Der neue Dä­mo­ni­sie­rungs­jour­na­lis­mus

Man stel­le sich vor: Ein pro­mi­nen­ter, äl­te­rer Hol­ly­wood-Schau­spie­ler (oder auch Schau­spielerin) tritt bei ei­ner Ver­an­stal­tung für Ba­rack Oba­ma auf, ima­gi­niert sich Oba­mas Her­aus­for­de­rer auf ei­nem lee­ren Stuhl und tritt in ei­nen Pseu­do-Dia­log mit ihm, in dem er des­sen Ver­spre­chun­gen und Hand­lun­gen lä­cher­lich macht. Das wä­re nicht be­son­ders ge­schmack­voll ge­we­sen, aber die De­le­gier­ten hät­ten es toll ge­fun­den, hät­ten ge­ju­belt. Und in den deut­schen Me­di­en hät­te man den Schau­spie­ler oder die Schau­spie­le­rin ge­lobt für den Kniff mit dem lee­ren Stuhl. Die Welt wä­re in Ord­nung, Gut und Bö­se wie­der ein­mal ein­deu­tig.

Aber Ba­rack Oba­ma ist Prä­si­dent und muss nicht mit Pomp und Thea­tra­lik in­au­gu­riert wer­den. Sein Her­aus­for­de­rer ist Mitt Rom­ney und wir ha­ben schon lan­ge er­fah­ren, dass er un­cha­ris­ma­tisch ist (ob­wohl doch Cha­ris­ma erst beim Be­trach­ter ent­steht). Mit Paul Ryan hat er sich ei­nen kon­ser­va­ti­ven Fal­ken als Kan­di­dat zum Vi­ze­prä­si­den­ten aus­ge­sucht, der die Be­dürf­nis­se der »Tea-Party«-Bewegung mehr als nur er­füllt. Das al­les wis­sen wir dank der Kor­re­spon­den­ten, die für das Fern­se­hen und di­ver­se Zei­tun­gen die­sen Wahl­kampf be­ob­ach­ten. (Wo­bei ich mich, nur als Bei­spiel, nicht er­in­nern kann, je­mals von ei­nem die­ser Kor­re­spon­den­ten auf die Be­deu­tung des Akro­nyms »TEA« (= »ta­xed en­ough al­re­a­dy«) hin­ge­wie­sen wor­den zu sein; ein Ar­ti­kel vom »Ta­ges­spie­gel« von 2010 ein­mal aus­ge­nom­men.)

Und so be­rich­ten sie denn von dem Par­tei­tag und er­klä­ren uns, was wir – mit ein biss­chen Glück – sel­ber se­hen kön­nen, näm­lich das die De­le­gier­ten der Re­pu­bli­ka­ner nach Rom­neys Re­de ju­beln (was sol­len sie sonst tun?). Ei­ni­ge ana­ly­sie­ren Rom­neys Re­de, fin­den sie zu leicht und ich fra­ge mich, wer die Re­den Oba­mas vor vier Jah­ren oder ir­gend­ei­ne von die­sen No­mi­nie­rungs­re­den deut­scher Po­li­ti­ker ein­mal ana­ly­siert hat und nicht zu leicht oder seicht be­fun­den hat und war­um man nicht er­klärt, dass in sol­chen Ver­an­stal­tun­gen gro­ße Po­li­tik­ent­wür­fe eher hin­der­lich sind, weil die Leu­te was zu Ju­beln ha­ben wol­len und ge­nia­le Pa­ro­len wie »Yes, we can« oder »Ch­an­ge« fal­len ei­nem auch nicht je­den Tag ein.

Aber be­son­ders hat es ih­nen ei­ne an­de­re Re­de an­ge­tan. Sie dau­er­te et­was mehr als elf Mi­nu­ten. Da trat ein al­ter Hol­ly­wood-Star auf, ima­gi­niert sich Prä­si­dent Oba­ma auf ei­nem lee­ren Stuhl und tritt in ei­nen Pseu­do-Dia­log mit ihm, in dem er des­sen Ver­spre­chun­gen und Hand­lun­gen lä­cher­lich macht. Das war nicht be­son­ders ge­schmack­voll, aber die De­le­gier­ten fan­den es toll und ju­bel­ten wenn­gleich das Ver­hält­nis zwi­schen De­le­gier­ter und Jour­na­list bei 1:3 ge­le­gen ha­ben soll und längst die De­le­gier­ten als Be­stand­teil des Schau­spiels her­an­ge­zo­gen wer­den.

Der Star hieß Clint East­wood, ist 82 Jah­re alt und macht im­mer noch Fil­me; nicht we­ni­ge sa­gen: sehr gu­te Fil­me. Er gilt bei vie­len als Le­gen­de, was wie fast im­mer die Lei­stun­gen die­ses Schau­spie­lers und – vor al­lem – Re­gis­seurs eher ver­birgt als her­aus­stellt. Den deut­schen Jour­na­li­sten hat die­ser Auf­tritt nicht ge­fal­len und als er­ster nann­te Mar­tin Klingt in »Zeit on­line« East­woods Auf­tritt se­nil. We­ni­ge Stun­den spä­ter schrieb ein Chri­sti­an Rad­ler ei­nen Bei­trag im »tagesschau.blog«, den er mit der Über­schrift »Der se­ni­le Mann und der Hocker« über­schrieb. Auch sein Be­fund ist klar: East­wood muss se­nil sein. Schließ­lich kom­men­tier­te Ve­re­na Lü­ken der »FAZ« und fand so­gar ras­si­sti­sche Tö­ne bei East­wood. Die Le­gen­de ha­be sich ent­zau­bert, so Lü­ken. Da­mit ist die Sa­che ab­ge­hakt.

Ich ha­be mir das Vi­deo mit East­woods Auf­tritt mehr­fach an­ge­se­hen. Tat­säch­lich er­scheint er über­mo­ti­viert, zu sehr auf Bei­fall aus. Aber er ist auch Schau­spie­ler und weiß, wo er die Zu­schau­er, die ja ideo­lo­gisch aus­ge­rich­tet sind, »ab­ho­len« muss. Ein Dia­log mit ei­ner ein­ge­bil­de­ten Per­son auf ei­nem Stuhl ist üb­ri­gens nichts Un­ge­wöhn­li­ches. Es dient nicht nur als Mit­tel in der Psy­cho­the­ra­pie. Auch Schau­spiel­schü­ler wer­den da­mit kon­fron­tiert und in ei­ni­gen Stücken des ab­sur­den Thea­ters wird es als Stil­mit­tel ver­wen­det. Aber das ficht deut­sche Kom­men­ta­to­ren nicht an: Sie kön­nen die an­de­re po­li­ti­sche Mei­nung nicht er­tra­gen und wenn die­se in ei­ner Form ar­ti­ku­liert wird, die sie nicht ver­ste­hen und da­durch de­nun­zie­ren kön­nen, las­sen sie die­se Ge­le­gen­heit nicht aus. Sie se­hen dann nicht, dass East­woods »Ge­stam­mel« zum Teil durch­aus ein rhe­to­ri­sches Mit­tel ist (ob es ge­lun­gen ein­ge­setzt ist, sei da­hin­ge­stellt [ich er­in­ne­re mich an Mei­ster­stamm­ler Wer­ner Fin­ck – oh­ne East­wood mit die­sem wun­der­ba­ren Ka­ba­ret­ti­sten gleich­set­zen zu wol­len]). Ih­nen ge­nügt die Form, die sie sich nicht ver­ste­hen bzw. nicht ver­ste­hen wol­len um die ih­nen miss­lie­bi­ge Mei­nung mit der Per­son East­wood zu dif­fa­mie­ren. Da­bei »ent­decken« sie dann aus Man­gel an Be­wei­sen ei­nen Ras­sis­mus, den es gar nicht gibt. Aber er passt na­tür­lich so schön ins Bild.

Spä­te­stens jetzt ver­langt man von mir na­tür­lich ei­ne Klar­stel­lung. »Bist Du al­so ein Rom­ney-Freund?« wer­den die Le­ser fra­gen und bei ei­ner po­si­ti­ven Ant­wort em­pört das Blog-Abo kün­di­gen oder mich viel­leicht so­gar ent­freun­den. (Zu mehr als die­ser bil­li­gen Em­pö­rung sind sie ja zu­meist nicht fä­hig.) Aber ich kann so­zu­sa­gen Ent­war­nung ge­ben. Ich hal­te Rom­ney nicht für ei­ne Al­ter­na­ti­ve zu Oba­ma; im Ge­gen­teil. Sein wirtschafts­politischer Kurs ist dif­fus, die Re­pu­bli­ka­ner von der »Tea-Party«-Sekte un­ter­wan­dert. Oba­ma ist ei­ne fast tra­gi­sche Fi­gur, da die Re­pu­bli­ka­ner in sel­te­ner Chuz­pe ihm das vor­wer­fen, was sie sel­ber (Bush) an­ge­rich­tet ha­ben. Aber dass Oba­ma Feh­ler ge­macht hat, die of­fe­ne Flan­ken für Rom­neys Wahl­kampf bie­tet, soll­te ei­nem bei al­ler Oba­mania doch nicht ent­gan­gen sein.

Ich se­he je­doch nicht ein, dass ich je­man­den wie Clint East­wood de­nun­zie­ren und ver­dam­men soll, nur weil er ei­ne po­li­ti­sche Mei­nung of­fen­siv ver­tritt und/oder mir die­ses Ver­tre­ten nicht ge­fällt. Die Un­ter­stel­lung von Se­ni­li­tät und/oder Ras­sis­mus ist nichts als ab­sto­ßen­der Ge­sin­nungs­jour­na­lis­mus. Man mag sich nicht aus­den­ken, wo­zu die­se Jour­na­li­sten zu an­de­ren Zei­ten fä­hig ge­we­sen wä­ren (ih­re In­dok­tri­nie­rung hät­te nur an­ders ver­lau­fen müs­sen). Sie sind zu nüch­ter­nen Ana­ly­sen nicht in der La­ge, weil sie hoff­nungs­los par­tei­isch sind. Da­her muss je­der An­ders­den­ken­de, der nicht ihr Welt­bild ver­tritt, dä­mo­ni­siert wer­den. Zum Ge­sin­nungs­jour­na­lis­mus kommt noch et­was Neu­es hin­zu, der Dä­mo­ni­sie­rungs­jour­na­lis­mus. Das er­in­nert üb­ri­gens an die atem­be­rau­ben­den Kam­pa­gnen der so­ge­nann­ten »Tea-Party«-Bewegung, die eben­falls kei­ne De­nun­zia­ti­on scheut, um ih­re lä­cher­li­che Welt­an­schau­ung ei­nes mehr oder we­ni­ger über­flüs­si­gen Staa­tes zu ver­brei­ten.

Fi­gu­ren wie Klingst, Lü­ken oder Rad­ler ha­ben mir jeg­li­che jour­na­li­sti­sche Kom­pe­tenz ein­ge­büßt.


Nach­trag 02.09.2012 – 19.30 Uhr
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Dünn­häu­tig ist man al­so auch noch.

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  1. Nun, wann kom­men sie denn end­lich so weit Se­ni­li­tät auch im In­land fest­zu­stel­len z.B. bei Wal­ser, Schmidt oder Spae­mann? War­um tun sie’s nicht? Nun, weil die­se schon zu gut ih­re Rol­len ge­fun­den ha­ben, zu eta­bliert sind hier­zu­lan­de und als Stich­wort­ge­ber noch gut zu ge­brau­chen.

    *

    Aber das ist ein an­de­res The­ma. Neh­me ich doch auch mal so ei­nen lee­ren Stuhl für Frau Lü­ken:
    Es wä­re für sie doch ei­ne schö­ne Mög­lich­keit zur Re­fle­xi­on: Ist bei mir nicht was ka­putt, wenn ich jetzt plötz­lich über die­se Re­de so in Ra­ge ge­ra­te, dass ich sei­ne Fil­me nicht mehr se­hen will oder die al­ten gar um­wer­ten möch­te? Was regt mich dar­an ei­gent­lich so auf? Dass er Oba­ma an­greift oder wie er es tut? Das Wie? Das Ge­stot­te­re, die nicht ganz aal­glat­te Form, dass er Oba­ma ein paar un­ge­sag­te Flü­che in den Mund legt? Ich bit­te Sie, das war doch harm­lost. Sie mei­nen es könn­te nicht nur das Was ge­we­sen sein? Doch ich glau­be, es ist ge­nau das. Sie kön­nen ihm nicht ver­zei­hen, d a s s er über­haupt da ge­spro­chen hat, Sie hät­ten ihn al­lein da­für, dass er bei den Re­pu­bli­ka­nern auf­ge­tre­ten ist, aus der Mo­vie Hall of Fa­me aus­schlie­ßen wol­len. Wor­an ich das fest­ma­che? Nun, sind Sie auf den In­halt sei­ner Re­de ein­ge­gan­gen? Was soll ich? Nun, be­fra­gen Sie Ihr Ge­wis­sen, schau­en Sie, ob Sie noch Ar­gu­men­te ha­ben, statt In­vek­ti­ven.

  2. Gut ge­brüllt, Phor­k­yas.

    (Ich glau­be al­ler­dings, dass die von Ih­nen an­ge­spro­che­nen auch nicht per se se­nil sind. Letz­te­res be­haup­te­te man ja an­läß­lich des Is­ra­el-Ge­dichts von Grass. Der war dann po­li­tisch zum Ab­schuß frei­ge­ge­ben.)

  3. Das ist ein ge­schei­ter Text zum Ge­sin­nungs­druck, der sich auch in den »So­cial Me­dia« aus­brei­tet. Es ist schon be­un­ru­hi­gend, wie »Schwarm­in­tel­li­genz« sich als Mas­ke des gu­ten al­ten Mobs für den Kon­for­mis­mus in Dienst neh­men lässt.

  4. Dass das Akro­nym „Tea“ für „Tax en­ough al­re­a­dy“ steht, ist mir tat­säch­lich neu, denn bis­her dach­te ich, die Tea-Par­ty-Be­we­gung be­zö­ge sich tat­säch­lich auf Tee, der bei der Bos­to­ner Tea-Par­ty aus Pro­test ge­gen die ko­lo­ni­al-eng­li­sche Zoll­for­de­run­gen ins Meer ge­kippt wur­de. Als Akro­nym ist TEA wohl eher ei­ne nach­träg­li­che Um­deu­tung für den Wahl­kampf. Aber das nur ne­ben­bei.
    An­son­sten kann ich Dir nur zu­stim­men. Clint East­wood ist be­ken­nen­der Re­pu­bli­ka­ner. Das ist nichts Neu­es und das muss man nicht mö­gen, ins­be­son­de­re, da er be­reits den un­se­li­gen Bush jr. un­ter­stütz­te. Aber er ist auch ein groß­ar­ti­ger Künst­ler, nicht so sehr als Schau­spie­ler, aber um­so mehr als Re­gis­seur. Je­man­dem, der ei­nen so bein­drucken­den Film wie „Gran To­ri­no“ pro­du­ziert hat, Ras­sis­mus vor­zu­wer­fen, ist ge­ra­de­zu ab­surd.

  5. Erst ei­ne Emp­feh­lung: Le­sen Sie The Se­e­r­sucker Whip­saw von Ross Tho­mas, ein Po­lit­kri­mi, der Plot ein post­ko­lo­nia­ler Prä­si­dent­schafts­wahl­kampf ir­gend­wo in West­afri­ka, der ei­ne Kan­di­dat hat Lang­ley und un­end­lich viel Geld hin­ter sich, der an­de­re ei­nen alt­ge­dien­ten de­mo­kra­ti­schen Hau­de­gen (ein al­ter ego von Ross). Be­vor der die er­ste Zei­le »der Wahl­kampf­re­de« schreibt, tex­tet er ei­nen AP-Text über die Re­de, ganz auf Wir­kung aus, In­halt wenn über­haupt vor­sich­tigst do­siert. Von dem Mu­ster un­ter­schei­det sich trotz al­ler Gad­gets bis heu­te kein Wahl­kampf. Au­ßer viel­leicht in Russ­land.

    East­woods Auf­tritt war so ge­spen­stisch wie ge­konnt. Sei­ne Wir­kung, sei­ne Aus­set­zer, die Un­wil­lig­keit ma­chen ihn für die zor­ni­gen rech­ten Al­ten da drau­ßen zu ih­rem Bauch­red­ner. Die Elo­quenz, die Ele­ganz, die In­tel­lek­tua­li­tät Oba­mas geht ja so­gar ei­ni­gen sei­ner ei­ge­nen Par­tei­freun­de auf die Ner­ven.

    Ich dis­ku­tier­te vor zwei Jah­ren in Bre­men über po­li­ti­sches Cha­ris­ma am Bei­spiel Wil­ly Brandts und Ba­rack Oba­mas. Tom Buhr­ow, wäh­rend Clin­tons Prä­si­dent­schaft US_Korrespondent, er­zähl­te, wie Clin­ton die Leu­te be­gei­stern konn­te. Üb­ri­gens der ent­schei­den­de Grund, war­um Clin­ton auf der De­mo­cra­tic Con­ven­ti­on die Haupt­re­de über­neh­men wird.

    Zu­rück zu East­wood. Ich er­in­ne­re mich an die letz­ten Auf­trit­te Bern­hard Mi­net­tis, ei­ner war gar kei­ner. Da setz­te er sich ne­ben mich auf die Zu­schau­er­bank bei ei­ner Sit­zung des Kul­tur­aus­schus­ses im Ab­ge­ord­ne­ten­haus. Er brauch­te nicht mal lei­se zu knur­ren und die Leu­te ver­fie­len ihm.

    An East­woods Auf­tritt war al­les, bis ins De­tail, kal­ku­liert. So­gar die wi­der­li­che Kopf­ab-Ge­ste – hier der Aus­schnitt: http://www.youtube.com/watch?v=xYjXIA0nyS4&feature=player_embedded#

    Ich ver­mu­te trotz­dem, dass Oba­ma die Wah­len ge­winnt, weil die Re­pu­bli­ka­ner nicht ein­mal selbst von ih­rem Kan­di­da­ten über­zeugt sind. Zwar kön­nen die fast un­end­li­chen Bud­gets Rom­neys in den swing sta­tes was rei­ßen, und na­ment­lich die Fi­nan­ziers der TEA-Par­ty, die Koch-Brü­der, sind wild da­zu ent­schlos­sen, Oba­ma aus dem Wei­ßen Haus zu be­kom­men, aber auf der Ziel­ge­ra­den wird es ei­nen Roo­se­velt-Mo­ment ge­ben, der die Stim­mung voll­ends zu Oba­mas Gun­sten dreht. Was im­mer da­für den An­lass gibt (selbst der schreck­lich­ste: ein wei­te­rer Krieg) wird Rom­ney ähn­lich fad aus­se­hen las­sen wie Mc­Cain, als er nach Aus­bruch der Fi­nanz­kri­se die Du­el­le mit Oba­ma aus­set­zen woll­te.

  6. Vie­len Dank Herr Hütt für die­sen Kom­men­tar. Ich bin längst nicht mehr si­cher, dass Oba­ma ge­win­nen wird. Selbst der wirk­lich farb­lo­se und stei­fe Mc­Cain hat­te vor drei­ein­halb Jah­ren im­mer­hin 48% be­kom­men. Das wird in An­be­tracht der Tat­sa­che, dass durch das Mehr­heits­wahl­recht der Sieg viel grö­sser er­schien, häu­fig über­se­hen: Die »Oba­mania« wur­de tat­säch­lich »nur« von 51% der Ame­ri­ka­ner (ge­nau­er: der ame­ri­ka­ni­schen Wäh­ler) ge­tra­gen.

    Heu­te kommt hin­zu, dass et­li­che von Oba­ma ent­täuscht sind. Sie kön­nen na­tür­lich nur durch har­ten Wahl­kampf noch ein­mal mo­bi­li­siert wer­den. Je­der ehe­ma­li­ge Oba­ma-Wäh­ler, der nicht zur Wahl geht, trägt ja un­ter Um­stän­den in­di­rekt zu Rom­neys Sieg bei. Al­so wird man ge­zwun­gen sein, die ex­trem har­ten Ban­da­gen der Re­pu­bli­ka­ner zu kon­tern (was ja teil­wei­se schon ge­schieht). Im üb­ri­gen wird es auch wich­tig sein, wie die Kon­gress­wah­len aus­ge­hen. Es hül­fe Oba­ma we­nig, wenn er als Prä­si­dent be­stä­tigt, aber im Re­prä­sen­tan­ten­haus ei­ner re­pu­bli­ka­ni­schen Mehr­heit ge­gen­über sä­ße.

    Ich las­se Ih­re Be­mer­kun­gen zu East­woods Auf­tritt un­kom­men­tiert. Sie er­schei­nen mir in­ter­es­san­ter als vie­les, was ich da­zu ge­le­sen ha­be. Die Sa­che mit Mi­net­ti ist sehr auf­schluss­reich. Ich muss dann im­mer an Tho­mas Bern­hard den­ken, der den Na­zis­mus so ge­hasst hat wie nur sonst was, aber auch Mi­net­ti ver­fal­len war. Aus­ge­rech­net Mi­net­ti mit sei­ner Ver­gan­gen­heit. Der gro­ße Tho­mas Bern­hard stell­te hier wo­mög­lich das Künst­le­ri­sche über das Po­li­ti­sche. (Mir hat sich die Fas­zi­na­ti­on für Mi­net­ti nie er­schlos­sen.)

  7. Ich fin­de Ih­re Kri­tik an Ve­re­na Lue­ken weit über­zo­gen. Sie sieht ei­nen Wi­der­spruch zwi­schen East­woods Fil­men und die­sem Auf­tritt. Geht auch an­de­ren so, hier z.B. Ro­ger Ebert

    [Link in­zwi­schen in­ak­tiv – G. K. 13.04.2016]

    Zwei Punk­te an East­woods Re­de wer­den als ras­si­stisch wahr­ge­nom­men, kön­nen wohl­mei­nend aber auch un­ter Po­li­tik­ver­dros­sen­heit ab­ge­legt wer­den: dass er den un­sicht­ba­ren Prä­si­den­ten von oben her­ab an­spricht, der flucht, der Red­ner bleibt sou­ve­rän; die Wor­te »We own this coun­try«, auch das be­zieht sich, hält man sich nur an die Wor­te, auf die »Po­li­ti­ker«, wird vom joh­len­den Pu­bli­kum aber in sei­nen Un­ter­tö­nen ver­stan­den. Bauch­red­ne­rei trifft das schon rich­tig. Hin­zu kom­men Ver­ach­tung von In­sti­tu­tio­nen und De­mo­kra­tie, ein ge­wähl­ter Prä­si­dent ist eben kein An­ge­stell­ter. Spu­ren­ele­men­te da­von fin­den sich al­ler­dings auch in fast al­len Fil­men East­woods, er ist ein gro­ßer Re­ak­tio­när, kein Li­be­ra­ler. Das se­he ich an­ders als Lue­ken.

  8. Ach ja, er re­det Oba­ma von oben an. Das ist dann nicht re­spekt­los oder de­spek­tier­lich, son­dern gleich ras­si­stisch. Al­so ich fin­de man kann gar nicht über­zo­gen ge­nug auf die­se Jour­na­li­sten re­agie­ren, die in­zwi­schen Be­grif­fe wie Ras­sist oder An­ti­se­mit der­art tri­via­li­sie­ren, dass man die wirk­li­chen Ras­si­sten und An­ti­se­mi­ten ir­gend­wann gar nicht mehr er­kennt. Ver­mut­lich brau­chen das Lü­ken et. al. aber weil sonst ih­re Ko­lum­nen ver­trock­nen und kei­ne Auf­merk­sam­keit mehr be­kom­men. Al­so hy­per­ven­ti­lie­ren sie und schie­ßen mit den sprich­wört­li­chen Ka­no­nen auf die Spat­zen. Wenn es nicht so ge­fähr­lich wä­re, könn­te man es als arm­se­lig be­zeich­nen.

    Viel­leicht ist East­wood wirk­lich kein »Li­be­ra­ler« (bit­te De­fi­ni­ti­on nach­rei­chen) und viel­leicht ent­schul­digt er sich ja beim deut­schen Feuil­le­ton, dass er Fil­me oh­ne die ent­spre­chen­de »Bot­schaft« oder Ein­deu­tig­keit ge­macht, die je­ne Da­men und Her­ren so ger­ne wün­schen um ih­re po­li­ti­sche Über­zeu­gung auch im­mer schön in­dok­tri­niert zu be­kom­men. (Ich fra­ge mich ge­ra­de, wel­che Art Li­be­ra­li­tät hier ein­ge­for­dert wer­den soll.) Und viel­leicht ent­schul­digt sich Clint East­wood ja für »Er­bar­mungs­los« und gibt sei­nen Os­car zu­rück (von Grass woll­te man ja auch, dass er sei­nen No­bel­preis zu­rück­gibt). Und viel­leicht ent­schul­digt sich Clint East­wood ja auch für sei­ne bei­den Fil­me über die Iwo­ji­ma-Schlacht (mal aus ame­ri­ka­ni­scher, mal aus ja­pa­ni­scher Per­spek­ti­ve), weil sie dann doch den Ge­sin­nungs­rich­tern zu re­ak­tio­när oder viel­leicht nicht aus­ge­wo­gen ge­nug wa­ren. Viel­leicht soll­te man auch ein­fach wie­der den In­dex an­schaf­fen und da­mit per­fek­te Li­be­ra­li­tät de­mon­strie­ren?

  9. Die Kri­ti­ke­rin mag doch die Un­ein­deu­tig­keit und ist ent­täuscht, dass er sich so ein­deu­tig auf ei­ne Sei­te schlägt. Li­be­ra­li­tät ver­ste­he ich als Ak­zep­tanz von Re­lat­vis­mus, es gibt kei­ne letz­ten Wahr­hei­ten und kei­ne na­tür­li­che Au­to­ri­tät. Die Fil­me, Sie ha­ben es si­cher ge­merkt, schät­ze ich eben­so, in ih­nen gibt es so ein­deu­ti­ge Bil­der wie das, das East­wood in die­ser In­sze­nie­rung ab­ge­ge­ben hat, nicht. Ich be­daue­re, dass er sich da­für her­ge­ge­ben hat, aber auf sei­nen näch­sten Film freue ich mich trotz­dem.

  10. @Morel: Aber neh­men wir doch ein­mal ei­nen Film, neh­men wir Gran Tu­ri­no. Ich weiß man darf East­woods ‘Al­ter Ego’ in die­sem Film ei­gent­lich nicht auf ihn be­zie­hen. Aber neh­men wir nur, wie die ras­si­sti­schen Gags in die­sem Film ad ab­sur­dum ge­führt wer­den, reicht das nicht, um zu se­hen wie ab­surd der Ras­sis­mus­vor­wurf ist? Und: Wä­ren Sie über­rascht wenn der Ma­cher die­ses Films recht kon­ser­va­ti­ve An­sich­ten hat oder z.B. das Recht zum von Tra­gen von Waf­fen be­für­wor­ten wür­de? Das ist es, was mich so über­rascht, dass man über­haupt über­rascht ist. Es ist ja nicht so als hät­te East­wood plötz­lich sei­ne Mei­nung ge­än­dert oder wä­re ir­gend­ei­ner Psy­cho-Sek­te bei­getre­ten.

    Ih­re De­fi­ni­ton von Li­be­ra­li­tät fin­de ich sehr in­ter­es­sant, auch wenn ich ge­ra­de im po­li­ti­schen Kon­text ganz an­de­res as­so­zi­iert hät­te. Für ein Kunst­werk mag es tat­säch­lich gut sein, dop­pel­te Bö­den, Am­bi­gui­tät auf­zu­wei­sen, wo­bei ich das aber auch nicht durch­ge­hend for­dern wür­de: Es be­darf ja schon ei­ner kla­ren Idee und von den paar Fil­men, die ich bis­her von ihm ge­se­hen ha­be, wür­de ich schon sa­gen, dass da die Ein­deu­tig­keit ge­ge­ben ist. Und war­um ge­steht man es dann dem Men­schen East­wood nicht zu, auch ei­ne po­li­ti­sche Mei­nung zu ha­ben und sich auch ein­deu­tig zu po­si­tio­nie­ren? Ge­ra­de in Be­zug auf den Text von Ebert ha­be ich fast das Ge­fühl, dass die Über­grö­ße der Ent­täu­schung stark mit ei­ner vor­her­ge­gan­gen (Über)idealisierung East­woods kor­re­liert sein könn­te. Aber was kann denn East­wood da­für – platt ge­sagt: dann nehmt den Papp­ka­me­ra­den halt wie­der aus eu­rem Schau­fen­ster?

  11. Die US-Po­li­tik­be­richt­erstat­tung deut­scher Me­di­en ist fast im­mer jäm­mer­lich und von weit­ge­hen­dem Un­wis­sen ge­prägt. Selbst ge­stan­de­ne US-Kor­re­spon­den­ten ver­mit­teln das Ge­fühl, nichts von der Ver­fas­sungs­rea­li­tät der USA und z.B. der star­ken Stel­lung der ein­zel­nen Bun­des­staa­ten zu ver­ste­hen. Da­her das über­heb­li­che Un­ver­ständ­nis ge­gen­über Be­we­gun­gen wie der Tea Par­ty oder Ak­teu­ren wie Ron Paul, die mehr Dif­fe­ren­zie­rung durch­aus ver­dient hät­ten.

  12. Ob East­wood nun se­nil ist oder nicht ist doch über­haupt kei­ne re­le­van­te Dis­kus­si­on und kann von kei­nem von uns wirk­lich be­ant­wor­tet wer­den. Ob es den De­le­gier­ten ge­fal­len hat oder nicht ei­gent­lich auch nicht. Ent­we­der er ist eben se­nil oder es war ei­ne ge­plan­te Show: In bei­den Fäl­len war es un­ge­schickt. Was die Deut­schen Me­di­en, die al­le vier Jah­re bei dem Ver­such die US-Wah­len in 30-Se­kun­den Hap­pen zu ver­packen ver­sa­gen, da­zu sa­gen ist auch egal aber Fakt ist: In den US-Me­di­en war am näch­sten Tag we­nig von Rom­nys Re­de zu hö­ren und sehr viel von East­wood und dem Stuhl. Das kann nicht ge­we­sen sein, was die Re­pu­bli­ka­ner woll­ten.

    Ich glau­be aber, dass nicht nur die deut­schen Me­di­en das so ge­se­hen ha­ben. Nicht unite­resant ist da, wie so oft, was die Dai­ly Show draus ge­macht hat: http://www.huffingtonpost.com/2012/09/01/jon-stewart-clint-eastwood-romney_n_1848979.html, be­kann­ter­ma­ßen ei­ne Co­me­dy Show aber durch­aus auch ein Leit­me­di­um.

  13. Sie ha­ben Recht.
    Auch ich frug mich: »Spä­te­stens jetzt ver­langt man von mir na­tür­lich ei­ne Klar­stel­lung. »Bist Du al­so ein Rom­ney-Freund?« wer­den die Le­ser fra­gen«

  14. @morel

    »Zwei Punk­te an East­woods Re­de wer­den als ras­si­stisch wahr­ge­nom­men, kön­nen wohl­mei­nend aber auch un­ter Po­li­tik­ver­dros­sen­heit ab­ge­legt wer­den: dass er den un­sicht­ba­ren Prä­si­den­ten von oben her­ab an­spricht, der flucht, der Red­ner bleibt sou­ve­rän; (...) Hin­zu kom­men Ver­ach­tung von In­sti­tu­tio­nen und De­mo­kra­tie, ein ge­wähl­ter Prä­si­dent ist eben kein An­ge­stell­ter.«
    -
    Das ist ein­fach nur lä­cher­lich. Wie sonst soll­te man sich mit je­man­dem un­ter­hal­ten der (ima­gi­när) auf ei­nem Stuhl sitzt? Mit ei­nem Klei­der­stän­der hät­te sich East­wood ja schlecht un­ter­hal­ten kön­nen. Hier Ras­siss­mus raus­zu­le­sen ist durch­schau­bar wie in­fla­tio­när.

    Und der Prä­si­dent IST An­ge­stell­ter. An­ge­stell­ter des Vol­kes, das ihn ge­wählt hat und dem er dient.

  15. Und es ist doch ein Zei­chen für ei­nen ab­bau­en­den East­wood. Ich bin Fan, ge­ra­de sei­ner Re­gie­ar­beit und mir war im­mer klar, dass er ein Kon­ser­va­ti­ver ist, nur ei­ner mit ei­nem wa­chen Ver­stand und der scheint ihm ab­han­den zu kom­men oder zu­min­dest nicht mehr für ei­nen 12minütige Re­de oh­ne Zet­tel und Te­le­promp­ter zu rei­chen, wor­an aber auch vie­le Schei­tern dürf­ten, die nur halb so alt sind wie er...

    Nein, die Re­de war nicht per­fekt cho­reo­gra­fiert und ein­stu­diert, sie war schlecht im­pro­vi­siert. An­son­sten hät­ten die Or­ga­ni­sa­to­ren vor­ab we­nig­stens den gröb­sten Un­sinn raus­ge­fil­tert. Es mag ja für Re­pu­bli­ka­ner wit­zig sein, wenn East­wood An­wäl­te im All­ge­mei­nen für schlech­te Po­li­ti­ker hält und da­mit den Har­vard Ju­ri­sten Oba­ma an­greift – nur ist Rom­ney eben­falls Ju­rist mit ei­nem Ab­schluss in Har­vard. Oder dass East­wood ernst­haft Oba­ma vor­wirft, vor dem Af­gha­ni­stan Krieg nicht ge­schaut zu ha­ben wel­che Feh­ler die Rus­sen ge­macht zu ist ein Zei­chen da­für, dass er ent­we­der nicht mehr weiß, wer 2001 Prä­si­dent war oder ein Zei­chen, dass die Re­pu­bli­ka­ner end­gül­tig in ei­ner Phan­ta­sie­welt an­ge­kom­men sind in der Oba­ma die Ver­ant­wor­tung für sämt­li­che po­li­ti­schen Feh­ler des ver­gan­ge­nen Jahr­zehnts trägt – egal ob er oder Bush Prä­si­dent war. Ryans Ge­schich­te über wäh­rend der Bush Ad­mi­ni­stra­ti­on ge­schlos­se­nen GM Fir­ma in Ja­nes­ville schoß ja ins glei­che Horn.
    http://www.washingtonpost.com/blogs/ezra-klein/wp/2012/08/30/obama-could-not-have-saved-janesville-gm-plant-it-closed-before-he-took-office/

    Ne­ben dem uni­ver­sel­len Vor­wurf, Oba­ma ha­be nichts ge­gen die ho­he Ar­beits­lo­sig­keit ge­tan war sein ein­zi­ger wirk­li­cher Tref­fer der Vor­wurf, dass Oba­ma nicht wie ver­spro­chen das Ge­fan­ge­nen­la­ger Gu­an­ta­na­mo ge­schlos­sen hat – ihm das aber aus­ge­rech­net auf ei­nem Par­tei­tag der­je­ni­gen vor­zu­wer­fen die a) das La­ger er­rich­tet ha­ben und sich b) mit Hän­den und Fü­ßen ge­gen je­de Än­de­rung am Sta­tus Quo ver­wei­gern ist letzt­lich ein Trep­pen­witz...

    Ich mag East­wood, hal­te ihn nicht für ei­nen Ras­si­sten und die Re­de auch nicht für ras­si­stisch, ei­ne Mei­ster­lei­stung ei­nes al­ten Schau­spie­lers war es aber auch nicht, es tat weh den al­ten Mann so auf der Büh­ne zu se­hen.

    PS: An den Vor­kom­men­ta­tor, das war in mei­nen Au­gen kei­ne wi­der­li­che Kopf ab Ge­ste – und schon gar­nicht auf Oba­ma ge­münzt, das war ein­fach nur ein Zei­chen an das Pu­bli­kum den Ap­plaus ein­zu­stel­len.

  16. @Fabian
    Was Sie schrei­ben, ist al­les rich­tig: Ja, die Re­pu­bli­ka­ner ha­ben Gu­an­tá­na­mo er­rich­tet, den Af­gha­ni­stan-Krieg be­gon­nen. Sie tra­gen auch für die Fi­nanz- und Wirt­schafts­kri­se die größ­te Ver­ant­wor­tung. Das al­les be­strei­te ich nicht und hal­te es für ein Hu­sa­ren­stück, wenn Rom­ney und sei­ne Kam­pa­gne jetzt so tut, als sei dies Oba­mas Hy­po­thek. Aber dies ge­hört zu de­ren Kam­pa­gne, der sich East­wood eben an­schließt. Da­her ist die­ser Auf­tritt ja tat­säch­lich po­li­tisch höchst frag­wür­dig. Aber ist denn des­we­gen je­mand gleich »se­nil« oder »Ras­sist«? Man wür­de doch auch Rom­ney nicht als »se­nil« be­zeich­nen, nur weil er in sei­ner Re­de so ge­tan hat, als sei Oba­ma in Af­gha­ni­stan ein­mar­schiert. Die­se Leu­te mö­gen ideo­lo­gisch ver­blen­det sein oder ein­fach nur dumm oder auch dem­ago­gisch, weil sie be­wusst Zu­sam­men­hän­ge weg­las­sen. Aber das muss man doch aus­hal­ten kön­nen bzw. ent­spre­chend ein­ord­nen.

  17. @Gregor

    Ganz klar bei­des nicht. Aber ich wür­de es nicht Dä­mo­ni­sie­rungs­jour­na­lis­mus nen­nen.
    Mein Blick auf die US Po­li­tik ist ge­prägt durch die Dai­ly Show und den Col­bert Re­port – ich bin seit Jah­ren gro­ßer Fan der Sen­dun­gen und hier kriegt man, trotz des Sa­ti­re- und Co­me­dy­for­mats ei­nen Ein­blick in die ge­gen­wär­ti­ge Stim­mungs­la­ge der re­pu­bli­ka­ni­schen Par­tei und die­ser ist ge­ne­rell er­schreckend.

    Eben­so er­schreckend ist es dann zu be­mer­ken wie schlecht die US-Be­richt­erstat­tung in den deut­schen Me­di­en ist. Die Re­ak­ti­on und die Auf­nah­me von The­men ist ziem­lich zeit­ver­zö­gert und dann oft ver­zehrt. Da­zu schwankt sie zwi­schen den Ex­tre­men Oba­ma be­reits zur Hälf­te sei­ner Amts­zeit ab­zu­schrei­ben oder die Re­pu­bli­ka­ner für ver­rückt zu er­klä­ren – wo­bei die­se Ver­rück­ten mitt­ler­wei­le tat­säch­lich die Par­tei und die Mo­de­ra­ten vor sich her trei­ben...

    Nein man soll­te East­wood nicht für se­nil er­klä­ren – zu­min­dest nicht nur auf­grund von 12 im­pro­vi­sier­ter Mi­nu­ten auf ei­ner Büh­ne , ei­ne rhe­to­ri­sche Mei­ster­lei­stung oder zu­min­dest gu­te Schau­spiel­kunst war das Ge­stam­mel auf der Büh­ne aber nicht. Er hat­te sich da zu­viel zu­ge­traut und sei­ne Aus­sa­gen las­sen mich ein­fach nur mit dem Kopf schüt­teln. Eben­so war der Auf­tritt nicht ras­si­stisch.

    Es ist eben so, dass man so­was ger­ne in schwarz und weiß ein­sor­tiert. Wie auch sei­ne Hand­be­we­gung hier von ei­nem Kom­men­tar als Kopf ab ein­sor­tiert wird. Ich ken­ne die Ge­ste als Auf­for­de­rung still zu sein oder auch je­man­den das Mi­kro oder den Laut­ps­re­cher so­fort ab­zu­stel­len. Da die Ge­ste wäh­rend an­stei­gen­den Ap­plau­ses für ihn kam, se­he ich das ein­deu­tig als Auf­for­de­rung an das Pu­bli­kum, ihn wei­ter re­den zu las­sen.

  18. So we oh clint east­wood a debt of thanks.

    Not on­ly be­cau­se it was a tru­ly hi­la­rious 12 mi­nu­tes of im­pro­vi­sed awe­so­me in a week of scipt­ed blah, but be­cau­se it ad­van­ced our un­der­stan­ding.

    This pre­si­dent has issues and the­re are very le­gi­ti­ma­te de­ba­tes to be had about his po­li­ci­es and ac­tions and suc­ce­s­ses and or fail­ures as pre­si­dent. (I me­an tu­ne in next week.) But coy never wrap my head around why the world and the pre­si­dent, that re­pu­bli­cans de­scri­be be­ars so litt­le re­sem­blan­ce tot he world and the pre­si­dent that I ex­pe­ri­ence. And now I know why:

    The­re is a pre­si­dent Oba­ma that on­ly re­pu­bli­cans can see.

    http://img4.fotos-hochladen.net/uploads/stewarteastwoocrqdjx0ez5.jpg

    http://www.thedailyshow.com/full-episodes/fri-august-31–2012-

  19. Ich ha­be mir den ge­sam­ten East­wood-Auf­tritt an­ge­se­hen und se­he das eben­so: der Ras­sis­mus-Vor­wurf ist ab­surd. Auch dass die Kom­men­ta­to­ren gleich von Se­ni­li­tät spre­chen, ist ein biss­chen über­zo­gen – da spielt wohl die Ent­täu­schung ei­ne Rol­le, von Hol­ly­wood­le­gen­de East­wood ei­nen der­art ver­un­glück­ten Auf­tritt se­hen zu müs­sen. East­wood wirk­te auf mich sehr ner­vös, er wirk­te sehr fah­rig, sei­ne Äu­ße­run­gen wa­ren nicht nur, wie be­reits an­de­re be­schrie­ben ha­ben, mit bö­sen fak­ti­schen Schnit­zern be­haf­tet, son­dern auch un­zu­sam­men­hän­gend und teil­wei­se nur rum­ge­stam­melt.

    Die Idee mit dem Stuhl war gut und hät­te funk­tio­nie­ren kön­nen – in ei­ner ge­skrip­te­ten und durch­cho­reo­gra­phier­ten Re­de. Aber vor ei­nem Mil­lio­nen­pu­bli­kum an den Bild­schir­men und meh­re­ren tau­send Leu­ten in der Hal­le live zu spre­chen, als Im­pro­vi­sa­ti­on, oh­ne Ma­nu­skript: das war of­fen­bar auch für ei­nen er­fah­re­nen Schau­spie­ler wie East­wood zu viel.

    Der hat mir bei­na­he leid­ge­tan. War aber si­cher­lich sei­ne ei­ge­ne Idee. Die Or­ga­ni­sa­to­ren der Re­pu­bli­ca­ner wer­den sich das beim näch­sten Mal gut über­le­gen, ob sie noch mal je­man­den im­pro­vi­sie­ren las­sen.

  20. Na­tür­lich weiß nie­mand ge­nau, ob East­wood se­nil ist. Aber dann un­ter­lässt man ge­fäl­ligst auch die­se Un­ter­stel­lung. Man kann doch in ei­nem se­riö­sen Me­di­um nicht je­man­dem Krank­heits­bil­der zu­schrei­ben, selbst wenn der­je­ni­ge Arzt wä­re und die Sym­pto­me recht ein­deu­tig ist ei­ne Fern­dia­gno­se ein Un­ding. Zu­mal es ein­fach nur auf East­woods Al­ter re­du­ziert wird, bei ei­nem jun­gen Mann wä­re da­von kei­ne Re­de ge­we­sen. Was hät­te der Kom­men­tar bei ei­ner Frau ge­schrie­ben? »Die hat ih­re Ta­ge?« oder wie?

    Mich stört das auch zu­neh­mend. Ge­ra­de die Oba­ma-Ma­nie hier in Deutsch­land. Dass sich da­mals ernst­haft so vie­le auf den Weg ge­macht ha­ben um ei­nen aus­län­di­schen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten, Kan­di­da­ten wohl­ge­merkt, in Ber­lin zu se­hen er­staunt mich im­mer­noch. Wo doch sonst ge­nau die Leu­te, die dort wa­ren durch brei­ten An­ti­ame­ri­ka­nis­mus auf­fal­len.
    Der Ar­ti­kel zeigt recht deut­lich das be­gei­stern­de Nach­plap­pern der fla­chen Pa­ro­le »Yes we can« und das Kri­ti­sie­ren von fla­chen Pa­ro­len bein den Re­pu­bli­ka­nern. Man muss po­li­tisch schon sehr ver­blen­det sein, um dort nicht zu mer­ken, wie man mit zwei­er­lei Maß misst.

    Ei­nes muss ich aber Oba­ma zu­ge­ste­hen, er muss ir­gend­was ma­gi­sches auf Men­schen aus­üben. Wie sonst kann je­mand, der zwei Krie­ge führt, Men­schen fol­tern lässt, die Sou­ve­rä­ni­tät von Staa­ten igno­riert und der or­dert Men­schen di­rekt um­zu­brin­gen (Bin La­den) ei­nen FRIE­DENS-No­bel­preis be­kom­men. Und das wur­de hier­zu­lan­de viel zu lasch kri­ti­siert. Wä­re das ein Re­pu­bli­ka­ner ge­we­sen wä­re die Höl­le los­ge­we­sen.

    Die Dai­ly Show, die hier ge­po­stet wur­de, ist ei­ne sehr gut ge­mach­te Nach­rich­ten­par­odie. Al­ler­dings wird von den Ma­chern auch nicht ab­ge­strit­ten, dass sie ganz klar links sind. Jon Ste­wart der Host nennt sich auch nicht »Li­be­ral«, wie die üb­li­che Be­zeich­nung von Lin­ken in den USA ist (»un­se­re« li­be­ra­len sind die Li­ber­ta­ri­ans), son­dern sieht sich eher als »so­cia­list«. Was in den USA ein deut­lich wei­te­rer Sprung ist, als sich als »li­be­ral« zu be­zeich­nen.
    Hier­zu­lan­de gibt bswp auch Mar­tin Son­ne­born (Ti­ta­nic und auch in der von der Dai­ly Show abe­gkup­fer­ten Heu­te Show) zu, dass ge­wis­se Din­ge, die er bei Kon­ser­va­ti­ven hef­tig an­greift ihn bei Lin­ken nicht stö­ren.
    »Son­ne­born: Ja. Wir le­ben doch in ei­nem Mi­lieu, das eher links­ori­en­tiert ist, und ich kann es nicht ver­ste­hen, dass die Deut­schen ei­ne schlech­te Re­gie­rung ab­wäh­len, um ei­ne noch schlech­te­re zu be­kom­men. In­so­fern hal­te ich es mit dem klei­ne­ren Übel. Und die Pri­mi­ti­vi­tät, mit der Schrö­der in die »Ele­fan­ten­run­de« ge­gan­gen ist, die­se Dumm-Drei­stig­keit ge­fällt mir dann schon wie­der. Wenn die kon­ser­va­ti­ve Sei­te so et­was ge­macht hät­te, wä­re ich hoch em­pört – bei Schrö­der ist mir das aber schon wie­der un­ter­halt­sam ge­nug, um es po­si­tiv zu be­wer­ten. «
    Auf den Hin­weis, dass das dt Selbst­ver­si­che­rungs-Ka­ba­rett zu 100% links ist be­kommt man meist »Ka­ba­rett muss links sein«. Man sieht ja wie je­mand wie Die­ter Nuhr, der nicht ein­deu­tig links ist an­ge­grif­fen wird, und als CDU und FDP-Jün­ger be­schimpft wird. Ein Pis­pers, der di­rek­te Par­tei­wer­bung für Die Lin­ke macht al­ler­dings ist ger­ne ge­se­hen.

  21. @Mike
    Es ist we­ni­ger die ge­ziel­te Tö­tung Bin La­dens, sie auf­hor­chen las­sen soll­te als der so­ge­nann­te »Droh­nen-Krieg«, der von sei­ner Re­gie­rung in gro­ßem Stil aus­ge­wei­tet wur­de. Ob das ei­nes Frie­dens­no­bel­preis­trä­gers wür­dig ist? (Für mich hat er den preis viel zu früh be­kom­men und ge­hol­fen hat es ihm auch nicht.)

    Ka­ba­rett war fast im­mer links-li­be­ral. Das fin­de ich nur schlimm, wenn es de­zi­diert par­tei­isch ist und be­wusst ver­zer­rend. Pis­pers war schon 1998 auf ei­ner Wahl­ver­an­stal­tung der Grü­nen auf­ge­tre­ten. Im Prin­zip kann man sol­che Leu­te dann ver­ges­sen, wo­bei sie na­tür­lich da­zu­ler­nen könn­ten.

  22. Es ist na­tür­lich ei­ne gu­te Idee, Ge­stam­mel zum rhe­to­ri­schen Mit­tel zu er­klä­ren, aber viel­leicht ist Mr. East­wood ein­fach wirk­lich nur ur­alt und stam­melt.

    East­wood hat sich ein­fach kom­plett lä­cher­lich ge­macht und da­mit ei­ne pri­ma Breit­sei­te ge­bo­ten. Dann muss er die Kri­tik auch aus­hal­ten. Den Jour­na­li­sten dann aber gleich Ge­sin­nungs­jour­na­li­sten zu unterstellen...geht’s auch ei­ne Num­mer klei­ner?

  23. @Dork
    »Se­nil« und »Ras­sis­mus« – geht’s nicht da viel­leicht ei­ne Num­mer klei­ner?

    (Ha­be Ih­ren Kom­men­tar nur aus­nahms­wei­se ste­hen las­sen. Nor­ma­ler­wei­se lö­sche ich Kom­men­ta­re mit un­gül­ti­ger E‑­Mail-Adres­se.)

  24. Kri­ti­siert hier je­mand Ar­ti­kel, die ihm nicht ins Welt­bild pas­sen, mit dem Ar­gu­ment, die an­de­ren hät­ten ein ge­schlos­se­nes Welt­bild? Ist das jetzt Me­ta oder ein­fach nur doof?

  25. @Fabian
    Ich glau­be, es bringt we­nig, hier Link ge­gen Link zu po­sten. Und an­de­ren Kom­men­ta­to­ren ei­ne Par­tei­lich­keit zu un­ter­stel­len, ist auch nicht be­son­ders fein.

    Den Frie­dens­no­bel­preis hat Oba­ma wo­mög­lich be­kom­men, da­mit er sei­ne An­kün­di­gun­gen auch wahr macht. Das war gut ge­meint, aber nicht gut ge­macht, und im Hei­mat­land taugt der Pro­phet ja zu­meist am We­nig­sten. So hat ihm die­ser Preis im In­land merk­wür­di­ger­wei­se auch eher ge­scha­det (das war im üb­ri­gen in Deutsch­land mit Wil­ly Brandt an­satz­wei­se ähn­lich). Er hat die Fol­ter ab­ge­schafft, aber Gu­an­tá­na­mo nicht ge­schlos­sen und auch die Pro­zes­se dort dür­fen wei­ter un­ter Aus­schluß der Öf­fent­lich­keit statt­fin­den. Merk­wür­dig war auch die Sta­te­gie, den Irak­krieg zu be­en­den und Af­gha­ni­stan-Prä­senz zu er­hö­hen, was im Prin­zip auch als ge­schei­tert be­zeich­net wer­den – Af­gha­ni­stan wird ein zwei­tes Viet­nam. Be­gon­nen hat das mit Bush – schon klar. Die Ant­wort Oba­mas ist der Droh­nen­krieg. Sou­ve­rä­ne Staa­ten ha­ben das hin­zu­neh­men oder wer­den ent­spre­chend ab­ge­fun­den (wo­bei Pa­ki­stan im­mer mehr zum »fail sta­te« wird). Gro­ßer Vor­teil: Die ei­ge­nen Ver­lu­ste ten­die­ren gen null; Zi­vi­li­sten, die ge­trof­fen wer­den, ha­ben eben Pech ge­habt. Die­se Sa­chen be­schäf­ti­gen die Ame­ri­ka­ner al­ler­dings kaum. Sie ha­ben zu sehr mit der Wirt­schafts­kri­se zu tun.

    »It’s the eco­no­my, stu­pid« soll Clin­ton ge­sagt ha­ben (oder hat es ge­sagt). Das be­her­zigt Oba­ma viel­leicht zu we­nig. Na­tür­lich hat er die de­sa­strö­sen Haus­halts­ver­hält­nis­se auch von Bush »ge­erbt«, aber was er dar­aus ge­macht? Wie hat er ge­han­delt? Man setzt ein­fach die Geld­druck­po­li­tik fort und hofft auf ein Job­wun­der. Rom­ney wird es ge­nau ma­chen, aber das hilft Oba­ma nicht. Die gan­ze Haus­halts­mi­se­re ist nur ver­scho­ben; im Ja­nu­ar droht er­neut die Zah­lungs­un­fä­hig­keit.

  26. Ich bin mir nicht si­cher, ob Clint East­wood als se­nil be­zeich­net wird, weil er für die Re­pu­bli­ka­ner in den Wahl­kampf zieht. Wie vor­her schon er­wähnt, ist er be­ken­nen­der Re­pu­bli­ka­ner seit län­ge­rer Zeit. Und die Per­for­mance mit ei­nem Stuhl kann man ma­chen ist mir egal.

    Ei­nem Künst­ler, der nach­weis­lich in­tel­lek­tu­el­le Fä­hig­kei­ten, Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und ei­ne Men­ge Er­fah­rung mit Mas­sen­wir­kung hat, muss ich aber die Ver­ant­wor­tung zu­mu­ten kön­nen, sich ge­nau zu über­le­gen, ob man in ei­nem Land wie den Ver­ei­nig­ten Staa­ten in der der­zei­ti­gen »auf­ge­zeiz­ten« Stim­mung zwi­schen den 3 La­gern (Tea,Rep,Dem) und mit der die­sem Land ganz ei­ge­nen Prä­si­den­ten-Exe­ku­ti­ons­ge­schich­te die Mas­sen mit ei­ner »Kopf ab« Ge­ste auf­hei­zen soll­te. Ent­we­der er weiß ge­nau was er tut und nimmt in Kauf, dass ihn, die Le­gen­de East­wood, ir­gen­tein ein kran­ker Home­land­se­cu­ri­ty-Loo­ser falsch ver­steht oder er kann die­se Ak­ti­on nicht mehr rich­tig be­wer­ten.

    Clint East­wood ist 82 Jah­re alt und ich ha­be schon meh­re­re Män­ner frü­her al­tern und un­zu­rech­nungs­fä­hig wer­dend ge­se­hen. Ihn nach die­sem Auf­tritt se­nil zu nen­nen, emp­fin­de ich als ei­nen Eu­phe­mis­mus.

    Sein künst­le­ri­sches Werk steht für sich aber dar­um geht es nicht. Als Per­son ge­hört er bes­ser be­ra­ten, bzw. be­treut.

    Vie­le Grü­ße,
    Ron­ny Sei­ler

  27. Es gibt zwei Mög­lich­kei­ten. East­wood hat wirk­lich all das, in­klu­si­ve Stot­te­rer und Aus­set­zer und – in der Tat kon­fu­ser – Satz­ge­bil­de so be­ab­sich­tigt. Dann ist er ein ge­nia­ler Schau­spie­ler, der aber lei­der vom ame­ri­ka­ni­schen Volk und dem ge­sam­ten Rest der Welt kom­plett miss­ver­stan­den wird. Was bringt es den Re­pu­bli­ka­nern, East­wood ab­sicht­lich so tat­te­rig hin­zu­stel­len? Die­ser Ge­dan­ke ist mehr als ab­strus. Es ist wohl wie im­mer die ein­fach­ste Lö­sung, die auch die rich­ti­ge ist. East­wood ist ein al­ter Mann, der lang­sam, aber si­cher, men­tal ab­baut, wie es in die­sem Al­ter nor­mal und nicht im Ge­ring­sten eh­ren­rüh­rig ist. Ei­ne Le­gen­de bleibt er, auch oh­ne dass Sie ver­su­chen, sei­nen Auf­tritt mit halb­sei­de­nen Ar­gu­men­ten schön­zu­re­den. By the way. Ent­we­der ein Fremd­wör­ter- oder ein Gram­ma­tik­le­xi­kon kau­fen. Ins­be­son­de­re der Nach­trag (in­klu­si­ve des Kom­men­tars) klingt, als ver­su­che da je­mand, mit Fremd­wör­tern um sich zu wer­fen, oh­ne sie zu ver­ste­hen. Was ist denn »in Se­ni­li­tät kon­sta­tiert« und seit wann ver­greift sich die po­li­ti­sche Ge­sin­nung im Ton? Las­se mich da aber ger­ne be­leh­ren, wenn ich falsch lie­ge...

  28. Es ist all­ge­mein üb­lich im deut­schen Aus­lands­jour­na­lis­mus, dass ein kom­plett vor­ge­fer­tig­ter Nar­ra­tiv da ist, an dem dann die Ge­schich­te an­ge­passt wird (Mer­kel hat »un­ser« Geld auf dem Gip­fel, ge­ret­tet, Punkt. Aus. En­de. Be­wei­se un­ter an­de­rem von US-Kanz­lei­en, dass Ty­mo­schen­ko viel­leicht doch schul­dig ist? Bloß nicht er­wäh­nen, Pus­sy Ri­ot wird et­was vor­ge­wor­fen, dass auch in Deutsch­land straf­bar ist? Bloß nicht er­wäh­nen. Dif­fe­ren­zier­te Be­richt­erstat­tung ver­kraf­tet der Deut­sche nicht)

    Aber die Un­fä­hig­kei­ter der deut­schen Me­di­en zur ob­jek­ti­ven Be­richt­erstat­tung än­dert nichts dar­an, dass Clint East­woods Auf­tritt ein­fach nur lä­cher­lich wirk­te. Er stam­melt rum, weil er nicht weiß was er sa­gen soll, er wirft Oba­ma vor, dass er vor der In­va­si­on nicht die Rus­sen be­fragt hat (und das nur, weil er bei der In­va­si­on nicht Prä­si­dent war, lah­me Aus­re­de). Es hat schon ei­nen Grund, war­um US-Me­di­en an dem Tag und dem fol­gen­den mehr über East­wood als über Rom­ney ge­re­det ha­ben.

  29. Was die »Kopf-ab«-Geste an­geht: Das mag durch­aus – wie Fa­bi­an an­ge­merkt hat – ei­ne Auf­for­de­rung ge­we­sen sein, den Ap­plaus ein­zu­stel­len; ich ha­be sie in­stink­tiv an­ders ver­stan­den. Sie folgt un­mit­tel­bar auf den Satz »When some­bo­dy does not do the job we got­ta let him go«, wor­auf­hin er das »let him go« wie­der­holt und sich den Fin­ger über die Keh­le zieht. Das Pu­bli­kum hat die Ge­ste of­fen­sicht­lich ge­nau­so ver­stan­den wie ich und den Ap­plaus na­tür­lich nicht ein­ge­stellt – wo­mög­lich, weil sie dem Auf­tritt end­lich ei­nen Hauch je­ner Ag­gres­si­vi­tät zu ge­ben schien, den die De­le­gier­ten sich mit Si­cher­heit (um­sonst) von »Dir­ty Har­ry« ge­wünscht hat­ten. Die Si­tua­ti­on steht stell­ver­tre­tend für den ge­sam­ten Auf­tritt East­woods: Viel­leicht soll­te es ei­ne mar­ki­ge, ent­schlos­se­ne Ge­ste sein, aber sie wirk­te auf mich in er­ster Li­nie ab­sto­ßend, wie auch der gan­ze Auf­tritt – wie hier be­reits in vie­len Fa­cet­ten ana­ly­siert wur­de – ei­ne bi­zar­re Mi­schung aus auf­rich­ti­ger, aber ver­un­glück­ter Im­pro­vi­sa­ti­on und dra­ma­tur­gisch schlecht kon­zi­pier­ter Par­tei­tags­re­de war.

    Der viel­leicht wich­tig­ste Punkt, der bis­her nur an­satz­wei­se the­ma­ti­siert wur­de, scheint mir dar­in zu be­stehen, dass es Un­ter­schie­de ge­ben kann zwi­schen den In­ten­tio­nen des Red­ners und der Wahr­neh­mung des (na­tur­ge­mäß welt­an­schau­lisch vor­ein­ge­nom­me­nen) Pu­bli­kums. Auch wenn die von Ih­nen, Herr Keu­sch­nig, an­ge­pran­ger­ten Ar­ti­kel mit dem Ras­sis­mus­vor­wurf zu locker um­ge­hen (schon al­lein, weil sie es nicht für nö­tig hal­ten, ihn zu be­grün­den), glau­be ich, dass die Pro­ble­ma­tik nicht ganz von der Hand zu wei­sen ist und wür­de da Mo­rel ganz Recht ge­ben: Ras­sis­mus ist in den USA ein, wenn man so will, »kom­ple­xe­res« Pro­blem als hier – sei­ne Be­kämp­fung, aber auch sei­ne Ver­an­ke­rung, spielt sich auf ver­meint­li­chen Ne­ben­schau­plät­zen ab und ist fast voll­stän­dig in Codes auf­ge­gan­gen. East­wood her­ri­sches »so, und jetzt hörst DU MIR zu«, mit dem er sich wie­der­holt an den ne­ben ihm sit­zen­den Oba­ma wen­det, ha­be ich beim Zu­se­hen auch als pro­ble­ma­tisch emp­fun­den; und ich bin da ei­ner Mei­nung mit Mo­rel, das »von oben herab«-Reden ver­voll­stän­digt die­ses (un­an­ge­neh­me) Bild. Ich ha­be kei­nen Grund, East­wood auf die­ser Ba­sis Ras­sis­mus vor­zu­wer­fen – ich hal­te es aber für ei­nen Man­gel an Sen­si­bi­li­tät, weil es be­stimm­te ul­tra-au­to­ri­tä­re und, ja, auch ras­si­sti­sche Denk­mu­ster, die in der zu wei­ten Tei­len Tea Par­ty-si­er­ten re­pu­bli­ka­ni­schen Ba­sis ver­brei­tet sind, an­spricht und zu be­stär­ken scheint, und sei es nur un­ge­wollt.

  30. @Lars / @Sebastian
    Das Pro­blem be­steht ei­ner­seits dar­in, dass je­der bei Clint East­wood an »Dir­ty Har­ry« denkt und glaubt nun, An­lei­hen der Kunst­fi­gur bei East­wood und vice ver­sa neh­men zu kön­nen. Ich fra­ge mich im­mer war­um das so ist und je­der glaubt die Fi­gur sei ir­gend­wie iden­tisch mit dem Dar­stel­ler. Dann wä­re ja bspw. auch Pe­ter Falk ein in­tel­li­gen­ter Trot­tel ge­we­sen, Stal­lo­ne ein et­was be­schränk­ter, aber gut­mü­ti­ger Un­der­dog, usw.

    Und wo­her kommt ei­gent­lich der Ge­dan­ke, das Künst­ler in so­zia­len, ge­sell­schaft­li­chen und po­li­ti­schen Din­gen im­mer die »rich­ti­ge« Po­si­ti­on zu ver­tre­ten ha­ben. Und wer sagt wel­che Po­si­ti­on »rich­tig« ist? Man kann ja mit gu­tem Grund die ame­ri­ka­ni­schen Re­pu­bli­ka­ner für ei­ne Ban­de von Gang­stern hal­ten, die sich so weit wie mög­lich von den Ko­sten ei­nes so­zia­len Ge­mein­we­sens ab­sen­tie­ren wol­len. Aber dann bleibt die Fra­ge, war­um rd. 48% der Ame­ri­ka­ner das so wol­len.

    Und da hilft dann auch kei­ne brä­si­ge Ar­ro­ganz an­de­re Vor­ge­hens­wei­sen als »ras­si­stisch« ein für al­le­mal los­wer­den zu wol­len. In den USA ist der Um­gang un­ter den po­li­ti­schen La­gern seit Jah­ren ver­wil­dert. Die Ne­ga­tiv­kam­pa­gnen, d. h. das »Schlecht­ma­chen« des An­de­ren ist längst wich­ti­ger ge­wor­den als die ei­ge­nen po­li­ti­schen Ent­wür­fe zu prä­sen­tie­ren (dies es im Zwei­fel gar nicht mehr gibt, weil auch die De­mo­kra­ten an die Wall Street an­ge­ket­tet sind).

    Wie Hans Hütt schon an­sprach, nervt Oba­ma so­gar die ei­ge­nen Par­tei­freun­de mit sei­ner In­tel­lek­tua­li­tät, die­ser Dif­fe­renz zwi­schen schö­nen und rhe­to­risch per­fekt ge­schlif­fe­nen Re­den und der Um­set­zung, die dann im­mer ein biss­chen holp­rig ist. Da­her kommt wo­mög­lich die­ses »jetzt hörst Du mal zu«; ei­ne ty­pi­sche For­mu­lie­rung ei­nes »ein­fa­chen« Man­nes, der sich end­lich ein­mal wie­der Ge­hör ver­schaf­fen möch­te. Al­lei­ne die­se klei­ne Epi­so­de zeigt, wie ge­nau die­ser Vor­trag – un­ge­ach­tet des Ge­stam­mels (wie ge­sagt, das ist bei deut­schen Ka­ba­ret­ti­sten im­mer auch ei­ne Kunst­form ge­we­sen) – kon­stru­iert war.

    Ich dach­te nach East­woods Auf­tritt an ei­ni­ge In­ter­views, die der Schau­spie­ler Pe­ter So­dann gab, als er 2008 Bun­des­prä­si­den­ten­kan­di­dat der »Lin­ken« war. So­dann er­zähl­te zum Teil voll­kom­me­nen Blöd­sinn, aber auf den Ge­dan­ken, ihn als »se­nil« zu be­zeich­nen, wä­re doch – glück­li­cher­wei­se – da­mals nie­mand ge­kom­men.

    Dass am näch­sten Tag die Me­di­en East­wood ka­ri­kier­ten, ist auch nur Teil der Wahr­heit: Es sind die Me­di­en, die Oba­ma stüt­zen und nun end­lich ein­mal Grund ha­ben ei­nen eher sub­op­ti­ma­len Auf­tritt aus­zu­schlach­ten. Aber das al­lei­ne ist kein Kri­te­ri­um für ir­gend et­was.

  31. Laut ei­ner Un­ter­su­chung der SPD-na­hen Fried­rich-Ebert-Stif­tung ord­nen sich 39% der Jour­na­li­sten den GRÜNEN zu und 21% der SPD. 12% ent­fal­len auf Par­tei­en, die nicht links der Mit­te lie­gen (CDU, fdp). Es liegt na­he, dass sich die­se par­tei­po­lit. Prä­fe­renz auch im Jour­na­lis­mus sel­ber wi­der­spie­gelt.

    Sie­he: Fried­rich-Ebert-Stif­tung: http://www.fes.de/sets/s_suc.htm, nach Dr. Pe­ter Zieg­ler su­chen »Jour­na­li­sten­schü­ler«, S.24.

  32. Nein, die Me­di­en sind nicht schuld, wenn sich Clint East­wood zum Clown macht. Er ist und bleibt ei­ne Le­gen­de, ein groß­ar­ti­ger Schau­spie­ler und Re­gis­seur. Aber was er sich auf dem Par­tei­tag der Re­pu­bli­ka­ner ge­lei­stet hat, war ein­fach lä­cher­lich. Wenn Ge­or­ge Cloo­ney als Oba­ma-An­hän­ger so et­was auf dem Par­tei­tag der De­mo­kra­ten in die­ser Wo­che ma­chen wür­de, wä­re er auch ei­ne Lach­num­mer.

  33. Ich hal­te East­wood nicht für ei­nen Ras­si­sten und ich will gar nicht be­ur­tei­len, ob er se­nil ist. Sei­ne In­ter­views mach­ten zu­min­dest den Ein­druck, er wä­re gei­stig noch voll da. Dass er im­mer ein Re­pu­bli­ka­ner – ein ge­mä­ßig­ter zwar, aber ein Re­pu­bli­ka­ner – war, das weiß ich und trotz­dem und ge­ra­de des­halb bin ich über al­le Ma­ßen ent­täuscht.
    Jetzt, wo die re­pu­bli­ka­ni­sche Par­tei im­mer wei­ter nach rechts wan­dert, wo Li­ber­tä­re, Isla­mo­pho­be, Ho­mo­pho­be, Krea­tio­ni­sten und Ras­si­sten im­mer mehr Ein­fluss und viel­leicht bald die Ober­hand im Lan­de ge­win­nen, da hät­te sie ei­ne gro­ße Re­de von ei­nem ver­nün­fi­gen, ge­er­de­ten Kon­ser­va­ti­ven brau­chen kön­nen. Aber scha­de, East­wood woll­te den bil­li­gen Bei­fall und hat sich an­ge­bie­dert. Es ist ein Jam­mer: East­wood hat dem Pu­bli­kum nicht wie in »Let­ters from Iwo Ji­ma« ge­zeigt, dass auch das Frem­de ver­traut sein kann. Er hat nicht die To­le­ranz wie in »Gran Tou­ri­no« ge­fei­ert und ist nicht für die Schwa­chen ein­ge­tre­ten, wie für die Hu­ren in »Er­bar­mungs­los«. East­wood muss­te un­be­dingt noch mal den »Dir­ty Har­ry« ge­ben. So hat er den un­sicht­ba­ren Prä­si­den­ten auf dem Stuhl eben­so ver­ächt­lich be­han­delt wie die Ver­bre­cher vor den Shoot-outs: »Make my day«. Scha­de, wirk­lich scha­de. Ich hof­fe ge­ra­de auch für Clint East­wood selbst, sein En­ga­ge­ment hat nichts ge­hol­fen. Wenn er noch bei Sin­nen ist, dann wä­re er näm­lich si­cher un­glück­lich und hät­te gro­ße Schuld­ge­füh­le, falls Tea Par­ty und Kon­sor­ten an die Macht kom­men soll­ten. Ein der­art bi­got­tes, ein so spie­ßi­ges Ame­ri­ka – das möch­te nicht mal ein Dir­ty Har­ry Cal­la­han.

  34. Es ist doch na­iv zu leug­nen, East­wood wür­de da ras­si­sti­sche Res­sen­ti­men­tents be­die­nen, na­tür­lich ist der Saal da voll mit Ras­si­sten, Ho­mo­pho­ben und all­ge­mein ver­kapp­ten Fa­schi­sten, die laut gröh­len wenn East­wood dem schwar­zen Prä­si­den­ten gegn­über Lynch­ge­sten macht. Ob er das will oder nicht ist ja gar nicht maß­geb­lich, aber je­dem der nur zwei Mi­nu­ten dad­rü­ber nach­denkt, dem muss doch klar wer­den das Men­schen ei­ner be­stimm­ten Gei­stes­hal­tung da bei ei­nem min­de­stens un­glück­lich agie­ren­den East­wood ih­re Be­stä­ti­gung fin­den. Wer da­vor die Au­gen ver­schließt ... na­ja.
    Aber dar­um geht es ja ei­gent­lich gar nicht und das ist es, was mich an die­sem Blog­ein­trag so un­glaub­lich nervt.
    Ich ha­be in kei­nem der ge­nann­ten drei Ar­ti­kel ir­gend­ei­ne Ab­wer­tung re­pu­bli­ka­ni­scher Po­li­tik oder ein lä­cher­lich ma­chen über East­woods po­li­ti­sche Mei­nun­gen ge­le­sen.
    Klingt at­te­stiert der Auf­tritt sei »im Prin­zip kei­ne schlech­te Idee« ge­we­sen, Lü­ken ar­bei­tet so­gar sehr scharf den Kon­trast zwi­schen den sehr gu­ten und mit stiol­len Tö­nen ar­bei­ten­den Fil­men und dem selt­sa­men Auf­tritt her­aus, Rad­ler lei­tet zum ein­ge­bet­te­ten Vi­deo mit den Wor­ten »se­hen sie selbst« über. Al­le drei Ar­ti­kel be­wer­ten letzt­lich die FORM des Auf­tritts, das East­wood da so plan­los wirk­te, kaum zu ver­ste­hen war, wild und kon­fus zwi­schen The­men hin und her sprang. Und dann noch selt­sa­me Ge­sten mach­te und sich die »Dir­ty Har­ry« Num­mer auf­nö­ti­gen ließ, von der er sich in sei­nem fil­mi­schen Schaf­fen doch so denk­bar weit ent­fernt hat.
    Mir ist schlei­er­haft wie man da ei­ne De­nun­zie­rung po­li­ti­scher In­hal­te her­aus­le­sen will, wenn es in al­ler­er­ster Li­nie dar­um geht, wie pein­lich der Auf­tritt die­ses gro­ßen al­ten Man­nes ein­fach in sei­ner Ge­stal­tung war.

  35. @Harald
    Was Sie sa­gen, ist wo­mög­lich al­les kor­rekt, aber wo­her neh­men Sie die­se Aus­sa­ge: Ein der­art bi­got­tes, ein so spie­ßi­ges Ame­ri­ka – das möch­te nicht mal ein Dir­ty Har­ry Cal­la­han ?

    Die Um­fra­gen sa­gen ein Kopf-an-Kopf-Ren­nen vor­aus. Ich er­wähn­te be­reits, dass der farb­lo­se Mc­Cain vor vier Jah­ren rd. 48% der Stim­men be­kam – Oba­ma »nur« 51%. Wenn Oba­ma ge­win­nen soll­te, dürf­te die Dif­fe­renz ähn­lich knapp sein – das Mehr­heits­wahl­recht ver­zerrt ja zu­meist die Über­le­gen­heit ei­nes Kan­di­da­ten. Ich fra­ge mich ernst­haft, war­um min­de­stens die Hälf­te der Ame­ri­ka­ner die­se von »Tea-Party«-Aktivisten un­ter­wan­der­ten Re­pu­bli­ka­ner wäh­len? Dass es 5% oder 10% sein könn­ten (al­so FDP-Ni­veau), wür­de ich noch ver­ste­hen. Aber fast die Hälf­te? Wie ist das zu er­klä­ren?

  36. So sehr ich Ih­re Bei­trä­ge in Li­te­ra­tur­fra­gen auch schät­ze so sehr fra­ge ich mich wie­so Sie es nicht schaf­fen in­halt­lich gu­te Bei­trä­ge zu an­de­ren The­men zu schrei­ben. Der Ver­such den heu­ti­gen Jour­na­lis­mus weg von eher ei­ner über­trie­ben »mar­tia­li­schen« Aus­drucks­wei­se zu mehr Sach­lich­keit zu füh­ren ist je­den­falls gründ­lich miss­lun­gen.

    Sie echauf­fie­ren sich über die an­geb­li­che Dis­kre­di­tie­rung East­woods. Da­bei nut­zen Sie nicht nur mit der Wahl der Über­schrift »Dä­mo­ni­sie­rungs­jour­na­lis­mus« die glei­che po­le­mi­sche Schie­ne.

    Ab­ge­se­hen da­von, dass im­mer ei­ne ge­wis­se Über­heb­lich­keit mit­schwingt wenn man sei­nem Ge­gen­über den Vor­wurf des »Nicht­ver­ste­hens« macht, darf Ih­re Mei­nung dass die Jour­na­li­sten East­wood ver­wen­de­tes Stil­mit­tel des Dia­lo­ges mit ei­ner ein­ge­bil­de­ten Per­son aus­nut­zen um die­sen zu dif­fa­mie­ren be­zwei­felt wer­den. Klingst hält die­sen so­gar prin­zi­pi­ell für ei­ne gu­te Idee (Ar­ti­kel über­haupt ge­le­sen?)

    Der Ver­such East­woods of­fen­sicht­li­che Aus­set­zer noch ins Licht ei­ner ge­konn­ten Rhe­to­rik zu rücken macht Ih­ren Blog­ar­ti­kel dann end­gül­tig zu ei­nem Är­ger­nis.

    Eas­woods Auf­tritt war ei­ne pein­li­che und bei­na­he sur­rea­le Vor­stel­lung. Die­se Dar­bie­tung nur als »teil­wei­se se­nil« zu be­zeich­nen ist beih­na­he schon ein Eu­phe­mis­mus, ge­schul­det dem na­tür­li­chen Re­spekt ge­gen­über ei­nem al­ten Mann mit gro­ßen Ver­dien­sten.

    poo­chi­ee

  37. poo­chie
    Na­ja, Ihr Kom­men­tar ist ar­ro­gant und bil­lig. Na­tür­lich ha­be ich Klings­ts Ar­ti­kel ge­le­sen. Und Ih­re Aus­sa­ge, das Wort »Dä­mo­ni­sie­rungs­jour­na­lis­mus« sei iden­tisch mit ei­ner pa­tho­lo­gi­schen Krank­heits­er­klä­rung (»se­nil«) spricht Bän­de. Sie ge­hö­ren wo­mög­lich zu den Mei­stern des Fern­dia­gno­set­ums. Ich ha­be nir­gend­wo ge­schrie­ben, dass ich East­woods Auf­tritt ir­gend­wie amü­sant emp­fin­de (wie ei­ni­ge an­de­re Kom­men­ta­to­ren bei tagesschau.de). Aber er reicht nicht, um ihn der­art zu dis­kre­di­tie­ren. Ob Sie mei­nen Ar­ti­kel als »Är­ger­nis« emp­fin­den oder nicht, ist mir im üb­ri­gen voll­kom­men gleich­gül­tig.

  38. Ich ha­be die De­bat­te erst jetzt le­sen kön­nen und war über­rascht und ir­ri­tiert. Am Ar­ti­kel von G. K. ist nichts aus­zu­set­zen. Na­tür­lich soll­te man nicht von Ras­sis­mus und Se­ni­li­tät spre­chen, an­de­rer­seits wird sonst auch nicht ge­ra­de je­de Be­zeich­nung auf die Gold­waa­ge ge­legt. Je­den­falls hat auch ein Jour­na­list mei­ner Mei­nung nach das Recht, mal völ­lig da­ne­ben­zu­lan­gen, oh­ne dass er sich für im­mer dis­qua­li­fi­ziert.
    Span­nen­der ist für mich die Fra­ge, war­um so viel Dis­kus­si­ons­kraft in Äu­ßer­lich­kei­ten und we­ni­ger auf die po­li­ti­schen Im­pli­ka­tio­nen ge­legt wur­de.
    C. East­wood ist ja nicht dumm, aber auch er muss doch wis­sen, dass ein nicht ge­rin­ger Teil der Re­pu­bli­ka­ner Oba­ma tat­säch­lich aus ras­si­sti­schen Mo­ti­ven weg ha­ben will. War­um sonst die­ser Hass und die ge­ball­te Fi­nanz­macht ge­gen ihn, Fox, die Brü­der Koch etc.
    Ne­ben­bei be­merkt, scheint mir das Ar­gu­ment zu ober­fläch­lich, dass ein an­ti­ras­si­sti­scher Film ras­si­sti­sche Vor­ur­tei­le aus­schließt. Aber in dem Auf­tritt se­he ich we­der Ras­sis­mus noch hal­te ich C. East­wood für se­nil. Er ist re­ak­tio­när, das ist er auch in vie­len Fil­men. Ähn­lich John Way­ne, ich se­he bei­de ger­ne, ha­be aber im­mer ein et­was un­gu­tes Ge­fühl da­bei.

  39. @Norbert
    Mir schlägt eben ab und an die Gold­waa­ge ein biss­chen zu sehr in ei­ne Rich­tung aus. Und na­tür­lich lie­gen Sie rich­tig, dass ein Jour­na­list nicht we­gen ei­nes Fehl­tritts so­zu­sa­gen dis­qua­li­fi­ziert ist. Aber was kann ich von ei­nem sol­chen Jour­na­li­sten noch er­war­ten?

    Die Par­al­le­le zu John Way­ne ist sehr tref­fend. Ich ha­be im­mer ge­wis­se Vor­be­hal­te ge­gen die­sen Schau­spie­ler ge­habt – und da wuss­te ich noch nicht um sei­ne po­li­ti­schen An­sich­ten. Das Ge­ha­be schien zu­wei­len sehr auf­ge­setzt, fast ste­reo­typ. Viel­leicht wa­ren da die John-Ford-Fil­me noch ei­ne Aus­nah­me; ich müss­te sie mir noch ein­mal an­se­hen. Aber ich wür­de nie auf die Idee kom­men ei­nen schlech­ten Schau­spie­ler nur ob sei­ner »rich­ti­gen« po­li­ti­schen Mei­nung gut zu fin­den.

  40. Drei Aspek­te schei­nen mir, jen­seits der Dis­kus­si­on über die An­ge­mes­sen­heit jour­na­li­sti­scher Be­griff­lich­kei­ten, be­mer­kens­wert:

    1) Die Dis­kre­panz zwi­schen Per­son und Werk, d.h. Er­war­tun­gen, die sich aus letz­te­rem hin­sicht­lich er­ste­rer er­ge­ben — war­um ei­gent­lich?

    2) Der Ein­satz krea­ti­ver oder künst­le­ri­scher Fä­hig­kei­ten für po­li­ti­sche Zie­le, das An­spre­chen von »In­stink­ten« und da­mit de­ren In­dienst­nah­me und Ver­zweck­li­chung jen­seits ih­rer ur­sprüng­li­chen Auf­ga­ben. Man kann viel­leicht sa­gen, dass hier die Schran­ke zwi­schen Fik­ti­on und Spiel auf der ei­nen Sei­te und der Rea­li­tät auf der an­de­ren, über­schrit­ten wird (et­was, das von ei­nem Werk oder ei­nem Stück im All­ge­mei­nen so nicht ge­sagt wer­den kann).

    3) Die Emp­find­lich­keit des Dis­kur­ses und da­mit des­sen, min­de­stens, Stö­rung durch pau­scha­li­sie­ren­de und we­nig be­grün­de­te Vor­wür­fe und ‑ur­tei­le.

  41. @metepsilonema
    Zu (1) ha­ben wir ja schon mehr­fach dis­ku­tiert. Die Er­war­tun­gen kom­men wohl da­her, dass man die äs­the­ti­sche In­stanz mit der (gesellschafts-)politischen gleich­set­zen möch­te: Wer schö­ne Kunst pro­du­ziert, muss auch ein »gu­ter Mensch« sein. Nur dass je­der die­ses Gut­sein an­ders und für sei­ne Zwecke in­ter­pre­tiert. Deut­lich wird dies, wenn man sich die 3sat-Sen­dung »Kul­tur­zeit« an­schaut, in der zu fast je­dem po­li­ti­schen The­ma im­mer wie­der »Künst­ler und In­tel­lek­tu­el­le« be­fragt wer­den. Da­bei gibt es im­mer zwei Les­ar­ten: Zum ei­nen die des »good guy«, der vor­bild­lich für »un­se­re« Wer­te ein­tritt. Zum an­de­ren dann der Skan­dal­mensch, der »um­strit­ten« ist und al­len­falls als Rei­bungs­ob­jekt taugt. Der/die In­tel­lek­tu­el­le hat in der An­sicht der mei­sten Be­ob­ach­ter ein mo­ra­lisch in­te­grer zu sein – wie ge­sagt: es stellt sich die De­fi­ni­ti­ons­fra­ge (sie­he die­se un­säg­lich lang­wei­li­ge De­bat­te um But­lers Ador­no-Preis).

    Die Ent­zau­be­rung von In­tel­lek­tu­el­len ist ja in Wahr­heit oft ge­nug die Ent­zau­be­rung der ei­ge­nen Er­war­tun­gen an die­se Person(en). Die Li­te­ra­tur­re­zep­ti­on ist voll von die­sen Ent­zau­be­run­gen. Und ist sie erst ein­mal ka­no­ni­siert, d. h. das At­tri­but »um­strit­ten« gän­gig, so ist prak­tisch die Per­son zum mo­ra­li­schen Ab­schuß frei­ge­ge­ben.

    Neu­lich wur­de der USA-Kor­re­spon­dent der FAZ hin­sicht­lich des Wahl­kampfs in den USA be­fragt. Ganz kurz kam man auch den East­wood-Auf­tritt. Der Fra­ger mein­te süf­fi­sant, der Schuss sei ja nach hin­ten los­ge­gan­gen, was der FAZ-Mensch nicht be­stä­ti­gen woll­te: man kön­ne dies so und so se­hen, sag­te er. Deutsch­land steckt im­mer noch in der »Oba­mania« – wo­mög­lich, weil man nicht in den USA le­ben muss. Es ist vie­len in­tel­lek­tu­ell nicht mög­lich nur kurz ein­mal ei­ne an­de­re Po­si­ti­on ein­zu­neh­men. Um es klar zu sa­gen: Ich wä­re un­gern Staats­bür­ger un­ter ei­nem Prä­si­den­ten Rom­ney, der das Stöck­chen der Tea-Par­ty von Fall zu Fall zu ap­por­tie­ren hat. Was ich aber fas­zi­nie­rend fin­de: Die Re­pu­bli­ka­ner sind ja kei­ne Min­der­hei­ten­par­tei, d. h. sie wer­den zwi­schen 47 und viel­leicht so­gar 50% der Stim­men be­kom­men – al­so auch von de­nen, die kei­ner­lei Vor­tei­le, ja so­gar eher Nach­tei­le zu be­fürch­ten hät­ten. Da er­staunt mich schon die Ar­ro­ganz mit der eu­ro­päi­sche Kom­men­ta­to­ren wis­sen, wo gut und bö­se sind. Statt­des­sen soll­ten sie sich ein­mal dar­um küm­mern, war­um je­mand wie Rom­ney für weiß­te Un­ter­schich­ten ei­ne Al­ter­na­ti­ve dar­stellt.

    Zur Emp­find­lich­keit des Dis­kur­ses (3) ganz kurz: Ich has­se es, wenn in den Kom­men­ta­ren mehr­fach vor­ge­brach­te Ar­gu­men­ta­ti­ons­aus­tau­sche ein­fach igno­riert wer­den und pu­re »Mei­nung« ab­ge­son­dert wird. Ich bin na­tür­lich an ab­wei­chen­den Po­si­ti­on in­ter­es­siert (s. hier die Kom­men­ta­re von »Mo­rel« und »Fa­bi­an« bei­spiels­wei­se) – sie soll­te aber bspw. kei­ne Un­ter­stel­lun­gen ent­hal­ten. Das brau­che ich mir nicht an­zu­tun, zu­mal ich mei­ne päd­ago­gi­sche Ader schon sehr lan­ge ver­lo­ren ha­be.

  42. Ja, dass das Gu­te, das Schö­ne und das Wah­re in eins fal­len ist kein neu­er Ge­dan­ke. Hin­zu kommt wohl, dass man Men­schen mit ei­ner hoch ent­wickel­ten Fä­hig­keit, au­to­ma­tisch auch an­de­re Kom­pe­ten­zen zu­spricht — klar, auch Pro­jek­tio­nen spie­len ei­ne Rol­le. Da­bei kann man im­mer wie­der fest­stel­len, dass vie­le Künst­ler, In­tel­lek­tu­el­le oder Wis­sen­schaft­ler in öf­fent­li­chen Äu­ße­run­gen in ho­hem Maß ent­täu­schen. — Paul Au­ster dia­gno­sti­ziert da ei­ne Art »Spal­tung« bei Clint East­wood.

    Manch­mal, wie un­längst nach dem Som­mer­ge­spräch mit un­se­rem Bun­des­kanz­ler, den­ke ich mir, wenn es ei­ne Kri­se der Po­li­tik und/oder der De­mo­kra­tie gibt, dass ist es ei­ne des Dis­kur­ses und des Ar­gu­ments, man konn­te auch in der Be­schnei­dungs­de­bat­te, trotz aus­ge­zeich­ne­ter Bei­trä­ge, gut er­ken­nen, wie die­se glo­ba­len Vor­wür­fe be­nutzt wer­den um In­ter­es­sen zu ver­tre­ten und den Dis­kurs zu un­ter­wan­dern, und da­mit zu schä­di­gen.

  43. Au­ster hat er den Vor­fall gar nicht ge­se­hen, aber er dia­gno­sti­ziert. Die deut­schen Me­di­en hal­ten Au­sters Dia­gno­se für re­le­vant; da Nach­fra­gen un­ter­blei­ben er­zählt Au­ster ei­ne An­ek­do­te über das Ki­no­er­leb­nis mit sei­ner Frau, Si­ri Hust­vedt, in dem er – selbst­ver­ständ­lich – auch wie­der die Deu­tungs­ho­heit für sich re­kla­miert. Am En­de lie­fert die Fra­ge­rin noch ei­ne Steil­vor­la­ge mit der Fra­ge »Aber Sie spre­chen gar nicht so oft über Po­li­tik, oder?« (Was 1. nicht un­be­dingt stimmt und 2. ... sie­he oben.)

    Ich glau­be, dass es ein Irr­tum ist, dass Dis­kur­se so­zu­sa­gen »neu­tral« ab­lau­fen kön­nen (da­mit mei­ne ich nicht nur die For­mu­lie­rung des »herr­schafts­frei­en« Dis­kur­ses): Sie sind im­mer von In­ter­es­sen ge­lei­tet wie sie auch im­mer von Hier­ar­chien »durch­setzt« sind. Ne­ben dem ei­gent­li­chen Dis­kurs müs­sen die­se Im­pli­ka­tio­nen mit her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den. Mir fällt hier Ib­sens Bild der Zwie­bel ein, wel­ches er im Peer Gynt den Ti­tel­hel­den als Me­ta­pher für das Le­ben fin­den lässt. Ähn­lich funk­tio­niert wo­mög­lich ein Dis­kurs. Wo­bei das Wort »funk­tio­niert« schon falsch ist, weil im »Funk­tio­nie­ren« be­reits ei­ne Ge­rich­tet­heit an­ge­legt ist. Dis­kur­se wie die re­li­gi­ös-so­zia­le Be­schnei­dung von Jun­gen kön­nen ja ewig fort­ge­führt wer­den. Ei­ne all­ge­mei­ne Gül­tig­keit be­an­spru­chen­de Hand­lungs­an­wei­sung (bspw. ein Ge­setz) wird im­mer nur ei­nen Teil der Dis­kurs­teil­neh­mer be­frie­di­gen; Kom­pro­mis­se kann es bei be­stimm­ten Ent­schei­dun­gen ein­fach nicht ge­ben, sie (die Ent­schei­dung) muss in ei­ne Rich­tung ge­hen.

    Wo­bei wir wie­der bei den ame­ri­ka­ni­schen Wah­len wä­ren. Das Mehr­heits­wahl­recht hat über Jahr­hun­der­te den Kampf zwi­schen zwei po­li­ti­schen Rich­tun­gen vor­ge­ge­ben. Es gibt zwar noch an­de­re Kan­di­da­ten, die je­doch kei­ner­lei di­rek­ten Ein­fluss ha­ben (in­di­rek­ten Ein­fluss üb­ri­gens sehr wohl, wie sich 2000 bei der Wahl Gore/Bush zeig­te, als der als »grün« be­zeich­ne­te Ross Nader in ei­ni­gen Staa­ten Go­re die ent­schei­den­den Stim­men »weg­schnapp­te«). In vie­len eu­ro­päi­schen De­mo­kra­tien ist die­ses Mehr­heits­sy­stem ver­pönt (au­ßer in Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich). Es gilt als »un­ge­recht«, weil es Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen nicht ge­nü­gend be­rück­sich­tigt (hier ha­ben wir ja dar­über dis­ku­tiert). Tat­säch­lich wa­ren die Un­ter­schie­de in den USA zwi­schen De­mo­kra­ten und Re­pu­bli­ka­nern in vie­len Po­li­tik­be­rei­chen kaum wahr­nehm­bar. Das hat sich durch die Verweigerungs­haltung der »Tea-Party«-Bewegung, die in­ner­halb der Re­pu­bli­ka­ner ver­blie­ben ist (als au­to­no­me Par­tei hät­te sie kei­ne Chan­ce). Es zeigt, wie ver­fah­ren Dis­kurs-Si­tua­tio­nen sein kön­nen, wenn ein pa­ri­tä­ti­sches Gleich­ge­wicht zwi­schen den Dis­kurs­teil­neh­mern herrscht und da­bei ei­ne Par­tei jeg­li­che Kompromiss­bereitschaft ver­mis­sen lässt. Das kann sie, weil es of­fen­sicht­lich kei­ner­lei ne­ga­ti­ve Sank­tio­nen (Ver­lust an Wäh­ler­stim­men) zei­tigt. (Die Fra­ge ist ja war­um das so ist.) Der Wunsch nach De­zi­sio­nis­mus wächst dann.

  44. Au­ster un­ter­schei­det im­mer­hin zwi­schen ei­ner (mög­li­chen) po­li­ti­schen und künst­le­ri­schen Sei­te, was vie­len nicht ge­lingt; und er hat sei­ne Mei­nung über East­wood an­hand frü­he­rer Er­fah­run­gen und Ge­ge­ben­hei­ten ge­bil­det, das ist nicht il­le­gi­tim.

    Du hast si­cher recht, es gibt kei­nen rei­nen oder idea­len Dis­kurs, der exi­stiert oder ver­wirk­licht wer­den könn­te. Und er dient, ja, der Auf­deckung, der Sicht­bar­ma­chung, der Auf­klä­rung. Den­noch, ich möch­te das Ide­al nicht vor­schnell auf­ge­ben; un­ter­schei­den wir ein­mal hin­sicht­lich der Teil­neh­mer, dann se­hen wir, dass sie, je nach Le­bens­füh­rung und ‑si­tua­ti­on schon im­mer Po­si­tio­nen be­zo­gen ha­ben oder wel­chen na­he ste­hen. Auf die Be­schnei­dungs­de­bat­te ge­münzt: Je­mand der vor­her kei­nem der bei­den »La­ger« zu­ge­hör­te, wird es ein­fa­cher ha­ben Po­si­ti­on zu be­zie­hen oder ei­ner be­zo­ge­ne auf­zu­ge­ben, das ist ei­gent­lich ein­leuch­tend, und ei­ne Sa­che von Iden­ti­fi­ka­ti­on und »In­ve­sti­ti­on«. Wor­auf ich hin­aus will ist, dass es, so­zu­sa­gen na­tür­li­che Po­si­tio­nen gibt, die wir, in gu­tem Glau­ben, ver­tei­di­gen, das ist in Ord­nung, soll­te aber re­flek­tiert wer­den, denn je­der Dis­kurs lebt da­von, dass die ei­ge­ne Po­si­ti­on theo­re­tisch zur Dis­po­si­ti­on steht, sonst bräuch­te man ihn gar nicht zu füh­ren (und ein Pri­mat des Ar­gu­ments ver­langt das eben­so). Was dem ge­gen­über noch bleibt, ist ei­ne Po­si­ti­on aus In­ter­es­se, d.h. Nut­zen und Vor­teil zu be­zie­hen und, wi­der bes­sern Wis­sens, mit fal­schen oder un­lau­te­ren Ar­gu­men­ten zu ver­tei­di­gen — das höhlt den Dis­kurs im­mer stär­ker aus und er bricht, letzt­end­lich, zu­sam­men.

    Re­fle­xi­on, Ehr­lich­keit und Dis­po­si­ti­on, ein Be­mü­hen um die­se drei, nur ei­ne Ten­denz und es wä­re schon viel ge­won­nen.

  45. Na­tür­lich soll man das Ide­al nie­mals auf­ge­ben; die Leu­te hei­ra­ten ja im­mer wei­ter, ob­wohl sie um die Fra­gi­li­tät der In­sti­tu­ti­on Ehe längst wis­sen.

    Ich ha­be ge­stern in ZIB2 ein­ge­schal­tet; lei­der et­was zu spät. Es ging im Ge­spräch mit ei­ner Da­me von der SPÖ um ei­nen »fest­ge­fah­re­nen« Un­ter­su­chungs­aus­schuss. Die fünf Par­tei­en blockie­ren sich of­fen­sicht­lich ge­gen­sei­tig und die Da­me, die ei­nen sehr se­riö­sen Ein­druck mach­te, soll­te nun ir­gend­wie ver­mit­teln. Sie führ­te auch ein­mal das Vor­bild Deutsch­land an – was Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se an­ging. Ich ha­be das an­ders in Er­in­ne­rung: Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se in Deutsch­land lei­sten be­sten­falls ei­ne ge­wis­se Auf­klä­rungs­ar­beit. Mei­stens ver­puf­fen ih­re Er­geb­nis­se und Rat­schlä­ge dann aber im po­li­ti­schen Nir­wa­na. Und manch­mal las­sen sich Schlam­pe­rei­en nicht »auf­klä­ren«, sie ge­sche­hen ein­fach aus vie­ler­lei Grün­den, de­ren »Auf­klä­rung« ei­gent­lich un­nö­tig ist. Mein Vor­schlag wä­re, dass je­de Par­tei ei­nen par­la­men­ta­ri­schen Un­ter­su­chungs­aus­schuss mit ei­ner »au­ßer­par­la­men­ta­ri­schen« Per­sön­lich­keit be­stückt. Die­se vier, fünf oder sechs Per­so­nen be­stim­men dann wie­der­um an­de­re Per­sön­lich­kei­ten, die dann die Ba­sis für ei­nen sol­chen Aus­schuss bil­den.

  46. Du meinst wahr­schein­lich Bar­ba­ra Pram­mer (Na­tio­nal­rats­prä­si­den­tin, SPÖ). Man kann die ZIB2 hier nach­hö­ren und ‑se­hen (und rechts ne­ben dem Bild die üb­ri­gen Sen­dungs­bei­trä­ge wäh­len).

    Die Schwie­rig­keit mit Un­ter­su­chungs­aus­schüs­sen ist, dass sie die po­li­ti­sche Ver­ant­wor­tung klä­ren sol­len, das mach sie bri­sant und zu ei­ner Art Büh­ne, die die Par­tei­en auch kon­trol­lie­ren wol­len, je­den­falls un­ter­stel­le ich das bis zu ei­nem ge­wis­sen Grad, und da­her schät­ze ich, dass »man« , ob­wohl Dei­ne Idee gut ist, ihr kaum zu­stim­men wür­de. Zu­min­dest soll­te die Lei­tung ei­nem von je­man­dem über­nom­men wer­den, der vom Fach ist, aber po­li­tisch »un­ge­zwun­gen«, et­wa Per­so­nen die im Be­reich von Kor­rup­ti­ons­auf­klä­rung ar­bei­ten (oder ge­ar­bei­tet hat­ten), Mit­ar­bei­ter des Rech­nungs­hofs, u.a.

    Im kon­kre­ten Fall ist mir die Po­si­ti­on der an­de­ren Op­po­si­ti­ons­par­tei­en nicht ganz klar, ihr vor­ran­gi­ges Ziel müss­te ei­gent­lich der Aus­schuss selbst sein (Pram­mer woll­te und konn­te sich da­zu nicht äu­ßern, sie sprach ja von In­ter­es­sen al­ler fünf Par­tein).

  47. Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se ha­ben zu­meist ei­ne »Po­li­ti­sche Schlag­sei­te«, d. h. es gibt ei­ne Grup­pe, die die­ses In­stru­ment for­dert und dann die an­de­re, die eher bremst. Dass die Par­tei­en ih­re ei­ge­nen Re­prä­sen­tan­ten in ei­nen sol­chen Aus­schuss schicken mag gän­gi­ge Pra­xis sein, ist aber kon­tra­pro­duk­tiv. Zu sehr sind die Fron­ten ver­här­tet. Wenn dann der Un­ter­su­chungs­aus­schuss an sich schon als »Ziel« ge­nügt, kann man früh er­ah­nen, was da­bei Sub­stan­zi­el­les her­aus­kommt: sehr we­nig.

    Selbst in Un­ter­su­chungs­aus­schüs­sen, die von al­len Par­tei­en ge­wünscht wer­den (wie in Deutsch­land der­zeit der über die Mord-Grup­pe »NSU« und die Ver­strickun­gen der di­ver­sen deut­schen Ge­heim­dien­ste), gibt es frü­her oder spä­ter par­tei­po­li­tisch mo­ti­vier­te Aus­le­gun­gen. Mir kom­men par­la­men­ta­ri­sche Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se wie Stan­des­ge­rich­te vor, die ja auch jen­seits rechts­ver­bind­li­cher Räu­me »ih­re« An­ge­le­gen­hei­ten er­le­di­gen (bspw. Ärztekammer[n]). Das ist al­les längst zu me­dia­lem Tal­mi ver­kom­men; Auf­re­gung für ein paar def­ti­ge Schlag­zei­len. Da­nach geht’s wei­ter wie bis­her, nur ein biss­chen an­ders.

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