert(sic!) sich viel­leicht sehr oft in räum­li­chen Ka­te­go­rien} – )

    [EDIT: Aus Grün­den der Über­sicht­lich­keit in der Kom­men­tar­struk­tur wur­de der Zeit­punkt des Kom­men­tars ge­än­dert. Die Ori­gi­nal-Da­ten lau­ten: 2011-05-18 09:15]

  24. ... Daß »un­se­re Kraft wei­ter reicht als un­ser Un­glück« ist, falls es ei­ne Wahr­heit gibt, nicht nur ei­ne sub­jek­ti­ve, weiß ich. Und ich spü­re dies tag­ein tag­aus. Und bin im­mer noch er­staunt dar­über. Wenn ich mich im tief­sten Un­glück am En­de wäh­ne, spü­re ich gleich­zei­tig Kraft in mir, die ich dann ver­wün­sche. Denn die­ses am­bi­va­len­te Ge­fühl ge­fällt mir nicht. Doch macht es mich in der näch­sten Se­kun­de wie­der furcht­bar glück­lich, die­se kräf­ti­gen­de Le­bens­en­er­gie zu spü­ren, die so de­plat­ziert er­scheint in all mei­nem Un­glück. Weil ich glau­be, das Un­glück schnel­ler über­win­den zu kön­nen, wenn ich kei­ne Kraft mehr spü­re. Kraft im Un­glück ist un­ge­fähr zu pro­duk­tiv wie Blei an den Fü­ßen vorm Ma­ra­thon. ...

    ... Wahr­heit ist nicht zu­mut­bar. Der Mensch be­sitzt nicht den Mut zur Wahr­heit. Kommt ei­ner mit Wahr­heit, wird die­se ver­leug­net. Macht sich ei­ner für Wahr­heit stark, er­scheint er als hy­ste­ri­scher Lüg­ner. Das Gro Men­schen will die Wahr­heit nicht. Wahr­heit wol­len, be­deu­tet sich Ge­dan­ken ma­chen wol­len, sich Aus­ein­an­der­set­zen wol­len mit Un­be­que­mem. Will ei­ner ehr­lich sein, glaubt man ihm nicht. Wahr­heit ist nicht er­wünscht in die­ser Ge­sell­schaft. Sie stört. ...

    [EDIT: Aus Grün­den der Über­sicht­lich­keit in der Kom­men­tar­struk­tur wur­de der Zeit­punkt des Kom­men­tars ge­än­dert. Die Ori­gi­nal-Da­ten lau­ten: 2011-05-19 13:49]

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  26. Das Es­say ge­fällt mir sehr gut. Al­ler­dings kann ich mit dem Be­griff der Wahr­heit nicht mehr um­ge­hen.
    Vor kur­zem ha­be ich mich fürch­ter­lich auf­ge­regt, als in ei­nem tech­ni­schen Fach­buch der Be­griff »sin­gle source of truth« las.
    Wahr­heit kann ich am ehe­stens noch ver­ste­hen, wenn ich »Gebt mir ei­nen ein­zi­gen fe­sten Punkt und ich wer­de die Welt aus den An­geln he­ben.« als Be­zugs­punkt ei­ner sehr, sehr punk­tu­el­len Wahr­heit an­se­he.
    Am ehe­sten kann ich noch den Be­griff ei­ner sub­jek­ti­ven Wahr­heit ak­zep­tie­ren, aber es wird ja mit dem Be­griff Wahr­heit ge­nau die­sel­be ge­leug­net. Und dann wä­re die Wahr­heit auch nur das Pro­dukt des wahr Ge­nom­me­nen. Und nicht das »Da fährt die Ei­sen­bahn drü­ber!«
    Und so wie das Bei­spiel mit dem Selbst­mör­der zwar an­schau­lich ist, so er­hebt sich doch die Fra­ge: ».....« Nein, die­se Fra­ge schrei­be ich nicht mehr.

  27. Ich bin da in ei­nem Zwie­spalt, den ich (noch) nicht lö­sen kann: Ge­be ich je­de über­per­sön­li­che »Wahr­heit« (Er­zäh­lung) auf, dann wird al­les be­deu­tungs­los, bis ich mich letzt­lich selbst auf­lö­se.; au­ßer­dem scheint mir im Um­gang mit an­de­ren ir­gend­ei­ne Krücke not­wen­dig, schon aus ganz simp­len ethi­schen Über­le­gun­gen.

    Viel­leicht kann man sich mit ei­ner Art dis­kur­si­ven Ver­bind­lich­keit hel­fen, aber ich weiß es nicht.