Be­ja­hen und Über­schrei­ten; Le­ben und Wi­der­spre­chen: Ei­ne Kri­tik der Mo­der­ne

In sei­nen An­fän­gen war das Pro­jekt Mo­der­ne1 noch der Su­che nach Wahr­heit ver­bun­den; aber das Wah­re be­gann zu ver­blas­sen, als man das Pro­jekt rück­halt­los dem Neu­en ver­schrieb, es mit der Wahr­heit in eins setz­te, warf, ver­wech­sel­te und misch­te: Das Wah­re wur­de ab­strakt und die Such­be­we­gun­gen der Mo­der­ne hilf­los: Aber man trieb das Pro­jekt vor­an und über­ant­wor­te­te Mensch und Na­tur die­sen os­zil­lie­ren­den Be­we­gun­gen: Im Leer­lauf ver­brauch­ten, zer­rie­ben und über­hitz­ten sich die Kör­per: Die Re­ste ver­brann­ten Treib­stoffs und der Ruß er­lo­sche­ner Flam­men [mar­kie­ren] die Flug­bah­nen des Fort­schritts2.


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Dies soll Teil­neh­mer nicht da­von ab­hal­ten, wei­ter zu dis­ku­tie­ren.

G.K.


87 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Der er­ste Ein­druck ist: Das Sen­ti­ment der Au­torin oder des Au­tors ba­stelt sich ei­ne Be­wusst­seins­ge­schich­te der Mo­der­ne zu­recht, bis das Phä­no­men zum Ge­fühl passt. Dies ge­schieht sehr stark über emo­tio­na­li­sie­ren­de For­mu­lie­run­gen, we­ni­ger über Ana­ly­se und Ar­gu­ment, z.B. man ha­be »das Pro­jekt rück­halt­los dem Neu­en ver­schrie­ben«. Rück­halt­los? Stimmt das denn? Und wer über­haupt?
    Die »Mo­der­ne«, wann und wo im­mer sie be­gann, ob in Flo­renz, Göt­tin­gen, Pa­ris oder in Man­che­ster, ist ja kein kampf­lo­ser Pro­zess ge­we­sen. In je­dem Mo­ment gab und gibt es mäch­ti­ge an­ti-mo­der­ne Kräf­te. Das ist auch heu­te so. Ich wür­de noch nicht ein­mal wa­gen ab­zu­schät­zen, ob die an­ti-mo­der­nen oder die mo­der­nen Kräf­te stär­ker sind. Rein men­gen­mä­ßig ver­mu­te ich, dass mehr Men­schen »un­mo­dern« sind und zum Teil ex­tre­me Vor­be­hal­te ge­gen al­les Mo­der­ne ha­ben (egel wie sie sich gleich­zei­tig an der Ober­flä­che ad­ap­tie­ren). Wie oft wur­den die Neue­rer ver­jagt, ge­fol­tert, ein­ge­sperrt, ge­tö­tet?

    Al­ler­dings – wo­von re­den wir? Ist von »Pro­duk­ten« die Re­de, re­den wir von der mo­der­nen Wirt­schaft. Da hat der »Fu­ror der Ver­än­de­rung« tat­säch­lich ein ho­hes Tem­po er­reicht. Da­für gibt es al­ler­dings Grün­de, die herz­lich we­nig mit ei­nem Will­kür­akt des Be­wusst­seins zu tun ha­ben.

    »Das Neue ist das Wah­re ...« – stimmt das denn? Für mei­ne Groß­mutter, geb, 1894, war Goe­the etc. das Größ­te und »ein­zig Wah­re«. In ih­rem Le­ben wur­de sie mit al­len mög­li­chen Er­neue­run­gen kon­fron­tiert – mo­der­ne Li­te­ra­tur, mo­der­ne Kunst hat bei ihr kaum statt­ge­fun­den und wur­de von ihr zeit ih­res Le­bens zu kei­nem Zeit­punkt em­ha­tisch er­war­tet. Ih­re Toch­ter, mei­ne Mut­ter, hass­te die er­erb­ten Mö­bel aus al­ter Zeit, das dürf­te ei­ne Re­ak­ti­on auf die ver­hass­te Be­zie­hung zu ih­rer lieb­lo­sen Mut­ter ge­we­sen sein. Jetzt mi­schen sich bei mir alt und jung durch­ein­an­der, und der al­te Bü­cher­schrank mei­ner Oma steht da­zwi­schen, kom­plett mit den Bü­chern, die da­mals schon dar­in wa­ren. Mo­dern sein heißt eben auch, ein kom­pli­zier­tes Be­wusst­sein für die ei­ge­ne Ge­schich­te zu ha­ben, eben weil man stär­ker als frü­he­re Jahr­hun­der­te weiß, wie die Zeit al­les um­wälzt. Ver­glei­che da­mit z.B. den Um­gang des mit­tel­al­ter­li­chen Men­schen mit sei­nen Alt­vor­de­ren, al­so mit der An­ti­ke ... Pa­ra­dox, aber wahr: Mit der Mo­der­ne ent­stand eben auch Auf­be­wah­ren, Sam­meln, schüt­zen, Ge­schich­te bis ins Klein­ste auf­schrei­ben und er­ken­nen etc. – al­so das kon­ser­va­ti­ve Be­wusst­sein ist von An­fang an ein wich­ti­ger Teil der Mo­der­ne.

    Man muss ein­fach ge­nau­er hin­schau­en und nicht nur aus dem Ge­fühl her­aus auf »die Mo­der­ne« ein­dre­schen. Es fragt sich so­wie­so, ob es den mo­der­nen Men­schen gibt. War viel­leicht Se­ne­ca schon ein mo­der­ner Mensch, als er sich dar­über be­klag­te, wie die Rei­chen sich an blöd­sin­ni­gen al­ten Ton­krü­gen er­götz­ten? »Der Geist war schon früh kom­plett«, mein­te Ja­kob Bur­ck­hardt ein­mal – heißt das even­tu­ell, dass der Geist (in die­sem nach­drück­lich-eli­tä­ren Sinn) im­mer schon »mo­dern« war? Sind »Geist« und »Mo­der­ni­tät« gar nicht von­ein­an­der zu tren­nen?

    Si­cher­lich ein an­re­gen­der Auf­satz. Skep­sis hat ja im­mer et­was Wohl­tu­en­des. Und die Neu­ig­keits­sucht hat zwei­fel­los in vier­ler­lei Hin­sicht lä­cher­li­che, mei­net­we­gen auch be­drücken­de Aus­ma­ße an­ge­nom­men. Ich emp­fin­de al­ler­dings, dass die The­sen hin­ter der Viel­schich­tig­keit der vie­len, oft dia­me­tra­len Be­wusst­seins­for­men der »Mo­der­ne« zu­rück­blei­ben. Und das ist das Si­gnum, was in mei­nen Au­gen die ent­schei­den­de Recht­fer­ti­gung für die Mo­der­ne in Kunst, Mu­sik und Li­te­ra­tur ist: sich die Fra­ge nach dem »Wah­ren« so schwer wie ir­gend mög­lich zu ma­chen. Von den Ant­wor­ten ganz zu schwei­gen.

    [Be­mer­kung: Die­ser Kom­men­tar wur­de von mir, Gre­gor Keu­sch­nig, ein­ge­ge­ben, nach­dem Fritz mit der Kom­men­tar­funk­ti­on Pro­ble­me hat­te und mich per Mail bat, zu in­ter­ve­nie­ren; G. K.]

  2. @Fritz
    Zu­nächst dan­ke für den lan­gen Kom­men­tar. Die ge­wähl­te Text­sor­te ge­stat­tet mir zu­ge­spitz­te, per­sön­li­che For­mu­lie­run­gen und auch Ver­ein­fa­chun­gen, ob ich manch­mal (auch in der Ab­sicht zu pro­vo­zie­ren) den Bo­gen über­spannt ha­be, kön­nen wir ger­ne dis­ku­tie­ren. Zum »rück­halt­los«: Nun ja, wie wür­den Sie das Ver­ständ­nis hin­ter den Ver­än­de­run­gen der letz­ten 200 Jah­re be­zeich­nen? Soll­te da­hin­ter kein deut­lich ar­ti­ku­lier­ter Wil­le zur Ver­än­de­rung ste­hen?

    Die zu­grun­de­lie­gen­de The­se, dass das Selbst­ver­ständ­nis der Mo­der­ne mög­li­cher­wei­se ei­ne Ideo­lo­gie dar­stellt, pro­ble­ma­tisch ist oder ein Miss­ver­ständ­nis, ha­be ich mir nicht ge­ba­stelt und die Quel­len da­für auch ge­nannt. Fort­schritt, al­so der Wil­le das Ge­gen­wär­ti­ge zu ver­bes­sern und Neu­es zu schaf­fen, fällt nicht not­wen­dig mit »wahr« und »gut« zu­sam­men; er hat aber in­ner­halb ei­nes Pa­ra­dig­mas, das sich in sei­nem Selbst­ver­ständ­nis als Mo­der­ne be­zeich­net, of­fen­bar ei­ne be­son­de­re Be­deu­tung. So­weit ein­ver­stan­den?

    Wenn es noch im­mer an­ti­mo­der­ne Kräf­te gibt, liegt das viel­leicht dar­an, dass sie durch die Art des dar­ge­stell­ten Den­kens im­mer wie­der »auf den Plan ge­ru­fen« wer­den: Da­durch, dass das Neue ein­deu­tig be­stimmt wird, pro­du­ziert man zu­gleich das Über­kom­me­ne: Es ist in­ner­halb die­ses Pa­ra­dig­mas gar nicht mög­lich, dass kei­ne un- oder an­ti­mo­der­nen Ein­stel­lun­gen gibt. Ih­re Bei­spie­le zei­gen das doch sehr gut: Man weiß was alt ist, ar­chi­viert es, und grenzt es da­mit vom Neu­en ab, das doch – auch wenn uns das nicht im­mer passt – per se ei­nen »Vor­schuss« ge­nießt (das war mit dem zu­sam­men­ge­hen von »neu«, »gut« und »wahr« ge­meint). Man muss al­so kon­ser­vie­ren um se­hen und nach­voll­zie­hen zu kön­nen, ob et­was über­haupt neu ist; es stimmt, das Al­te be­sitzt ei­nen – al­ler­dings mit Blick auf das Neue – ein­ge­schränk­ten Wert. Ich will es so for­mu­lie­ren: Wir hö­ren ger­ne Beet­ho­ven und schät­zen ihn, aber we­he je­mand kom­po­nier­te heu­te wie er.
    Das Neue wird ge­wollt, weil man es als not­wen­dig emp­fin­det; aber man be­grün­det dies nicht mehr: Das ist das Kenn­zei­chen von Mo­de, vom letz­ten Schrei, vom Zeit­ge­mä­ssen. Es scheint mir un­be­strit­ten, dass et­was von die­sem Den­ken in der Mo­der­ne steckt und da­mit in uns al­len (las­sen wir den Grad ein­mal bei­sei­te). Wenn dem so ist, soll­te das nicht auch Aus­wir­kun­gen auf un­ser Tun ha­ben?

    Neue­rer wa­ren im­mer des­halb ge­fürch­tet, weil das Er­neu­ern ei­nen Akt der Zer­stö­rung be­inhal­tet; der kann not­wen­dig sein, soll­te aber wohl be­dacht wer­den: Zum Prin­zip er­ho­ben hat er al­ler­dings fa­ta­le Aus­wir­kun­gen.

    Die Zu­schrei­bung von Mo­der­ni­tät an den Geist ist ja ge­ra­de un­ser Pro­blem: Wenn Geist mo­dern sein muss (weil man fest­stellt, dass er es im­mer schon war und die­ses Be­wusst­sein da­mit recht­fer­tigt), dann re­pro­du­ziert man in Fol­ge ein be­stimm­tes Selbst­ver­ständ­nis, das Selbst­kri­tik und da­mit das Er­fas­sen der Pro­ble­me der ei­ge­nen Po­si­ti­on er­schwert.

    Galt in der mo­der­nen Kunst nicht die ra­di­ka­le Neu­heit mehr als die Wahr­heit?

  3. Ge­nau in die glei­che Ker­be woll­te ich auch schon schla­gen. Was die Mo­der­ne ist wird durch die­sen Text zwar viel­fach um­kreist, aber ir­gend­wie wird es da­durch zu ei­ner Me­lan­ge aus (un­ter­stell­tem, kol­lek­ti­ven?) Be­wusst­seins­zu­stand, Zeit­geist, so­zio-öko­no­mi­scher Mi­leu­stu­die.

    Si­cher­lich ist es frucht­bar ge­ra­de für un­se­re Post­mo­der­nis­mus-De­bat­te viel­leicht den zwei­ten Schritt nicht vor dem er­sten zu ma­chen und erst ein­mal die Mo­der­ne zu klä­ren be­vor wir zur Post­mo­der­ne schrei­ten kön­nen – aber du ahnst es viel­leicht dass dei­ne Be­schrei­bung der Mo­der­ne viel­leicht schon die glei­chen oder ähn­li­che Vor­be­hal­te weckt wie die Post­mo­der­ne. Fritz nimmt mir da teil­wei­se die Wor­te aus dem Mund und hat ei­ni­ges schon schön auf den Punkt ge­bracht hat, so dass ich nur noch se­kun­die­ren und fort­füh­ren muss...

    Die Vor­be­hal­te lie­ßen sich viel­leicht auch so fas­sen: die­se Art der Mo­der­nen­be­schrei­bung ver­sucht sich an ei­ner Hi­sto­ri­sie­rung und Er­fas­sung ei­ner kol­lek­ti­ven Be­wusst­seins­la­ge wäh­rend die­se ge­ra­de vor­liegt. Nun bist du dir des­sen sehr wohl be­wusst, dass man da­bei sehr viel über ei­nen Kamm schert, stark ver­grö­bert und ver­ein­facht, wie das wohl auch bei je­der Epo­chen­glie­de­rung ge­sche­hen muss. Nur nimmst du die­se Ein­tei­lung und Cha­rak­te­ri­sie­rung vor wäh­rend du selbst Teil, des von dir be­schrie­be­nen Zeit­al­ter bist. (Ich glau­be, das bleibt lei­der doch auch nur ein Schein­ein­wand, denn das ta­ten die Künst­ler schon al­le­zeit, bei de­nen neue Epo­chen ja ge­ra­de durch Ab­gren­zung, Ne­gie­ren, Über­win­den von Be­stehen­dem ent­stand.)
    Be­vor ich mich wie­der in an­de­rem ver­lie­re möch­te ich hier noch ei­nes der Haupt­mo­ti­ve fest­hal­ten (auf wel­ches ich frü­her oder spä­ter noch ge­kom­men wä­re): schon in der Ent­wick­lung » ‘der’ Mo­der­ne« (die sich lei­der zeit­lich, gei­stes­ge­schicht­lich schlech­ter­dings fest­le­gen lässt) sind ih­re Wi­der­sprü­che mit­ein­ge­gra­ben – (selbst bei den glü­hend­sten Ver­eh­rern, den Po­si­ti­vi­sten trifft man dann ei­nen der be­haup­tet ein »Igno­rabi­mus«, dass es uns nie ge­lin­gen wür­de das Be­wusst­sein zu ent­schlüs­seln! Wo soll man das dann hin­tun? Die mei­sten Ein­tei­lun­gen die ich so le­se, da wür­de ich den­ken: Moderne=Selbstermächtigung-/überhebung des Men­schen, Got­tes Tod, Postmoderne=Zusammenfallen der auf­ge­bla­se­nen Selbst­herr­lich­keit, neue Re­fle­xi­on – wo tut man dann so ei­nen du Bo­is-Rey­mond hin?)

    Du siehst es als er­wie­sen an, dass die Mo­der­ne ideo­lo­gisch sei (lu­stig: ge­ra­de le­se ich das hier wie­der: http://www.zeit.de/2005/02/Schilleraktuell – und da fin­det sich auch schon glei­cher­ma­ßen Gei­ße­lung von Ideo­lo­gie und »Mo­de«). Wenn ich das rich­tig ver­ste­he, beim Schil­ler ist es je­den­falls so, liegt das Ideo­lo­gi­sche in der Macht, Ver­knech­tung an­de­rer: so könn­te man viel­leicht sa­gen, dass ich letz­te Wo­che noch wan­del­te zwi­schen den In­si­gni­en un­se­rer Mo­der­ne, den Tür­men zu Ba­bel, der Sky­line von Man­hat­tan?
    Nun, viel­leicht ist das ei­ner der Un­ter­schie­de, die Fritz da­zu ver­an­lasst, et­was Ge­füh­li­ges in dei­nen Aus­füh­run­gen aus­zu­ma­chen. Bei dir könn­ten die­se Tür­me tat­säch­lich et­was Dä­mo­ni­sches, Sym­bol­haf­tes be­kom­men, wäh­rend ich nur ach­sel­zuckend vor­über­ge­he: Jo, kann man ma­chen (ge­nau­so wie Py­ra­mi­den). –

    Wor­in ich noch ein Pro­blem se­he ist, dass man wenn man an­de­ren Ideo­lo­gie un­ter­stellt, dies auch mit ei­nem Ver­blen­dungs­zu­sam­men­hang ein­her­geht. Für den Ideo­lo­gen ist sei­ne Ideo­lo­gie oder zu­min­dest Tei­le da­von ge­wis­ser­ma­ßen un­sicht­bar. Dies ist viel­leicht ähn­lich wie bei obi­gem Ge­schicht­lich­keits­pro­blem: So wie du glaubst die gan­ze Epo­che der Mo­der­ne in ein Bild brin­gen zu kön­nen, so glaubst du hier bei der dem mo­der­nen Be­wusst­sein blin­de Flecken dia­gno­sti­zie­ren kön­nen? Oder doch zu­min­dest, dass ihm die Be­weg­grün­de sei­nes Han­delns nicht im­mer of­fen lie­gen, in sei­nem fort­wäh­ren­den Ge­trie­ben­sein?
    Da­mit nähmst du ge­gen­über dem mo­der­nen Be­wusst­sein ei­ne über­le­ge­ne Po­si­ti­on ein. In­so­fern die­se Po­si­ti­on nur po­stu­liert wä­re, könn­te sie je­doch selbst ideo­lo­gisch sein (das Un­be­frie­di­gen­de an ideo­lo­gi­schen Stel­lungs­krie­gen ist ja, dass man ge­ra­de ge­gen­sei­tig glaubt die blin­den Flecken in der Denk­wei­se des an­de­ren aus­ma­chen zu kön­nen). {Je­den­falls scheint das ein biss­chen durch, als du schreibst, dass das mo­der­ne Be­wusst­sein aus­weg­los in sich ver­strickt sei – wie hast du dann den Weg hin­aus ge­fun­den? War­um hast du nicht ver­geb­lich vor dem Tor des Ge­set­zes war­ten müs­sen? Bist du ein­fach hin­aus­ge­sprun­gen, ins Pa­ra­do­xe?}

    PS. Lei­der sind die Aus­füh­run­gen noch et­was un­aus­ge­go­ren und frag­men­ta­risch.. ei­nen Punkt woll­te ich je­doch noch an­fü­gen be­vor ich den auch wie­der ver­ges­se: Dass man das Neue po­si­tiv be­setzt, ist das nicht eher Avan­gar­de, denn Mo­der­ne? Je nach­dem wie man die Be­grif­fe (be-)setzt. Ich mei­ne da­bei ge­nau je­nes ne­ga­ti­ve Avant­gar­de-Bild, nach der sie je­der Mo­de vor­aus- oder hin­ter­her­hopst (um von der näch­sten ab­ge­löst zu wer­den)...

  4. Der in­ter­es­san­te­ste Satz im Er­wi­de­rungs­kom­men­tar von Me­tep­si­lo­n­e­ma ist die­ser: Das Neue wird gewollt....aber man be­grün­det dies nicht mehr.

    Hier­an ent­zün­det sich m. E. das Miß­ver­ständ­nis. Da­mit ist ei­gent­lich we­ni­ger die Mo­der­ne in to­to son­dern der glo­ba­lier­te Ka­pi­ta­lis­mus ge­meint, der aus sich her­aus im­mer mehr pro­du­zie­ren muss, um zu funk­tio­nie­ren. Zwar hat die Mo­der­ne ei­nen An­teil an der Be­schleu­ni­gung der Welt, aber sie ist längst zum Zu­schau­er ei­nes sich selbst im­mer wie­der per­p­etu­ie­ren­den Sy­stems ge­wor­den. Wenn sie Me­ta­pher nicht so ab­ge­grif­fen wä­re, könn­te man Goe­thes Zau­ber­lehr­ling an­füh­ren.

    Die im Auf­satz be­schrie­be­nen Pro­ble­me er­ge­ben sich fast aus­schließ­lich auf­grund der Öko­no­mi­sie­rung der Welt. Auch da, wo sie schein­bar ins künst­le­ri­sche Me­tier ab­schweift: Die Mo­der­ne als das ge­nu­in dem »Neu­en« ver­pflich­te­te entstand/entsteht auf­grund der Not­wen­dig­keit, sich vom Be­stehen­den ab­zu­gren­zen. War­um soll man heu­te wie Goe­the schrei­ben, wenn es nur epi­go­nal und ein schlech­ter Ab­klatsch wä­re? War­um heu­te ein Stilleben ma­len, was ‑zig an­de­re Künst­ler so her­aus­ra­gend konn­ten? Es be­stand und be­steht die Pflicht zur Le­gi­ti­ma­ti­on des ei­ge­nen Han­delns. Dies konn­te nur durch Neu­es ent­ste­hen. Gleich­zei­tig be­schleu­nig­te sich die Welt nicht li­ne­ar son­dern fast in Po­ten­zen. Ich ha­be noch Bü­ro­kom­mu­ni­ka­ti­on mit Fern­schrei­ber auf Loch­strei­fen ge­lernt und emp­fand die Be­schleu­ni­gung durch das Fax-Ge­rät vor zwan­zig Jah­ren als Re­vo­lu­ti­on. Die E‑Mail hat das noch ein­mal po­ten­ziert. Et­li­che Prot­ago­ni­sten mei­ner Ge­ne­ra­ti­on sind da­mit längst über­for­dert. Zeit­wei­se er­in­ner­te mich Me­tep­si­lo­n­e­mas Auf­satz an Schirr­ma­chers »Payback«, ins­be­son­de­re dann, wenn von der Gren­zen der Auf­fas­sungs­ga­be des mensch­li­chen Gei­stes ge­spro­chen wur­de.

    Es ist nun ein­fach, den Dia­gno­sti­ker als per se an­ti-mo­der­ni­stisch dar­zu­stel­len oder so zu tun, als sei die Welt qua­si von Na­tur aus (sic!) so an­ge­legt. Gleich­zei­tig glau­be ich nicht als Ein­sicht und ge­steu­er­te Rück­nah­me, so­zu­sa­gen ei­ner all­um­fas­sen­den Ent­schleu­ni­gung der Welt. Än­de­run­gen gab/gibt es erst, wenn der Grad der Über­for­de­rung der­art mas­siv wird, dass das Sy­stem kol­la­biert.

  5. @Phorkyas
    (Tut mir leid für die Ver­spä­tung, ich hat­te ei­ni­ge Zeit kei­ne Ver­bin­dung zu twoday.net. Der Groß­teil des Kom­men­tars ent­stand ge­stern.)

    Mit ge­wis­sen Ein­schrän­kun­gen und Be­schrän­kun­gen muss ich (und auch wir) le­ben. Das was Du selbst »Schein­ein­wand« nennst, nun ja, was soll ich tun: Gar nichts schrei­ben oder ver­su­chen die Pro­ble­me in Kauf zu neh­men und es trotz­dem ver­su­chen? Ich ha­be mich für letz­te­res ent­schie­den.

    Viel­leicht kön­nen wir den Me­lan­ge-Vor­wurf de­tail­lier­ter dis­ku­tie­ren: Der wä­re nur schlimm, wenn die ver­rühr­ten Din­ge un­zu­tref­fend wä­ren oder das sich er­ge­ben­de Bild schief (zwei­fel­los ist man­ches mei­ner per­sön­li­chen Sicht ge­schul­det, aber dis­ku­tie­ren kann man es ja trotz­dem).

    Gre­gor hat ja auf Schirr­ma­chers Buch ver­wie­sen, der Be­wusst­seins­zu­stand ist al­so nicht aus der Luft ge­grif­fen, das se­hen an­de­re ähn­lich (ich ha­be das Buch aber nicht ge­le­sen).

    Kön­nen wir uns auf ei­nen Be­griff von Mo­der­ne ver­stän­di­gen? Das wä­re der er­ste wich­ti­ge Schritt, viel­leicht dia­lo­gisch ab­ar­bei­ten: Ent­schei­dend er­schei­nen mir (Natur)Wissenschaft und Tech­nik und das mit der Auf­klä­rung ent­ste­hen­de »Be­wusst­sein« (Fort­schritts­ge­dan­ke, das Neue, Pro­blem­lö­sung, Wi­der­spruchs­frei­heit und Ein­deu­tig­keit, Ver­wal­tung,...).

    Zur Ideo­lo­gie: Ich ha­be ge­schrie­ben, dass ich die Mo­der­ne für wi­der­sprüch­lich hal­te, das heißt ich se­he in ihr ein we­sent­li­ches ideo­lo­gi­sches Mo­ment, ja (aber nicht nur). Ihr Wahr­heits- und Er­kennt­nis­an­spruch, aber auch das Be­mü­hen um den Men­schen ste­hen in ei­nem Ge­gen­satz zu ih­rem Fort­schritts­drang.

    Dan­ke für den Ar­ti­kel über Schil­ler: Ich fra­ge mich manch­mal war­um man­che Men­schen, die ich re­la­tiv gut ken­ne, so agie­ren wie sie agie­ren; war­um sie – so sieht es für mich aus – ge­zwun­gen und ge­trie­ben le­ben, et­was tun was sie nicht wol­len; leer­lau­fen, aus­ge­brannt wir­ken; ja, man­ches ist tat­säch­lich fast dä­mo­nisch, zu­min­dest aber höchst merk­wür­dig (und nicht zu­letzt sieht man man­ches auch an sich selbst). Ei­ne all­täg­li­che Hand­lung kann da schon gro­ße Ver­wir­rung be­deu­ten: War­um öff­ne ich mei­nen Brow­ser und se­he nach was es in der Welt neu­es gibt? Wenn ich es mir ein­mal ver­knei­fe und et­was an­de­res tue, dann küm­mert das nie­mand. Al­so war­um? Und im­mer wie­der un­ter­bre­che ich mich selbst und be­gin­ne ei­ne Tä­tig­keit oh­ne die al­te be­en­det zu ha­ben. Und ich bin wie­der­um nicht der Ein­zi­ge... und das lässt sich »nicht­ge­füh­lig« schwer ver­mit­teln. So vie­les scheint nur noch Be­trieb zu sein und nicht mehr ge­tan zu wer­den, weil man es will (Ein Bei­spiel: Ei­ne Be­kann­te er­zähl­te mir von ei­nem wis­sen­schaft­li­chen Kon­gress, ei­ne Ko­ry­phäe hält ei­nen tol­len Vor­trag, der füh­ren­de Kopf sei­nes Fa­ches, ei­ne el­len­lan­ge Li­ste an Ver­öf­fent­li­chun­gen und dann kommt die un­er­war­te­te Fra­ge, die ihn ins Schlin­gen bringt: War­um for­schen sie ei­gent­lich ge­ra­de dar­über? [auf ei­ner Fach­ta­gung tat­säch­lich ei­ne sehr sel­te­ne Fra­ge] Die la­pi­da­re Ant­wort, die auch mei­ne Be­kann­te fas­sungs­los mach­te: Be­cau­se I’m in­te­re­sted in...).

    Die Mo­der­ne wird ja seit lan­gem kri­ti­siert und es geht mir, wie ge­schrie­ben, nicht um ei­ne Ab­schaf­fung; ir­gend­wie schei­nen be­stimm­te Feh­ler aber fort­ge­führt zu wer­den, ob­wohl wir sie al­le (auch auf die­sem Blog), tag­täg­lich se­hen und be­nen­nen kön­nen. Dass es sie gibt, dar­über be­steht wohl we­ni­ger Dis­sens, als über ih­re Her­kunft, aber bei­des soll­ten wir dis­ku­tie­ren. Mei­ne Po­si­ti­on ist die ei­nes (viel­leicht zu) in­vol­vier­ten Kri­ti­kers, um jetzt auch noch Schwens-Har­rant zu be­mü­hen.

    Die Avant­gar­de als zu­ge­spitz­te Mo­der­ne, hät­te ich ge­sagt.

  6. @Gregor
    Ka­pi­ta­lis­mus kann man m.E. nur in­ner­halb der Mo­der­ne be­grei­fen: Die glo­ba­li­sier­te Wirt­schaft ist oh­ne Wis­sen­schaft und Tech­nik un­mög­lich; auch die In­di­vi­du­en, die sich von ih­ren tra­di­tio­nel­len Ban­den ge­löst (be­freit) ha­ben oder wur­den (die­se Be­frei­ung ist si­cher­lich ein gro­ßes Ver­dienst der Mo­der­ne) las­sen sich viel leich­ter in ein sol­ches Sy­stem in­te­grie­ren; der Li­be­ra­lis­mus ist ei­ne mo­der­ne Theo­rie; der Fort­schritts­ge­dan­ke eben­so und auch die gleich­ma­chen­de Wir­kung des Gel­des wä­re mög­li­cher­wei­se zu an­de­ren Zei­ten we­ni­ger stark aus­ge­prägt.

  7. Es ist nun ein­fach, den Dia­gno­sti­ker als per se an­ti-mo­der­ni­stisch dar­zu­stel­len oder so zu tun, als sei die Welt qua­si von Na­tur aus (sic!) so an­ge­legt.

    Nichts liegt mir fer­ner (wenn bin ich ja wohl auch ein an­ti-mo­der­ner). – Da wur­de kühn ein Bild hin­ge­wor­fen, et­was pla­ka­tiv, und so soll­te die Fra­ge ge­stat­tet sein, ob die­ses Bild tref­fe und was es dar­stel­le (oder ob der Ge­gen­stand, den es ab­bil­den soll, über­haupt in die­ser Kon­si­stenz exi­stiert oder es viel­mehr ei­ne Chi­mä­re, ein selbst­ge­schaf­fe­ner Dä­mon sei?)... be­vor hier die Kom­men­tar­spal­te, ganz mo­dern, über­hitzt und man schon gar nicht mehr weiß, wo man sich be­fin­det, möch­te ich doch noch ein­mal durch­schnau­fen..
    (In­dem Sie, Herr Keu­sch­nig, Me­tep­si­lo­n­e­mas Be­schrei­bung auf den Ka­pi­ta­lis­mus ver­scho­ben, ta­ten Sie ge­ra­de Ähn­li­ches wie Fritz oder ich – wo ja an­ge­merkt wur­de, dass hier ganz ver­schie­de­ne Bilder/Modernen durch­ein­an­der­gin­gen..
    Das »Neue« zu be­grü­ßen – das als Be­schrei­bung ist mir ein­fach noch zu we­nig, viel­leicht soll­te man bei Herrn Blu­men­berg auf die Spu­ren­su­che ge­hen, die Le­gi­ti­mi­tät der Neu­zeit?...)

  8. Ver­such, ei­ni­ge klä­ren­de Ge­dan­ken zu for­mu­lie­ren
    Es ist im­mer pro­ble­ma­tisch, wenn Be­grif­fe, die Epo­chen be­schrei­ben, ver­wen­det wer­den, weil zu­meist je­der­das et­was an­ders ver­or­tet. Es wur­de ja be­reits in ei­nem Kom­men­tar an­ge­spro­chen, dass die »Mo­der­ne« je nach Be­trach­tung un­ter­schied­li­chen Zei­ten zu­ge­ord­net wer­den kann. Glei­ches gilt für die so­ge­nann­te Post­mo­der­ne. Pro­ble­ma­tisch ist, dass wir ver­meint­lich in bei­den Epo­chen noch le­ben bzw. ge­lebt ha­ben.

    Me­tep­si­lo­n­e­ma ver­knüpft in sei­nem Es­say mit der Epo­che der Mo­der­ne vor al­lem den Be­griff des per­ma­nent Neu­en und ei­ner be­son­de­ren Form von Be­schleu­ni­gung. Da­bei geht er wohl von ei­ner Art per­ver­tier­ten Mo­der­ne aus. Dies zeigt sich auch in dem Satz in enem sei­enr Kom­men­ta­re. Ihr [Der Mo­der­ne] Wahr­heits- und Er­kennt­nis­an­spruch, aber auch das Be­mü­hen um den Men­schen ste­hen in ei­nem Ge­gen­satz zu ih­rem Fort­schritts­drang.

    Der Ge­dan­ke da­hin­ter liegt in ei­ner Art Schnee­ball­ef­fekt, in dem sich ei­ne La­wi­ne all der Af­fek­te im­mer mehr ver­selb­stän­digt hat- Da­bei ha­ben sich tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen ge­zeigt, die ei­ni­ge küh­ne The­sen der ita­lie­ni­schen Fu­tu­ri­sten fast noch über­trof­fen ha­ben. Den­noch glau­be ich, dass die Ent­wick­lung von Na­tur­wis­sen­schaf­ten und Tech­nik, ein im­ma­nen­tes Pro­dukt der Mo­der­ne ist – er­mög­licht vor al­lem die Sä­ku­la­rie­rung der Ge­sell­schaft, die He­roi­sie­rung des Men­schen und die Ent­wick­lung des Ka­pi­ta­lis­mus, der nun seit En­de des 20. Jahr­hun­derts tat­säch­lich glo­bal agie­ren kann. Den­noch hat der Öko­no­mis­mus in West­eu­ro­pa nach dem En­de des zwei­ten Welt­kriegs ei­nen bei­spiel­lo­sen Sie­ges­zug an­ge­tre­ten.

    Die Auf­klä­rung, die als Be­ginn der gei­stes­ge­schicht­li­chen Mo­der­ne be­grif­fen wer­den kann, hat dies zwar nicht vor­her­se­hen kön­nen – den­noch ist aber al­les in ihr schon an­ge­legt.

    Wo­mit ich nun Schwie­rig­kei­ten ha­be, ist zwei­er­lei: Der Es­say the­ma­ti­siert die be­schleu­nig­te Ge­sell­schaft als Pro­jekt der Mo­der­ne. Wo bleibt da der An­teil der so­ge­nann­ten »Post­mo­der­ne«? Gibt es sie viel­leicht (noch) gar nicht? Wä­re die »Post­mo­der­ne« dem­nach ei­ne Art Re­stau­ra­ti­on des Mo­der­ne? Wo­bei Re­stau­ra­ti­on kein »Zu­rück zur Na­tur« be­deu­ten wür­de, son­dern eher ein be­wuß­tes Ver­har­ren bzw. Ver­blei­ben im »nunc stans«? Oder hat sich die Mo­der­ne schon längt zu ei­ner Post­mo­der­ne ge­men­delt, die in schier un­end­li­cher Be­schleu­ni­gung nur noch ei­ne nach Af­fek­ten he­cheln­den Ge­sell­schaft Vor­ga­ben macht?

    Wie hän­gen Ka­pi­ta­lis­mus, Glo­ba­li­sie­rung und Mo­der­ne zu­sam­men? Welt­wei­ten Han­del gab es schon vor tau­sen­den von Jah­ren – hier­für ist kei­ne »Mo­der­ne« er­for­der­lich. Die welt­weit agie­ren­den Han­dels­ge­sell­schaf­ten ha­ben in der Re­gel län­ger exi­stiert als aut­ark vor sich hin­däm­mern­de Kul­tu­ren. Der Nach­teil war für sie, dass ih­re Pro­spe­ri­tät an­de­re Kul­tu­ren an­lock­te und zu krie­ge­ri­schen Feld­zü­gen »in­spi­rier­te«. Ka­pi­ta­lis­mus ent­stand erst mit der Au­to­ma­ti­on und Tech­ni­sie­rung, da von nun an Ar­beits­ab­läu­fe sy­ste­ma­ti­siert und die Ar­beits­tei­lung im­mer dif­fe­ren­zier­ter wur­de.

    Der zwei­te kri­ti­sche Punkt liegt in der fast schick­sal­haf­ten Er­ge­ben­heit, die der Es­say be­schreibt. Dem­nach gibt es kein Ent­kom­men. Oder, ge­nau­er: Selbst ein Aus­stei­gen aus der Tret­müh­le ist nur durch das Wei­ter­ma­chen der An­de­ren mög­lich. Ei­ne The­se, die ich im­mer so­ge­nann­ten Aus­stei­gern vor­hal­te: Ihr Aus­stei­ger­tum funk­tio­niert nur des­halb, weil es ge­nü­gend »Per­so­nal« gibt, wel­ches wei­ter­macht.

    Die Fra­ge ist al­so: Hat Me­tep­si­lo­n­e­ma hier die bzw. ei­ne Mo­der­ne be­schrie­ben oder ein Bild ei­ner hy­per­ven­ti­lie­ren­den, dem Öko­no­mis­mus sich er­ge­ben­den Ge­sell­schaft ge­zeich­net, die ih­re »mo­der­nen« Idea­le zu Gun­sten der ei­ge­nen Fort­schritts­gläu­big­keit ge­op­fert hat?

  9. @Gregor
    Dan­ke, ich fin­de Du triffst das Mei­ste sehr gut.

    Die Auf­klä­rung, die als Be­ginn der gei­stes­ge­schicht­li­chen Mo­der­ne be­grif­fen wer­den kann, hat dies zwar nicht vor­her­se­hen kön­nen – den­noch ist aber al­les in ihr schon an­ge­legt.

    Egal ob dem so ist oder es ei­nen Pro­zess der Per­ver­tie­rung gab: Ein Be­wusst­sein für die­se Pro­ble­ma­tik könn­te ei­ne Än­de­rung der Ent­wick­lun­gen be­wir­ken.

    Post­mo­der­ne als Kor­rek­tur der Mo­der­ne: Ich ha­be die­sen Be­griff ab­sicht­lich nicht ver­wen­det, um zu­erst ein­mal ei­nen Aus­gangs­punkt auf­zu­wer­fen, ei­ne Dia­gno­se zu stel­len. Wenn sie zu­trifft, könn­te »die Post­mo­der­ne« (was auch im­mer sie sein mag) ei­nen Weg aus dem Di­lem­ma bie­ten; oder man ent­wirft und dis­ku­tiert ei­nen an­de­ren.

    Post­mo­der­ne als Be­schrei­bung des Jetzt: Sie lässt sich aber auch als ei­ne »Epo­che« le­sen zu der die be­schleu­nig­te Mo­der­ne ge­führt hat. Die Gleich­zei­tig­keit, Mehr­deu­tig­keit, Un­schär­fe, das Durch­ein­an­der etc. wä­re ein vom Men­schen ge­schaf­fe­nes und nicht per se ge­ge­be­nes (ob­wohl es als ge­schaf­fe­nes na­tür­lich wie­der Rea­li­tät wer­den kann).

    Ka­pi­ta­lis­mus: Der Un­ter­schied zum Han­del in vor­mo­der­ner Zeit ist, dass heu­te Ver­flech­tun­gen und Durch­drin­gun­gen exi­stie­ren, die da­mals auf Grund be­stimm­ter kul­tu­rel­ler, ge­sell­schaft­li­cher und an­de­rer Bin­dun­gen ver­hin­dert wur­den; die­se Ban­den hat die Mo­der­ne zer­stört, den Men­schen mün­dig und frei ge­macht, aber zu­gleich »ex­po­niert«, so dass er von nun an qua­si im Nichts stand; er wur­de nicht nur frei, son­dern auch ver­füg­bar.

    Viel­leicht lässt sich ein Sy­stem ver­än­dern, wenn die Mehr­heit der Be­tei­lig­ten ihr Ver­hal­ten (lang­sam) ver­än­dert (im­mer­hin dis­ku­tie­ren wird das ja).

  10. Ideo­lo­gie oder Pro­ble­me an der wirt­schaft­li­chen Ba­sis?
    Jetzt hat Me­tep­si­lo­n­e­ma schon fra­gen­der for­mu­liert: »The­se, dass das Selbst­ver­ständ­nis der Mo­der­ne mög­li­cher­wei­se ei­ne Ideo­lo­gie dar­stellt«.
    Mög­li­cher­wei­se …
    Rim­baud setzt das Fa­nal in die Welt: »Man muss ab­so­lut mo­dern sein.« Tat­säch­lich ist heu­te ein Schrift­stel­ler, bil­den­der Künst­ler oder Kom­po­nist nur dann als Zeit­ge­nos­se ernst zu neh­men, wenn er die neue­ren Mei­len­stei­le der Ent­wick­lung zu­min­dest wahr­ge­nom­men und in ir­gend­ei­ner Form, even­tu­ell auch per Ne­ga­ti­on, ver­ar­bei­tet hat, so dass er sich qua­si in die­sen sehr breit und fa­cet­ten­reich ge­wor­de­nen Strom der Mo­der­ne ein­fügt.

    Aber man muss wohl erst mal dif­fe­ren­zie­ren. Es gibt ja 4 »Mo­der­ni­tä­ten«:
    – Die po­li­ti­sche Mo­der­ne (De­mo­kra­tie, Men­schen­rech­te, Frei­heit und Welt­frie­den als End­zwecke)
    – Die öko­no­mi­sche Mo­der­ne (der Ar­mut ein En­de be­rei­ten, Grund- und an­de­re Le­bens­be­dür­nis­se für al­le, »Welt­wohl­stand« als End­zweck)
    – Die wis­sen­schaft­li­che Mo­der­ne (Er­kennt­nis von Na­tur und Mensch bis ins Klein­ste, »Welt­wis­sen« als End­zweck)
    – Die kul­tu­rel­le Mo­der­ne – hat wel­chen End­zweck?
    Wenn man sich die Sa­che so ein­teilt, kann man stut­zig wer­den, weil die »kul­tu­rel­le Mo­der­ne« zwar statt­ge­fun­den hat und hof­fent­lich auch noch wei­ter statt­fin­det, aber es mel­den sich Fra­gen: Was zum Teu­fel soll das denn sein – „Fort­schritt in der Kunst“?! Wenn in der Po­li­tik, Wis­sen­schaft und Öko­no­mie Fort­schritt heißt, ei­nen schlech­ten Zu­stand zu über­win­den – wel­cher schlech­te Zu­stand muss dann z.B. in der Li­te­ra­tur oder Mu­sik über­wun­den wer­den?
    Of­fen­kun­dig sind die Ent­wick­lun­gen in der Kul­tur von ganz an­de­rer Art als die Fort­schrit­te in der Öko­no­mie oder Wis­sen­schaft. Ist denn Go­the „wei­ter“ als So­pho­kles? Joy­ce „wei­ter“ Goe­the? Proust „wei­ter“ als Stendhal? Ist Grass „wei­ter“ als Fon­ta­ne? Un­sin­ni­ge Fra­gen.
    Das Pa­ra­do­xe ist – und da gibt es Phä­no­me­ne, die auch in mei­nen Au­gen die Durch­ge­knallt­heit un­se­rer heu­ti­gen Glo­bal­kul­tu­ren an­zei­gen – dass dort, wo der Neu­ig­keits­wert der ein­zi­ge Wert ist, re­al der größ­te Still­stand herrscht. Ins­be­son­de­re gilt dies für den gan­zen Be­reich der Po­pu­lär­kul­tur. Der Kom­po­si­ti­ons­leh­re der Pop­mu­sik wur­de seit dem Blues kei­ne schrä­ge No­te mehr hin­zu­ge­fügt. Song­schrei­be­rei funk­tio­niert wie ei­ne im­mer glei­che Text­müh­le. Bü­cher wer­den ge­schrie­ben, da­mit es neue Bü­cher gibt – neu ist dar­in gar nichts und soll es auch nicht sein. Ein Kri­mi bleibt ein Kri­mi bleibt ein Kri­mi. Hol­ly­wood er­zählt im­mer wie­der die glei­chen 5 Ge­schich­ten, die dann aber ganz rie­sen­groß als „nie da­ge­we­sen“ an­non­ciert wer­den. Der Un­ter­schied zwi­schen Mo­de­indu­strie und Kul­tur­in­du­strie ist tat­säch­lich nicht mehr zu de­fi­nie­ren. Die­se kul­tu­rel­len In­no­va­ti­ons­müh­len wol­len gar nicht Neu­es er­fin­den oder fin­den, sie ver­kau­fen nur Er­re­gungs­zu­stän­de. Wie Gre­gor K. schreibt: Hier ha­ben wir es mit dem Ka­pi­ta­lis­mus zu tun, „der aus sich her­aus im­mer mehr pro­du­zie­ren muss, um zu funk­tio­nie­ren.“
    In­ter­es­sant wä­re jetzt die Fra­ge, wie weit die­se Kul­tur­wa­ren­in­du­strie, die nur Va­ri­an­ten für das im­mer­glei­che Be­dürf­nis pro­du­ziert, auch auf die Pro­du­zen­ten über­ge­grif­fen hat, de­ren In­ten­ti­on es ist, lang­le­bi­ge Gü­ter zu schaf­fen. Ich bin da nicht sehr op­ti­mi­stisch, al­ler­dings bin ich auch nicht sehr op­ti­mi­stisch, was die frü­he­ren Zei­ten an­geht. Un­ter der hei­li­gen Flag­ge der gro­ßen wah­ren schö­nen ewi­gen Kunst wur­de im­mer schon viel Blöd­sinn, ver­schmock­ter Murks, Schön­den­ke­rei und sinn­lee­rer Ha­bi­tus pro­du­ziert. Ob die heu­ti­gen Zei­ten schlech­ter sind als frü­he­re, weiß ich nicht. Man soll­te prag­ma­tisch ur­tei­len: So­lan­ge man hier und da et­was fin­det, was ei­nen tief auf­at­men lässt und auf die Knie zwingt vor Be­wun­de­rung, ist mir ei­gent­lich egal, dass sich die Ama­zon-Re­ga­le an­son­sten bis zum Mond hoch­tür­men mit nich­ti­gen Neu­ig­kei­ten. Aber auf­fäl­lig ist schon, dass „vi­ta bre­vis ars lon­ga“ heu­te in Mil­lio­nen von Fäl­len um­ge­kehrt for­mu­liert wer­den muss: „Dein Kunst­werk ver­schwin­det schnell, dein Le­ben aber ist lang.“ Wes­we­gen die ge­plag­ten Künst­ler eben nur wie Was­ser­dampf im per­ma­nen­ten Über­le­bens­kampf ste­hen und Jahr für Jahr neue kurz­le­ben­de Kunst­wer­ke pro­du­zie­ren müs­sen.

  11. Ja: Dass ist ihr Selbst­ver­ständ­nis (als gan­zes) ei­ne Ideo­lo­gie dar­stellt, ist frag­lich (nicht frag­lich ist, dass es Tei­le tat­säch­lich sind oder wur­den). Des­we­gen steht oben auch: In sei­nen An­fän­gen war das Pro­jekt Mo­der­ne noch der Su­che nach Wahr­heit ver­bun­den...

    Mer­ken Sie was in Ih­ren drei (und ich wür­de sa­gen: vier) De­fi­ni­tio­nen steckt? Je­weils ein End­zweck (ein Ide­al) der (das) durch Ent­wick­lung, Fort­schritt und Er­neue­rung an­ge­strebt wer­den soll. Der Ge­dan­ke ist nicht grund­le­gend falsch, aber wenn Sie jetzt noch ei­nen Schritt wei­ter ge­hen und zu­ge­ste­hen, dass ei­ne der­art an­ge­nom­me­ne Ent­wick­lung aus dem Ru­der lau­fen kann, sind wir schon sehr na­he an der Ge­gen­wart: Dass es viel­leicht tat­säch­lich pas­siert ist. Was zu dis­ku­tie­ren wä­re. Und auch war­um.

    Sie zäh­len ja vie­les auf, dem ich zu­stim­men mag, aber es kann doch kein Zu­fall sein, dass dem so ist, und der Ka­pi­ta­lis­mus ist m.E. ei­ne hal­be Ant­wort, und ich ver­wei­se noch ein­mal dar­auf, dass er doch ein Phä­no­men der Mo­der­ne ist (aber die­se na­tür­lich nicht aus­schließ­lich Ka­pi­ta­lis­mus).

    Und auch hier sind wir uns ei­nig: So­lan­ge man hier und da et­was fin­det, was ei­nen tief auf­at­men lässt und auf die Knie zwingt vor Be­wun­de­rung, ist mir ei­gent­lich egal, dass sich die Ama­zon-Re­ga­le an­son­sten bis zum Mond hoch­tür­men mit nich­ti­gen Neu­ig­kei­ten. Viel­leicht aber mit dem Un­ter­schied, dass ein paar Mal für ein Le­ben zu we­nig sind und ich das nicht dem Zu­fall über­las­sen möch­te: Es wä­re schön die­se Mo­men­te von Tie­fe öf­ter an­tref­fen, sie bis zu ei­nem ge­wis­sen Maß selbst ge­stal­ten zu kön­nen.

  12. Noch nach­ge­tra­gen: Das Rimbaud’sche »man muss ab­so­lut mo­dern sein«, die­ser Im­pe­ra­tiv, passt der nicht auch gut auf den Ka­pi­ta­lis­mus und muss er nicht ein Sy­stem zur Über­hit­zung trei­ben?

  13. @Fritz
    Wun­der­ba­rer Kom­men­tar; vie­len Dank hier­für.

    Ein Wi­der­spruch: In­ter­es­sant wä­re jetzt die Fra­ge, wie weit die­se Kul­tur­wa­ren­in­du­strie, die nur Va­ri­an­ten für das im­mer­glei­che Be­dürf­nis pro­du­ziert, auch auf die Pro­du­zen­ten über­ge­grif­fen hat, de­ren In­ten­ti­on es ist, lang­le­bi­ge Gü­ter zu schaf­fen. Ich glau­be, dass dies nicht mehr der Fall ist. Die Pro­du­zen­ten ha­ben we­ni­ger das In­ter­es­se, lang­le­bi­ge Gü­ter zu schaf­fen, als im­mer neu­ar­ti­ge­re Gü­ter zu pro­du­zie­ren. Die »Halb­wert­zeit« bei­spiels­wei­se elek­tro­ni­scher Ge­rä­te ist ja in­zwi­schen nur noch 2 bis 3 Jah­re. Dann läuft sin­ni­ger­wei­se auch die Ga­ran­tie­zeit aus. Wenn ich mei­nen PC-Hän­der sa­ge, dass mein Klapp­rech­ner vier Jah­re alt ist, be­kom­me ich ein mit­lei­di­ges Lä­cheln. Der Schleu­der-Ka­pi­ta­li­mus ver­langt ge­ra­de­zu nach Ver­brauch. Da stört so et­was wie Lang­le­big­keit nur noch.

  14. Post it
    Ich fin­de, dass man tat­säch­lich »die Mo­der­ne« ganz klar ab­gren­zen kann von der Post­mo­der­ne. Und die­ser Text hier samt De­bat­te drun­ter gibt viel­leicht auch ei­ne schö­ne Ge­le­gen­heit, den ent­schei­den­den Punkt her­aus­zu­ar­bei­ten.
    Was Fritz sagt, ist rich­tig, wenn man ein post- da­vor hängt: »(Post-)Modern sein heißt eben auch, ein kom­pli­zier­tes Be­wusst­sein für die ei­ge­ne Ge­schich­te zu ha­ben, eben weil man stär­ker als frü­he­re Jahr­hun­der­te weiß, wie die Zeit al­les um­wälzt.«
    Ich glau­be, dass ein Mo­der­ner, wie Schön­berg, kei­ner­lei Re­spekt ge­habt hät­te vor dem »al­ten Plun­der« (al­lein, weil er von der Fä­hig­keit der Re­du­pli­ka­ti­on so fas­zi­niert ge­we­sen wä­re).
    Erst wenn man Wie­der­hol­bar­keit auch des Tisch- und Schrank­her­stel­lens als Nor­ma­li­tät er­fah­ren hat, als schreck­li­che Nor­ma­li­tät, wird man fä­hig zum post­mo­der­nen Be­wusst­sein. Dann be­kommt das mit Lie­be Ge­fer­tig­te den Haut­gout des mit Lie­be Ge­fer­tig­ten. Das aber wä­re eher post­mo­dern. Denn die Mo­der­ne will ja wirk­lich al­les neu ma­chen, sie be­grüßt IKEA (mit ein biss­chen Stil). Die Post­mo­der­ne als Le­bens­form ist ja auch ei­ne IKE­A­m­o­der­ne, dar­um wird sie als Denk­form ei­ne Prä­mo­der­ne – wir wol­len wie­der hal­ten, um­ar­men, be­stehen.
    Fritz hat na­tür­lich auch in­so­fern Recht, das FAKTISCH die Mo­der­nen sehr viel bes­ser über al­te Zei­ten Be­scheid wuss­ten als wir Post­mo­der­nen. Sie hat­ten mehr hi­sto­ri­schen Sinn. Und Bil­dung. Ge­ra­de des­halb war­fen sie den al­ten Plun­der so leich­ten Her­zens über Bord – er war ja im­mer mit ih­nen, leb­te in ih­rer Er­in­ne­rung fort.
    Ich glau­be aber, dass die Um­wäl­zun­gen nach dem all­täg­li­chen Er­leb­nis der Mo­der­nen im Ver­gleich zu den Halb­wert­zei­ten, an die wir Post­mo­der­nen uns ge­wöhnt ha­ben, sehr lang­sa­me Be­we­gun­gen wa­ren.
    Sa­gen wir so: Die Mo­der­nen woll­ten post­mo­dern sein, die Post­mo­der­nen wol­len mo­dern sein.

  15. »Wir wol­len wie­der hal­ten, um­ar­men, be­stehen kön­nen.« Man muss das (fast?) wie­der ler­nen; und dort wo es ge­lingt, ist die Be­we­gung ei­ne an­de­re und vor al­lem will man sie selbst. Sehr vie­le in mei­nem Um­kreis kla­gen dar­über, dass die Zeit so schnell ver­geht. Das hat doch da­mit zu tun, dass wir (all­zu oft) das Ge­gen­wär­ti­ge nicht mehr oder nicht im­mer in­ten­siv als sol­ches er­le­ben.

  16. ..nicht »Ge­schichtsver­ges­sen­heit« son­dern im Ge­gen­teil -er­in­ne­rung, oder?
    (die Mo­der­ne, wae­re doch die mit dem Kurz­zeit­ge­daecht­nis – ist ja auch prak­tisch, dann kann man gut re­cy­clen, weil man schon ver­ges­sen hat, dass das coo­le Neue schon da war.. – die, .. ach ich glau­be die­se Ein­tei­lun­gen ja al­le noch nicht(; )

  17. Das ist die Fra­ge: Ge­schichtser­in­ne­rung in dem Ge­denk-Sin­ne schon (Mahn­mal-We­sen). Ge­schichtsver­ges­sen­heit je­doch im Sin­ne gro­ßer bzw. grö­ße­rer Zu­sam­men­hän­ge bzw. da­hin­ge­hend, dass Ge­schichts­pro­zes­se und ‑ent­wick­lun­gen nur von ih­rem En­de her be­trach­tet und be­wer­tet wer­den.

    Das führt dann bei­spiels­wei­se zu der skur­ri­len An­sicht vie­ler po­li­ti­scher Ak­teu­re und Pu­bli­zi­sten, dass mit ei­nem wie auch im­mer ge­ar­te­ten Schei­tern der EU und/oder des Eu­ro die »Schlacht­fel­der« der bei­den Welt­krie­ge wie­der droh­ten. Ein mei­nes Er­ach­tens ty­pi­sches »post­mo­der­nes« po­li­ti­sches Ver­ständ­nis.

  18. Fritz hat na­tür­lich auch in­so­fern Recht, das FAKTISCH die Mo­der­nen sehr viel bes­ser über al­te Zei­ten Be­scheid wuss­ten als wir Post­mo­der­nen. Sie hat­ten mehr hi­sto­ri­schen Sinn. Und Bil­dung. Ge­ra­de des­halb war­fen sie den al­ten Plun­der so leich­ten Her­zens über Bord – er war ja im­mer mit ih­nen, leb­te in ih­rer Er­in­ne­rung fort.

    Tut mir leid, da hat­te ich mich ver­le­sen, zu sehr noch die Post­mo­der­nen als die Re­stau­rie­rer im Kopf ge­habt, dass ich da tat­saech­lich ge­le­sen ha­be, »wir« »Post­mo­der­nen« haet­ten auf ein­mal wie­der Sinn fuer die Ge­schich­te, de­rer sich die Mo­der­nen ent­le­di­gen woll­ten (viel­leicht taugt’s ja noch als Moe­bi­li­ar, net­te al­te Korb­ses­sel, Zink­wan­nen.. al­so ist bei den Post­mo­der­nen die Ge­schich­te nur Plun­der, Schmuck und Fe­dern, die man sich an­haengt wie ein biss­chen Adorn(o),...
    bei dem was so land­laeu­fig als post­mo­der­ne Li­te­ra­tur ver­kauft wird, scheint auch viel Li­te­ra­tur­lit­te­ra­tur drun­ter zu sein, al­so In­ter­tex­tua­li­taet mit Klas­si­kern die nur noch Sym­bol­cha­rak­ter ha­ben? Herr Au­ster hat die doch ernst ge­nom­men, will ich mei­nen, wie auch Ben­ja­min Stein {oder ist der auch nur an­ti-mo­dern und nicht post­mo­dern?}, Ver­wir­rung ueber Ver­wir­rung......)

    »Fort­schritts­glau­ben«, s.u. fin­de ich schon bes­ser (Mo­den, und modern/neu zu sein, gab’s ja schon im­mer, dann wae­re viel­leicht auch schon Ba­rock oder Ro­ko­ko­ko­ko­kot­ten oder der Adel ir­gend­wann schon mo­dern ge­we­sen) – »glau­ben« stinkt auch schon so schoen nach Ideo­lo­gie, die­ser ge­paart mit den po­si­ti­ven Wis­sen­schaf­ten, vllt. gae­be ei­ne no­be­li­ge Mi­schung..

    [nur haet­te ich na­tuer­lich so­fort schon Ein­waen­de: wo faengt das dann an? Mit Kant oder der Auf­klae­rung, da fin­det sich doch auch schon die­se im­mer wei­ter schrei­ten­den Erkenntnis/ Ver­nunft? Was war dann mit den Scho­la­sti­kern (an de­nen Kant sich auch ge­schult ha­ben soll?).. und wenn wir noch wei­ter­ge­hen, die gan­zen Grie­chen.. (s.a. Ben­ja­min Stein und der ge­ra­de die­se Kon­ti­nui­taet sieht, wenn er sagt wir leb­ten in ei­ner ye­von­ni­schen Welt!)]

  19. Be­zie­hungs­sta­tus: kom­pli­ziert.
    Wir Post­mo­der­nen ha­ben selbst­ver­ständ­lich ein Be­wusst­sein für Ge­schich­te, wir WOLLEN es ja ha­ben, seh­nen uns da­nach – aber es ist »kom­pli­ziert«, um Fritz’ lu­zi­de For­mu­lie­rung auf­zu­grei­fen. Ein brü­chi­ges, pre­kä­res, la­bi­les Ver­hält­nis zur Ver­gan­gen­heit. Be­sten­falls. Fried­rich II. der Stau­fer ist uns eben­so nah wie Wil­helm II. oder Fried­rich II., der Gro­ße, der Preu­ßen­kö­nig. Oder viel­leicht so­gar wie ir­gend­wel­che Pri­ma­ten, My­ke­ne, die Kreuz­zü­ge und Sa­van­nen. Das ist al­les Vor­ge­schich­te, My­thos, ir­gend­was Un­kla­res – ein Raum, aus dem wir kom­men, der aber weg ist.

    Wir ha­ben heu­te die Mög­lich­keit, aus dem Vol­len zu schöp­fen, uns noch der ent­le­gen­sten Stel­len der Ge­schich­te zu be­die­nen, über Wi­ki­pe­dia je­den Gra­fen, Für­sten, Ho­hen­zol­lern auf­zu­ru­fen und her­bei­zu­zi­tie­ren, Schloss Neu­schwan­stein Stein für Stein zu ana­ly­sie­ren – aber der SINN des Gan­zen ist uns ab­han­den ge­kom­men. DAS macht das We­sen der Post­mo­der­ne aus: Ma­te­ri­al oh­ne im­ma­nen­tes Kon­zept. Die Ver­gan­gen­heit spricht nicht mehr zu uns.

    Und al­so ar­ran­gie­ren wir das Ma­te­ri­al nach an­de­ren Ge­sichts­punk­ten – schwö­ren auf Ver­schwö­rungs­theo­rien, klam­mern uns an die Idee der En­tro­pie, rät­seln uns in Mi­kro­hi­sto­ri­en hin­ein usw. Im schlimm­sten Fall über­las­sen wir die Hi­sto­rie Gui­do Knopp und sei­nen Man­nen und ta­ckern den Quatsch dann in GEO-Hef­ten zu­sam­men.

    Für uns ist die Ge­schich­te ein Bein­haus, ei­ne As­ser­va­ten­kam­mer, Ku­lis­se und Re­qui­si­te für un­se­re nost­al­gisch-ver­zwei­fel­ten Tag­träu­me. Es geht uns wie Goe­the, der sich ein­fach ei­nen be­lie­bi­gen Schä­del schnapp­te und sag­te: »Das ist der Kopf vom Schil­ler!«, was na­tür­lich völ­li­ger Un­fug war ... Par­don, ich fa­bu­lie­re schon wie­der!

  20. @blogo
    Wie­der­um aus­neh­mend tref­fend! Ge­nau das ist es, was die Al­ten, die wir noch ken­nen, und er­le­ben dür­fen, so be­wun­derns­wert macht: Sie sind ganz, ab­ge­run­det, ge­bil­det und ste­hen für et­was. Na­tür­lich se­hen wir ih­re Män­gel und Feh­ler, aber sie be­sit­zen al­lem An­schein nach et­was, das wir ver­mis­sen.

    Aber sie wuch­sen auch in ei­ner an­de­ren Zeit her­an und konn­ten der neu­en ge­fe­stigt be­geg­nen.

  21. Die ‘Mo­der­ne’ zeich­net sich durch den Fort­schritts­glau­ben aus, wäh­rend die ‘Post­mo­der­ne’ weiß, wo­hin die­ser ‘Fort­schritt’ ge­führt hat. Das er­klärt zu­min­dest de­ren Ek­lek­ti­zis­mus.

  22. Sind wir al­so auf der an­de­ren Sei­te des Pfer­des wie­der an­ge­kom­men?
    (vaul­ting am­bi­ti­on, which o’er­leaps its­elf) – hof­fent­lich nur ’ne Ver­stau­chung,.. aber da merk ich, Gott ist Kot?

  23. @walhalladada
    Ist das so, dass »wir« wis­sen, wo­hin der Fort­schritts­glau­be ge­führt hat? Oder glau­ben wir nicht doch noch im­mer ein As im Är­mel zu ha­ben, wel­ches wir bei Ge­le­gen­heit dann in das Blatt hin­ein­mo­geln? Wie ist es mög­lich, dass man glaubt, wenn man in D die AKWs ab­schal­tet, das Pro­blem ge­löst ist? Wie­so sind die Nach­hal­tig­keits­jün­ger viel zu oft in den Schlan­gen zum ipad2 zu fin­den?

    Manch­mal glau­be ich, der Un­ter­schied be­steht dar­in, dass die Post­mo­der­ne prak­tisch die so­zi­al­de­mo­kra­ti­sier­te Ge­sell­schafts­form dar­stellt. Das, was in der Mo­der­ne Ziel war, ist hier weit­ge­hend er­füllt. Post­mo­dern wä­re ei­ne Be­schrei­bung für ei­nen Ega­li­ta­ris­mus, der lang­sam Ni­vel­lie­rung mit Li­be­ra­li­tät ver­wech­selt.

  24. Wahr­lich nicht leicht zu be­ant­wor­ten, lie­ber Gre­gor, aber die Fra­ge po­li­tisch, gar par­tei­po­li­tisch be­ant­wor­ten zu wol­len, führt mei­nes Er­ach­tens zu nichts. Es gibt ei­nen Ge­ne­ral­nen­ner, der – be­wusst oder un­be­wusst – glei­cher­ma­ßen al­le be­trifft, vom Lei­stungs­trä­ger bis hin zum Emp­fän­ger: das Un­be­ha­gen. Wenn die ‘Mo­der­ne’ dem Men­schen (Sub­jekt) noch sei­ne Un­zu­läng­lich­keit vor Au­gen ge­führt hat, dann ist es Sa­che der ‘Post­mo­der­ne’ ihn (den Men­schen) als Ob­jekt vor­zu­füh­ren.

  25. @wallhaladada
    Ich ha­be das »so­zi­al­de­mo­kra­ti­sche« nicht par­tei- oder eher ge­sell­schaft­po­li­tisch ge­se­hen. Ver­all­ge­mei­nernd könn­te man ja auch sa­gen, dass die Post­mo­der­ne die »so­zia­le Fra­ge« ge­klärt hat­te. Fa­tal ist nur, dass die­se Klä­rung durch ma­kro­öko­no­mi­sche Twän­ge (die na­tür­lich po­li­tisch ge­dul­det wer­den) droht, wie­der auf­ge­ho­ben zu wer­den.

    In­ter­es­sant der Ge­dan­ke, die Post­mo­der­ne füh­re den men­schen als Ob­jekt vor. Ist dies ei­ne neue, er­nüch­tern­de Schick­sals­gläu­big­keit?

  26. In­ter­es­sant der Ge­dan­ke, die Post­mo­der­ne füh­re den men­schen als Ob­jekt vor. Ist dies ei­ne neue, er­nüch­tern­de Schick­sals­gläu­big­keit?

    Ich glau­be, dass »die Mo­der­ne« ir­gend­wann sehr kri­tik­re­si­stent wur­de, was auf Grund der Feind­schaft, die ihr im­mer wie­der ent­ge­gen schlug bis zu ei­nem ge­wis­sen Grad nach­voll­zieh­bar ist. Aber man sah ir­gend­wann sei­ne ei­ge­nen Feh­ler nicht mehr und konn­te oder woll­te auch nicht ge­gen­steu­ern: Den Men­schen als Ob­jekt vor­zu­füh­ren, wür­de ich jetzt durch­aus als auf­klä­re­ri­schen Akt in­ter­pre­tie­ren, im Sin­ne von: Hin­se­hen und be­grei­fen, was da ei­gent­lich pas­siert ist (der Mensch wä­re nicht schon im­mer Ob­jekt ge­we­sen, son­dern es erst durch die Mo­der­ne ge­wor­den).

  27. Den Men­schen als Ob­jekt zu se­hen, hal­te ich für ge­lin­de ge­sagt: schwie­rig. Ich wür­de dies als ei­nen an­ti-auf­klä­re­ri­schen im­puls se­hen, der Ru­bri­zie­rung von Men­schen er­mög­licht.

    Die Mo­der­ne gilt heu­te noch als weit­ge­hend sa­kro­sankt (im sä­ku­la­ren Sin­ne). Das hängt haupt­säch­lich da­mit zu­sam­men, dass Kri­tik ent­we­der als Welt­un­ter­gangs­pro­phe­zei­ung ge­übt wur­de (die bei­spie­le ste­hen wei­ter un­ten in Fritz’ Kom­men­tar) oder in an­ti-mo­der­ne Sy­ste­me führ­ten (Na­zis, Sta­li­nis­mus, Pol Pot). (Die Tat­sa­che, dass ins­be­son­de­re die Na­zis tech­nik­af­fin wa­ren, spielt hier­bei kei­ne Rol­le – es geht um das Men­schen- und Ge­sell­schafts­bild.)

    Die Post­mo­der­ne üb­te nun kei­ne »Kri­tik« an der Mo­der­ne, son­dern über­führ­te sie min­de­stens im künst­le­ri­schen und in­tel­lek­tu­el­len Be­reich auf ei­ne sehr brei­te Ba­sis, die man bös­wil­lig auch als Be­lie­big­keit be­zeich­nen könn­te. Ge­sell­schafts­po­li­tisch gibt die Post­mo­der­ne nichts her; sie hat den Ka­pi­ta­lis­mus hin­ge­nom­men und op­fert sich ihm teil­wei­se auf. Po­li­ti­sche Be­we­gun­gen, die nun bei­spiels­wei­se für ein be­din­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men plä­die­ren, wä­ren in die­sem Sin­ne re­stau­ra­tiv, da sie den Ka­pi­ta­lis­mus zu Gun­sten ei­nes Eta­tis­mus bän­di­gen bzw. auf­he­ben wol­len. Die­se Bän­di­gung ge­schieht aber nur schein­bar. In Wirk­lich­keit wird das zir­ku­lie­ren­de Ka­pi­tal nur an­ders ver­teilt und das Lei­stungs­prin­zip, im­ma­nent für den Öko­no­mis­mus, ab­ge­schafft.

  28. Be­vor es et­was un­ter­geht, wo das hier, so rich­tig schön warm­läuft, wie un­ten be­merkt: Ge­stern ha­be ich dei­nen Text, me­tep­si­lo­n­e­ma, noch ein­mal ge­le­sen, und möch­te doch ein­mal sa­gen, dass dir da ein schö­ner Es­sai ge­lun­gen ist. Zu­spit­zend, sehr bild­reich und strin­gent auf ei­nen Punkt kon­zen­triert – und wie man sieht sehr an­re­gend zur Dis­kus­si­on, bzw. zum ei­ge­nen Nach­den­ken (gut das hat­te Fritz schon an­ge­merkt).

    Lei­der muss ich mich der Dis­kus­si­on viel­leicht ein­mal et­was ent­zie­hen, da ich wie­der in mein Ham­ster­lauf­rad muss,.. aber ich mel­de mich wie­der – viel­leicht ge­lingt mir ja bald end­lich ei­ne et­was strin­gen­te­re Ant­wort (wenn auch nicht in so ge­schlos­sen-schö­ner Form wie dein Es­sai).

    [vllt. ei­ne kur­ze Vor­schau: wor­in dein Es­sai mög­li­cher­wei­se fehl­geht ist, dass er viel­mehr ei­ne ver­kapp­te Ge­sell­schafts- und Kul­tur­kri­tik vor­legt, als ei­ne nüch­ter­ne Ty­po­lo­gie un­se­res Zeit­al­ters... und die {kommt wie­der mein ei­ner T(r)ick} Dia­lek­tik ver­gisst: die­ses Schau­bild http://walhalladada.twoday.net/stories/16559367/ fin­de ich da­zu sehr ge­lun­gen, wenn wir Ge­sell­schafts­kri­ti­ker uns klar ma­chen, dass wir na­tür­lich al­le der ei­ne, der an­de­re (bei Man­fred Lütz: die Ir­ren, die Au­ßer­ge­wöhn­li­chen) sind.. und da­mit ei­gent­lich wie­der die graue, uni­for­me Mas­se?
    ... auch wenn dies ei­ne rhe­to­ri­sche Fi­gur ist, die ähnlich/invers bei Herrn Keu­sch­nig schon vor kam: Ei­ne The­se, die ich im­mer so­ge­nann­ten Aus­stei­gern vor­hal­te: Ihr Aus­stei­ger­tum funk­tio­niert nur des­halb, weil es ge­nü­gend »Per­so­nal« gibt, wel­ches wei­ter­macht...
    mehr hof­fent­lich spä­ter..]

  29. @Gregor
    Ich in­ter­pre­tie­re nur wall­hal­l­ada­das Satz, viel­leicht kann er uns wei­ter­hel­fen, wie er zu ver­ste­hen ist. Ich weiß nicht, kann Er­kennt­nis an­ti­auf­klä­re­risch sein, wenn sie tat­säch­lich et­was er­kannt hat?

    Ich glau­be schon, dass es ei­ne Rol­le spielt, dass die Na­tio­nal­so­zia­li­sten Tech­nik nicht ab­ge­lehnt ha­ben, weil sie da­mit die Mo­der­ne nur par­ti­ell zu­rück­wie­sen (s.u.); sie ha­ben das si­cher­lich vor­mo­der­ne Mensch- und Ge­sell­schafts­bild mit mo­der­nen Er­run­gen­schaf­ten ver­wo­ben. Man könn­te fra­gen, ob vor­mo­der­ne Ver­ständ­nis­se viel­leicht im­mer wie­der »hoch kom­men«, weil sie sich nicht gänz­lich ver­ban­nen las­sen (das bit­te nicht als Recht­fer­ti­gung to­ta­li­tä­rer Sy­ste­me miss­ver­ste­hen).

    Die Post­mo­der­ne üb­te nun kei­ne »Kri­tik« an der Mo­der­ne [...]

    Das hal­te ich für falsch, au­ßer man sieht es aus­schließ­lich vom Er­geb­nis, vom ge­gen­wär­ti­gen Zu­stand her (Bau­mann kri­ti­siert die Mo­der­ne klar und deut­lich und setzt als Ge­gen­punkt die Post­mo­der­ne). Sonst hast Du mit vie­lem Recht, die Post­mo­der­ne scheint ei­ni­ge Ent­wick­lun­gen mit of­fe­nen Ar­men zu emp­fan­gen (was auch ein Grund war, war­um ich den Be­griff ver­mie­den ha­be).

    Ein Grund­ein­kom­men könn­te, bei al­len Halb­her­zig­kei­ten und Un­zu­läng­lich­kei­ten, aber Ge­schwin­dig­keit (und wei­te­re Be­schleu­ni­gung) aus dem Sy­stem neh­men und da­durch doch et­was zu ei­ner Kor­rek­tur bei­tra­gen.

  30. @Phorkyas
    Dan­ke. Ich bin mir zwar nicht si­cher ob ich Dich rich­tig ver­ste­he, aber über »ei­ne Ant­wort« freue ich mich in je­dem Fall. Be­ste Grü­ße!

  31. @thread
    Zur Ob­jekt-Sub­jekt-Re­la­ti­on: Ich den­ke, dass die ‘Mo­der­ne’ oh­ne ei­nen em­pha­ti­schen Sub­jekt-Be­griff eben nicht denk­bar ist. Ver­knüpft mit die­sem ist ein wei­test­ge­hen­der An­thro­po­zen­tris­mus, der nicht um­hin kann, den Ge­dan­ken des ‘Fort­schritts’ an das ‘Sub­jekt’ zu bin­den. Das ist hi­sto­risch nicht gut ge­gan­gen! Die Dia­lek­tik – Mo­tor des Fort­schritts­ge­dan­kens – kennt nur­mehr die Ne­ga­ti­on. Sie ist die ei­gent­li­che Trieb­fe­der für das, was man ge­mein­hin ‘Post­mo­der­ne’ nennt. Das gu­te al­te ‘Sub­jekt’ hat zwar aus­ge­dient, aber es zieht sich am Schopf der Be­lie­big­keit aus dem mo­dernden Mo­rast sei­ner Be­deu­tungs­lo­sig­keit!

    (Sehr schnell zwi­schen Tür & An­gel – ich bit­te um Nach­sicht)

  32. @walhalladada
    Ver­kürzt ge­sagt: Das Sub­jekt er­hofft sich da­durch zu ret­ten, in­dem es al­les für be­lie­big er­klärt. Muss es aber nicht ge­ra­de dar­an wie­der schei­tern? Die Be­deu­tung kehrt da­durch doch nicht zu­rück.

  33. Die Be­deu­tung – was ist das – kehrt zwar nicht zu­rück, aber die ‘Post­mo­der­ne’ ist ge­kenn­zeich­net durch den Ver­such des von den ge­schicht­li­chen Er­eig­nis­sen ‘über­hol­ten’ Sub­jekts sei­ne ge­wahr­ge­wor­de­ne ‘Be­lie­big­keit’ gleich­sam zu ent­äu­ßern, in­dem es – be­lie­big – Din­ge mit Be­deu­tung auf­lädt. Die Mo­der­ne war hei­li­ger Ernst, wo­hin­ge­gen die Post­mo­der­ne mit der Be­lie­big­keit ei­nen ge­ra­de­zu spie­le­ri­schen Um­gang pfle­gen muss! Stich­wort : Ek­lek­ti­zis­mus. Sie tut das nicht von un­ge­fähr, son­dern aus Not­wehr: Letz­lich ver­sucht das über­hol­te Sub­jekt sei­ne Haut zu ret­ten, in­dem es vor­gibt, noch die Ober­ho­heit über sei­ne ei­ge­ne Be­deu­tungs­lo­sig­keit zu ha­ben. Ich glau­be, die ‘Mo­der­ne’ war in ih­rem Kern kon­struk­tiv, auch uto­pi­stisch, wäh­rend die hoch­ge­bil­de­te ‘Post­mo­der­ne’ sich eher der ge­schmäck­le­ri­schen Re­gres­si­on ver­pflich­tet weiß.

  34. @walhalladada
    Mit der Be­deu­tung ha­be ja nicht ich be­gon­nen... Aber Spass bei­sei­te: Be­deu­tung lässt mich be­stimm­te Hand­lun­gen an­de­ren ge­gen­über be­vor­zu­gen (es hat viel mit glau­ben und ein­schät­zen zu tun, we­ni­ger mit Wis­sen).

    Man könn­te nun über­le­gen, ob das nicht schon im­mer so war, dass der Ernst im­mer ein vor­ge­scho­be­ner Grund war und wir ei­gent­lich aus bis­her ver­bor­ge­nen oder ver­dräng­ten Mo­ti­ven her­aus han­deln. Be­lie­big­keit als ei­ne Art Ak­zep­tanz von dem was oh­ne­hin schon im­mer der Fall war.

    Ein an­de­rer Aus­weg wä­re ei­ne Flucht in die Quan­ti­tät (die mir manch­mal schon fast ver­wirk­licht er­scheint).

    Die Iro­ni­sie­rung und Äs­the­ti­sie­rung des Le­bens in der Post­mo­der­ne ist na­tür­lich nicht oh­ne Pro­ble­me und Ge­fah­ren.

  35. @walhalladada
    die Ober­ho­heit über sei­ne ei­ge­ne Be­deu­tungs­lo­sig­keit

    Sehr schön.

    Und wie soll ich nun mit die­sem »Wis­sen« um mei­ne Be­deu­tungs­lo­sig­keit um­ge­hen, die ich mit Af­fek­ten (und Ef­fek­ten) nur müh­sam ver­brä­men ver­mag?

    Dem­zu­fol­ge wä­re der Elek­ti­zis­mus der Post­mo­der­ne das Ein­ge­ständ­nis, nichts Neu­es mehr vor­zu­fin­den, son­dern nur als »Al­te« noch zu mo­di­fi­zie­ren? (Das dürf­te dann wohl nur für die Kunst gel­ten.)

  36. @Gregor@
    Für die Na­tur­wis­sen­schaf­ten gilt das na­tür­lich nicht – Pa­ra­de­bei­spiels­wei­se: für den me­di­zi­ni­schen Fort­schritt! Ich be­we­ge mich mit mei­ner Ar­gu­men­ta­ti­on im Rah­men der ‘Kunst’, viel­leicht soll­te ich bes­ser sa­gen, der Gei­stes­wis­sen­schaf­ten, in de­nen es nach wie vor nach al­len Re­geln der ‘Kunst’ spu­ken muss. Und war­um auch nicht...? Sie ist – zu­min­dest für mich – die ein­zi­ge Di­men­si­on, die das ‘Le­ben’ er­fahr­bar ma­chen kann, oh­ne dass man die Mo­le­ku­lar­bio­lo­gie be­grei­fen muss. Für letz­te­res bin ich ein­fach zu sim­pel ge­wickelt!
    Ich je­den­falls ge­he mit mei­ner ‘Be­deu­tungs­lo­sig­keit’ af­fek­tiv um – das mag zwar nicht ‘ef­fek­tiv’ sein, aber es si­chert mir den Glau­ben an mei­ne ver­meint­li­che ‘Ober­ho­heit’ :-)

  37. @walhalladada
    Ket­ze­risch könn­te man auch be­haup­ten, dass es für die Na­tur­wis­sen­schaf­ten gilt. Auch die rich­ten sich nur an un­se­rem Er­fah­rungs- und Wahr­neh­mungs­ap­pa­rat aus. Der me­di­zi­ni­sche Fort­schritt be­ruht dar­auf, dass be­stimm­te Krank­hei­ten be­kämpft wer­den kön­nen, da­für aber an­de­re, neue Krank­hei­ten auf­kom­men, usw. Der »Fort­schritt« in der Land­wirt­schaft führt u. U. da­zu, dass die Pe­sti­zi­de, die zu sehr ho­hen Ern­te­er­trä­gen füh­ren, nicht nur Nah­rung ge­fähr­li­cher ma­chen, son­dern auch noch die Bie­nen aus­rot­ten – und da­mit das ge­sam­te Öko­sy­stem de­sta­bi­li­siert wür­de. Es kommt mir vor, als wür­den die Na­tur­wis­sen­schaf­ten lau­ter Pyr­rhus­sie­ge fei­ern, de­ren »Halb­wert­zeit« im­mer kür­zer ist.

    Der Un­ter­schied zwi­schen Gei­stes­wis­sen­schaf­ten und Na­tur­wis­sen­schaf­ten liegt dar­in, dass die Gei­stes­wis­sen­schaf­ten um ih­re Vor­läu­fig­keit wis­sen, wäh­rend die Na­tur­wis­sen­schaf­ten »end­gül­ti­ge« Ur­tei­le po­stu­lie­ren, die so­lan­ge gel­ten, bis das Ge­gen­teil »be­wie­sen« wird.

    Ich fra­ge mich nun, ob die­se Er­kennt­nis post­mo­dern ist oder noch Aus­läu­fer ei­ner ster­ben­den, sich sel­ber ab­schaf­fen­den Mo­der­ne. Post­mo­dern könn­te es dem­nach sein, die­ses »Ham­ster­rad« nicht nur zu durch­schau­en, son­dern aus ihm aus­zu­tre­ten. Das mein­te ich mit Re­stau­ra­ti­on.

  38. @Gregor
    Selbst wenn da »ket­ze­risch« steht, die Na­tur­wis­sen­schaf­ten rich­ten sich na­tür­lich nicht nur nach un­se­rem Er­fah­rungs- und Wahr­neh­mungs­ap­pa­rat: Je­des Rönt­gen­bild zeigt sehr an­schau­lich das Ge­gen­teil.

    Und der wich­tig­ste Un­ter­schied zwi­schen Na­tur- und Gei­stes­wis­sen­schaf­ten ist ein me­tho­di­scher (und auch ei­ner des Ge­gen­stands).

    Es kommt mir vor, als wür­den die Na­tur­wis­sen­schaf­ten lau­ter Pyr­rhus­sie­ge fei­ern, de­ren »Halb­wert­zeit« im­mer kür­zer ist.

    Das klingt schon sehr nach Post­mo­der­ne... aber ernst­haft, ge­nau das ist ei­ner der Kri­tik­punk­te am mo­der­nen Den­ken, dass man den »Geg­ner«, das zu be­kämp­fen­de im­mer neu er­zeugt – je­de Ka­te­go­ri­sie­rung schafft au­to­ma­tisch et­was Nicht-ka­te­go­ri­sier­tes).

    Ich fra­ge mich nun, ob die­se Er­kennt­nis post­mo­dern ist oder noch Aus­läu­fer ei­ner ster­ben­den, sich sel­ber ab­schaf­fen­den Mo­der­ne.

    Das Ei­ne geht wohl nicht oh­ne das An­de­re: Wä­re die Mo­der­ne stark ge­nug, wür­den wir nicht über das »post« dis­ku­tie­ren. In­ner­halb der Post­mo­der­ne ist wohl bei­des mög­lich: Das Ham­ster­rad am Lau­fen hal­ten oder ins Freie sprin­gen.

  39. @Metepsilonema
    Das Rönt­gen­bild ist wie­der­um nur durch un­se­ren ei­ge­nen Sin­nes­ap­pa­rat zu »se­hen« und zu in­ter­pre­tie­ren. (Aber das Pro­blem ist na­tür­lich ur­alt; so kam Des­car­tes auf sei­nen be­rühm­ten Schluss...)

  40. @Gregor
    Na­ja, man muss schon un­ter­schei­den, ob ich die Welt nur durch das mir un­mit­tel­bar zu­gäng­li­che er­klä­ren will (die Sin­ne) oder ich mei­nen Er­fah­rungs­be­reich er­wei­te­re (die Na­tur­wis­sen­schaft ver­sucht das durch Hilfs­mit­tel, Ge­rä­te, usw.). Rönt­gen­strah­lung kön­nen wir nicht wahr­neh­men, aber man kann zei­gen, dass sie exi­stiert (da­zu reicht die Schwär­zung ei­nes Films). Das ist nicht frei von er­kennt­nis­theo­re­ti­schen Pro­ble­men, aber die gibt es im­mer. Man kann das in letz­ter Kon­se­quenz so weit trie­ben und sa­gen, dass selbst das Ab­le­sen von ei­nem Mess­in­stru­ment pro­ble­ma­tisch ist (ich kann die Rönt­gen­strah­lung z.B. mes­sen). Gut, aber im­mer­hin macht man sich die Mü­he ein sol­ches zu ver­wen­den (und dass al­les Täu­schung ist, das kann theo­re­tisch sein, aber da wir oh­ne­hin nicht han­deln als wä­re das so, ist das ein Ein­wand, der bis zu ei­nem ge­wis­sen Grad mü­ßig ist).

  41. (Die Do­mi­nanz des Op­ti­schen und Bil­des fuer un­ser Er­ken­nen sieht (!) man doch aber z.B. auch bei den Neu­ro­wis­sen­schaft­lern.. und auch sprach­lich (ein­se­hen, Licht der Er­kennt­nis,..)? – Selbst bei den un­sicht­ba­ren, sub­ato­ma­ren Par­ti­keln ver­sucht man doch ihr Ver­hal­ten in ein (phy­si­ka­li­sches) Bild zu be­kom­men – z.B. Wel­le oder Teil­chen, auch wenn »die Na­tur« uns da be­kann­ter­ma­ssen ein Bein ge­stellt hat...)

  42. @Metepsilonema
    Ich glau­be nicht, dass man den »Er­fah­rungs­be­reich« un­se­rer Sin­ne er­wei­tern kann. Al­les bleibt in­ner­halb un­se­res Sy­stems der Sin­nes­wahr­neh­mung. Die Rönt­gen­strah­lung kön­nen wir nur im Rah­men un­se­rer Sin­ne sicht­bar (!) ma­chen; sie wür­de auch exi­stie­ren, wenn wir sie nicht wahr­neh­men könn­ten.

    @Phorkyas
    Über Neu­ro­wis­sen­schaf­ten und de­ren In­di­zi­en hier ein ganz net­tes Pod­cast über die The­sen von Ste­phan Schleim: »Die Neu­ro­ge­sell­schaft« (ca. 6:30)

    Hier scheint es, dass wir ge­ra­de­zu ge­fan­gen sind, Pro­zes­se als Bil­der dar­zu­stel­len, oh­nen zu be­fra­gen, wel­che Ur­sa­chen die­se Bil­der ha­ben.

  43. @Phorkyas & Gre­gor
    Die Do­mi­nanz des Op­ti­schen strei­te ich gar nicht ab, aber es ist doch zwei­er­lei, ob ich er­kennt­nis­theo­re­ti­sche Zwei­fel ha­be oder prin­zi­pi­ell ei­ne Il­lu­si­on an­neh­me. Ge­gen das letz­te­re kann ich nichts tun, ge­gen das er­ste­re schon (zu­min­dest mich da­mit be­schäf­ti­gen).

    Es ist doch nicht so, dass wir über Sin­nes­täu­schun­gen be­scheid wis­sen, weil wir sie theo­re­tisch an­neh­men, son­dern weil wir sie zei­gen kön­nen und je­dem von uns seit sei­ner Schul­zeit be­kannt ist, wie ein­fach das zu be­werk­stel­li­gen ist (er hat sie an sich selbst er­fah­ren).

    Ich er­wei­te­re den Er­fah­rungs­be­reich, in­so­fern ich mir un­be­kann­te Mo­da­li­tä­ten zu­gäng­lich ma­che (na­tür­lich neh­me ich sie nicht wahr, aber ich be­kom­me Kennt­nis von »ih­nen«).

    Und dass es Fehl­ent­wick­lun­gen ge­ben kann oder man sich zu stark auf et­was ver­lässt, spricht ja nicht prin­zi­pi­ell da­ge­gen.

  44. Noch was, wo wir uns ge­ra­de warm re­den ...
    Das Un­be­ha­gen an der Mo­der­ne ist ja kein neu­er To­pos in der Gei­stes­ge­schich­te. „Ver­lust der Mit­te“, „Un­ter­gang des Abend­lands“, ganz zu schwei­gen von der Kri­tik an der Mo­der­ne, die die Na­zis prak­ti­ziert ha­ben. Die äs­the­tisch-kul­tu­rel­le Mo­der­ne er­freut sich bis heu­te nach mei­ner Be­ob­ach­tung kei­nes­wegs brei­ter Be­liebt­heit.
    Wo kommt die Mo­der­ne her? Ich glau­be nicht, dass sie als „Idee“ ent­stand. Viel­leicht hat sie heu­te in ei­ni­gen Be­rei­chen ideo­lo­gie­ar­ti­ge Zü­ge an­ge­nom­men, aber ent­stan­den ist sie nicht als Ge­dan­ke, son­dern aus der eu­ro­päi­schen Ge­schich­te selbst.
    Wo­her ge­nau? Es gibt ja Ge­sell­schaf­ten, die bis heu­te nicht mo­dern sind, son­dern qua­si auf der Stand­spur fah­ren. Die­sen Ge­sell­schaf­ten fehlt vor al­lem eins: das Buch und die Lie­be zum Buch. Die Lie­be zum Buch kam mit der Bi­bel nach Eu­ro­pa. Die Er­fin­dung des Buch­drucks hat die La­wi­ne er­mög­licht. Wis­sen wur­de mul­ti­pli­zier­bar und dis­tri­bu­ier­bar. Der Buch­druck ist qua­si der Ur­knall von Auf­klä­rung und tech­ni­schem Fort­schritt. Der Rest folgt dar­aus – Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten, Sie­ges­zug der bür­ger­li­chen Wirt­schaft und des Ka­pi­tals, Über­pro­duk­ti­on, Kunst und Kul­tur als Dienst­lei­stungs­spar­te, im­mer dich­te­re welt­wei­te Ver­net­zung etc.
    Ob das al­les gut ist, ist eben­so we­nig sinn­voll zu fra­gen, wie zum Bei­spiel ob das spä­te Mit­tel­al­ter oder das 18. Jahr­hun­dert sinn­voll wa­ren. Tol­le Zei­ten gab es noch nie. Ideo­lo­gie­freie Zei­ten na­tür­lich auch nicht. Der Blick zu­rück neigt zu Ver­klä­rung. Wie Ben­ja­min schon (sinn­ge­mäß) sag­te, gibt es kei­ne Kunst­wer­ke, die nicht aus der Bar­ba­rei ent­stan­den sind. Heu­te sind sie we­ni­ger aus der Bar­ba­rei ge­bo­ren als aus den kul­tur­in­du­stri­el­len Ver­wer­tungs­zy­klen. Und Mar­tin Wal­ser hat mal ge­seufzt: „Man kann nie spät ge­nug ge­bo­ren sein“. Wer die Mo­der­ne kri­ti­siert, der soll­te erst mal ei­ne Zeit nen­nen, die wirk­lich men­schen­freund­lich war.
    Die Mo­der­ne und die Post-Mo­der­ne – ein ver­zwei­fel­ter Ver­such, sich aus der Käl­te, dem In­no­va­ti­ons­zwang und der Hek­tik der Mo­der­ne zu be­frei­en – sind un­se­re Ge­schich­te. Wir ha­ben kei­ne an­de­re. Man kann dar­auf ge­spannt sein, was dann kommt. Wenn et­was nicht mehr wei­ter­ge­hen kann, dann geht es auch nicht wei­ter.
    Ex­em­pla­risch kann man die Sack­gas­se der ideo­lo­gi­schen Mo­der­ne in der Ge­schich­te des Jazz ab­le­sen. Ei­ni­ge Jaz­zer sind seit den spä­ten 60er Jah­ren so­zu­sa­gen bis an den äu­ßer­ten Rand der In­no­va­ti­ons­lo­gik ge­gan­gen („Free Jazz“). Nach­dem die­se Rän­der aus­ge­lo­tet wa­ren, war der Kä­se ge­ges­sen. Heu­te ent­wickelt sich im Jazz ei­ne freie Mu­si­ka­li­tät, wo Mu­si­ker nicht mehr nach dem Neu­en su­chen, son­dern ein­fach nach „ih­rer ei­ge­nen Mu­sik“. Da ent­ste­hen mu­si­ka­lisch auf­re­gen­de Son­der­be­zir­ke zwi­schen Jazz, klas­si­schen Har­mo­nien, Folk und Pop. Ist das „re­stau­ra­tiv“? Manch­mal ja. Doch da, wo es nicht re­stau­ra­tiv klingt, da ent­ste­hen Hö­he­punk­te ind er Mu­sik, die viel­leicht so­gar von Dau­er sind.
    Wahr­schein­lich wird das plump-avant­gar­di­sti­sche Miss­ver­ständ­nis der Mo­der­ne all­mäh­lich ad ac­ta ge­legt. (Wo­bei ich die Spit­zen die­ser be­reits in die Jah­re er­grau­ten Avant­gar­de nicht mis­sen möch­te – ich tausch doch mei­nen Jandl nicht aus ge­gen die­sen folk­lo­ri­sti­schen Er­zähl­kram á la „Tschick“ oder was da sonst ge­ra­de en vogue ist).
    Li­te­ra­tur, Kunst, Film und Thea­ter ent­wickeln sich ent­lang an­de­re Ein­fluss­grö­ßen und Kraft­fel­der. Der Fort­gang der Neue­run­gen be­stimmt sich dort an­ders.
    Jetzt fällt mir ei­ne Stel­le bei For­ster ein, Rei­se an den Nie­der­rhein. Da ist die­ser wun­der­ba­re Auf­klä­rer ir­gend­wo hin­ter Aa­chen un­ter­wegs, weit ab, wenn ich mich rich­tig er­in­ne­re. Und er sieht die­se ab­ge­le­ge­nen, in gro­ßem Ab­stand zu ein­an­der da­hin­däm­mern­den Ge­höf­te. Dort scheint sich seit Jahr­hun­der­ten nicht ge­än­dert zu ha­ben. Und er be­merkt dann, dass die­se Be­schau­lich­keit auch das Er­geb­nis ei­ner be­drücken­den Dumpf­heit ist. Die­se Dumpf­heit hin­ter der Be­schau­lich­keit – das woll­te die Mo­der­ne über­win­den. Aber wie wir Men­schen so sind – geht die ei­ne Dumpf­heit, kommt die näch­ste gleich hin­ter­her.

  45. Ich weiß nicht, ob der­je­ni­ge, der an der Mo­der­ne kri­tik­wür­di­ges fin­det gleich­zei­tig in der Bring­schuld ei­nes »bes­se­ren Zeit­al­ters« ist. Zu­mal man ja tat­säch­lich zu Ver­klä­run­gen neigt. Es könn­te ja sein, dass nach­fol­gen­de Ge­ne­ra­tio­nen uns und die Zeit, in der wir le­ben, als schreck­lich emp­fin­den, was dann bspw. mit der Gren­zen­lo­sig­keit des Ka­pi­ta­lis­mus und Roh­stoff­ver­brauchs in der Welt be­grün­det wer­den könn­te. An­de­rer­seits hat es tat­säch­lich noch nie ei­ne Ge­ne­ra­ti­on ge­ge­ben, die nicht Grün­de ge­habt hät­te mit »schlech­tem Ge­wis­sen« sei­nen Nach­kom­men ge­gen­über zu tre­ten. Ich ha­be zum Bei­spiel im­mer den Ver­klä­run­gen der äl­te­ren ge­ne­ra­tio­nen nach dem Mot­to »Die ha­ben al­les nach 45 auf­ge­baut« ent­ge­gen ge­hal­ten, dass es ja zu­meist auch die­je­ni­gen wa­ren, die zur Zer­stö­rung min­de­stens in­di­rekt bei­getra­gen hat­ten.

    Das Bei­spiel mit dem Jazz ist in­ter­es­sant, weil es m. E. das post­mo­der­ne Ver­ständ­nis ge­ne­rell be­trifft: Der Künst­ler ist nicht nur der Schöp­fer des Kunst­werks – er ist ein Teil des­sen. Das ist die »Bot­schaft«, die ich über­all se­he und le­se. Künst­ler wer­den zu »Mar­ken«, die sich selbst ver­mark­ten müs­sen. In der Li­te­ra­tur wird das im­mer mehr gän­gi­ge Pra­xis. Vor al­lem aber in der bil­den­den Kunst. Da­bei liegt es si­cher­lich nur an mei­nem Ba­nau­sen­tum, dass mich größ­te Tei­le der zeit­ge­nös­si­schen Kunst über­haupt nicht mehr in­ter­es­sie­ren bzw. af­fi­zie­ren.

    Das Fo­ster-Bild ist sehr schön, weil es tat­säch­lich zeigt, wie wir un­se­ren Be­glückungs­ver­su­chen im­mer wie­der schei­tern. Da­her kommt dann der Im­puls hin zum »Neu­en«. Kürz­lich traf ich ehe­ma­li­gen Kol­le­gen von der Fir­ma, in der sich vor 30 Jah­ren ge­lernt hat­te. Man war ein biß­chen auf­ge­regt, weil es kurz vor­her ein neu­es »Image« in Form ei­nes neu­en Lo­go gab. Das be­stehen­de Lo­go exi­stier­te fast 50 Jah­re – jetzt mein­ten die Chefs, man müs­se sich was Neu­es zu­le­gen. Sol­che Epi­so­den be­lu­sti­gen mich im­mer. Ei­ner­seits ver­schafft ein sol­cher ein­ge­kauf­ter Image­wan­del viel­leicht ei­ne Art Mo­ti­va­ti­ons­schub, den All­tags­trott neu zu be­stim­men, al­te »Zöp­fen« ab­zu­schnei­den, usw. An­de­rer­seits än­dert sich doch in der Fir­men­kul­tur und im Mit­ein­an­der der Leu­te da­durch rein gar nichts. Ich ken­ne gro­ße, in­ter­na­tio­nal agie­ren­de Fir­men, die durch Be­sitz­wech­sel und Um­struk­tu­rie­run­gen in­ner­halb des Kon­zerns in we­ni­gen Jah­ren vier, fünf sol­cher Ima­ga­wan­del durch­ge­macht ha­ben. Die Mit­ar­bei­ter sam­meln ih­re Vi­si­ten­kar­ten, die manch­mal die Gül­tig­keit von Bun­des­li­ga­trai­ner­en­ga­ge­ments ha­ben.

  46. @Fritz
    Das Un­be­ha­gen ist kein neu­er To­pos, ge­wiss nicht, aber wenn, dann soll­ten wir mit der Ro­man­tik be­gin­nen, das war wohl die er­ste um­fas­sen­de Kri­tik der Mo­der­ne. Es gilt aber fest­zu­stel­len war­um und wo­her das Un­be­ha­gen kommt und wel­che Be­rech­ti­gung es hat (falls Sie ein we­nig Zeit ha­ben, ich ha­be vor ei­ni­ger Zeit Mo­n­ods Zu­fall und Not­wen­dig­keit dar­ge­stellt und dis­ku­tiert, er be­grün­det et­was das ich als Un­be­ha­gen an der Mo­der­ne be­zeich­nen wür­de, sehr schlüs­sig und ver­ständ­nis­voll, weil er es im sel­ben Mo­ment nicht ge­gen den­je­ni­gen wen­det der es fühlt).

    Be­züg­lich des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus wür­de ich vor­sich­tig sein: Der war, wie die mei­sten auf den er­sten Blick au­gen­fäl­lig an­ti­mo­der­nen Be­we­gun­gen, zu­min­dest ein Amal­gam aus Mo­der­ne und An­ti­mo­der­ne (Tech­nik z.B. war ih­nen will­kom­men). Man kann aber (wie Bau­man das tut) noch wei­ter­ge­hen und das mo­der­ne Denken/die Mo­der­ne im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus selbst auf­spü­ren und de­chif­frie­ren, der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus wä­re dann ur­ei­ge­ne Mo­der­ne.

    Ich den­ke schon, dass Aufklärung/Moderne von An­fang an sehr be­wusst und sehr deut­lich aus­ge­spro­che­ne Ideen wa­ren, den­ken wir wie ex­pli­zit Kant for­mu­lier­te was Auf­klä­rung be­deu­tet (na­tür­lich ha­ben Sie Recht, dass die Mo­der­ne nicht so­fort je­nes Pro­jekt dar­stell­te, das sie ein­mal wer­den soll­te, aber die Grund­ge­dan­ken wa­ren m.E. vor­han­den).

    Die äs­the­ti­sche Mo­der­ne ist nicht über die Ma­ßen be­liebt, aber das ist nicht un­be­dingt der Punkt; auch wenn et­was nicht be­liebt ist, kann es das gel­ten­de Cre­do dar­stel­len, in das sich die mei­sten – vo­lens, no­lens, be­wusst oder un­be­wusst – ein­fü­gen. Auch weil das Sy­stem so läuft.

    Ich ha­be auch zu for­mu­lie­ren ver­sucht, was ich im Jetzt, heu­te, für ein ge­lun­ge­nes Le­ben hal­te (d.h. an mir selbst er­fah­ren ha­be); und ich ken­ne das nicht ge­lun­ge­ne Le­ben von mir und an­de­ren, das wä­re, an­ge­deu­tet, ein Ge­gen­ent­wurf. Im Grun­de geht es dar­um: Der Mensch hat sein Al­lein­sein im Uni­ver­sum be­grif­fen und ver­stan­den, dass er nur die­ses ei­ne Le­ben, die­se ei­ne Chan­ce hat. Was wä­re wich­ti­ger, als eben­die­se zu er­hal­ten?

    Viel­leicht muss man die Dumpf­heit nicht über­win­den, son­dern an­er­ken­nen und in­te­grie­ren? Zu­min­dest wür­de man nichts ver­drän­gen und könn­te viel­leicht trotz­dem dar­an wach­sen.

  47. Im Zu­sam­men­hang der Dis­kus­si­on er­scheint mir fol­gen­des wie­der­holt zi­tier­wür­dig:

    »Die gän­gi­ge Les­art der Mo­der­ne be­greift Munchs Bild
    ‘Der Schrei’ als Aus­druck des mo­na­di­schen Sub­jekts, ver­dammt zu ei­ner so­lip­si­sti­schen Lee­re, ver­zwei­felt an­ge­sichts sei­ner Un­fä­hig­keit, Kon­takt mit der Welt her­zu­stel­len usw.
    Die­se In­ter­pre­ta­ti­on ist in­so­fern un­zu­rei­chend, als sie das Sub­jekt wei­ter­hin als Sub­stanz be­greift, als po­si­ti­ve En­ti­tät, de­ren ad­äqua­ter Aus­druck blockiert ist. Erst in dem Au­gen­blick, wo wir uns aus die­ser per­spek­ti­vi­schen Il­lu­si­on be­frei­en, tre­ten wir in die Post­mo­der­ne ein:
    Was der Mo­der­ne als ei­ne Gren­ze er­scheint, die den
    Selbst-Aus­druck des Sub­jekts blockiert, ist nichts an­de­res als das Sub­jekt selbst. An­ders ge­sagt, wir tre­ten in die Post­mo­der­ne ein, wenn wir vom ‘ent­leer­ten Sub­jekt’ zum Sub­jekt als Lee­re der Sub­stanz über­ge­hen.
    (Die Re­la­ti­vi­täts­theo­rie kennt ei­ne ho­mo­lo­ge Um­keh­rung von der Ma­te­rie als Sub­stanz, die den Raum krümmt, zur Ma­te­rie als Krüm­mung des Rau­mes.)
    In sei­ner ra­di­ka­len Di­men­si­on ist das Sub­jekt nichts als die­se schreck­li­che Lee­re – im hor­ror va­cui fürch­tet das Sub­jekt nur sich selbst, sei­ne kon­sti­tu­ti­ve Lee­re. Der Schrei ist weit da­von ent­fernt, den Schrecken des Sub­jekts an­ge­sichts sei­nes Selbst­ver­lu­stes vor­zu­füh­ren; er ist viel­mehr die Ge­ste, durch wel­che die Di­men­si­on der Sub­jek­ti­vi­tät erst er­öff­net wird«.

    (Zla­voj Zi­zek: Gri­mas­sen des Rea­len, Köln, 1993, S. 183f.)

  48. Man kann wahr­schein­lich strei­ten, ob es tat­säch­lich Un­fä­hig­keit oder nur Un­zu­läng­lich­keit ist; wenn man es mit dem Wahr­heits­be­griff kon­tra­stiert, scheint es letz­te­re zu sein: Die Wahr­heit kann man nicht er­rei­chen, aber sich ihr an­nä­hern, es fällt al­so doch et­was wie »Lohn« oder »Sinn« ab. Ge­nau­so kann man über­le­gen, ob es der ad­äqua­te Aus­druck ist oder ei­ne prin­zi­pi­el­le Un­mög­lich­keit.

    Wenn das Sub­jekt die­se schreck­li­che Lee­re ist, was soll es noch fürch­ten? Es ist doch eher das sich-in-Auf­lö­sung-be­fin­den­de Sub­jekt, das sich fürch­ten muss, weil es ei­ne Ah­nung da­von hat wo­hin die Ent­wick­lung geht.

    Sehr schön aber (vor al­lem der letz­te Teil nach dem Se­mi­ko­lon): Der Schrei ist weit da­von ent­fernt, den Schrecken des Sub­jekts an­ge­sichts sei­nes Selbst­ver­lu­stes vor­zu­füh­ren; er ist viel­mehr die Ge­ste, durch wel­che die Di­men­si­on der Sub­jek­ti­vi­tät erst er­öff­net wird«.

  49. In­ter­es­sant fin­de ich den Ge­dan­ken, man kön­ne die Wahr­heit zwar nicht er­rei­chen, sich ihr aber an­nä­hern. Stimmt das denn? Auf je­den Fall ist es ein mo­der­ner Ge­dan­ke, oder? Er ist an­thro­po­zen­trisch, sub­jekt­zen­triert und ego­stolz (die Wahr­heit be­zieht sich ja wohl aufs Sub­jekt als den Trä­ger der Er­kennt­nis), mit zwei Wör­tern: un­ge­bro­chen prä­de­kon­struk­ti­vi­stisch. Es ist der Ge­dan­ke ei­nes gro­ßen wei­ßen Man­nes, der sei­nem Tod ent­ge­gen­geht.
    Wie sehr wir al­le dem Pro­jekt der Mo­der­ne noch ver­bun­den sind, be­weist die Tat­sa­che, dass man beim Le­sen die­ses me­tep­si­lo­n­e­ma-Sat­zes un­will­kür­lich in­ner­lich nickt ... und kei­nen Ver­dacht schöpft! Post­mo­dern wä­re wohl die Fuß­no­te (in et­wa): »Na, ob wir Mensch­lein wirk­lich so be­gei­stert wä­ren von der Wahr­heit?«

  50. Es ist die klas­si­sche Sicht Pop­pers und na­tür­lich mo­dern ge­dacht (wie Du sagst).

    Ir­gend­je­mand sag­te ein­mal, dass sich die Post­mo­der­ne ein­fach nicht mehr für die Wahr­heit in­ter­es­sie­re (aber selbst dann blie­be ei­gent­lich noch Raum für Kon­zep­te wie Stim­mig­keit, »Ur­tei­le« o.ä., denn ir­gend­wel­che Hand­lungs­re­fe­ren­zen brau­chen wir ja und fin­den sie auch, sonst han­del­ten wir nicht).

  51. @blogozentriker
    Tou­ché. Will sa­gen: Auch ich bin er­tappt. In­dem ich po­stu­lie­re, mich der Wahr­heit an­zu­nä­hern, muss ich ei­nen Be­griff der Wahr­heit ha­ben. Da­mit ist aber schon ei­ne Art Ur­teil vor-im­plan­tiert. Aus die­ser Müh­le kommt man so schnell nicht her­aus. (Es ist viel­leicht kein Zu­fall, dass die größ­ten Phi­lo­so­phen Fra­gen stell­ten und kei­ne Ant­wor­ten ga­ben? Stimmt we­nig­stens das?)

  52. Anything goes – war­um nicht auch die De­mut, wel­che an sich nicht un­be­dingt ei­ne ge­bück­te Hal­tung ein­neh­men muss. Al­ler­dings bleibt die Fra­ge of­fen, wo­vor?

  53. Bei Zi­zeks Be­schrei­bung woll­te ich nur aus­ru­fen: schoen...

    (De­mut.. viel­leicht auch vor der Lee­re? / oder wer­den wir dann al­le zu Bud­dhi­sten? – apro­pos Bud­dhi­sten, hat der Heyd­eg­ger, die nicht auch ge­le­sen.. und stammt von dem nicht auch »Seyn und Zeyt«? – Goog­le spuckt mir ueber den Bud­dhi­sten Heid­eg­ger dann auch gleich die­se eben­falls ’schoe­nen’(?) Saet­ze aus:
    »Die Her­kunft des An­we­sen­den aus dem Nichts (dem Er­eig­nis) zu den­ken ist das Grund­an­lie­gen der Heid­eg­ger­schen Spät­phi­lo­so­phie, [..]: Al­les ist aus dem Nichts [..] ge­waehrt«
    http://www.todtnauer-ferienland.de/de2/.../2007kbseubold.pdf
    )

  54. Die­se Art der Kom­men­tie­rung ...
    ... ist mir zu post­mo­dern. Und na­tür­lich auch zu seyns­ver­ges­sen-tech­nik­hal­tig: rei­nes Ge­stell. (»Gleich mal goog­len« – an­statt auf die An­ru­fung von in­nen her zu war­ten! Ty­pisch! Und schreck­lich!)

  55. (Na­tür­lich war das schreck­lich, aber man muss den Teu­fel doch mit dem Beel­ze­bub aus­trei­ben – ich ge­sel­le mich gern zu Ge­stel­len, die bramba­ra­sie­ren dann we­nig­stens nicht so ei­nen Stuss wie ich, Slo­ter­di­jk oder Zi­zek – denn die Post­mo­der­ne gibt es nicht, nicht, nicht.)

  56. Aber, Phor­k­yas, ..
    ... NATÜRLICH gibt’s die Post­mo­der­ne nicht. Wie die Mo­der­ne ja auch nicht! Das sind al­les will­kür­li­che Ab­gren­zun­gen. Aber war­um soll man nicht sa­gen, dass das Pro­jekt Mo­der­ne mit sei­nem An­spruch ei­ner Un­ter­wer­fung der wu­chern­den Welt un­ters Co­gi­to in der Post­mo­der­ne zum Er­lie­gen kommt? In­dem ei­ner­seits die Ko­sten in den Blick ge­ra­ten. Und an­de­rer­seits der schie­re Wahn­sinn, die Hy­bris die­ses An­sat­zes! Ein Mu­ster­text der Mo­der­ne ist ja wohl Witt­gen­steins »Trac­ta­tus« – der, da­von legt ja Witt­gen­stein selbst Zeug­nis ab durch Wort und Le­ben, in ei­ne Sack­gas­se führ­te. Der letzt­lich den Nach­weis lie­fer­te, dass die Durch­rech­nung der Wirk­lich­keit ins Bram­ar­ba­sie­ren. Und so ist die Post­mo­der­ne ein­fach für die Mo­der­ne das, was die Me­ta­phy­sik für die Phy­sik ist. Ich ver­ste­he die Po­le­mik ge­gen die­sen Ge­dan­ken nicht ganz?

  57. Ver­mut­lich voll­kom­men ab­we­gi­ger Ge­dan­ke:
    Ist Heid­eg­gers »Sein und Zeit« nicht DER re­stau­ra­ti­ve Text der ge­gen-Mo­der­ne? Liegt in der von ihm an­ge­spro­che­nen Seins­ver­ges­sen­heit nicht die Krux der Mo­der­ne?

    Zwei An­mer­kun­gen: (1.) Ich ha­be »Sein und Zeit« nie zu En­de ge­le­sen. (2.) Man kann sich über Heid­eg­gers Spra­che amü­sie­ren (viel­leicht sie nur so er­tra­gen). Aber das Pro­blem, wel­ches er auf­wirft, ist m. E. evi­dent (um nicht die ab­ge­dro­sche­ne Vo­ka­bel von der »Ak­tua­li­tät« zu ver­wen­den).

  58. Das zu er­kun­den, was sich sich mit die­sen bei­den Be­grif­fen be­grei­fen laesst, ist wohl Sinn und Zweck die­ses Dis­kur­ses.
    (Ich hof­fe auch, ich ge­be nicht all­zu­sehr den gran­teln­den Sa­bo­teur – da ist bei mir lei­der noch ei­ne Grund­skep­sis oder Ab­nei­gung ge­gen das Wol­ki­ge und Schil­lern­de die­ser Be­grif­fe, und da­her geht es mir ei­gent­lich um ei­ne sau­be­re Be­griffs­klae­rung – die Ne­ga­ti­vi­taet der letz­ten Be­mer­kung er­klaert sich aber wohl eher dar­aus, dass Ihr vo­ri­ger Kom­men­tar ge­gen den mei­ni­gen, ein ziem­li­cher Voll­tref­fer war,.. und ich so un­zu­frie­den mit mei­nem Ge­quas­sel war, dass ich mir mal wie­der ein tem­po­rae­res Blog­ver­bot er­tei­len woll­te..)

  59. Das Sein und das Nichts.
    Oh­ne mehr von »Sein und Zeit« ge­le­sen zu ha­ben, als ein paar Sät­ze, wür­de ich die­se The­se so­fort un­ter­schrei­ben! Die Mo­der­ne als Le­bens­hal­tung des pa­ten­tier­ten »Ma­chen wir schon!« lebt ja in der Wirt­schaft als Zom­bie, als enthirn­ter Spuk, in Form ei­nes »Wo ist das Pro­blem?« fort. Heid­eg­ger hin­ge­gen hat sie mit sei­ner von Höl­der­lin ge­borg­ten Sprach­schau­fel phi­lo­so­phisch tüch­tig tot­ge­schla­gen. Die Mo­der­ne hat­te ver­ges­sen, dass da ein paar an­de­re Mäch­te auch noch ein Wört­chen mit­zu­re­den ha­ben ... das klingt jetzt na­tür­lich ent­setz­lich nach Öko-New-Age, aber der Fall Fu­ku­shi­ma ist viel­leicht doch ein gu­tes Bei­spiel. Nicht fürs Her­auf­däm­mern des Zeit­al­ters des Was­ser­manns, son­dern für die Hy­bris. Selbst wenn man nicht auf Sand baut, kann ei­nem das Fun­da­ment ver­rut­schen.

  60. @Phorkyas:
    Aber nein, ich kann ja das Gran­teln sehr gut ver­ste­hen – al­lein die­ses Me­di­um, das In­ter­net, lädt da­zu ja lei­der auch sehr ein. Und auch ich tä­te mich sehr schwer, ei­nen Ter­mi­nus wie »Post­mo­der­ne« zu de­fi­nie­ren. Und doch gibt es ja Stil­mo­men­te, mit de­ren Hil­fe man z. B. das Ba­rock de­fi­niert. Da scheint mir doch ein Um­bruch statt­ge­fun­den zu ha­ben, ir­gend­wann in den Sech­zi­gern. Das geht so: Der Mo­der­ne baut die V2-Ra­ke­ten in Pee­ne­mün­de, der Post­mo­der­ne schreibt »Die En­den der Pa­ra­bel« dar­über. Für mich wä­re das noch die grif­fig­ste De­fi­ni­ti­on ... ei­ne Be­we­gung weg vom in­ge­nieurs­haf­ten Her­an­ge­hen an die Wirk­lich­keit hin zum äs­the­ti­schen. Das Re­vers wä­re dann wohl ei­ne mil­de Re­si­gna­ti­on, ein Ach­sel­zucken – auch »anything goes« wä­re ja über­setz­bar mit: »Was soll’s«, oh­ne das Feyerabend’sche Feu­er!

  61. re­stau­ra­tiv – er­scheint mir noch pro­ble­ma­tisch, weil da durch­schei­nen koenn­te, dass man et­was zu­rueck­ho­len will, was sich eben nicht mehr zu­rueck­ho­len laesst.
    (Bei Herrn Jes­sen las ich von der Mo­der­ne als Suen­den­fall – das wae­re in­ter­es­sant, denn in das Pa­ra­dies kann man er­wie­se­ner­ma­ssen nicht mehr zu­rueck. Die Er­kennt­nis (bi­blisch: von Gut und Boe­se, der Mo­der­ne: Got­tes Tod?) laesst sich nur be­taeu­ben nicht rueck­gaen­gig ma­chen, in­so­fern wae­re das Re­stau­ra­ti­ve viel­leicht so­gar re­gres­siv (ist es Re­li­gi­on auch, wenn sie uns von der Last Erb­suen­de (und der Er­kennt­nis?!) wie­der be­frei­en moech­te?).

    [Dass Heid­eg­gers Seins­ver­ges­sen­heit ei­nen wich­ti­gen Tref­fer lan­det, zu der Mei­nung bin auch mitt­ler­wei­le ge­langt.]

  62. Hat je­mand zwei (oder auch mehr) er­klä­ren­de Sät­ze zur Seins­ver­ges­sen­heit pa­rat (da bin ich völ­lig blank)?

    »Re­stau­ra­tiv« und »re­gres­siv« sind in ei­nem ne­ga­ti­ven Sinn an ein po­si­ti­ves Ver­ständ­nis von Mo­der­ne ge­bun­den; die­ses Ver­ständ­nis (und auch ih­ren Sinn) wür­den sie ver­lie­ren, wenn sich die Mo­der­ne (in man­cher Hin­sicht) ge­irrt hät­te oder zu ei­ner Ideo­lo­gie ver­fal­len wä­re.

    Geht un­ser ge­gen­wär­ti­ges Fie­ber auf Irr­tum oder Ideo­lo­gie zu­rück, dann wä­re die Fra­ge nach »der hei­len­den (?) Me­di­zin« an­ders zu be­ant­wor­ten, als wenn uns tat­säch­li­che Er­kennt­nis dort­hin ge­bracht hät­te; aber selbst in letz­te­rem Fall kann ich ver­ste­hen, dass je­mand nicht ver­rückt wer­den will.

  63. Seins­ver­ges­sen­heit
    Ich fin­de den Wi­ki­pe­dia-Ar­ti­kel ziem­lich gut. Auch der Pas­sus über das Da­sein trifft es, so­weit ich es da­mals ver­stan­den hat­te, sehr gut.

    Es wird auch er­wähnt, dass Heid­eg­ger die Seins­ver­ges­sen­heit (die ja ei­gent­lich ei­ne Da­seins-Ver­ges­sen­heit ist) schon bei Pla­ton aus­mach­te. Ich ver­mag das nicht zu be­ur­tei­len.

    Heid­eg­ger wird heu­te vor al­lem in Frank­reich po­si­tiv re­zi­piert und kann als ei­ner der »Ideen­ge­ber« des Exi­sten­tia­lis­mus gel­ten. Sei­ne Ver­strickung (und teil­wei­se Hof­fie­rung) der Na­zis hat ihn in Deutsch­land ei­gent­lich im­mer dis­kre­di­tiert. Be­rüht ist das »Spiegel«-Interview mit Aug­stein 1966, wel­ches erst 1976 ab­ge­druckt wur­de (die WIe­der­ga­be ist nicht kom­plett; hier in eng­lisch.).

  64. »Re­stau­ra­tiv« und »re­gres­siv« sind in ei­nem ne­ga­ti­ven Sinn an ein po­si­ti­ves Ver­ständ­nis von Mo­der­ne ge­bun­den

    Ein po­si­ti­ves Ver­ständ­nis das auch Sün­de ist? So hat­te ich es nicht ge­meint. Ich woll­te ei­ne Un­ter­schei­dung su­chen zwi­schen re­gres­si­ver An­ti- oder Prä-Mo­der­ne, die zu­rück will in den Schoß der Na­tur, Got­tes, Tra­di­ti­on, Er­de oder was auch im­mer – und der wie auch im­mer ge­ar­te­ten Post­mo­der­ne, die re­flek­tiert hat, dass eben­dies nicht mög­lich ist (des­we­gen spielt sie ja nur mit die­sen Din­gen?)... Aber viel­leicht lässt sich eben­das gar nicht tren­nen (ge­ra­de in obi­gem Spie­gel­in­ter­view sieht man viel­leicht wie bei Heid­eg­ger bei­des im­mer wie­der durch­ein­an­der­schießt?).

  65. @Phorkyas
    Ich glau­be, wir wol­len et­was Ähn­li­ches; aber es ist doch so, dass bei­de Wör­ter sel­ten als Selbst­be­zeich­nung ge­wählt wer­den, weil sie ne­ga­tiv kon­no­tiert sind (man stellt sich dem Fort­schritt ent­ge­gen, will in den Schoß zu­rück, usw.). Wie Du rich­tig sagst, man muss zwi­schen dem Zu­rück zu Gott u.ä. und ei­ner re­flek­tier­ten Hal­tung, die Er­kenn­tis­se, die auch sol­che sind, nicht leug­net, un­ter­schei­den. Auf deutsch: Kein Selbst­be­trug! Et­was ganz an­de­res wä­re es aber, sich ei­ner sinn­lo­sen Zer­stö­rung (sei­ner selbst) ent­ge­gen­zu­stel­len.

    @Gregor
    Dan­ke, muss ich mir noch ein­ge­hen­der an­se­hen.

  66. Lie­ber Me­tep­si­lo­n­e­ma,

    ich weiß, die Fra­ge ist frech: Gibt’s bis­her ei­nen ro­ten Fa­den, ei­ne Quint­essenz Eu­rer Dis­kus­si­on? :-)

  67. Doch doch – na­tür­lich bist Du auch ge­fragt; ich war mir nicht si­cher, wen ich an­spre­chen soll­te: Me­tep­si­lo­n­e­ma als Au­toren, Dich als Mo­de­ra­to­ren, oder die ge­sam­te dis­ku­tie­ren­de Run­de.

    Die Fra­ge hab’ ich aus ganz ego­istisch-prag­ma­ti­schen Grün­den ge­stellt: Me­tep­si­lo­n­e­ma hat­te mich auf die Dis­kus­si­on auf­merk­sam ge­macht, und ehe ich mich zu Wort mel­de, dach­te ich drei­ster­wei­se, ich kä­me viel­leicht um die Lek­tü­re der 78 Kom­men­ta­re her­um ...

  68. Puh...
    Mei­ne – ich fand die Dis­kus­si­on er­gie­big, möch­te aber nicht be­haup­ten, dass al­le ei­ner Mei­nung wä­ren – ist, ganz knapp ge­fasst, dass vie­le ein Un­be­ha­gen in der Le­bens­welt der noch Spät- oder schon Post­mo­der­ne emp­fin­den; die­ses ist nicht mit dem am Ka­pi­ta­lis­mus deckungs­gleich und hängt mit der Mo­der­ne selbst zu­sam­men (ob in ihr an­ge­legt oder erst in ih­rem Ver­lauf ent­stan­den sei ein­mal da­hin­ge­stellt); es han­delt sich da­bei nicht um ei­nen an­ti­auf­klä­re­ri­schen Re­flex, der hin­ter das mo­der­ne Be­wusst­sein schmerz­haf­ter Wahr­heit zu­rück will, son­dern um ei­ne be­rech­tig­te Kri­tik, et­was wie Auf­klä­rung über die Auf­klä­rung (na­tür­lich kei­ne ganz neue Idee); das Schwie­ri­ge da­bei ist, dass vor al­lem auf nicht-äs­the­ti­schem Ge­biet, man­che Er­run­gen­schaf­ten der Mo­der­ne un­ab­ding­bar er­schei­nen und so tref­fend und rich­tig mir post­mo­der­ne Kri­tik im­mer wie­der be­geg­net, in der Pra­xis (Ethik, Ge­mein­we­sen, usw.) ha­be ich in ei­ni­ger Hin­sicht er­heb­li­che Zwei­fel; Post­mo­der­ne er­scheint ein­mal als Be­ja­hung des­sen, was mich zu zer­stö­ren droht und dann wie­der als ein mög­li­cher Weg zu ei­nem ge­lun­ge­nen Le­ben (was na­tür­lich auch dar­an liegt, dass es die Post­mo­der­ne nicht gibt; sel­bi­ges gilt für die Mo­der­ne). Wie Du siehst, ist noch ei­ni­ges im Fluss.

    Es wird geht auch noch hier wei­ter.

    [Und ich ver­spre­che noch ei­nen wei­te­ren Text.]

  69. Ich wür­de ja ger­ne wi­der­spre­chen, so wie ich das im­mer tue, aber bei der Zu­sam­men­fas­sung kann ich das kaum(; -

    PS. Ich woll­te die Dis­kus­si­on nicht um­len­ken, nur ei­ne per­sön­li­che Zwi­schen­zu­sam­men­fas­sung er­stel­len, falls es den Haus­herrn nicht stört, könn­ten wir ger­ne hier die Fä­den wie­der auf­neh­men (falls mög­lich, nö­tig –)

  70. Mea cul­pa für die viel zu spä­te Ant­wort; ich ha­be ge­ra­de ge­se­hen, dass Dein ver­spro­che­ner zwei­ter Text in­zwi­schen ein­ge­stellt ist (den ich noch nicht ge­le­sen ha­be). Trotz­dem zum er­sten Teil drei kur­ze No­ti­zen, die nicht aus Zeit­not kurz ge­blie­ben sind, son­dern weil ich sie bis­lang nicht an­ders aus­for­mu­lie­ren kann.

    · Ich kann Dein Her­um­la­vie­ren in den wi­der­sprüch­li­chen Ge­fühls­la­gen al­ler­be­stens nach­voll­zie­hen. Du weißt aus ei­ge­ner Lek­tü­re, wie sehr ich mich selbst mit den Um­ris­sen, den Schat­ten und den (im­mer wie­der ver­meint­li­chen) We­sen der Mo­der­ne (und der Post­mo­der­ne) in der Ver­gan­gen­heit her­um­ge­schla­gen ha­be. Al­ler­dings feh­len mir (nicht nur in Dei­nem Text, son­dern auch bei mir) auf­rüt­teln­de Wie-Fra­gen; ich le­se vie­le Zu­schrei­bun­gen, bin aber kaum auf Er­klä­run­gen ge­sto­ßen, wo »das« Mo­der­ne / die Mo­der­nen wurzelt/n.

    · Mir fehlt – mit mei­ner post­ko­lo­ni­al an­ge­hauch­ten Per­spek­ti­ve bin ich da viel­leicht zu pe­ni­bel – der Ein­be­zug der ex­pan­sio­ni­stisch ge­rich­te­ten An­tei­le der Mo­der­ne. Das, was wir un­ter dem M‑Wort zu bün­deln ver­su­chen, ist ja kein in­ner­eu­ro­päi­scher Pro­zess. Wäh­rend die Eu­ro­pa in­ner­lich mo­der­ni­siert, mon­dä­ni­siert bzw. ex­pan­diert es gleich­zei­tig »feu­da­li­stisch«. Die Glo­ba­li­sie­rung, die wir heu­te er­le­ben, ist ja kein Prä­ze­denz­fall, son­dern hat ei­nen Vor­fah­ren in der Glo­ba­li­sie­rung auf dem See­weg. Mit an­de­ren Wor­ten: Das mo­der­ne Be­wusst­sein setzt sich auch des­halb durch, weil es au­ßer­halb nicht wi­der­legt wird.

    · Die span­nend­sten – d.h. so­wohl krib­belnd­ste als auch an­stren­gend­ste – Fra­gen gel­ten dem Fron­dienst für das Im­mer­neue. Wir agie­ren hilf­los und ge­nö­tigt; wir ver­sin­ken in ei­nem Sumpf im­mer neu­er An­ge­bo­te und Pro­duk­te, die kon­su­miert und aus­pro­biert wer­den wol­len, schreibst Du. Wo­her rührt die­se Nö­ti­gung zu im­mer wie­der wie­der­hol­ten Wah­len, die im Kern, mit Ab­stand be­trach­tet, aus­schließ­lich öko­no­misch plau­si­bel er­schei­nen, aber kei­nen an­hal­ten­den kul­tu­rel­len Mehr­wert mehr ver­mit­teln? Wo­her die­ses all­ge­gen­wär­ti­ge Ge­fühl der Not, der An­an­ke? Wie ist ei­ne Ge­sell­schaft ge­polt, die trotz ih­res ma­te­ri­el­len Über­über­flus­ses das Ge­fühl un­be­ding­ten Be­darfs auf­recht er­hält? Wie muss sie ge­polt sein, da­mit sie die­sen Not­be­darf auf­recht er­hal­ten kann? Wie kommt es, dass das Ver­füg­ba­re nicht nur be­ses­sen wer­den könn­te, son­dern be­ses­sen wer­den muss?

    Dei­ne An­schluss­fra­ge nach dem Trost stellst Du ganz zu­recht. Ich bin ge­spannt!

    Vie­le Grü­ße _ L

  71. Das mo­der­ne Be­wusst­sein setzt sich auch des­halb durch, weil es au­ßer­halb nicht wi­der­legt wird.
    Das trifft es m. E. sehr gut. Al­le Ver­su­che, das »mo­der­ne Be­wusst­sein« um­zu­wer­ten, sind be­sten­falls ge­schei­tert oder führ­ten – schlimm­sten­falls – in noch grö­sse­re Ka­ta­stro­phen.

  72. @willyam
    Bes­ser ei­ne spä­te Ant­wort, als kei­ne (das The­ma be­schäf­tigt uns ja wei­ter­hin).

    Zu Punkt 1: Kannst Du viel­leicht ein oder zwei Bei­spie­le für »Wie« Fra­gen ge­ben (ok, se­he ge­ra­de, dass in Punkt 3 wel­che ste­hen)? Bist Du an Me­cha­nis­men und Funk­tio­nen in­ter­es­siert? Und was meinst Du mit dem Wur­zeln? Ei­ne Ver­an­ke­rung im Sub­jekt?

    Zu Punkt 2 und Das mo­der­ne Be­wusst­sein setzt sich auch des­halb durch, weil es au­ßer­halb nicht wi­der­legt wird. Ja, aber ver­ur­sacht es nicht »au­ßen« und »in­nen« die­sel­ben Pro­ble­me? Sie ex­pan­diert, aber ist die Rich­tung so we­sent­lich, wenn es schon »stört«, dass sie das tut?

    Zu Punkt 3: Mir er­scheint zur Zeit fol­gen­de Er­klä­rung am plau­si­bel­sten: Da die Zie­le »der Mo­der­ne« letzt­lich un­er­reich­bar blie­ben, ih­re Idea­le »zu­rück­wi­chen«, oder sich wei­ter ent­fern­ten, muss­te ein Im­pe­ra­tiv her (be­wusst oder un­be­wusst), der uns wei­ter auf das Ziel ge­rich­tet »mar­schie­ren« lässt. Ich glau­be, es kom­men auch ein paar ein­fa­che mensch­li­che Ei­gen­schaf­ten hin­zu: Gier, Be­gier­de, Neu­gier­de, Sam­mel­lei­den­schaft, Spiel­trieb, Lust, Ge­nuss, Kon­sum,...

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