No­ti­zen aus der Pro­vinz

In Düs­sel­dorf ist Wahl­kampf. Nicht, dass das In­ter­es­se der Be­völ­ke­rung rie­sig wä­re. Schliess­lich sind noch Som­mer­fe­ri­en und die Ober­bür­ger­mei­ster­wahl erst am 31. Au­gust. Nach und nach be­ginnt man sich viel­leicht über die ko­mi­schen Pla­ka­te zu wun­dern, die Leu­te zei­gen, die man noch nie ge­se­hen hat. Und den Brief mit der Wahl­be­nach­rich­ti­gung hat man erst seit ...

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Ri­chard Sen­nett: Hand­werk

Richard Sennett: Handwerk
Ri­chard Sen­nett: Hand­werk

He­phai­stos, Schmied und grie­chi­scher Gott des Feu­ers, war nicht nur der Er­fin­der des Streit­wa­gens, son­dern auch Er­bau­er sämt­li­cher Häu­ser auf dem Olymp. Er war der ein­zi­ge Hand­wer­ker un­ter den grie­chi­schen Göt­tern. Aber He­phai­stos ist ge­zeich­net: Er hat ei­nen Klump­fuss. Und in der an­ti­ken grie­chi­schen Kul­tur gal­ten kör­per­li­che Miss­bil­dun­gen als Schan­de. Der Klump­fuss des He­phai­stos – sym­bo­li­siert er bis heu­te den ge­sell­schaft­li­chen Wert des Hand­wer­kers? Zeigt Ho­mers Ka­pi­tel über He­phai­stos in der »Ili­as«, dass die ma­te­ri­el­le häus­li­che Kul­tur den Wunsch nach Ruhm und Eh­re nie­mals zu be­frie­di­gen ver­mag? Und hier­aus speist sich – trotz der mit­tel­al­ter­li­chen Hoch­pha­se der Zünf­te (die aus­führ­lich be­han­delt wird) – auch heu­te noch das Bild des Hand­wer­kers? Und Pan­do­ra, je­nes »rei­zen­de Mäd­chen«, die mit ih­rer Büch­se im­mer auch als Mah­nung für den Zorn der Göt­ter steht, als Ge­gen­pol?

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War­um nicht Kurt Beck?

Der ent­schei­den­de Satz war wohl die­ser:

    Des­halb wä­ge und wäh­le ge­nau, wer Ver­ant­wor­tung für das Land zu ver­ge­ben hat, wem er sie an­ver­trau­en kann – und wem nicht.

We­ni­ge Ta­ge vor der Hes­sen-Wahl griff Wolf­gang Cle­ment in der »Welt« An­drea Yp­si­l­an­tis An­ti-Atom­po­li­tik an. Plötz­lich gab es me­dia­le Ent­la­stung für Koch, der in ei­ner de­sa­strö­sen und un­ver­ant­wort­li­chen Wahl­kam­pa­gne al­le Auf­merk­sam­keit auf sich – und ge­gen sich zog. Aber hat die­ser Ar­ti­kel von Cle­ment wirk­lich An­drea Yp­si­l­an­ti den »Sieg« ge­ko­stet?

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Do-It-Yours­elf

Was der Spie­gel über­sieht.

Die gan­ze Dis­kus­si­on er­in­nert mich fa­tal an das Auf­kom­men der »Do-It-Yourself«-Bewegung, die in Deutsch­land ir­gend­wann En­de der 60er/Anfang der 70er Jah­re durch­brach. Kern war ja nicht, dass je­mand in sei­nem Häus­chen oder Woh­nung klei­ne­re Re­pa­ra­tu­ren vor­nahm oder der heu­te noch teil­wei­se in Dör­fern prak­ti­zier­te »Aus­tausch« von Fer­tig­kei­ten un­ter­ein­an­der (der Schrei­ner hilft dem Flie­sen­le­ger und vice ver­sa).

Hin­ga­be und en­ga­gier­tes Tun

Es ging um die Er­mög­li­chung ei­ner Aut­ar­kie von dem, was (1.) viel Geld ko­ste­te und (2.) dann doch qua­li­ta­tiv hin­ter dem zu­rück­fiel, was man sich vor­stell­te. Im Wirtschafts­wunderland wur­de sei­ner­zeit oft ge­nug hand­werk­lich un­zu­rei­chend ge­ar­bei­tet (in­zwi­schen wer­den die er­sten Bau­ten, in den 60er Jah­ren ha­stig er­rich­tet, ab­ge­ris­sen). Hand­wer­ker sein hiess da­mals: Man hat­te kei­ne Zeit – und nicht ge­nug Fach­kräf­te. Der Woh­nungs- oder gar Häus­le­be­sit­zer war mit dem an­ge­bo­te­nen nicht mehr zu­frie­den. Der Heim­wer­ker wur­de er­schaf­fen – an­fangs be­lä­chelt, spä­ter wenn nicht be­wun­dert, dann ge­ach­tet. Und wie so oft wur­de der Trend vom Fern­se­hen auf­ge­grif­fen – und massen­kompatibel ge­macht. »Voll­endet« wur­de die­se Ent­wick­lung durch die Bau­märk­te, die die­ses Kon­zept per­fekt um­setz­ten, in dem sie al­le Pro­duk­te für den Mas­sen­ver­kauf zur Ver­fü­gung stell­ten.

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Heinz Bu­de: Die Aus­ge­schlos­se­nen

Heinz Bude: Die Ausgeschlossenen
Heinz Bu­de: Die Aus­ge­schlos­se­nen

Im Haus der Ge­sell­schaft be­woh­nen bei­de Par­tei­en ih­re ei­ge­ne Eta­ge. Die ei­nen müs­sen sich mit dem Par­terre zu­frie­den­ge­ben, die an­de­ren schie­len auf die Bel­eta­ge. Man ist sich fremd, aber kei­ne der bei­den Grup­pen kann der an­de­ren be­strei­ten, dass sie da­zu­ge­hört. Die Ausgeschlossen…gibt es auf je­der Eta­ge. Sie drücken sich her­um, so­lan­ge es geht, un­ten ver­mut­lich län­ger als in der Mit­te. […] Es kann aber pas­sie­ren, dass ein Ein­zel­ner auf­grund ei­nes »kri­ti­schen Le­bens­er­eig­nis­ses« ins Stru­deln ge­rät und…vor die Tür ge­setzt wird. Nach und nach sam­meln sich die Aus­ge­schlos­se­nen im Flur und wis­sen nicht mehr, wo­hin sie ge­hö­ren.

Mit die­sem leicht re­si­gna­ti­ven Bild bi­lan­ziert Heinz Bu­de, Pro­fes­sor für Ma­kro­so­zio­lo­gie im Fach­be­reich Ge­sell­schafts­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Kas­sel, sei­ne öf­fent­li­che So­zio­lo­gie »Die Aus­ge­schlos­se­nen«. Ein Buch, so heisst es im Vor­wort, dass nüch­tern dar­stel­len will, was Sa­che ist und ex­pli­zit nicht nach Vor­schlä­gen sucht. Die So­zio­lo­gie, so Bu­de, be­weist ih­re Stär­ke im­mer noch an der Un­be­kannt­heit des so­zia­len Ob­jekts. (Des Ob­jekts?) Wei­ter heisst es: Sie er­regt Auf­merk­sam­keit, wenn sie zei­gen kann, dass die Din­ge an­ders lau­fen, als man er­war­ten wür­de, und wie es geht, dass es so kommt, wie nie­mand es will. Nur dann be­grei­fe man wirk­lich, dass das Gan­ze auch an­ders sein kann.

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Mar­cel Bey­er: Kal­ten­burg

Der Na­tur­wis­sen­schaft­ler Her­mann Funk (ge­bo­ren 1934) ver­ab­re­det sich im Jahr 2006* mit der Über­set­ze­rin Ka­tha­ri­na Fi­scher. Fi­scher soll ei­nen eng­li­schen Tou­ri­sten, der sich für die mit­tel­eu­ro­päi­sche

Marcel Beyer: Kaltenburg
Mar­cel Bey­er: Kal­ten­burg
Vo­gel­welt in­ter­es­siert, durch Dres­den und Um­ge­bung füh­ren und sie möch­te hier­für ih­re or­ni­tho­lo­gi­schen Kennt­nis­se ver­bes­sern – so­wohl in der Be­stim­mung der Tie­re als auch in der la­tei­ni­schen und eng­li­schen Über­set­zung. Funk war jah­re­lang As­si­stent von Pro­fes­sor Lud­wig Kal­ten­burg, ei­ner Ko­ry­phäe auf dem Ge­biet der Or­ni­tho­lo­gie – und weit dar­über hin­aus. Kal­ten­burg ist auch Ver­fas­ser des Bu­ches »Ur­for­men der Angst«, in dem er sich mit der mensch­li­chen Psy­che (vielleicht…eher not­ge­drun­gen) be­schäf­tigt. Im Lau­fe des »Un­ter­richts« kom­men die bei­den sehr schnell vom ei­gent­li­chen Ge­gen­stand ab; sie ge­ra­ten ins Er­in­nern, tref­fen sich noch Mo­na­te da­nach, schlen­dern durch Dres­den und das Elb­tal, neh­men al­te Ge­bäu­de und Ge­gen­den in Au­gen­schein, schau­en den Vo­gel­schwär­men zu und ver­knüp­fen da­bei ih­re Er­in­ne­run­gen an Zei­ten und Per­so­nen; sie re­ka­pi­tu­lie­ren und spe­ku­lie­ren und be­schwö­ren das Ver­gan­ge­ne.

So könn­te man in Kür­ze »Kal­ten­burg« zu­sam­men­fas­sen und hät­te noch nicht ein­mal an­näh­rend den Rah­men die­ses Bu­ches ent­wor­fen, ge­schwei­ge denn ei­ne Ah­nung be­kom­men von Mar­cels Bey­ers Spra­che und Er­zähl­stil.

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Paul Gins­borg: Wie De­mo­kra­tie le­ben

Paul Ginsborg: Wie Demokratie leben
Paul Gins­borg: Wie De­mo­kra­tie le­ben
Aus­ge­hend von ei­nem fik­ti­ven Tref­fen zwi­schen John Stuart Mill und Karl Marx, den bei­den ver­mut­lich wich­tig­sten po­li­ti­schen Den­kern der vik­to­ria­ni­schen Ära, ent­wirft Paul Gins­borg zu Be­ginn sei­nes Bu­ches »Wie De­mo­kra­tie le­ben« ei­ne kur­ze Kul­tur­ge­schich­te di­ver­ser Strö­mun­gen und Mo­del­le der li­be­ra­len De­mo­kra­tie bis hin­ein ins 21. Jahr­hun­dert. Al­ler­dings sind – und blei­ben in al­len Ka­pi­teln des Bu­ches – Mill und Marx die An­ti­po­den, an de­nen sich der Au­tor teil­wei­se zwang­haft »ab­ar­bei­tet«. Am En­de gibt es dann noch­mals ei­nen fik­ti­ven Dia­log der bei­den, Epo­che: Heu­te auf ei­ner Wol­ke über Eu­ro­pa.

Hier Mill, Ent­wick­ler und Ver­fech­ter des po­li­ti­schen Li­be­ra­lis­mus, der sanf­te, eher »so­zi­al­de­mo­kra­tisch« ar­gu­men­tie­ren­de Re­for­mer – dort Marx, der scho­nungs­lo­se Be­schrei­ber der Ent­frem­dung des Men­schen im Ka­pi­ta­lis­mus, der wil­de Re­vo­lu­tio­när, der es lei­der ver­säumt ha­be, sei­ne »Dik­ta­tur des Pro­le­ta­ri­ats« aus­rei­chend zu de­fi­nie­ren: Ka­pi­tel für Ka­pi­tel re­kur­riert Gins­borg im­mer wie­der auf die The­sen die­ser bei­den Ge­lehr­ten und das an­fäng­li­che In­ter­es­se der Aus­ar­bei­tung der Dif­fe­ren­zen weicht ir­gend­wann ei­nem Un­mut, da stän­dig auf­ge­zeigt wird, wel­che zwar für da­ma­li­ge Zei­ten bahn­bre­chen­de Ideen bei­de ent­wickel­ten, die­se je­doch aus heu­ti­ger Sicht gro­sse Schwä­chen auf­wei­sen. Aber dass aus pro­gram­ma­ti­schen Schrif­ten von vor mehr als 150 Jah­ren vie­les nicht mehr in un­se­re Ge­sell­schaft »passt« und dem da­ma­li­gen Zeit­geist ge­schul­det sein muss – ist das nicht ei­ne all­zu tri­via­le Er­kennt­nis, um sie in die­ser Aus­führ­lich­keit aus­zu­brei­ten?

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De­mut und Wut

Preis­ver­ga­be. Und ei­ni­ge un­we­sent­li­che Be­mer­kun­gen.

Hart­näckig wei­ger­te sich der neue Ju­ry­vor­sit­zen­de Burk­hard Spin­nen ein Pau­schal­ur­teil über den ak­tu­el­len »Jahr­gang« beim Bach­mann­preis 2008 ab­zu­ge­ben. Das kön­ne man nicht, so Spin­nen, wenn über­haupt müs­se man zehn, fünf­zehn Jah­re ab­war­ten; es sei­en ja schliess­lich kei­ne Wein­jahr­gän­ge.

Spin­nen stiehlt sich da aus ei­nem Ur­teil her­aus. Das über­rascht nur vor­der­grün­dig. Wür­de er zu­ge­ben, dass das Ni­veau schwach war, kri­ti­siert er auch im­pli­zit die Ju­ro­ren und auch sich sel­ber. Die Ju­ry aber – die­sen Ein­druck be­kam man sehr schnell – ist ziem­lich kri­tik­re­si­stent.

Hin­ter der jo­via­len Fas­sa­de des Mo­de­ra­tors Die­ter Moor (der mit sei­ner zwang­haf­ten Ge­sprächs­füh­rungs­rhe­to­rik nicht nur stör­te, son­dern auch ge­le­gent­lich in un­zu­läs­si­ger Wei­se in den Wett­be­werb ein­griff) schlum­mer­ten die längst aus­ge­tüf­tel­ten Be­wer­tungs­fall­bei­le bei­spiels­wei­se des Wich­tig­tu­ers Ijo­ma Man­gold, der teil­wei­se voll­kom­men ver­wirr­ten (und text­un­si­che­ren) Ur­su­la März und ei­nes fast zwang­haft den Clown ge­ben­den Klaus Nüch­tern.

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