Ga­brie­le Ried­le: In Dschun­geln. In Wü­sten. Im Krieg.

Gabriele Riedle: In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg.

Ga­brie­le Ried­le: In Dschun­geln.
In Wü­sten. Im Krieg.

In Ni­co­las Borns Ro­man »Die Fäl­schung« von 1979 sitzt der Re­por­ter La­schen, der vom li­ba­ne­si­schen Bür­ger­krieg be­rich­tet, täg­lich zu­sam­men mit an­de­ren Jour­na­li­sten in ei­nem Ho­tel und sor­tiert die je­wei­li­gen Pres­se­mit­tei­lun­gen der Kriegs­par­tei­en. Der Pu­bli­ka­ti­ons­druck zwingt ihn Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­al zu le­sen, Fo­tos zu ma­chen, In­ter­views zu füh­ren, un­zu­ver­läs­si­ge Au­gen­zeu­gen zu be­fra­gen. Für Orts­ter­mi­ne au­ßer­halb des Schutz­raums Ho­tel sind die Jour­na­li­sten auf zu­ver­läs­si­ge Über­set­zer und vor al­lem das Good­will der je­wei­li­gen War­lords und de­ren Schutz an­ge­wie­sen. Da­bei weiß La­schen, dass er im­mer droht, von ei­ner Sei­te ver­ein­nahmt zu wer­den und doch ver­sucht er, so et­was wie die Wirk­lich­keit ein­zu­fan­gen.

Jo­r­is Luy­en­di­jk, Ara­bist und Kor­re­spon­dent des nie­der­län­di­schen Fern­se­hens von 1998 bis 2003, be­schrieb 2007 in sei­nem Buch »Wie im ech­ten Le­ben« des­il­lu­sio­niert die Un­mög­lich­keit ei­ner auch nur halb­wegs ob­jek­ti­ven Be­richt­erstat­tung. Der Re­por­ter wür­de zer­rie­ben zwi­schen der Pro­pa­gan­da der un­ter­schied­li­chen Par­tei­en. Von sei­nen Auf­trag­ge­bern blieb im­mer we­ni­ger Raum für die aus­führ­li­che Dar­stel­lung von Kon­flikt­li­ni­en; es galt, die schnel­le, knal­li­ge Schlag­zei­le zu lie­fern. Kom­ple­xe Sach­ver­hal­te wer­den ein­ge­dampft. Die Ent­schei­dung, was ge­sen­det, was wie ge­druckt wird, tref­fen an­de­re.

Wei­te­re Krie­ge und ein paar Di­gi­tal­me­di­en wei­ter las­sen Kriegs- und Kri­sen­be­richt­erstat­ter als die letz­ten Aben­teu­rer der Welt neu auf­fri­schen. Der­weil sich die ein­sti­gen Print­re­por­ter im­mer mehr dar­auf ver­le­gen, ih­re Er­leb­nis­se in ei­nen fik­tio­na­len Text zu trans­for­mie­ren. Sie chan­gie­ren häu­fig zwi­schen Ver­mächt­nis, Hel­den­ge­schich­te, Me­lan­cho­lie oder Re­si­gna­ti­on über die Schlecht­heit der Welt und die Un­be­lehr­bar­keit der Men­schen. Manch­mal schwingt noch das Be­dürf­nis mit, ei­nen Schlüs­sel­ro­man zu schrei­ben, um die Neu­gier des Re­zi­pi­en­ten auf Me­di­en­in­ter­na zu len­ken, so­fern die ent­spre­chen­den Prot­ago­ni­sten be­kannt ge­nug sind.

Schrei­ben »kön­nen« die­se Leu­te na­tür­lich, aber ist das dann auch im­mer Li­te­ra­tur? Die Re­dak­teu­rin und »GEO«-Reporterin Ga­brie­le Ried­le (sie pu­bli­zier­te auch in an­de­ren Me­di­en) legt bei der »An­de­ren Bi­blio­thek« mit »In Dschun­geln. In Wü­sten. Im Krieg.« jetzt eben­falls ei­nen Ro­man vor. Er trägt die li­sti­ge Gen­re­bezeich­nung »ei­ne Art Aben­teu­er­ro­man«. Ried­le, 1958 ge­bo­ren, »ver­öf­fent­lich­te viel­fach aus­ge­zeich­ne­te Re­por­ta­gen von al­len Kon­ti­nen­ten, vor al­lem aus Kri­sen und Kon­flikt­ge­bie­ten zwi­schen Af­gha­ni­stan und Li­by­en, Dar­fur und Tsche­tsche­ni­en« – so heißt es in der Ver­lags­vor­stel­lung. Ih­re letz­te Buch­pu­bli­ka­ti­on war ein Ro­man, »der ge­mein­sam mit Vik­tor Jero­fe­jew ent­stand«.

Ich muss zu Be­ginn be­ken­nen, dass mir we­der die Re­por­ta­gen noch die vor­he­ri­gen Ro­ma­ne von Frau Ried­le be­kannt sind. Da­her weiß ich nicht, ob der Stil des Dschungel‑, Wü­sten- und Kriegs­buchs ty­pisch für die Au­torin ist oder ob er für die­ses Buch er- bzw. ge­fun­den wur­de. In je­dem Fall ist er un­ge­wöhn­lich. Von (ehe­ma­li­gen) Re­por­tern ist man an­de­res ge­wohnt (sie­he oben). Das macht zu­nächst ein­mal neu­gie­rig.

Es schreibt ei­ne na­men­los blei­ben­de Ich-Er­zäh­le­rin in el­lip­ti­schen, lan­gen, bis­wei­len psal­mo­die­ren­den Sät­zen, die na­tur­ge­mäß zu­nächst an Tho­mas Bern­hard er­in­nern, be­vor man dann spä­ter an die ma­gi­schen Rea­li­sten den­ken muss, und schließ­lich bei ei­nem neu­en Gen­re, den man viel­leicht »bit­te­rer Rea­lis­mus« ren­nen könn­te, lan­det. Sie er­zählt aus Af­gha­ni­stan, Li­by­en, Li­be­ria, Port Mo­res­by (Pa­pua-Neu­gui­nea), La­gos, der mon­go­li­schen Wü­ste oder In­gu­sche­ti­en. Oft ist sie in Be­glei­tung von Fo­to­gra­fen, die hin­ter lu­sti­gen Pseud­ony­men gleich wie­der ver­schwin­den. Wenn ein­hei­mi­sche Dol­met­scher da­bei sind pral­len die Wel­ten auf­ein­an­der. Es kann schon ein­mal sein, dass der Über­set­zer kei­ne Lust hat oder man be­kommt nachts in der Wü­ste Go­bi er­klärt, wie es bin La­den, der Held, ein neu­er Dschin­gis Khan, »den Ame­ri­ka­nern ge­zeigt« ha­be. Das war na­tür­lich vor des­sen Er­mor­dung, auf die Ried­le auch ein­geht, auf das Auf­spü­ren im idyl­li­schen Ab­bot­ta­bad, ih­rer An­schau­ung nach ei­ne Art Klein­wal­ser­tal Pa­ki­stans und dann ist da das Fo­to mit Oba­ma und Clin­ton, aber was sie da­von hält, kann der Le­ser ja nach­le­sen.

Nein, ein Schlüs­sel­loch­ro­man ist das nicht, ob­wohl an­dau­ernd von ei­nem Chef­re­dak­teur die Re­de ist, von des­sen Phra­sen­dre­sche­rei, Trend­su­che und Um­trie­big­keit. Rasch wird deut­lich, dass es (ver­mut­lich) nicht de­zi­diert ein Chef­re­dak­teur ist, son­dern – drun­ter geht’s nicht – die ge­sam­te (Print-)Branche ge­spie­gelt wer­den soll, von »Ham­burg und Man­hat­tan« wie es so oft heißt. Ei­ne Bran­che, die auf­grund sin­ken­der Auf­la­gen fast ver­zwei­felt dem In­fo­tain­ment-Zeit­geist hin­ter­her­jagt be­vor die Re­por­ter die Brenn­punk­te hin­ein ge­jagt wer­den. Bis dann die Re­vo­lu­ti­on die Kin­der frisst, »der Chef­re­dak­teur [ist] nicht mehr der Chef­re­dak­teur, son­dern viel­mehr nie­mand, über­nom­men hat­ten die Eis-En­ten aus der An­zei­gen­ab­tei­lung« (fra­gen Sie nicht, was »Eis-En­ten« sind – ich weiß es nicht).

Ne­ben der sich un­ab­läs­sig um sich sel­ber krei­sen­den Ich-Er­zäh­le­rin ist Tim, ein bri­ti­scher Fo­to­graf, die zwei­te Haupt­fi­gur des Ro­mans. Er spielt auch in den Ge­bie­ten, in dem sie nicht mit ihm ar­bei­te­te, ei­ne Rol­le. Tim wur­de 40jährig 2011 in Mis­ra­ta im li­by­schen Bür­ger­krieg er­mor­det, re­gel­recht zer­fetzt, wie es heißt, von ei­ner Gra­na­te, von wem auch im­mer (ver­mut­lich von ei­nem Gad­da­fi-treu­en Mi­li­zio­när). Der Nach­na­me wird im Buch nicht ge­nannt, aber es han­delt sich um Tim He­the­ring­ton. Und so ganz kann Ried­le nicht ver­hin­dern, dass da die­ser Hel­den­my­thos zwi­schen den Zei­len doch wie­der her­vor­kriecht, ein My­thos, den sie ei­gent­lich ver­ab­scheut, zum Bei­spiel wenn sie sich an Pe­ter Ar­nett ab­ar­bei­tet, den sie in Ka­bul ken­nen­lernt, die (im­mer­hin noch le­ben­de) Le­gen­de, die, wie es scheint, auf Dä­chern schläft, um dort je­der­zeit ei­ne sei­ner be­rühm­ten Live-Schal­tun­gen ab­set­zen zu kön­nen. Er bie­tet ihr so­gar non­cha­lant an, ihr, der Deut­schen, ein paar Tips zu ge­ben, zu er­klä­ren, wie die Re­por­ter­welt so funk­tio­niert. Aber das macht sie na­tür­lich nicht, weil die deut­sche Re­por­te­rin na­tür­lich ir­gend­wie an­ders oder bes­ser ist und so wei­ter.

Die Ich-Er­zäh­le­rin des Ro­mans scheint wei­te Strecken im Buch im­mer noch un­ter Schock über Tims Tod zu ste­hen; sie er­zählt von ei­nem Ein­satz mit ihm in Li­be­ria, sei­ner Zu­rück­hal­tung, der Art und Wei­se, wie er mit ei­ner »gänz­lich un­zeit­ge­mä­ßen ana­lo­gen Mit­tel­for­mat­ka­me­ra« fo­to­gra­fier­te und sei­nem Wunsch, sich bald in La­gos nie­der­zu­las­sen, die­ser Stadt be­stehend aus »Mu­sik, Ge­glit­zer und Ge­stank«, wo­bei es fas­sungs­los macht, war­um in La­gos, denn dort war Ried­le bzw. die Er­zäh­le­rin eben­falls und die­se Er­zäh­lun­gen sind sehr pla­stisch und we­nig an­ge­tan, dass man La­gos als Aus­wan­der­er­ziel ins Au­ge fas­sen wür­de, aber sie hat ihn nie da­nach ge­fragt und jetzt ist es zu spät.

Als sich die Er­zäh­le­rin in In­gu­sche­ti­en, ei­ner au­to­no­men, zur Rus­si­schen Fö­de­ra­ti­on ge­hö­ri­gen Re­pu­blik im Nord­kau­ka­sus auf­hält, fo­kus­siert sie sich auf die le­bens­lu­stig-shop­ping­süch­ti­ge Aischa, die Frau des Groß­i­mam, der bei ei­nem An­schlag »ei­nen Un­ter­schen­kel, zwei Fin­ger und ein Au­ge« ver­lo­ren hat­te, aber, so wird klar­ge­stellt, »es war noch ge­nug von ihm üb­rig für wei­te­re über­flüs­si­ge Re­den vom Frie­den«. Die Fa­mi­lie lebt in der Dorf­haupt­stadt Ma­gas ab­ge­schot­tet vom Rest des Lan­des der »In­gu­schi­n­nen und In­gu­schen«, von de­nen zu be­rich­ten ist, dass sie »in­zwi­schen ein Volk von Me­cha­ni­ke­rin­nen und Me­cha­ni­kern be­zie­hungs­wei­se von Gren­ze­rin­nen und Gren­zern ge­wor­den« wa­ren (so viel sinn­los ver­schwen­de­te Drucker­schwär­ze muss heu­te wohl sein). Aischa hat ein Fern­ziel und das heißt Mos­kau und da­her wird die zur »fe­mi­ni­stisch-is­la­mi­sti­sche Völ­ker­ver­stän­di­gung zwi­schen dem Nord­kau­ka­sus und Ber­lin« iro­ni­sie­rend hoch­ge­jazz­te Freund­schaft, die sich in frei­täg­li­chen On­line­mee­tings zeig­te, nicht lan­ge hal­ten, denn plötz­lich ist Aischa weg »so wie al­le, mit de­nen ich mich je­mals ir­gend­wo ver­schwe­stert hat­te, ir­gend­wann wie­der weg wa­ren, so un­ver­mit­telt, wie sie er­schie­nen wa­ren, sie war ver­schwun­den nach Mos­kau oder ins Pa­ra­dies, oder ein­fach in ihr ei­ge­nes Le­ben, in dem es schon ge­nü­gend gab, die auf sie ein­re­de­ten, und das noch lan­ge dau­ern moch­te, hof­fent­lich.« Ja, das Le­ben ist schwer.

Je mehr man liest, um so deut­li­cher wird in die­sen auf­tür­men­den, re­pe­ti­ti­ven Hy­po­ta­xen­ge­bil­den das Ver­lan­gen, die Welt (die ein­sti­ge Welt) aus der Rück­schau noch ein­mal und zwar an­ders als bis­her zu »er­zäh­len, be­rich­ten, rhap­so­die­ren, de­li­rie­ren, tre­mo­lie­ren«, weil der zeit­li­che Ab­stand an­de­re Sicht­wei­sen her­vor­bringt bzw. her­vor­brin­gen soll. Aber ir­gend­wann hat man das Ge­fühl, dass sich die Mo­ti­ve wie ei­ne Lei­er wie­der­ho­len und ich möch­te der Au­torin zu­ru­fen: ja, ich ha­be ver­stan­den. Ich ha­be ver­stan­den, dass Pe­ter Ar­nett für Sie ein Arsch­loch ist und das ame­ri­ka­ni­sche »Jungs« im­mer »picke­lig« sind. Ich ha­be ver­stan­den, das Tim in eng­li­scher Er­de be­gra­ben wur­de, was er ge­nau nicht woll­te. Ich ha­be ver­stan­den, dass es »Afro­po­li­ta­ins« gibt, die zwi­schen »La­gos und Lon­don, Da­kar und Pa­ris, Ac­cra und Ham­burg, Nai­ro­bi und Ber­lin, Mo­ga­di­schu und Min­nea­po­lis« pen­deln (oh­ne je­mals von der Re­por­te­rin zu er­fah­ren, wo­von die­se Men­schen ei­gent­lich ih­ren Kos­mo­po­li­tis­mus be­zah­len, aber viel­leicht ist so viel In­for­ma­ti­on dem Le­ser nicht zu­zu­mu­ten). Ich ha­be ver­stan­den, dass Sie, Er­zäh­le­rin, schwan­ken zwi­schen ih­rem »west-öst­li­chen Di­van« zu Hau­se in Ber­lin und der wei­ten, per­ver­sen, ge­walt­tä­ti­gen Welt und dass sie den Chef­re­dak­teur bzw. das Chef­re­dak­teurs­we­sen has­sen, aber eben auch nichts Bes­se­res ken­nen, au­ßer den Po­sten als »Sitz­re­dak­teur im Feuil­le­ton«, wo sie einst sel­ber mit »Hals­ket­ten und Pumps« sa­ßen »und wo man sich aus­kann­te im Land des Mah­di, in den Schluch­ten des Bal­kan so­wie an al­len He­gel­plät­zen nah und fern, und je­der­zeit fan­den sich die groß­ar­tig­sten Wor­te«, aber bei Tim, da ist »das Blut lei­der echt.«

Wird die Qua­li­tät ei­nes Be­richt­erstat­ters am Blut­zoll ge­mes­sen? War­um al­so das al­les? Wel­chen Ein­fluss hat der Kriegs­re­por­ter auf die öf­fent­li­che Mei­nung, d. h. wur­de, wie Leu­te wie Ar­nett be­haup­ten, der Viet­nam-Krieg tat­säch­lich durch die Be­richt­erstat­tung be­en­det (was Un­sinn ist) oder nur de­le­gi­ti­miert, in­dem die Ver­feh­lun­gen der ei­ge­nen Ar­mee do­ku­men­tiert wur­den (eher wahr­schein­lich)? Aber noch ei­ne an­de­re Ge­fahr droht: Der Re­por­ter La­schen aus Borns Ro­man be­klag­te, ab­zu­stump­fen und »zu ei­nem emp­fin­dungs­lo­sen Mon­strum« zu wer­den. Ähn­li­che Be­fürch­tun­gen liest man auch in den Re­tro­spek­ti­ven der Ich-Er­zäh­le­rin aus Ried­les Buch. Es sind die Rou­ti­nen, die den Blick auf das Grau­sa­me und Un­ge­heu­re­re mit der Zeit ge­wöhn­lich ma­chen. Sie sin­niert mit den Mit­teln der Li­te­ra­tur die Ein­drücke aus ih­ren Rei­sen, über­legt wie sie einst »von den Ab­fall­hau­fen der Wirk­lich­keit […] ei­nen wahr­heits­ge­mä­ßen Be­richt« ver­fass­te. In Li­be­ria schließ­lich er­kennt sie »längst nicht mehr so ge­nau« zu wis­sen, »was der rich­ti­ge Weg war, in die­ser Hin­sicht eben­so we­nig wie in je­der an­de­ren, für Li­be­ria, für uns selbst, für wen auch im­mer…«

Wo­bei sich die Fra­ge stellt, in­wie­fern ein Be­richt­erstat­ter ei­nen wie auch im­mer ge­ar­te­ten »rich­ti­gen Weg« ken­nen und/oder ver­mit­teln soll­te, zu­mal es ein­mal heißt: »[W]ir soll­ten ein­fach im­mer nur sa­gen, was ist, und na­tür­lich soll­ten wir da­bei an die Le­ser den­ken«. Aug­stein-Spruch und zu­gleich Le­ser­ver­hal­ten zu an­ti­zi­pie­ren, Rück­sich­ten zu neh­men (wor­auf? Trig­ger­war­nun­gen aus­spre­chen?). Je­des für sich schwie­rig, zu­sam­men ei­ne Un­mög­lich­keit, un­auf­lös­ba­rer Wi­der­spruch.

Der in or­na­men­tal-hy­per­bo­li­schem Duk­tus ver­fass­te Ro­man ver­deckt für ei­ne ge­wis­se Zeit, dass es sich streng ge­nom­men um ei­ne An­ek­do­ten­samm­lung aus ei­nem Re­port­erle­ben han­delt. Da­bei sind die Ka­pi­tel über Ka­bul, La­gos und In­gu­sche­ti­en ge­lun­gen, weil poin­tiert. An­de­res wirkt zu­wei­len eher ad­di­tiv oder pre­di­ger­haft. Al­so wie fast im­mer bei Jour­na­li­sten­pro­sa.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Schö­nen gu­ten Tag,

    ach, ei­gent­lich woll­te ich die­ses Jahr doch al­le für den Deut­schen Buch­preis no­mi­nier­ten Bü­cher le­sen, aber die­ses hier schie­be ich jetzt schon seit Mo­na­ten vor mir her. Ge­nau das, die­ses An­ek­do­ten­haf­te, die­se Art von Jour­na­li­sten­pro­sa, schreckt mich ab. Ich ten­die­re da­zu, so ein Mit­tel­ding aus Re­por­ta­ge und Ro­man eher end­los auf dem Sta­pel un­ge­le­se­ner Bü­cher zu be­las­sen – lie­ber voll und ganz Re­por­ta­ge, oder voll und ganz Ro­man.

    Ich glau­be, ich schie­be es noch ein we­nig vor mir her…

    MfG,
    Mik­ka Gott­stein

  2. Dan­ke für Ih­ren Kom­men­tar. Ich ten­die­re in­zwi­schen eben­falls im­mer mehr zur Zu­rück­hal­tung bei Re­por­ta­ge­ro­ma­nen.

    Viel­leicht bil­den Sie sich aber auch sel­ber ein Ur­teil. Mich wür­de es dann in­ter­es­sie­ren.

  3. Es wie­der­holt sich mit so ei­nem Re­por­ta­gen-Re­mix auch ei­ne sehr ak­tu­el­le Er­fah­rung: die Re­por­ter vor­ort kom­men nicht an die tie­fe­ren Wahr­hei­ten ran, und sie sind da­zu ver­ur­teilt, von der Ideo­lo­gie ver­ein­nahmt zu wer­den. Das Pa­ra­dig­ma der Sach­lich­keit aus den Re­dak­tio­nen ist dem ge­gen­über nur ein ober­fläch­li­ches Kri­te­ri­um, das man je­der­zeit bei­sei­te schie­ben kann. Ich will das gar nicht mo­ra­li­sie­ren, es nützt den »letz­ten Hel­den« in den Sturm­ge­gen­den nur herz­lich we­nig. Schrei­ben dar­über, was ist, setzt das Ver­ständ­nis da­für vor­aus, »was ist«. Und da hat die flot­te For­mel von Aug­stein ih­re La­de­hem­mung. Der Mensch wird in­ter­es­sant in der Po­li­tik, na­tür­lich. Aber auch un­durch­sich­tig, ir­ra­tio­nal und bö­se. Und das ist nicht so leicht zu be­grei­fen wie ein »il­le­gi­ti­mer An­griffs­krieg mit ei­nem ganz und gar plau­si­blen Recht auf Selbst­ver­tei­di­gung«. Man muss sich mal das Ni­veau vor Au­gen hal­ten, auf das wir uns in­zwi­schen ein­ge­las­sen ha­ben.
    Ein an­de­rer Aspekt, der mir auf­ge­fal­len ist: es sind tat­säch­lich die schlimm­sten Ge­gen­den. Ein The­men­park des Hor­rors. Die­sen Er­fah­run­gen zu wi­der­ste­hen, er­for­dert sehr viel Tap­fer­keit und Mut. Ver­we­gen­heit. Al­ler­dings wird man da­durch nicht un­be­dingt reif und klug. Nicht je­der ist ein Scholl-La­tour. Da se­he ich ei­ne ge­wis­se Ent­täu­schung mit An­sa­ge auf den Le­ser zu kom­men. Ein Pro­le­go­me­na für die Här­ten der Zu­kunft?! Die­ser Text liest sich ver­mut­lich bei­na­he ana­chro­ni­stisch. Die­se Re­por­ta­ge-Be­ar­bei­tung kon­kur­riert ja mit ei­ner tur­bu­len­ten Jetzt­zeit auf dem Screen. Das ge­hört zu un­se­rer Welt, die Ge­walt-und-Cha­os-Dau­er-Jetzt­zeit. Die Ge­walt ist in­zwi­schen be­lie­big nah und sicht­bar (Fo­tos wa­ren ja noch Fil­ter...), aber das Ver­ständ­nis dar­über, war­um das so ist, hat sich nicht ver­mehrt.

  4. Der Punkt, dass nicht je­der ein Scholl-La­tour ist, ist in­ter­es­sant. Wo­bei des­sen Ab­ge­brüht­heit na­tür­lich ir­gend­wann auch et­was ari­sto­kra­tisch-ab­sto­ssen­des hat­te.

    Ich glau­be, dass die klas­si­sche Zei­tungs- oder Il­lu­strier­ten­re­por­ta­ge eher auf dem Rück­zug ist. Das Pro­blem ist da­bei, dass die Gren­zen zur Li­te­ra­tur nicht mehr ein­deu­tig sind, wie man nicht nur bei Re­lo­ti­us sieht.