Die neue In­qui­si­ti­on

Die In­qui­si­to­ren der Ge­sin­nungs­ma­fia ma­chen, das zeigt die Dis­kus­si­on um den Schau­spie­ler Tom Crui­se und des­sen Stauf­fen­berg-Film, in­zwi­schen auch nicht vor den re­pro­du­zie­ren­den Künst­lern halt.

Das Tribunal ist bereit

Das Tri­bu­nal ist be­reit


So ab­strus und über­flüs­sig die Ein­zel­hei­ten des hoch emo­tio­nal be­han­del­ten The­mas auch sein mö­gen – es ist ein wei­te­res Mo­sa­ik­stein­chen für ei­ne zu­neh­mend ge­sin­nungs­äs­the­tisch ur­tei­len­de Mei­nungs­lob­by.

Die Pro­duk­ti­on ei­nes Kunst­wer­kes ge­nügt da­bei nicht mehr nur rein äs­the­ti­schen Kri­te­ri­en, die dann von der Kul­tur­kri­tik ent­spre­chend be­spro­chen wer­den. Statt­des­sen wird ein Ge­sin­nungs­kon­sens ein­ge­for­dert, des­sen im­ma­nen­te Kri­te­ri­en werk­fremd sind. Vom Künst­ler wird qua­si ei­ne Prä­am­bel ver­langt; ei­ne Art »Zu­las­sung« zum Kul­tur­be­trieb.

Der Be­griff der »Zen­sur« wird die­sem Vor­ge­hen nicht ge­recht. Zen­sur ist ei­ne di­rek­te Ein­fluss­nah­me. Die Ober­för­ster der In­qui­si­ti­on zen­sie­ren in die­sem Sin­ne nicht – sie er­le­gen das Wild nicht mit ei­nem Blatt­schuss, son­dern locken es in ei­ne Le­bend­fal­le, um es dann mit sicht­ba­ren Ver­gnü­gen vor den Au­gen al­ler zu do­me­sti­zie­ren.

Im Trab­renn­sport gibt es ei­nen tref­fen­den Aus­druck da­für, wie Pfer­de dar­auf ab­ge­rich­tet wer­den, die für sie ei­gent­lich un­ef­fi­zi­en­te Gang­art des Tra­bens zu ho­her Ge­schwin­dig­keit aus­zu­füh­ren (die na­tür­li­che, schnell­ste Gang­art des Pfer­des ist der Ga­lopp): Sie wer­den ein­ge­bro­chen. Zu­rück­ge­bro­chen auf die Welt des ach so heh­ren Feuil­le­tons be­deu­tet das: Wer sich den Un­ter­wer­fungs­ge­sten der Mei­nungs­ma­cher nicht beugt, wird zur Un­per­son mit nicht un­be­dingt an­ge­neh­men Fol­gen für den Ab­trün­ni­gen (wo­mit nicht nur die öko­no­mi­schen ge­meint sind).

Der Vor­gang an sich – al­so die Ver­quickung des Werks mit den per­sön­li­chen, po­li­ti­schen, so­zia­len und ge­sell­schaft­li­chen Mei­nun­gen oder Ge­wohn­hei­ten des Künst­lers – ist nicht neu. Die Li­te­ra­tur­ge­schich­te bei­spiels­wei­se kennt zahl­rei­che Bei­spie­le, die auch im­mer wie­der an­ge­führt wer­den: Ez­ra Pound; Cé­li­ne; Jün­ger; in der Phi­lo­so­phie vor al­lem Heid­eg­ger; in der Mu­sik na­tür­lich Ri­chard Wag­ner. Die Li­ste die­ser üb­li­chen Ver­däch­tig­ten ist be­lie­big er­wei­ter­bar. Be­mer­kens­wert: Die Stoss­rich­tung der Mo­ra­li­sie­rung von Kunst ging (bis­her?) im­mer von »links« aus; da die äs­the­ti­sche Kri­tik nicht oder kaum an­zu­brin­gen war, ver­quirl­te man sie mit der (freund­lich aus­ge­drück­ten) am­bi­va­len­ten Hal­tung der Prot­ago­ni­sten zu an­de­ren, werk­fer­nen Fel­dern. In der jüng­sten Ver­gan­gen­heit tra­ten u. a. Leu­te wie Grass und Hoch­huth da­mit an die Öf­fent­lich­keit und be­nutz­ten dies ge­schickt, um ih­re Sicht auf die Din­ge zum Main­stream zu eta­blie­ren.

Bei Grass schei­te­re dies erst­mals 1989 mit sei­nem Buch »Ein wei­tes Feld«. Dies zeigt im üb­ri­gen auch, dass In­qui­si­ti­on fast nur als de­struk­ti­ver Akt funk­tio­niert. Das Ziel ist nie, ei­ne ad­äqua­te Al­ter­na­ti­ve auf­zu­bau­en (et­wa in der Pro­duk­ti­on ei­nes Kunst­werks), son­dern nur ein be­stimm­tes Werk über die Per­son zu dis­kre­di­tie­ren.

Die An­kla­ge be­dient sich da­bei mei­stens we­ni­ger der Kla­via­tur von Ar­gu­men­ten, son­dern die ge­sin­nungs­äs­the­ti­schen Hie­be er­fol­gen als Be­haup­tun­gen. Am Cruise/»Stauffenberg«-Fall lässt sich das schön il­lu­strie­ren: Erst wird be­haup­tet, ein Ame­ri­ka­ner sol­le doch den deut­schen Wi­der­stand­hel­den nicht un­ter Um­stän­den »tri­via­li­sie­ren« (bei an­de­ren zeit­ge­schicht­li­chen Per­so­nen wie Mar­tin Lu­ther spiel­te das kei­ne Rol­le), dann wur­de schliess­lich auf Crui­ses Sci­en­to­lo­gy-En­ga­ge­ment an­ge­spielt (hät­te man dies nicht der­art breit­ge­tre­ten, hät­ten es vie­le gar nicht ge­wusst, denn bis­her hat Crui­se da­von nichts in sei­ner Schau­spiel­kunst an­klin­gen las­sen). Dann konn­te man an Ori­gi­nal-Schau­plät­zen an­geb­lich aus Grün­den der Auf­recht­erhal­tung des Ta­ges­be­trie­bes und dann auch aus Pie­tät­grün­den nicht ge­dreht wer­den (für ei­ne deut­sche Pro­duk­ti­on ei­ni­ge Jah­re vor­her galt bei­des nicht). Als sich der Wind dann dreh­te (u. a. durch Schirr­ma­cher), wur­de das stärk­ste »Ar­gu­ment« wie­der her­vor­ge­holt: Crui­se wur­de als »Goeb­bels von Sci­en­to­lo­gy« dif­fa­miert. Be­dau­er­lich ist das gan­ze un­ter an­de­rem des­halb, weil die­ser of­fen­sicht­lich voll­kom­men über­for­der­te Sek­ten­pfar­rer Gan­dow ekla­tan­te Ge­schichts­kennt­nis­se of­fen­sicht­lich nicht zur Ver­fü­gung hat und sei­nen Kreuz­zugs­phan­ta­sien er­le­gen scheint. Und »God­wins Ge­setz« lässt dies­mal herz­lich grü­ssen.

Die Be­weis­last wird da­bei ger­ne um­ge­kehrt. Der An­ge­grif­fe­ne muss sei­ne »rich­ti­ge« Ge­sin­nung be­wei­sen; zur Be­schul­di­gung reicht die blo­sse Be­haup­tung.

Dop­pelt pro­ble­ma­tisch wer­den An­grif­fe auf die Me­di­en. In Win­des­ei­le wer­den die zwei Grund­re­fle­xe auf Me­di­en­kri­tik von den Me­di­en be­dient: Ent­we­der man fragt mit Un­schulds­mie­ne, war­um man vom The­ma ab­len­ken woll­te oder (/und) man ver­bie­tet sich schlicht­weg die In­fil­tra­ti­on und un­ter­stellt sei­ner­seits nun Zen­sur­ab­sich­ten. Auf die­se Art und Wei­se brau­chen die Me­di­en ih­re Rol­le nicht grund­le­gend zu hin­ter­fra­gen; even­tu­el­le Rich­tig­stel­lun­gen gibt es dann ggf. auf Sei­te 26 rechts un­ten.

Das Neue am ak­tu­el­len In­qui­si­ti­ons­ge­ba­ren ist der Ver­such, es nun sy­ste­ma­tisch auf al­le mög­li­chen Gen­res und Wer­ke an­zu­wen­den. Und neu ist auch, dass ih­re Prot­ago­ni­sten wech­seln. Wa­ren die »mo­ra­li­schen Ge­wis­sen« der Na­ti­on frü­her an ei­ner Hand ab­zu­zäh­len, so fühlt sich heu­te fast je­der be­mü­ssigt, Feld­zü­ge mit ge­sin­nungs­äs­the­ti­schen Ur­tei­len a prio­ri zu fäl­len.

So wird aus dem christ­li­chen Sym­bol des Abend­mahls über die »Zwölf Ge­schwo­re­nen« von Sid­ney Lu­met nun ein Tri­bu­nal. Die per­fi­de Stra­te­gie: Je­der kann je­der­zeit von die­sem vir­tu­el­len Tri­bu­nal an­ge­klagt wer­den; nie­mand ist mehr si­cher. Jahr­zehn­te­lan­ges Wohl­ver­hal­ten hat kei­nen Wert. Ein »fal­sches Wort«, ein »fal­sches Werk«; ein Es­say, der wi­der dem gän­gi­gen Main­stream liegt – und die Müh­len be­gin­nen zu mah­len.

Im Ge­gen­satz zu K.’s Pro­zess, der im ver­bor­ge­nen statt­fand, spielt sich der Ge­sin­nungs­pro­zess in der Öf­fent­lich­keit ab; ge­nau­er ge­sagt: im Feuil­le­ton. Das ist nur ober­fläch­lich be­trach­tet ein Vor­teil. Hat­te der ver­bor­ge­ne und un­be­kann­te Pro­zess­her­gang bei Kaf­ka we­nig­stens an­fangs noch ei­ne ge­wis­se Trost­kom­po­nen­te, so ist das öf­fent­li­che Tri­bu­nal in den Feuil­le­tons oft ge­nug der Be­ginn der in­tel­lek­tu­el­len Exe­ku­ti­on – in be­ster christ­li­cher Tra­di­ti­on wi­der die Hä­re­ti­ker.

Der Start­schuss der Gross­in­qui­si­teu­re zur all­ge­mei­nen Treib­jagd zeigt den un­ter­ge­ord­ne­ten Char­gen an, wer vo­gel­frei ist. Sie schwär­men nun aus, in den zu­rück­lie­gen­den Wer­ken und/oder Pu­bli­ka­tio­nen et­was zu fin­den, was ih­re An­kla­ge­schrift un­ter­mau­ert. Oft ge­nug tref­fen sie da­bei auf Gleich­ge­sinn­te des An­ge­klag­ten, die dann auch vor Ge­richt ge­stellt wer­den. Zu­rück­hal­ten­de Stim­men wer­den der Ein­fach­heit hal­ber als feind­lich ru­bri­ziert. Ih­re Di­cho­to­mie ist ein­deu­tig: Wer nicht für uns ist, ist ge­gen uns. Sie ken­nen nur schwarz und weiss. Al­les an­de­re wür­de wohl auch ih­ren In­tel­lekt über­for­dern. Sie sind ja, wie ge­sagt, die un­te­ren Char­gen.

Und auch die Prot­ago­ni­sten der Gross­in­qui­si­ti­on wech­seln durch­aus ih­re Stoss­rich­tun­gen. Gilt bei­spiels­wei­se Frank Schirr­ma­cher als ein Vor­rei­ter der neu­en In­qui­si­ti­on in Sa­chen Grass und Wal­ser (min­de­stens was »sein« Blatt, die FAZ, ab­geht), so zeigt er sich in Sa­chen Tom Crui­se oder auch NSDAP-Mit­glied­schaft ei­ni­ger In­tel­lek­tu­el­ler (die das Kampf­blatt der neu­en »Mo­ra­li­tät«, der »Fo­cus«, mit wol­lü­sti­ger Nie­der­tracht pu­bli­zier­te) als je­mand, der die Idea­le der Auf­klä­rung hoch­hält.

Sel­ten gibt es Frei­sprü­che oder Auf­schü­be. Die Ver­dam­mung ist schon häu­fi­ger. Sie zeigt sich in auf­ge­kleb­ten Eti­ket­ten, die der De­lin­quent nie mehr los wird. Die At­tri­bu­te sind im­mer so ge­wählt, dass im­mer schon ei­ne Mei­nung vor­weg aus­ge­drückt wird, die mit dem ei­gent­li­chen Fall gar nichts zu tun ha­ben muss.

In schwe­ren Fäl­len gibt es kein Ent­rin­nen mehr. Wie bei Bin­ja­min Wil­ko­mir­ski. Der hat­te ein von der Li­te­ra­tur­kri­tik en­thu­sia­stisch ge­lob­tes Buch über ei­ne Kind­heit im Ho­lo­caust ge­schrie­ben (»Bruch­stücke«). Sein Feh­ler war, dass er der Deu­tung, dass li­te­ra­ri­sche Ich in sei­nem Buch sei er sel­ber, nicht nur nicht wi­der­spro­chen hat, son­dern ihr selbst er­le­gen war. Er hielt Vor­trä­ge und trat im Fern­se­hen auf, nahm die fik­ti­ve Bio­gra­fie als sei­ne an und gab be­reit­wil­lig »Aus­kunft«. Als Re­cher­chen die­se Lü­gen auf­deck­ten, wi­der­sprach er an­fäng­lich. Spä­ter brach je­doch mit wei­te­ren Ent­hül­lun­gen sei­ne be­haup­te­te Bio­gra­fie zu­sam­men. Was die In­qui­si­to­ren nicht über­wun­den hat­ten: Sie wa­ren ih­ren ei­ge­nen Mass­stä­ben bei der Be­ur­tei­lung des Bu­ches er­le­gen! Bei al­ler Lü­gen­haf­tig­keit der au­sser­werk­li­chen Äu­sse­run­gen – blieb nicht das Buch »Bruch­stücke« per se da­von un­be­rührt? Oder, an­ders ge­fragt: Hat das Buch nur aus der Tat­sa­che ei­ne li­te­ra­ri­sche, äs­the­ti­sche und auch emo­tio­na­le Qua­li­tät, wenn der Au­tor mit dem Ich-Er­zäh­ler iden­tisch ist?

Die­se Fra­ge, die bei Wil­ko­mir­ski es­ka­lier­te, legt ins­be­son­de­re in der Li­te­ra­tur ei­nen im­mer zen­tra­le­ren Kon­flikt of­fen: In­wie­weit ist die Ver­quickung zwi­schen au­to­bio­gra­fi­schen und fik­ti­ven De­tails re­le­vant? In der zeit­ge­nös­si­schen Li­te­ra­tur­kri­tik fei­ert das Kri­te­ri­um der Au­then­ti­zi­tät gro­sse Er­fol­ge. Das Werk wird im­mer mehr mit der Bio­gra­fie des Au­tors ver­knüpft; das äs­the­ti­sche Ur­teil wird auch in der Über­ein­stim­mung zwi­schen Werk und Bio­gra­fie ge­fällt. Kri­ti­ker re­kla­mie­ren in Re­zen­sio­nen so­gar, wenn sie zu we­nig von ei­nem Au­tor wis­sen. Ih­re In­stru­men­te sind of­fen­sicht­lich stumpf ge­wor­den, wenn es um das Werk geht. Sie müs­sen im­mer das »Ge­samt­kunst­werk« vor Au­gen ha­ben und un­ter­schei­den sich vom li­te­ra­ri­schen Di­let­tan­ten, der zu­erst den Klap­pen­text ei­nes Bu­ches liest, kaum noch. Von da bis zur ge­sin­nungs­äs­the­ti­schen Be­ur­tei­lung ist es nur ein klei­ner Schritt: Wer nicht im Le­ben ein gu­ter Men­schen ist, kann kei­ne gu­ten Bü­cher schrei­ben. Die Ge­gen­fra­ge, ob Kunst über­haupt ei­ne Mo­ral hat bzw. ob dies zwin­gend ist, stellt sich für sie gar nicht mehr.

Bei die­sen Kri­te­ri­en ver­wun­dert es nicht mehr, dass Kunst und Li­te­ra­tur dau­er­haft kri­sen­haf­te Sym­pto­me zei­gen. Wenn in schäub­le­haf­ter Durch­drin­gung erst ein­mal das Pri­vat­le­ben des Künst­lers ab­ge­klopft wer­den soll – dann bleibt nur der strom­li­ni­en­för­mi­ge, »lang­wei­li­ge«, po­li­tisch-kor­rek­te üb­rig. Als ei­ni­ger­ma­ssen in­ter­es­sant gilt dann nur noch der An­ti­po­de. Als Ge­gen­stück zum Saubermann/Sauberfrau wird dann al­len­falls noch ein po­sie­ren­der Hou­el­le­becq ge­dul­det. Für mehr Dif­fe­ren­zie­rung reicht es dann sehr oft nicht mehr aus.

Es steht zu be­fürch­ten, dass wir erst am An­fang ei­ner als Mo­ra­li­sie­rung ge­tarn­ten Ge­sin­nungs­be­ur­tei­lung ste­hen. Ih­re Prot­ago­ni­sten sind Feuil­le­to­ni­sten, die ihr ei­ge­ne Be­ur­tei­lungs­im­po­tenz hin­ter der Fas­sa­de kul­tur­kri­ti­schen Fra­gens ver­stecken. In Wirk­lich­keit sind ih­re Fra­gen ver­kapp­te Hand­lungs­ma­xi­me, die ih­ren selbst­er­stell­ten Mo­ral­vor­stel­lun­gen ent­sprin­gen und die­se – das ist das Schlim­me – zur ab­so­lu­ten Ma­xi­me für al­le ge­ne­ra­li­sie­ren. Die­ses Vor­ge­hen ist to­ta­li­tär. Sie sind in Wirk­lich­keit die An­ti-Auf­klä­rer, die ih­re mo­ra­li­schen Im­pe­ra­ti­ve ab­so­lut set­zen. Ihr Ei­fer ge­stat­tet da­bei kei­nen Wi­der­spruch. Das ha­ben sie mit den fun­da­men­ta­li­sti­schen Glau­bens­krie­gern des Chri­sten­tums und des Is­lam ge­mein.

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  1. Wie­der ein­mal ein Auf­satz von Ih­nen, den zu le­sen mir ein­fach Spaß ge­macht hat. Spaß, nicht im Sin­ne von lu­stig, son­dern im Sin­ne von Le­se­ge­nuss. Al­ler­dings ha­be ich ge­ra­de im Fal­le Ih­res Auf­hän­gers Cruise/ Sci­en­to­lo­gie über­haupt kei­ne Bauch­schmer­zen, wenn die­ser agres­si­ven „Kir­che“ ein we­nig auf den Schwanz ge­tre­ten wird. Ei­ne ähn­li­che Dis­kus­si­on um Crui­se gab es, mei­ner Er­in­ne­rung nach, vor ein paar Jah­ren schon ein­mal, der An­lass ist mir ent­fal­len, und da­mals ka­men doch ziem­lich rü­de, fast dro­hen­de Tö­ne, teil­wei­se so­gar halb­amt­lich, über den At­lan­tik. Nein, ge­gen sol­che Bau­ern­fän­ger und Ge­hirn­wä­sche­akro­ba­ten ist mir ei­gent­lich je­des Mit­tel recht. An­son­sten stim­me ich mit Ih­ren Über­le­gun­gen über­ein.

  2. Na­ja,
    ich er­in­ne­re mich noch dun­kel an ei­ne Dis­kus­si­on, ob John Tra­vol­ta bei Gott­schalk in »Wet­ten, dass...?« auf­tre­ten soll­te. Auch Tra­vol­ta ist ja Sci­en­to­lo­ge. Das be­kommt dann schon reich­lich ko­mi­sche Zü­ge. Was, wenn je­mand an Mars­männ­chen glaubt oder an­de­ren eso­te­ri­schen Un­sinn – darf der dann auch nicht mehr auf­tre­ten?

    So­lan­ge ei­ne künst­le­ri­sche Lei­stung von pri­va­ten An­sich­ten sau­ber ge­trennt wird, ist mir in die­sem Mo­ment die Ge­sin­nung des Künst­lers in an­de­ren Kon­tex­ten (bspw. Re­li­gi­on, Po­li­tik, se­xu­el­le Orientierung[en]) gleich­gül­tig. In dem Mo­ment, wenn er die Me­di­en oder mich durch ein Kunst­werk sei­ne pri­va­te Sicht der Din­ge na­he­brin­gen, ja, sie mir ok­troy­iert – in dem Mo­ment darf (und ggf. muss) man ak­tiv wer­den.

    In­ter­es­sant (und schwie­rig) ist dann solch’ ein »Fall« wie der des Di­ri­gen­ten Rolf Reu­ter, dem vor­ge­wor­fen wird, Kon­takt zu rechts­ra­di­ka­len Or­ga­ni­sa­tio­nen ge­pflegt zu ha­ben. Jetzt schla­gen ei­ni­ge vor, er sol­le, ja müs­se, u. a. sein Bun­des­ver­dienst­kreuz zu­rück­ge­ben.

  3. Ak­tu­el­ler An­lass
    Der Zen­tral­rat der Ju­den in Deutsch­land schlägt mit die­ser Pres­se­mit­tei­lung zum Kon­zert un­ter Lei­tung des Di­ri­gen­ten In­go Metz­ma­cher am Tag der deut­schen Ein­heit ge­nau in die von Dir kri­ti­sier­te die­sel­be Ker­be.

    Die Pres­se­mit­tei­lung scheint mir ei­ne Ant­wort auf das ZEIT-In­ter­view mit Metz­ma­cher zu sein. Mü­he hat man sich aber kaum ge­ge­ben Metz­ma­chers In­ten­tio­nen zu ver­ste­hen, die­sem wird auch gleich die ent­spre­chen­de Gei­stes­hal­tung na­he­ge­legt und sei­ner Dar­bie­tung je­de Kunst­fä­hig­keit ab­ge­spro­chen: »„Metz­ma­chers Auf­füh­rung ist kei­ne Kunst und schon gar kein Bei­trag zu ei­ner streit­ba­ren künst­le­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zung, son­dern der drei­ste und ge­mein­ge­fähr­li­che Ver­such durch Pro­vo­ka­ti­on ei­nen un­be­lehr­ba­ren An­ti­se­mi­ten sa­lon­fä­hig zu ma­chen. An­ge­sichts Metzmacher’s Ab­sicht, die Pfitz­ner Auf­füh­rung durch die fünf­te Sym­pho­nie von Beet­ho­ven und den Ern­sten Ge­sän­gen von Eis­ler Les Pre­ludes von Liszt, das die Na­zis als Er­ken­nungs­me­lo­die für die Wehr­machts­mel­dun­gen miss­braucht ha­ben, zu kom­plet­tie­ren, muss man sich die Fra­ge stel­len, wes­sen Gei­stes Kind der neue Chef­di­ri­gent des Deut­schen Sym­pho­nie­or­che­sters Ber­lin ist«, so Grau­mann.«, ob­wohl der Di­ri­gent in dem ZEIT-In­ter­view er­klärt hat: »Und selbst­ver­ständ­lich möch­te ich nicht hin­ter­her auf die Schul­ter ge­klopft be­kom­men im Sin­ne von: Mensch, der Metz­ma­cher macht den Pfitz­ner wie­der ge­sell­schafts­fä­hig, dem wird po­li­tisch jetzt al­les ver­ge­ben.«.

    Ar­gu­men­te sucht man ver­ge­bens, und den Be­leg, dass das mu­si­ka­li­sche Werk Pfitz­ners an­ti­se­mi­ti­sche Zü­ge trägt – dann wä­re es tat­säch­lich un­spiel­bar – auch. So passt auch fol­gen­der Satz hübsch ins Sche­ma: »Wer bei Pfitz­ner die Mu­sik vom po­li­ti­schen und bio­gra­phi­schen ver­sucht zu tren­nen, der hat nichts aus der Na­zi-Dik­ta­tur ge­lernt.« Pri­ma ge­eing­net all­fäl­li­ge Dis­kus­sio­nen gleich von An­fang an zu un­ter­bin­den, denn wer möch­te schon zu­ge­ben nichts aus der Na­zi­dik­ta­tur ge­lernt zu ha­ben?

  4. Der In­ter­view-Ton von Spahn ist teil­wei­se arg in­qui­si­to­risch. Ich ken­ne mich nun in Mu­sik rein gar nicht aus, aber wenn man Stücke no­to­ri­scher An­ti­se­mi­ten nicht spie­len will, dann muss man die Wag­ner-Fest­spie­le zu Bay­reuth bei­spiels­wei­se auch ver­bie­ten.