Er wisse nicht, sagte ein Freund vor etlichen Jahren in einer Diskussion über den Nationalsozialismus, was er damals für ein Schwein gewesen wäre: Seine Worte fielen mir in den vergangenen Tagen rund um die Diskussionen über den Akademikerball der FPÖ, die damit verbundenen Demonstrationen und gewalttätigen Ausschreitungen wieder ein: Es blieb das einzige Mal bislang, dass sich jemand in meinem Beisein oder auch öffentlich nicht nur derart radikal, sondern überhaupt selbst das Misstrauen ausgesprochen hatte: Noch immer nötigt mir dieser Satz eine Menge Respekt ab und ich hätte ihn in der Vergangenheit nicht auszusprechen vermocht: Heute hingegen erscheint es mir beinahe billig ihn nachzusprechen, obwohl es das, so es ernst gemeint und mit Nachdruck geschieht, keineswegs ist.
Gesinnung
Der neue Dämonisierungsjournalismus
Man stelle sich vor: Ein prominenter, älterer Hollywood-Schauspieler (oder auch Schauspielerin) tritt bei einer Veranstaltung für Barack Obama auf, imaginiert sich Obamas Herausforderer auf einem leeren Stuhl und tritt in einen Pseudo-Dialog mit ihm, in dem er dessen Versprechungen und Handlungen lächerlich macht. Das wäre nicht besonders geschmackvoll gewesen, aber die Delegierten hätten es toll gefunden, hätten gejubelt. Und in den deutschen Medien hätte man den Schauspieler oder die Schauspielerin gelobt für den Kniff mit dem leeren Stuhl. Die Welt wäre in Ordnung, Gut und Böse wieder einmal eindeutig.
Ich bekenne, also bin ich
Vorerst ist die Lawine »Atomkraft – nein danke!« zum Stillstand gekommen. Die Facebook-Profilbildchen werden wieder geändert. Als nächste Bekenntnisse werden favorisiert: »S21 oben bleiben« – ein Revival – (insbesondere nach Bekanntgabe eventuell pragmatischer Koalitionsverhandlungsergebnisse in Baden-Württemberg) oder »Freiheit für Ai WeiWei«. Schade, dass sich »Free Libya« nicht so richtig durchgesetzt hat, aber den Atomkraftgegnern war das Hemd näher als der Rock.
So richtig vollwertiges Mitglied in den »sozialen Netzwerken« ist man ja nur mit entsprechendem Bekenntnis. Und das soll schon am Profilbild erkennbar sein. Ich bekenne, also bin ich. Schon optisch wird deutlich: Diskussion sinnlos. Hier hört der Spaß auf. Wie halte ich mir sicher anderslautende Urteile vom Hals? Ich bekenne mich bei Facebook. Da spielt dann auf einmal die andere Ikone – der Datenschutz – keine Rolle mehr.
Nie war es so einfach im wohligen Mief der gleichen Meinung unter sich zu bleiben – und sich dabei gut zu fühlen. Der Preis auf diesem Subprime-Markt der politischen Gesinnungsprostitution ist klein. Das Versprechen auf Anerkennung ist groß; das Risiko gering. Wenn man sich jetzt nicht engagiert, wann dann?
Fragen an Frau Pohl
Ines Pohl, Chefredakteurin der taz, betont in einem Interview um die Anzeige der »Bild«-Zeitung in der taz, dass diese – »wie in jedem ordentlichen Zeitungshaus« – Redaktion und Anzeigengeschäft getrennt habe. Pohl weiter: »Die Redaktion verfügt gar nicht über die Hoheit, zu entscheiden, ob eine Anzeige erscheint oder nicht, wenn die Anzeige – das ist im Redaktionsstatut der taz festgeschrieben – nicht rassistisch, sexistisch oder kriegsverherrlichend ist.«
Das leichte Unbehagen bei der Hinrichtung
Nicht, daß ich mit Philipp Mißfelder Mitleid hätte. Nein. Und natürlich ist Dirk Kurbjuweits Artikel »Der Schattenmann« (Spiegel v. 22.05.09; pdf-Dokument) irgendwie ein »exemplarischer Text«. Aber auch wenn Kurbjuweit Mißfelder als exemplarisch für einen bestimmten Typus Politiker nimmt – geht er nicht manchmal zu weit?
Die neue Inquisition
Die Inquisitoren der Gesinnungsmafia machen, das zeigt die Diskussion um den Schauspieler Tom Cruise und dessen Stauffenberg-Film, inzwischen auch nicht vor den reproduzierenden Künstlern halt.

So abstrus und überflüssig die Einzelheiten des hoch emotional behandelten Themas auch sein mögen – es ist ein weiteres Mosaiksteinchen für eine zunehmend gesinnungsästhetisch urteilende Meinungslobby.
Die Produktion eines Kunstwerkes genügt dabei nicht mehr nur rein ästhetischen Kriterien, die dann von der Kulturkritik entsprechend besprochen werden. Stattdessen wird ein Gesinnungskonsens eingefordert, dessen immanente Kriterien werkfremd sind. Vom Künstler wird quasi eine Präambel verlangt; eine Art »Zulassung« zum Kulturbetrieb.