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1963 schrieb Genet an seinen Verleger Marc Barbezat, Nietzsche habe Die Geburt der Tragödie in einem Zug geschrieben, ohne je in Griechenland gewesen zu sein. »In Korfu«, fuhr er fort, »habe ich alles von ihm gelesen. Was mir gefallen hat, die Ideen, die mir entsprechen: jenseits von Gut und Böse: der Übermensch. Natürlich nicht der von Hitler oder Göring. Lächerlich zu denken, der Besitz von Schlössern und Tausenden Hektar Land ermögliche es einem, wie ein Übermensch zu leben. Nietzsche forderte eine viel härtere Moral für den Übermenschen.« (LB 261) Auch an dieser Stelle bezieht sich Genet ausdrücklich auf eine positive Moral, die er bei Nietzsche zu finden meint (vermutlich hat er besonders die kurzen Skizzen eines neuen Barbarentums im Kopf). Die Porträts der Stilitano, Mignon, Harcamone und Konsorten sind handfeste Gestaltungen des Übermenschen, den sich Nietzsche alles in allem doch etwas eleganter vorstellte, »aus einem Holz geschnitzt, das hart, zart und wohlriechend zugleich ist.« (EH 267) Jüngers Arbeiter ist eine weitere Ausgestaltung dieses Typus; eine Gestalt, die freilich, vergleicht man sie mit Genets Helden, abstrakt bleibt und sich außerdem als verbindlicher Vorschlag an die Mehrheitsgesellschaft richtet. Handelt es sich bei diesen literarischen und ideologischen Schöpfungen um »Entstellungen« von Nietzsches Gedanken? Nein, sondern um unterschiedliche Realisierungen eines Modells, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Luft lag und von Nietzsche so elliptisch gezeichnet wurde, daß sehr verschiedene Realisierungen der Leerformen möglich waren. Auch der »Neue Mensch«, wie er Ernesto Guevara aufgrund seiner Guerrilla-Erfahrung vorschwebte, hat noch Teil an dieser Auslegungsgeschichte.
An dieser Stelle erhebt sich unweigerlich die Frage, inwieweit überhaupt Transformationen »des Menschen« von Einzelpersonen gefordert, beschlossen oder auch nur vorgeschlagen werden können. Ist nicht »der Mensch« jeweils nur der, der er faktisch ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort? Sind die Historisierungen einer biologischen, genetischen Substanz nicht immer müßig und gefährlich – gefährlich insofern, als sie Zwangsmethoden nahelegen, weil sich der hiesige und jetzige Mensch dem Modell nicht unterordnen will? Selbstverständlich ist es etwas anderes, ob der Übermensch als Fiktion auftritt oder als politisches Ideal, dessen Verwirklichung angestrebt wird. Bei Genet hat er eine doppelte Funktion: auf der einen Seite stellt er das althergebrachte Lebensmodell des fleißigen, tugendhaften, altruistischen, heterosexuellen, sich reproduzierenden Bürgers in Frage (zweifellos denkt Genet an das männliche Modell, und er hat wohl auch eher Männer als Frauen im Sinn, wenn er sich an uns Leser wendet); auf der anderen Seite steht der Genetsche Übermensch im Zentrum einer fiktiven Welt mit anderen Kriterien und Regeln, einer ästhetischen Welt, die sich der bürgerlich-utilitaristischen Welt entzieht und daher auch keine Handlungsanleitungen für eine Mehrheitsgesellschaft bereitstellen kann. Genets Leseranreden lassen ein Selbstbewußtsein, oder genauer: einen Hochmut erkennen, der von der Autarkie der von ihm geschaffenen Welt ausgeht: Ich und meine analphabetischen Freunde, wir sind nicht auf euch angewiesen, und wenn wir euch wie Parasiten aussaugen, so ist das ebenfalls allein unsere Sache, es ist unser Kitzel, unsere Gefahr.
Paradox (oder nicht?), daß die Hermetik dieser Welt das Eingeschlossensein in der nackten Gefängniszelle wiederholt. Der Hochmut als Zurschaustellung der eigenen Niedrigkeit ist neben dem Verrat die Kardinaltugend, die es dem Schreibenden erlaubt, sich gegen die Mehrheitsgesellschaft zu behaupten. Ohne Hochmut und Verrat wäre ein schreibender Jean Genet bestenfalls ein Dokumentarist, der an das Mitgefühl der lesenden Bürger appellliert. Für den wirklichen Genet ist die Umwertung zur Existenzbedingung geworden. In gewisser Weise gilt dasselbe für den wirklichen Nietzsche, auch wenn er in seiner späten Phase das arme Schwein blieb, das unter den zahlreichen Tieren im Zarathustra-Buch fehlt, und der Spalt zwischen idealem und wirklichem Ich immer weiter klaffte, bis die Spannung nicht mehr auszuhalten war und der Zusammenbruch der Persönlichkeit eintrat.
In einer der »Divinariana« – zu deutsch etwa: »Göttlichkeiten« –, die als lose gebündelte Fragmente in den Roman Notre-Dame-des-Fleurs eingestreut sind, findet sich folgende Überlegung: »Ein Verbrechen zu begehen, um sich aus dem Joch der moralischen Mächte zu befreien, bedeutet für Divine, noch immer an die Moral gefesselt zu sein. Sie will kein schönes Verbrechen.« Der ursprünglich darauf folgende, dann aber gestrichene Satz lautet: »Sie läßt sich in den Arsch ficken, weil es ihr Spaß macht, singt sie.« (NDF 292) Die Tunte Divine ist klar als Alter Ego Genets erkennbar, als autornahe Figur, die meistens in Er-Form, zuweilen aber auch in Ich-Form dargestellt und mit einer Kindheitsbiographie in Zusammenhang gebracht wird, die der realen Biographie Genets ähnelt. Das Vorhaben der Figur, gleichsam ihr Lebensentwurf, wird hier als Loslösung von der herrschenden Moral zugunsten einer freien Existenz bezeichnet, die weder durch Pflicht noch durch Widerstand, noch durch sonst ein relitätsorientiertes Prinzip geleitet wird, sondern allein durch das Lustprinzip, das offenbar im Feld des Ästhetischen am besten gedeiht. Das Verbrechertum kehrt die moralischen Kriterien um, bringt sie aber keineswegs zum Verschwinden. Loslösung erscheint hier als die eigentliche Aufgabe des Künstlers und Lebenskünstlers, die Umwertung der Werte aber erweist sich als aussichtsloses Unterfangen. »Sie will kein schönes Verbrechen«: dieser Satz läuft womöglich darauf hinaus, daß es kein schönes Verbrechen gibt, sondern nur Beschönigung, das heißt Überführung von Elementen der rauhen Wirklichkeit in das zweck- und morallose Reich der Kunst. Auf verblüffende, weil reine Weise wird dieser Vorgang in einer Episode dargestellt, in deren Mittelpunkt nicht einer der Halbgötter Genets steht, sondern ein vorübergehender Zufallsheld namens Clément, ein radebrechender »Negertänzer« von der karibischen Insel Guadaloupe (mit diesen Eigenschaften eignet er sich hervorragend für das Außenseitertum im Sinne Genets). Dieser Clément erzählt dem Erzähler – missié Jean – vom Mord, den er an seiner Frau, einer Prostituierten, begangen hat, und wie er die Leiche im Zimmer, das sie bewohnt hatten, einmauerte. Zu Beginn der Episode warnt Genet den Leser, die Poesie, die das Leben solcher Außenseiter enthalte, sei voller Schrecken, und sich selbst fragt er danach, ob er den Seelenzustand des Verbrechers nicht einfach deshalb darstelle, um nicht selbst dem Entsetzen anheimzufallen (offenbar ist er dagegen durchaus nicht gefeit). Dann aber beschreibt er das Geschehen im Sinne einer Apotheose, die das Subjekt – das verbrecherische Subjekt – aus allen Zusammenhängen von Moral und Antimoral heraus – und in einen Zustand der Freiheit hineinkatapultiert. »Jetzt begann jenes lange heroische Leben, das einen ganzen Tag dauerte. Indem er alle Willenskraft aufbot, entging er der Banalität: er hielt seinen Geist in einer übermenschlichen Sphäre in der Schwebe, er war Gott, der mit einem Schlag ein einzigartiges Universum erschuf, worin sich seine Taten der moralischen Prüfung entzogen.« (NDF 157) Der Negertänzer erlebt seinen geglückten Tag, vermutlich nur einen einzigen; die Poesie des Verbrechens ist gebunden an einen kurzen Ausnahmezustand, dem nur der Autor durch seine ausschmückende Beschreibung Dauer verleihen kann. »Die mit verrückter Phantasie begabten Menschen brauchen zum Ausgleich diese große poetische Fähigkeit: unsere Welt und ihre Werte zu leugnen, um ihr mit überlegener Gelassenheit ihren Stempel aufzudrücken«, räsonniert Genet. Der Satz läßt sich ebensogut auf sein eigenes, schreibendes Tun wie auf das des Negertänzers beziehen. Der Gipfel der Kunst besteht darin, das Wertesystem auszublenden, um es durch eine andere Welt, einen anderen Zustand zu ersetzen.
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Im Verlauf seiner ausschweifenden Erzählungen schwankt Genet zwischen der Flucht in eine amoralische Welt und einem Widerstand gegen das herrschende Wertesystem, der sich als affirmative Umkehrung vollzieht. Während das lustvoll-ästhetische Dasein in erster Linie dem Schwulenmilieu zugeordnet wird, zeichnen Normen und Rangordnungen die Beziehungen unter den Häftlingen in Gefängnissen und Erziehungsanstalten aus. In der Kolonie jugendlicher Straftäter herrscht »eine besondere Moral und Politik. Die Regierungsform – mit Religion vermengt – war die Gewalt, Hüterin der Schönheit.« Es ist eine strenge und ernste Gesellschaft, in der auch kleinste Verstöße geahndet werden. »Diese Gesetze entstehen nicht aus abstrakten Verordnungen: sie wurden gelehrt von irgendeinem Helden, herabgestiegen aus einem Himmel von Gewalt und Schönheit, dessen Weltlichkeit und Spiritualität wahrhaft von Gottes Gnaden sind.« (NDF 200) Die Selbstorganisation der Häftlinge beruht also auf einer ursprünglichen Stiftung, einem imaginierten Gründungsakt, vorgenommen von einer nebulös bleibenden Gott- oder Halbgott-Figur, einem Genetschen Zarathustra. Bemerkenswert ist dabei, daß die allegorisierte Gewalt im Verein mit der Schönheit auftritt. Die Machtverhältnisse in der Kolonie beruhen nicht sosehr auf vernünftig-pragmatischen als auf ästhetischen Kriterien. Zwischen den beiden Bereichen gibt es Gemeinsamkeiten und Übergänge, vor allem ist auch der spielerische Freiheitsgebrauch der Schwulen ohne Verherrlichung von Gewalt und strikter Rollenverteilung – hier die Aktiven, dort die Passiven – undenkbar. Alles in allem gilt aber, daß die Welt der Tunten und Machos ein spielerisch-ästhetisches Verhalten begünstigt, eine Art Lebenskunst, die auf den lustvollen Augenblick oder, um es mit dem alten Topos zu sagen, das Carpe-diem orientiert ist, in dem schon Kierkegaard den Inbegriff der ästhetischen Existenzweise gegenüber der ethischen sah. »Unser Ehestand, das Gesetz unserer Häuslichkeit, ist nicht wie das Eure«, erklärt Genet uns, den heterosexuellen Kulturkonsumenten, die wir einer geregelten Arbeit nachgehen, für die Zukunft unserer Kinder vorsorgen und zur Entspannung von Zeit zu Zeit das Theater oder die Oper besuchen (um dort Die Zofen oder Don Giovanni zu sehen). »Man liebt sich ohne Liebe. Es hat nichts von einem Sakrament. Die Tunten sind die großen Unmoralischen. Im Handumdrehen, nach sechs Jahren des Zusammenlebens, ohne sich gebunden zu glauben, ohne zu denken, er könnte damit etwas Schlechtes oder wehe tun, beschloß Mignon, Divine zu verlassen. Ohne Gewissensbisse, nur ein wenig beunruhigt, weil Divine sich weigern könnte, ihn wiederzusehen.« (NDF 76)
In Passagen wie dieser tastet sich Genet am ehesten in ein Jenseits der Moraldialektik vor, denn der Verrat, von dem er erzählt, ist nicht die Kehrseite der Treue (die zur Liebe gehört), weil die schwule Liebe vom Modell der heterosexuellen Liebe abweicht und sogar deren verbalen Ausdruck in eine Krise stürzt. Keine Gewissensbisse, wo keine Moral und keine Antimoral herrscht; nur Freiheit, zufällig-notwendige Anziehung und Abstoßung, ein endloses Spiel ohne Verzicht auf Triebbefriedigung. Zwei Jahrzehnte nach der Abfassung von Notre-Dame-des-Fleurs sprach Genet, der sich inzwischen von der Literatur ab- und der revolutionären Politik zugewandt hatte, rückblickend von einer künstlerischen Tätigkeit, die es »ablehnt, sich jedwedem Wert oder jedweder Autorität unterzuordnen.« Eine solche Kunst könne der Revolution nicht dienen, denn sie entspringe dem »Kampf des einsamen, kontemplativen Künstlers, der letzendlich alle Werte zerstören wird, nicht nur die bürgerlichen, um sie durch etwas anderes zu ersetzen, das mehr und mehr dem gleicht, was wir Freiheit nennen.« (Pal 146f.) Das Kunstwerk in diesem Verstande kritisiert das Bestehende nicht, zeigt aber auch kein Einverständnis mit diesem, sondern schafft eine utopische Welt der Freiheit, nicht sosehr als Ideal, das zu realisieren wäre, sondern als Fluchtort, der dem Einzelnen – doch ein Angebot an den Leser? – jederzeit offensteht.
Auch Nietzsche schwankte, und vielleicht tut dies jeder Denker und jeder Schreiber, der sein Denken und Erzählen nicht in ein vorgeprägtes System zwängen will, sondern spontanen Instinkten, Impulsen, Eingebungen – in diesem Sinn also: dem Leben lauscht und nachgibt. Auf der einen Seite der Gesichtspunkt der Rangordnungen, die Sicherung der Entfaltungsmöglichkeiten von Eliten, der paranoide Kampf gegen die – womöglich nur eingebildeten – Behinderungen in einer Massengesellschaft; auf der anderen Seite die Skizzen zu einer erotisch-ästhetischen Lebenskunst, die, wenn sie überhaupt Regeln braucht und aufgeschrieben werden muß, immer nur für den je Einzelnen gelten kann. Selbstschöpfung aus freien Stücken anstelle einer Selbstbeherrschung nach vorgegebenen Regeln (oder gegen die Regeln). Blickt man auf Nietzsches Biographie, wird klar, daß die Selbstschöpfung weithin Selbstdarstellung in Gestalt Zarathustras oder auch im eigenen Namen – ecce homo – ist, und diese wiederum Gestaltung jenes Ideal-Ichs, das dem kranken, zur Gesundheit strebenden Philosophen vorschwebte. In Safranskis Erklärungsversuch von Nietzsches geistigem Ende spielt der Gedanke eine wesentliche Rolle, daß der Philosoph seine Phantasien zunehmend in die Realität hineinverlegte und zwischen den beiden Bereichen schließlich nicht mehr zu trennen wußte. Paranoia ist produktiv und autodestruktiv, paranoide Selbstgestaltung führt fast unausweichlich in den Zusammenbruch. Bei Genet verhält es sich umgekehrt, und sein Spiel blieb ein Spiel, der Autor lief niemals Gefahr, den Status seiner Phantasien zu verkennen. Genet bekämpfte und entschärfte die Realtität, indem er sie in seine Phantasien übersetzte und Fiktionen aus Realitätsfragmenten konstruierte, um der Wirklichkeit als solcher den Rücken zuzukehren und beim Spiel zu verweilen. Genet verstand es, ziellos dahinzuleben, später, nachdem der Ruhm erreicht war, auch ohne Literatur, mit der Politik als Ersatz: eine weitere Variante der Lebenskunst, ähnlich wie bei Ernesto Guevara, der ebenfalls als Schrifsteller begonnen hatte. Genet erkannte die Problematik der Beschönigung von Verhältnissen, die nicht schön waren. Er ging das Problem offensiv an, indem er den Exzeß des Schönen suchte und den Kitsch riskierte oder sogar vorsätzlich fabrizierte, um seinen Ästhetizismus aus der Verquickung des Schönen mit dem Wahren und Guten herauszumeißeln. Was auf diese Weise entstand, war falsche Schönheit: die Schönheit der Fälschung, des Transvestitentums, der Aureolen, der Schminke und der aufgesteckten Blumen; Schönheit von Ornamenten, deren Genet niemals satt wurde. »Meine Liebe findet ihre Befriedigung an diesen als Edelleute verkleideten Ganoven. Auch mein Geschmack am Betrug, am Kitsch, der mich am liebsten auf meine Visitenkarte schreiben ließe: ‘Jean Genet, falscher Graf von Tillancourt’.« (NDF 250) Schönheit und Fälschung (als Verrat an der Wirklichkeit) bilden bei Genet eine untrennbare Einheit.
Seine Aufgabe als Künstler sah Genet darin, unerhörte Schönheiten zu schaffen, dies aber mit einem Stoff, der nach den herkömmlichen Maßstäben als untauglich für ein solches Unterfangen galt. Die Sprache sollte Gesang, die Beschreibung (oder Erinnerung) zur Hymne werden – auf die überraschende Parallele zu Rilkes Panegyrik habe ich hingewiesen. »Von der Schönheit des Ausdrucks hängt die Schönheit einer moralischen Handlung ab«, schreibt Genet, und weiters: »Die Tat ist schön, wenn sie unsere Kehle zum Gesang herausfordert.« (TD 20) Tat heißt dabei Untat, moralisches Handeln ist antimoralisches Handeln. Wenn man man mit Bezug auf Genets Biographie von einer »Wahl« sprechen kann, dann im Sinn einer ästhetischen Wahl, die nach Kierkegaards Interpretation keine eigentliche Wahl ist, sondern Auslieferung des Ichs an die Umstände, Begierden, Instinkte. Dem Ästhetiker mangelt es an Beständigkeit (oder Treue, um bei Genets Wortwahl zu bleiben), an einem Entwurf also für sein eigenes Leben. Auch die Lebenskunst der Selbstschöpfung, wie Nietzsche sie andeutete, ist mit dieser Existenzform nicht vereinbar. Nietzsche blieb viel stärker als Genet moralischen Selbstverpflichtungen – seinem Gewissen – verantwortlich; zu stark, als daß er sich dem freien Spiel der Instinkte und ihren Verfeinerungen tatkräftig hätte hingeben können. In Hinblick auf die Gesellschaft bedeutet Freiheit für den Paria, unter den Lebenden verbannt zu sein. Dieses Schicksal hat Genet gewählt: »Jetzt, wo ich gelernt habe, ihm zu folgen« – obéir heißt es im Original, also »gehorchen« – »ist mein Kummer weniger groß.“ (NDF 304) Schicksal ist das, was dem Paria, dem Schwulen, dem Herumtreiber jeweils zufällt. Oder das, was dem Häftling zufällt: die Erinnerungen, die Phantasien. Sartre war umsichtig genug, er hatte beide Seiten im Blick, so konnte er die (angemessene) Frage stellen und die (erwartbare) Antwort geben: »Hat Genet den Verrat gewählt oder der Verrat ihn?« (Sartre 197) Beides, lautet die korrekte Antwort. Genet aber betonte, der Verrat habe ihn gewählt. Ihm sei keine andere Wahl geblieben, also habe er sie getroffen: die Wahl als Nicht-Wahl, als Wahlverweigerung. Dennoch versuchte Sartre an Genet seine These zu exemplifizieren: »Toute décision émane d’une liberté pure et non qualifiée qui vise à se donner un être...« (Sartre 75) Diese Definition entspricht der ethischen Wahl Kierkegaards, und eben von dieser hielt sich Genet zeitlebens frei. Sartre läßt sich vom Getriebe seiner Dialektik zu der Behauptung leiten, die widrigen Umstände hätten Genet mit dem reinen Willen konfrontiert, so daß er letztlich den Willen wolle: »Il veut vouloir« (Sartre 87). Genau dies ist aber die Position, zu der Nietzsche gelangte, es ist der Wille zur Macht als Wille zum Willen, wie schon Heidegger (in Was heißt denken?) feststellte. Genet hingegen erscheint uns – zumindest in seinen Romanen, aber letztendlich auch in seiner Realbiographie – als jene Figur, die die endlose Kette der Verschiebung durchbricht und das Spiel der Schöpfung tatsächlich spielt.
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Viele Autoren spielen das Spiel der Schöpfung, das ist letztlich nur ihre Aufgabe, ihre Arbeit. Die Besonderheit Nietzsches und Genets besteht darin, daß sie dies in Herausforderung und Überwindung der Kräfte tun, die das Spiel gewöhnlich behindern, wenn nicht verhindern. Es handelt sich um ganz konkrete, von den Biographen längst mit Namen und Daten belegte Kräfte: die Krankheit bei Nietzsche, der Ausschluß von der Gesellschaft im Falle Genets. Das überlieferte christlich-bürgerliche Wertesystem wurde in den sogenannten westlichen Ländern in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts so heftig in Frage gestellt, daß es auch in der Mehrheitsgesellschaft seine unumschränkte Herrschaft einbüßte. Darüber hinaus ist aber festzuhalten, daß die betreffenden Vorgaben – zum Beispiel Nächstenliebe oder Bescheidenheit (= Demut) oder die Ächtung von Neid und Geiz – in der Praxis bei weitem nicht immer realisiert wurden, ja nicht einmal als zielführend erachtet wurden. Zwischen Wertesystem und gesellschaftlicher Praxis besteht eine scheinbar unüberwindbare, demnach wesentliche Kluft; das Wertesystem kann für die Praxis lediglich Anleitungen geben und als Regulativ wirken. Anders formuliert: Erst die Tatsache, daß die Handelnden zu Egoismus, Hochmut, Neid usw. neigen, macht moralische Regulative notwendig. Dieses konflikthafte Verhältnis ist eine anthropologische Konstante, die selbst eine hypothetische Entwicklung zum »Übermenschen« nicht beseitigen wird. Diesen Widerspruch hat Nietzsche viel zu wenig berücksichtigt; gewöhnlich ging er von der Annahme aus, die christliche Moral werde alltäglich praktiziert.
Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts fließen verstärkt Werte in den öffentlichen, medialen Diskurs ein, wie sie Nietzsche bei seinen Versuchen, einen neuen Menschen zu definieren, auflistete und wie sie in Genets Fiktionen teilweise umgesetzt sind. Egoismus, Selbstdarstellung, Verhöhnung der Nächstenliebe, Wettstreit als grundlegendes Verhältnis zu den Mitmenschen, Hedonismus, Verfeinerung des Genießens (man denke etwa an den Aufschwung der Gastronomie), massenhaftes Outing von Schwulen, Lesben und sonstwie abweichenden Gruppen, Liebes- und Regenbogenparaden – alle diese neuen und neu-alten Werte und Praktiken, dazu auch die Entwertung von Treue und Beständigkeit (man denke an die heutigen Scheidungsraten) und die Windmühlenkämpfe der Politiker, die Geburtenrate zu heben, legen die Schlußfolgerung nahe, daß sich Nietzsches Umwertungsprojekt nach und nach durchzusetzen begonnen hat. Dabei beruft sich kaum je ein Verfechter dieser Werte auf den Philosophen oder gar auf sein Geschöpf, den verrückten, menschenscheuen Zarathustra, der alle seine Vorschläge immer gleich wieder zurückzog. Veränderungen im Wertesystem geschehen nicht aufgrund von Deklarationen und Kritiken, es sind komplexe Vorgänge, die sich langfristig und überindividuell vollziehen.
Besonders erstaunlich ist die Aufwertung, die der Spielbegriff in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, und in diesem Zusammenhang der Begriff der Schöpfung, der »Kreation«, den heute Modedesigner und Köche, Zuckerbäcker und Comixzeichner genauso beanspruchen wie Künstler, Wissenschaftsjournalisten und Werbefritze. Aufwertung nicht nur im ideellen, sondern auch und vor allem im wirtschaftlichen Sinn. Eine ungeheure Masse von ökonomischen Werten wird heute durch Fußball, Tennis und andere Sportarten in Bewegung gebracht und vermehrt, und diese Spiele erfassen in Form von medialem Konsum sowie kommerziell betriebenen Wetten weite Teile der Weltbevölkerung. Die Finanzspekulation, die zu einem der entscheidenden Wirtschaftsfaktoren geworden ist, unterscheidet sich nicht wesentlich vom Wettspiel, und es ist bezeichnend, daß man wirtschaftliche Akteure heute generell oft als »Player« bezeichnet. Auf der »volkstümlichen« Ebene hat das Vordringen von Computertechnologie und Internet bis in die finanzschwachen Haushalte hinein den überwiegenden Teil der Bevölkerung zu Spielern gemacht, die von führenden Konzernen der Weltwirtschaft mit immer neuen Geräten versorgt werden. Und die Verbreitung von Event- und Spaßkultur, ebenfalls wirtschaftlich lukrativ, trägt dem Massenbedürfnis nach theatralischer Inszenierung, heute oft »Erlebnis« genannt, Rechnung. Und die Freude durch Musik, nach der man sich im 19. Jahrhundert noch sehnen konnte, ist heute so allgegenwärtig, daß sie einem schon wieder verleidet werden kann. Nietzsches Postulate und Genets Fiktionen sind mittlerweile in der globalen Gesellschaft verwirklicht, sie verfügen über keinerlei Provokationskraft mehr. Dabei hat sich jedoch gezeigt, daß Hedonismus, Selbstdarstellung und Spielverhalten keineswegs Eliten oder Außenseitern vorbehalten sind, sondern mit der Vermassung in allen gesellschaftlichen Bereichen harmonieren. Auf eine immer kleinere, in Nischen zerstreute Elite beschränken sich die ebenfalls befreiten Möglichkeiten der Verfeinerung, Differenzierung, Bildung sowie die Idee einer grundlegenden Erneuerung, die sich nicht den Rhythmen von kulturindustriell gesteuerten Moden unterwirft.
Unter den gegebenen Bedingungen stellt sich die Frage, ob es nicht eher im Interesse einer Fortführung der abendländischen Geschichte ist, sich auf jene Werte der christlich-bürgerlichen Tradition zu besinnen, die Nietzsche kritisierte und Genet spielerisch umkehrte. Zu hoffen und zu erproben bleibt, ob manches davon mit einer freien Lebenskunst vereinbar ist.
© Leopold Federmair
Ich habe gerade beim Durchsehen bemerkt, dass der Link von Teil II auf Teil III nicht funktioniert.
Danke für den Hinweis; wurde geändert.
Cancel Program GENESIS
»Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamele wird, und zum Löwen das Kamel und zum Kinde zuletzt der Löwe.«
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra / Von den drei Verwandlungen
Die Arbeitsteilung erhob den Menschen über den Tierzustand, und die Qualität der makroökonomischen Grundordnung bestimmt den Grad der Zivilisiertheit, die der Kulturmensch erreichen kann:
»Die Entwicklung vom Herdenmenschen, vom Teilmenschen zum selbständigen Vollmenschen, zum Individuum und Akraten, also zum Menschen, der jede Beherrschung durch andere ablehnt, setzt mit den ersten Anfängen der Arbeitsteilung ein. Sie wäre längst vollendete Tatsache, wenn diese Entwicklung nicht durch Mängel in unserem Bodenrecht und Geldwesen unterbrochen worden wäre – Mängel, die den Kapitalismus schufen, der zu seiner eigenen Verteidigung wieder den Staat ausbaute, wie er heute ist und ein Zwitterding darstellt zwischen Kommunismus und Freiwirtschaft. In diesem Entwicklungsstadium können wir nicht stecken bleiben; die Widersprüche, die den Zwitter zeugten, würden mit der Zeit auch unseren Untergang herbeiführen, wie sie bereits den Untergang der Staaten des Altertums herbeigeführt haben.«
Silvio Gesell (Vorwort zur 4. Auflage der NWO)
Ist die Makroökonomie noch fehlerhaft, müssen Machtstrukturen aufgebaut werden. Dazu bedarf es einer »Verwandlung des Geistes« (Religion = Rückbindung auf künstliche Archetypen), um die makroökonomischen Konstruktionsfehler und die daraus resultierende, systemische Ungerechtigkeit und Beschränktheit aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes auszublenden.
Weil die eigentliche religiöse Verblendung (künstliche Programmierung des kollektiv Unbewussten) darin besteht, die originale Heilige Schrift (die Bibel bis Genesis_11,9 sowie ein wesentlicher Teil der Nag Hammadi Schriften) NICHT zu verstehen – unabhängig davon, ob man an den Unsinn glaubt, den die Priester darüber erzählen, oder nicht -, birgt die Religion die Gefahr, sich zu verselbständigen (Cargo-Kult), wenn es niemanden mehr gibt, der ihre wirkliche Bedeutung noch kennt. Die makroökonomischen Konstruktionsfehler und die etablierten Machtstrukturen können dann solange nicht behoben werden, wie der Cargo-Kult andauert, selbst wenn das Wissen bereits zur Verfügung steht, um die ideale Makroökonomie und die darauf aufbauende, herrschaftsfreie Gesellschaft zu verwirklichen, in der allgemeiner Wohlstand auf höchstem technologischem Niveau, eine saubere Umwelt und der Weltfrieden selbstverständlich werden.
Das »Kamel«: zentralistische Planwirtschaft ohne liquides Geld (Ursozialismus)
Der »Löwe«: Zinsgeld-Ökonomie (kapitalistische Marktwirtschaft)
Das »Kind«: Natürliche Wirtschaftsordnung (Marktwirtschaft ohne Kapitalismus)
http://www.deweles.de/willkommen/cancel-program-genesis.html
1. Eine kleine Antwort bezügl. der »Figuren der Umwertung“ beschreibe ich gerade... 1. a Die Links – Krankheit der (Anti) – Deutschen
2. Die Metaphysik der (Anti) – Deutschen (Antwort auf „Steinager“)
3. Dieser Text ist mit verschiedenen, großen Schwierigkeiten in der Zeit
gelandet.
(Mag sein, dass die deutsche Linke nicht in Gänze und so starr am
Marxismus festhält, oder gar wie Hobsbawm Mitte der 90iger den
Stalinismus verteidigte und für den von ihm gedachten Fortschritt
auch die Tötung von ca. 20 Millionen Menschen guthieß, obwohl es
incl. China wohl 100 Millionen waren,
dafür speist sie sich genauso aus religiösen Quellen, so daß man auch
von einer Krankheit (siehe Überschrift) nicht nur unter seinen Anhängern
auch in Deutschland reden kann, )
Die Metaphysik der (Anti) – Deutschen 1/5 (Antwort auf „Steinager“)
Die von Assheuer zitierte Kant‘sche Weltöffentlichkeit, die von „allen
gefühlt wird“ und von ihm als Fortschritt der Vernunft „gefeiert“ wird,
entspricht wohl eher einem Wunschdenken; Sie bewegt sich Heute in
Richtung einer technischen Einförmigkeit aller Bereiche und wird den
Phänomenologien des Mensch-Seins und der Natur nicht mehr gerecht.
Eine gründlich hinreichende Analyse, müsste (außer den ökonomischen)
Heute eher der Assmann´schen These nachgehen, wobei ich den „jüdi-
schen Monotheismus“ nicht in den Vordergrund stellen würde, sondern
seine christlichen Verfallsformen (der abendländischen Metaphysik);
und würde insofern nicht die „mosaische Differenz“ beleuchten, sondern
die „ontologische Differenz“ M. Heideggers.
Ich würde desweiteren der Aussage des Foristen „Steinager“ nachgehen:
„Die Ideologien des Marktes und des Islamismus unterdrücken in unheil- voller Allianz die Menschen, konditionieren diese geistig, saugen diese aus
und hetzen diese aufeinander.“;
Dies ist zwar etwas simpel gedacht, reflektiert aber die bis Heute geltende
(christliche) Nachkriegsmetaphysik die sich zur (marxistischen) Vernunft- religion entwickeln sollte;
Die Metaphysik der (Anti) – Deutschen 2/5
die, im wesentlichen inauguriert durch Karl Barth, dessen „göttlich geför- derte Resistenz gegen die politische Macht“ derzeit kulminiert
in die einstweiligen Höhepunkte der jetzt versuchten deutschen
Selbstauflösung (die Fortführung des ESM) in einen „geheimen“ Jesus-
Sozialismus der links-hegelianischen Weltgeistigkeit ( J. Habermas )
in der providentiellen Zielführung eines Weltfortschritts nach Gottes
Gnaden, eines insofern süddeutsch inspirierten
Weltguten, auch im Namen des konservativen M. Walsers und eines Groß- teils der
gegenwärtigen deutschen Philosophie und – Sozialwissenschaften mit
und nach Marx, und aller seiner ideologischen Zuspitzungen.
Es ist graußlich, wenn man sich mal die Verschleimungen in dieser
Hinsicht in den 60igern, 70igern und 80igern Jahren anschaut.
(universitär, publizistisch, politisch, l.b.n.l. theologisch), es
würden einem vor lauter
Realität die Augen übergehen bezüglich der Tatsache, wie die
damaligen Verschwurbelungen zur geschichtlich- politischen
Diskurshoheit gelangten und jetzt mit der Eurorettung oben auf
scheinen. (Der Autor dieser Zeilen hat bisweilen an maßgeblicher
Stelle zum Gelingen der Weltrevolution beigetragen).
Die Metaphysik der (Anti) – Deutschen 3/5
Es ist der Habitus des Selbstgerecht und zutiefst Hochfahrend
empfindenden Menschen der gutmenschlichen Empörung über die
Ungleichheit des Menschen, die gleichzeitig ihr Siegerlächeln des
„Willens zur Macht“ genießt.
Einerseits ist es verständlich wie diese unendliche
Besiegtengeistigkeit das Zepter gewinnen
konnte, andererseits war die historische Situation zur
Vergegenwärtigung des allgemeinen Abendländischen
Nihilismus aufgerufen!.
Warum Nietzsche UNBEGRIFFEN blieb (der doch diese Krankheit umfassend
beschrieben hatte), bleibt zu fragen!; denn diese Krankheit,
insbesondere der Deutschen,
„mein Gott“ inzwischen aber auch der Welt, ist die Großartigkeit des
idealistischen GEFÜHLS ( untermalt von
der 9. Beethovens), daß die Welt in Gänze sich erlösen könnte,
mittels des abendländischen Subjekts und
seiner technischen Mittel, die im übrigen „den schönen
Götterfunken“ konsequent in ihren philoso-
phisch – genealogischen Epistemen hintertreibt. (den Habermas
wiederum per Katholizismus zu retten versucht, natürlich zu Gunsten
der sozialen Kohäsion.).
Stellvertretend steht dafür die Kritische Theorie.und ihr
messianischer Anspruch den FORTSCHRITT per se
und in aller Gleichheit die MENSCHEIT per se und
hochkommunizierbar zu erlösen;
die die eigentliche Konsequenz ihres Denkens scheut, in dem
Quasi-Diktum, daß kein Richtiges Leben im Falschen
sei;
Die Metaphysik der (Anti) – Deutschen 4/5
dies hat allen säkularisierten Weltverwindern der Linken ( part of a
global Left, Judith Butler) in ein Unendliches der Utopie verholfen.,
so daß sich ihre marxistischen wie postmarxistischen Ideen heute nur noch in theo-
logisch – intellektualistischer Manier offenbaren, will sagen, sie
sind nicht mehr hinterfragbar und nahezu überflüssig.
Diese Krankheit ist sozusagen präjudiziert durch das paulinische
Christentum, welche die Wahrkeit einem sicherlich
seltenen Menschen zuschreibt und innerhalb der Gemeinden dem
potentiellen Weltbürger durch fortzeugender
Taufe dem prototypischen Subjekt „offenbart“, in dem das nun ehemals
griechische Unterscheidungsvermögen
Zwischen Göttern und Menschen nach Platon in einen Akosmismus Der
Wahrheit für Alle mündet, wie eine Waffe,
die dem Welt-und Naturschützenden Pan der Antike den Dolch ins Herz
stößt und vollens köpft die Überhäupt-
lichkeit (des Dionysos) der Natur. ( Mag die angedeutete Dithyrambe
als Fingerzeig gelten!.)
Die Metaphysik der (Anti) – Deutschen 5/5
Dies ist nur die leise und kleine Umschreibung eines gewaltigen
Vorgangs, die letzlich zur Ermächtigung des abendländischen
Menschen führt, zu tun und lassen was er will, um nun in gesammelter
Einfalt der technischen Völker die Welt zu zerstören
in dem Massendemokratie und die Auslagerung des Todes in entlegene
Fernen das Projekt des Fortschritts gebiert
in die Schicksalslosigkeit „des letzten Menschen“ F. Nietzsche.
Nein, die eigenliche „Dialektik der Aufklärung“ haben ein F.
Nietzsche und ein M. Heidegger geschrieben. Mit einer Radikalität,
die den bodenlosen Fortschrittsglauben in all seinen nach-platonischen
Facetten aufklärte:
(die Variante für den Gegenwartsmenschen wäre: Christentum und der
Islam ist Platonismus fürs Volk; Sozialismus war Platonismus für
Intellektuelle; der Euro ist Platonismus für Politiker.).
P.S.: Eine kleine Antwort auf „Figuren der Umwertung“ beschreibe ich gerade........
Im Vorübergehen zitiere ich:
»Was ich bekämpfe, ist der ökonomische Optimismus: wie als ob mit den wachsenden
Unkosten aller auch der Nutzen aller notwendig wachsen müßte. Das Gegenteil scheint
mir der Fall: die Unkosten aller summieren sich zu einem Gesamt-Verlust: der Mensch
wird geringer: – so daß man nicht mehr weiß, wozu überhaupt dieser ungeheure Prozeß
gedient hat. Ein Wozu? ein neues »Wozu« ? – das ist es, was die Menschheit nötig hat
Die Sozialisten begehren für möglichst viele ein Wohlleben herzustellen. Wenn die
dauernde Heimat dieses Wohllebens, der vollkommene Staat, wirklich erreicht wäre, so
würde durch dieses Wohlleben der Erdboden, aus dem der große Intellekt und überhaupt
das mächtige Individuum wächst, zerstört sein: ich meine die starke Energie. –
Der Staat ist eine kluge Veranstaltung zum Schutz der Individuen gegeneinander: übertreibt
man seine Veredelung, so wird zuletzt das Individuum durch ihn geschwächt, ja
aufgelöst – also der ursprüngliche Zweck des Staates am gründlichsten vereitelt.
Dem Umsturz der Meinungen folgt der Umsturz der Institutionen nicht sofort nach,
vielmehr wohnen die neuen Meinungen lange Zeit im verödeten und unheimlich gewordenen
Hause ihrer Vorgängerinnen und konservieren es selbst, aus Wohnungsnot.
Niemand kann zuletzt mehr ausgeben, als er hat: das gilt von einzelnen, das gilt von
Völkern. Gibt man sich für Macht, für große Politik, für Wirtschaft, Weltverkehr, Parlamentarismus,
Militär-Interessen aus, gibt man das Quantum Verstand, Ernst, Wille,
Selbstüberwindung, das man ist, nach dieser Seite weg, so fehlt es auf der andern Seite.
Die Kultur und der Staat – man betrüge sich hierüber nicht – sind Antagonisten: »Kultur-
Staat« ist bloß eine moderne Idee. Das eine lebt vom andern, das eine gedeiht auf
Unkosten des andern. Alle großen Zeiten der Kultur sind politische Niedergangs-Zeiten:
was groß ist im Sinn der Kultur, war unpolitisch, selbst antipolitisch.
Eine hypertrophische Tugend kann so gut zum Verderben eines Volkes werden wie ein
hypertrophisches Laster.
Ich habe den Deutschen die tiefsten Bücher gegeben, die sie überhaupt besitzen –
Grund genug, daß die Deutschen kein Wort davon verstehn.
Christentum war von Anfang an, wesentlich und gründlich, Ekel und Überdruß des Lebens
am Leben, welcher sich unter dem Glauben an ein »anderes« oder »besseres« Leben
nur verkleidete, nur versteckte, nur aufputzte. Der Haß auf die »Welt«, der Fluch
auf die Affekte, die Furcht vor der Schönheit und Sinnlichkeit, ein Jenseits, erfunden,
um das Diesseits besser zu verleumden, im Grunde ein Verlangen ins Nichts, ans Ende,
ins Ausruhen, hin zum »Sabbat der Sabbate« – dies alles dünkte mich, ebenso wie der
unbedingte Wille des Christentums, nur moralische Werte gelten zu lassen, immer wie
die gefährlichste und unheimlichste Form aller möglichen Formen eines »Willens zum
Untergang«, zum mindesten ein Zeichen tiefster Erkrankung, Müdigkeit, Mißmutigkeit,
Erschöpfung, Verarmung an Leben – denn vor der Moral (insonderheit christlichen, das
heißt unbedingten Moral) muß das Leben beständig und unvermeidlich Unrecht bekommen,
weil Leben etwas essentiell Unmoralisches ist, – muß endlich das Leben erdrückt
unter dem Gewichte der Verachtung und des ewigen Neins, als begehrensunwürdig,
als unwert an sich empfunden werden.
Daß Christus die Welt erlöst habe, ist dreist.
In jeder Religion ist der religiöse Mensch eine Ausnahme«.
Sehr geehrter Leopold Federmair
Fülle, Mächtigkeit und Alles, die Attribute des Göttlichen in Verbindung mit der Müdigkeit, ist durchaus dem Werden nicht entgegengesetzt (und überzeugt die kleine Subjektivität des Augenblicks) aber Alle, an die er (Nietzsche) sich
wenden könnte, gibt es nicht: „Er will sich an alle wenden, weil sein Werk als allumfassendes gedacht ist“, ist
grundsätzlich falsch. !
Nietzsche und die Anderen muß man 40ig ‑Jahre gelesen, gelebt, und in sich selbst beschrieben haben, um nicht ein schwules Rechtfertigungsszenario zu entwerfen.
„Warum sollte die körperliche, sexuelle Befriedigung kein Selbstzweck sein? Ein Selbstzweck wie die Kunst, und das Kunstwerk ein Ort für die Verbrüderung der freien Zwecke, der Zweckfreiheiten, als da sind: Schönheit (abstrahierend in männlichen Körperformen dargestellt), sexueller Genuß und Provokationslust, wobei letztere den Widerstand des anständigen Bürgers und seiner Institutionen braucht, um sich verwirklichen zu können.“
Ihre Beispiele sind ja alle wunderschön, aber haben mit F. Nietzsche nur am Rande zu tun.
Sie schreiben hier einen sehr guten Schüleraufsatz, der auch noch als Erstsemesteraufsatz durchgehen könnte!
Ihre eigenartigen Dialektiken überzeugen niemanden und sie haben eine gewisse rhetorische Finesse,......ja aber,
was wollen Sie sagen!?.
Ja, es ist gut was Sie da geschrieben haben, sie können mit Sprache umgehen; aber das reicht nicht,... ich weigere mich daher Ihren schwachbrüstigen Text weiter zu lesen.
Mit freundlichen Grüßen petervonkloss.
Wieso schwul?
schwul und christlich und links!?...... ist nichts schlimmes, kommt vor, ist normal,
hatt‘ aber in der Regel nicht das Zeug zur »Philosophie« Grüße petervonkloss.
Also Schwule, Christen und Linke können nicht philosophieren, das wollen Sie ernsthaft sagen? – Glauben Sie nicht, daß das Ressentiment sind? Ressentiments, wie sie Nietzsche, der »Psycholog«, in seinen frühen Schriften geißelte, denen er gegen Ende seiner Laufbahn, 1888/89, aber mehr und mehr selbst erlag.
Ihre Ausführungen, lieber petervonkloss, erinnern mich an den allerletzten Nietzsche, an die Ausfälle gegen Richard Wagner, die Hohenzollern, den Gekreuzigten und wen noch alles; Ausfälle, die oft neben luziden Bemerkungen stehen, ein krasses Nebeneinander. Vielleicht beweisen Sie gerade damit, daß Sie Nietzsche aufs intensivste gelesen haben. Das beunruhigt mich, wegen Ihnen und wegen Nietzsche.
Lieber Leopold Federmair,
Hervoragend finde ich dies: »Jetzt begann jenes lange heroische Leben, das einen ganzen Tag dauerte. Indem er alle Willenskraft aufbot, entging er der Banalität: er hielt seinen Geist in einer übermenschlichen Sphäre in der Schwebe, er war Gott, der mit einem Schlag ein einzigartiges Universum erschuf, worin sich seine Taten der moralischen Prüfung entzogen.«
@petervonkloss
ich weigere mich daher Ihren schwachbrüstigen Text weiter zu lesen.
Sie weigern sich einen Text zu lesen, aber erdreisten sich dann aufgrund der nur rudimentär vorhandenen Textkenntnisse diesen zu kommentieren? Das ist in höchstem Maße infantil.
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