No­ti­zen aus der Pro­vinz

In Düs­sel­dorf ist Wahl­kampf. Nicht, dass das In­ter­es­se der Be­völ­ke­rung rie­sig wä­re. Schliess­lich sind noch Som­mer­fe­ri­en und die Ober­bür­ger­mei­ster­wahl erst am 31. Au­gust. Nach und nach be­ginnt man sich viel­leicht über die ko­mi­schen Pla­ka­te zu wun­dern, die Leu­te zei­gen, die man noch nie ge­se­hen hat. Und den Brief mit der Wahl­be­nach­rich­ti­gung hat man erst seit ein paar Ta­gen.

Lei­der scheint die The­se, dass Al­li­te­ra­tio­nen als eher ko­misch und ka­ri­kie­rend be­trach­tet wer­den, bei den Wahl­kämp­fern von SPD und den Grü­nen nicht be­kannt zu sein. Zu­mal, wenn die Wer­be­agen­tur, die für den Wahl­kampf ver­ant­wort­lich zeich­net, sel­ber ei­nen Na­men wie »Krea­tiv Kon­zept« trägt. Was kann man da schon an­ders er­war­ten: »Kort­mann kommt!« heisst es dort (SPD und Grü­ne ha­ben ei­ne ge­mein­sa­me Kan­di­da­tin; die Grü­nen pla­ka­tie­ren al­ler­dings de­zen­ter oh­ne das Por­trait­bild). Die Da­me heisst auch noch Ka­rin Kort­mann – man hät­te auch »Ka­rin Kort­mann kommt« pla­ka­tie­ren kön­nen. Aber: Wo kommt sie denn? Wo kommt sie her? Ist das ei­ne Dro­hung oder ei­ne Ver­heissung des Mes­si­as – in Form ei­ner weib­li­chen Va­ri­an­te? Und: Hat sie über­haupt ei­nen Park­platz?

Auch der Kan­di­dat der »Frei­en Wäh­ler« Klaus Kirch­ner wirbt mit ei­nem ker­ni­gen Spruch »Stark und So­zi­al« heisst es da, und: »Kirch­ner kann’s«. Auch hier schei­nen sich die Am­bi­va­len­zen der Al­li­te­ra­ti­on noch nicht her­um­ge­spro­chen zu ha­ben.

Mit all dem hat der Kan­di­dat der CDU nichts zu tun. Nicht nur, dass Dirk El­bers na­he­zu um­fas­sen­de Hil­fe der »Rhei­ni­schen Post« er­hält (der mit Ab­stand gröss­ten Lo­kal­zei­tung in Düs­sel­dorf), die al­lei­ne schon die Ein­wei­hung ei­nes »Wahl­kampf­bü­ros« als ge­sell­schaft­li­ches Er­eig­nis be­ju­belt. Un­ver­blüm­te Wahl­kampf­hil­fe für den »Haus­mei­ster Dirk« kommt auch von Wolf­gang Os­in­ski, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­ra­ter und Be­trei­ber des omi­nö­sen »Düs­sel­dorf-blog« (mit ei­ner statt­li­chen Kun­den­li­ste, die aber im­mer­hin auf­ge­li­stet wird), ei­ner »Zei­tung im In­ter­net«, die »in der Re­gel ab­seits vom Main­stream« agiert, und – wow! – »auch kri­tisch« be­rich­tet (frei­lich sucht er sich aus, ge­gen wen die­se Kri­tik ge­rich­tet ist). Na­tür­lich geht man – ganz ab­seits vom Main­stream – da­von aus, dass es El­bers schafft (so­viel zum Demokratie­verständnis). Das »Düs­sel­dorf-blog« hat üb­ri­gens ei­ne in­ter­es­san­te Link­li­ste, die un­ter an­de­rem auch das ras­si­sti­sche Web­log »Po­li­ti­cal­ly In­cor­rect« auf­führt. Bei die­ser vir­tu­el­len Geistes­partnerschaft braucht man auch kei­ne Stab­rei­me als Wahl­kampf­slo­gans mehr. Wo­bei mir dann die doch lie­ber sind.


Ei­ne poin­tier­te Sicht auf den Düs­sel­dor­fer Wahl­kampf fin­det man üb­ri­gens in der »Rainer’schen Post«. Auch wenn man ge­le­gent­lich ob der Po­le­mik ein biss­chen er­schrecken mag – das ist ein­deu­tig mehr als nur un­ter­halt­sam.


Er­gän­zung – 07. Au­gust: In der NRZ kann man jetzt Ant­wor­ten der bei­den Kan­di­da­ten El­bers und Kort­mann auf stadt­po­li­ti­sche Fra­gen nach­le­sen. Mir fal­len die teil­wei­se sehr kur­zen Sät­ze von El­bers auf. Und ver­mut­lich nennt man das »po­li­ti­sches Ta­lent«, wenn man so ant­wor­tet, dass man ei­gent­lich nichts sagt.


»»No­ti­zen 2. Teil

13 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Zur Zeit...
    ist es ja (wie­der mal) ein Krampf, bei two­day-Sei­ten ei­nen Kom­men­tar auch ab­schicken zu kön­nen. Und ei­gent­lich will ich auch nur los­wer­den:

    Sie schrei­ben herr­li­che Bei­trä­ge!

    Aber das will ich eben auch los­wer­den. Dan­ke für die­se Auf­hei­te­rung zum Nach­mit­tag!

    Aber war­um ver­lin­ken Sie bei der »Rainer’schen Post« nicht di­rekt auf den Ar­ti­kel?

  2. »Ei­ne poin­tier­te Sicht auf den Düs­sel­dor­fer Wahl­kampf fin­det man üb­ri­gens in der ‘Rainer’schen Post.’ « Ich mein­te den Link un­ter »Rainer’schen Post«, wer in zwei Ta­gen den Ar­ti­kel »Wahl­wer­bers Wahn­sinn« le­sen will, sucht nun nicht mehr...

  3. Na­ja, die Emp­feh­lung den Kan­di­da­ten der Lin­ken zu wählen...was soll’s? Viel­leicht ist der ja mehr ver­netzt als Frau Kort­mann. Wie er sei­ne For­de­run­gen be­zah­len will, sagt er auch nicht. Das ist bei den West-Lin­ken eben so.

  4. Nun, wenn Sie die­sen Ar­ti­kel nicht mein­ten, wel­chen dann? Hel­fen Sie mir. Wo fin­det man bei der Rainer’schen Post ei­ne poin­tier­te Sicht auf den Düs­sel­dor­fer Wahl­kampf?

    »Das ist bei den West-Lin­ken eben so.« Nicht nur bei de­nen, im Ge­gen­satz zum po­li­ti­schen Ho­ri­zont der Lin­ken, hat sich die Vor­stel­lung von der Geld­drucker­pres­se und/oder Ent­eig­nung als Lö­sung im kom­mu­ni­sti­schen und so­zia­li­sti­schen Mei­nungs­spek­trum glo­ba­li­siert. Das welt­wei­te Ver­sa­gen des so­zia­li­sti­schen Sy­stems hat of­fen­bar nicht aus­ge­reicht, die­sen Leu­ten zu ver­deut­li­chen, daß eben auch dem So­zia­lis­mus be­stimm­te Er­schei­nun­gen im­ma­nent sind. (Und flie­ßen­de Milch und Ho­nig sind es nicht.)

  5. Ja, den mein­te ich auch. Und den »Hausmeister«-Artikel und dann viel­leicht so­was.

    Mein Ein­druck von den (von mir jetzt so ge­nann­ten) »Ost-Lin­ken« ist ein leicht an­de­rer. Man kann die Ent­zau­be­rung in Ber­lin se­hen – dort ma­chen sie ein Pro­gramm mit, dass sie an­ders­wo en­er­gisch be­kämp­fen wür­den. Die »Lin­ke« – als Par­tei – ist in Deutsch­land tat­säch­lich ge­spal­ten. Im Osten gibt es prag­ma­ti­sche Kräf­te, die auf kom­mu­na­ler Ebe­ne gu­te Ar­beit lei­sten – und im Land dann die Schnau­ze hal­ten (so­zu­sa­gen »grü­nen­ge­mäss«). Die­ser Pro­zess steht im We­sten die­sem bun­ten Hau­fen noch be­vor.

    Ich muss be­ken­nen (Ih­nen kann ich’s ja sa­gen – es liest ja eh kei­ner mit), dass ich in­zwi­schen was die SPD/Linke an­geht zu ei­nem Zy­nis­mus ge­fun­den ha­be: Soll doch Frau Y. in Hes­sen mit den Lin­ken ko­alie­ren (oder sich dul­den las­sen) – das wird fa­ta­le Fol­gen für die SPD im Bund ha­ben und die Wahl für CDU/CSU/FDP ist da­mit fast schon ge­won­nen (es sei denn, es pas­sie­ren noch gra­vie­ren­de Feh­ler). Der Links­par­tei ge­fällt das wahr­scheint­lich, weil die Po­si­ti­on des Mecke­rers, der kei­ne Ver­ant­wor­tung über­neh­men will, im­mer an­ge­neh­mer ist. Das ha­ben La­fon­taine und Sta­si-Gy­si* im­mer schon so ge­hal­ten: Wenn’s Ernst wur­de, ha­ben sie die Flucht er­grif­fen.


    *Nein, nicht das Gy­si ver­mut­lich Sta­si-IM war, stört mich. Mich stört, dass er dies – bar je­der Ver­nunft – be­strei­tet. Und das er – aus­ge­rech­net er, der sich im­mer zum An­walt der Men­schen­rech­te auf­spielt – mit al­len ju­ri­sti­schen Mit­teln ver­sucht, Mei­nun­gen zu un­ter­drücken. Das zeigt den wah­ren Geist: Der Ap­fel fällt of­fen­sicht­lich wirk­lich nicht weit vom Stamm. Scha­de drum, denn Gy­si ist ein klu­ger Kopf.

  6. Auch wenn das jetzt nur im wei­te­ren Sin­ne zum The­ma ge­hört, aber da Sie es an­spre­chen und es, glau­be ich, zum ei­gent­li­chen Kern­punkt un­se­rer De­bat­te Clement/Beck/Ypsilanti führt, ich bin be­züg­lich der Links­par­tei noch über­haupt nicht mit mir (und ihr) im rei­nen. Das liegt mit Si­cher­heit auch an mei­ner Her­kunft.

    »Mein Ein­druck von den (von mir jetzt so ge­nann­ten) »Ost-Lin­ken« ist ein leicht an­de­rer. Man kann die Ent­zau­be­rung in Ber­lin se­hen – dort ma­chen sie ein Pro­gramm mit, dass sie an­ders­wo en­er­gisch be­kämp­fen wür­den.«

    Die SED-Nach­fol­ge­par­tei ist ei­ne Ka­der­par­tei. Hier gilt der Vor­wurf, den Sie mei­ner Mei­nung nach zu un­recht der SPD mach­ten. Das ge­mei­ne Mit­glied der Links­par­tei und der ost­de­u­sche Wäh­ler wis­sen das. Des­halb bleibt auch zur Ver­wun­de­rung ei­ni­ger west­deut­scher Po­li­ti­ker die »Ent­zau­be­rung« aus. Er­ste Prio­ri­tät (im Klas­sen- und Sy­stem­kampf) ha­ben Macht­er­werb und Macht­er­halt, das ist dort (un­aus­ge­spro­che­nes) All­ge­mein­wis­sen (stand so frü­her auch in den Lehr­bü­chern). Es kommt folg­lich kaum ei­ner in der Be­völ­ke­rung auf die Idee, ihr aus ei­ner Ab­wei­chung vom Par­tei- und Wahl­pro­gramm bei Ein­zug in ei­ne Ko­ali­ti­ons­re­gie­rung ei­nen Vor­wurf zu ma­chen.

    »Ich muss be­ken­nen ..., dass ich in­zwi­schen was die SPD/Linke an­geht zu ei­nem Zy­nis­mus ge­fun­den ha­be: Soll doch Frau Y. in Hes­sen mit den Lin­ken ko­alie­ren (oder sich dul­den las­sen)«

    Ir­gend­wie be­nei­de ich Sie um die­se Sicht – ich bin im Zwie­spalt. Wes­halb ich dem Cle­ment schon sau­er war und noch bin: Hät­te er die Schnau­ze ge­hal­ten, dann hät­te die Bun­des-SPD Frau Y. in ei­ne gro­ße Ko­ali­ti­on oh­ne Koch zwin­gen kön­nen. Nun fehlt da­für ein er­bärm­li­ches Pro­mil­le Stim­men. Die Hes­sen-SPD war schon im­mer, so­weit ich mich je­den­falls er­in­ne­re, über­wie­gend dem lin­ken Flü­gel zu­ge­tan. So lie­fern Cle­ment und Koch idea­le Steil­vor­la­gen zur Le­gi­mi­ta­ti­on des Wort­bruchs.

    Zu Gy­si schwei­ge ich jetzt lie­ber, sonst wird’s straf­recht­lich...

    Ganz ge­ne­rell ist das ein The­ma, bei dem mir ein Bei­trag von Ih­nen wahr­schein­lich sehr hel­fen könn­te, mei­ne Sicht zu ord­nen. Durch die emo­tio­na­le Vor­be­la­stung mei­ner­seits fällt es mir sehr schwer, Ob­jek­ti­vi­tät zu ge­win­nen. Nüch­ter­ne Sicht­wei­sen hel­fen bei der Klä­rung. Und da ich den deut­li­chen Ein­druck ha­be, Sie hät­ten da­zu et­was zu sa­gen... Das ist aber nur als An­re­gung zu ver­ste­hen.

  7. An­re­gun­gen...
    sind im­mer will­kom­men – aber ich glau­be, ich kann zum »Phä­no­men Links­par­tei« nicht viel bei­steu­ern.

    Das hat zum ei­nen da­mit zu tun, dass ich aus west­deut­scher Sicht si­cher­lich die­ses Phä­no­men nicht ganz zu er­fas­sen ver­mag und zum an­de­ren, weil ich nicht si­cher bin, ob es sich nur um ein Stroh­feu­er-Phä­no­men han­delt oder ei­ne grund­sätz­li­che, lang­fri­sti­ge Ent­wick­lung ein­ge­lei­tet wird.

    Ich se­he Par­al­le­len zu der SPD von An­fang der 80er Jah­re, die sich sehr lan­ge den Grü­nen nicht nur ver­schlos­sen, son­dern die­se dä­mo­ni­siert hat (ein stra­te­gi­scher Feh­ler von Schmidt – und auch Brandt als Par­tei­vor­sit­zen­der). Das hat den Grü­nen eher ge­nutzt. Statt sich pro­gram­ma­tisch aus­ein­an­der­zu­set­zen und Tei­le in die ei­ge­ne Pro­gram­ma­tik ein­zu­bin­den und an­de­re, »un­mög­li­che« Pro­gramm­punk­te ent­spre­chend zu des­avou­ie­ren, gab es die­se Schmud­del­kin­der-At­ti­tü­de. Das hat im Grun­de erst Mit­te der 90er Jah­re auf­ge­hört, als ir­gend­wann die »Fun­dis« aus den Gre­mi­en der Grü­nen ver­schwan­den (die, die jetzt als »Lin­ke« bei den Grü­nen gel­ten, stel­len längst das »Sy­stem« nicht mehr in­fra­ge, son­dern ha­ben nur ra­di­ka­le­re Po­li­tik­ent­wür­fe, die aber al­le im Sy­stem ver­an­kert sind). Jetzt wa­ren die Grü­nen auch für die Schre­ber­gar­ten­ge­nos­sen ei­ne zwar un­ge­lieb­te, aber ak­zep­tier­te Ko­ali­ti­ons­al­ter­na­ti­ve (die FDP hat­te sich längst als fast aus­schliess­lich wirt­schafts­li­be­ra­le Kraft po­si­tio­niert).

    Der Rest ist be­kannt – ’98 der Wech­sel. Was mich sehr er­staunt ist, dass be­reits zehn Jah­re spä­ter von die­sem »Auf­bruch« rein gar nichts mehr üb­rig­ge­blie­ben ist. Ei­ne Ko­ali­ti­on SPD/Grüne hat mit ei­ner ir­gend­wie ge­ar­te­ten »Lie­bes­hei­rat« nichts mehr zu tun; »lust­lo­se One-Night-Stands« trifft es wohl eher.

    Zu­rück zu der Links­par­tei. Die Af­fek­te ihr ge­gen­über sind ähn­lich wie bei den Grü­nen. Und auch wie­der nicht. Weil drei Punk­te noch da­zu­kom­men:

    1. La­fon­taine – Die per­sön­li­che Krän­kung bei vie­len »Ge­nos­sen« ist im­mer noch sehr gross. Klaus Harp­p­recht nann­te ihn in der ak­tu­el­len »Zeit« ei­nen Vul­gär­je­sui­ten (Ar­ti­kel noch nicht on­line).

    2. Aus­rich­tung der SPD zur Mit­te oder »back to the roots«? – Im Ge­gen­satz zu den Grü­nen, die als jun­ge Pro­test­be­we­gung die SPD sei­ner­zeit nur man­gels Al­ter­na­ti­ve kurz be­vor­zug­ten, ist die WASG, die gro­sse Tei­le der West-Lin­ke aus­macht, Fleisch von der SPD. Es han­delt sich da­bei zwar grössen­teils um Träu­mer, die die neu­en so­zia­len, öko­lo­gi­schen und öko­no­mi­schen Her­aus­for­de­run­gen da­durch­mei­stern wol­len, in dem sie sich zur In­sel er­klä­ren, aber der Dis­kurs, wie sich die Par­tei po­si­tio­nie­ren soll, ist un­ter Schrö­der aus­ge­blie­ben.

    3. DIe Lin­ke greift den po­ten­ti­el­len Ko­ali­ti­ons­part­ner barsch an. – Auch das ist neu: Statt den »ein­deu­ti­gen« po­li­ti­schen Ge­ge­n­er an­zu­grei­fen, wer­den der SPD (und in Tei­len der Grü­nen) die Stim­men ab­ge­wor­ben – mit ei­ner teil­wei­se ag­gres­si­ven und auch hä­mi­schen Rhe­to­rik (Gy­si). Das man da­mit rein ma­the­ma­tisch ei­ne Art »Null­sum­men­spiel« be­treibt, geht den Leu­ten nicht auf – oder es ist Kal­kül. Statt bei­spiels­wei­se ein Ver­hält­nis von 36–10‑8 (SPD/Grüne/Linke) an­zu­stre­ben, will man wohl eher 25–10-20. Auch das mit un­ter an­de­rem mit per­sön­li­chen Ei­tel­kei­ten (La­fon­taine) zu tun.

    Der grund­le­gen­de Feh­ler der SPD lag in dem Ent­schluss 1990, ehe­ma­li­ge SED-Mit­glie­der, die eben »nur« Mit­glie­der wa­ren, grund­sätz­lich nicht in die SPD kom­men zu las­sen. Da­mit woll­te man De­nun­zia­ti­ons­kam­pa­gnen der CDU/CSU vor­beu­gen (die sich – so­weit es ging – der »Blöckflöten«-Leute we­nig­stens am An­fang ger­ne be­dient hat). Mit die­ser Aus­gren­zung hat man da­zu bei­getra­gen, dass vie­le ehe­ma­li­ge SED­ler, die sich wei­ter po­li­tisch be­tä­ti­gen woll­ten, fast not­ge­drun­gen in der PDS ver­blie­ben sind. Egon Bahr schrieb da­zu 2007 in der »Zeit«:

    Dass die SED tot war, be­stä­tig­te die Grün­dung der PDS. Wil­ly Brandt hat ver­sucht, sei­ne Par­tei zu ei­nem Be­schluss zu be­we­gen, wo­nach je­des ehe­ma­li­ge SED-Mit­glied, das sich kei­nes schwe­ren Ver­ge­hens schul­dig ge­macht hat und das Pro­gramm der SPD be­jaht, Mit­glied der SPD wer­den könn­te. Das soll­te über die Orts­ver­ei­ne be­an­tragt wer­den, in de­nen die An­trag­stel­ler be­kannt wa­ren. Er woll­te da­mit ver­hin­dern, dass die PDS star­ken Zu­lauf be­kam. Lei­der setz­te er sich da­mit in der ei­ge­nen Par­tei, zu­letzt auf dem Ver­ei­ni­gungs­par­tei­tag von SPD und SDP, der Grün­dung der So­zi­al­de­mo­kra­ten in der DDR, nicht durch. Vie­le Men­schen aus so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Fa­mi­li­en wur­den ab­ge­wie­sen.

    Wie be­reits oben ge­sagt: Ich weiss nicht, ob die »Lin­ke« nur ein Stroh­feu­er oder dau­er­haft ist. Schaut man ih­re Pro­gram­ma­tik an, so ist sie für mich die ka­pi­ta­li­sti­sche Par­tei über­haupt: Sie ver­sucht, durch Um­ver­tei­lung Par­ti­zi­pa­ti­on der Mas­sen am Kon­sum zu er­hö­hen – ein ur­ka­pi­ta­li­sti­sches An­lie­gen. Das ist eben nur po­pu­lär, von er­schrecken­der Aus­drucks­lo­sig­keit und müss­te an­greif­bar sein, oh­ne bei je­dem zwei­ten Wort in Beiss­re­fle­xe zu ver­fal­len.

    Was Sie zur nicht statt­fin­den­den »Ent­zau­be­rung« sa­gen, ist sehr in­ter­es­sant. Ich glau­be aber nicht, dass dies auf Dau­er trägt. Die »Lin­ke« bin­det im Mo­ment noch be­stimm­te Schich­ten an den po­li­ti­schen Dis­kurs. Das ist im Prin­zip nicht schlecht, weil es die Mög­lich­keit er­öff­net, sie (die Lin­ke) in­ner­halb die­ses Dis­kur­ses an­zu­grei­fen und die Wäh­ler um­zu­stim­men. Aber ge­nau das macht man nicht – und wun­dert sich dann, dass sie in­zwi­schen bun­des­weit bei 12–14% liegt.

  8. »...aber ich glau­be, ich kann zum »Phä­no­men Links­par­tei« nicht viel bei­steu­ern.«

    Mit Ih­rem da­nach fol­gen­den Kom­men­tar wi­der­le­gen Sie die­se Aus­sa­ge auf wun­der­ba­re Wei­se schon selbst, ge­treu der An­kün­di­gung:

    »Auf begleitschreiben.twoday.net hat ein klu­ger Kopf na­mens Gre­gor Keu­sch­nig ei­nen neu­en Kom­men­tar (»An­re­gun­gen...«) ver­fasst.«

    ...

    »Das hat zum ei­nen da­mit zu tun, dass ich aus west­deut­scher Sicht si­cher­lich die­ses Phä­no­men nicht ganz zu er­fas­sen ver­mag und zum an­de­ren, weil ich nicht si­cher bin, ob es sich nur um ein Stroh­feu­er-Phä­no­men han­delt oder ei­ne grund­sätz­li­che, lang­fri­sti­ge Ent­wick­lung ein­ge­lei­tet wird.«

    Ge­ra­de von Ih­rer west­deut­schen Sicht ver­sprä­che ich mir ei­ni­ges. Die­se ver­schafft Ih­nen ei­ne ge­wis­se Di­stanz zum Ob­jekt, die mir lei­der völ­lig ab­geht. In den Kom­men­ta­ren könn­te ich dann das ei­ne oder an­de­re ost­deut­sche er­gän­zend bei­steu­ern. Ich ver­mu­te je­doch, daß ich da­für wahr­schein­lich nicht sehr re­prä­sen­ta­tiv bin.

    Ein Stroh­feu­er ist »die Lin­ke« zu­min­dest für den Osten bei­lei­be nicht mehr. Und wenn es wel­che gibt, de­nen ich zu­traue, ad­äquat die ei­ge­ne Un­si­cher­heit mit in ein The­ma ein­zu­ar­bei­ten, Sie zäh­le ich da­zu.

    Aber ich will Sie nicht drän­gen, schon aus der Furcht her­aus, da­mit nur ge­gen­tei­li­ges zu be­wir­ken. Und au­ßer­dem will ich mich für die Kür­ze mei­ner Ant­wort und im Vor­we­ge für fol­gen­de drei Ta­ge Ab­sti­nenz ent­schul­di­gen. Bis Diens­tag gön­ne ich mir mei­nen Jah­res­kurz­ur­laub in Ber­lin.

  9. Auch wenn Sie in Kurz­ur­laub sind...
    ei­ni­ge klei­ne Be­mer­kun­gen (es hat ja kei­ne Ei­le).

    Wenn ich schrei­be, dass ich nicht weiss, ob es sich um ein Stroh­feu­er han­delt, so mein­te ich das na­tür­lich in »West­deutsch­land«. Das die Lin­ke im Osten mit­tel­fri­stig ei­ne star­ke po­li­ti­sche Kraft sein wird, steht fest. Dies u. a. des­halb, weil sie kom­mu­nal ver­an­kert ist. Ihr Nach­teil ist aber, dass sie was die Mit­glie­der an­geht, ver­greist. So­mit wird sie lang­fri­stig »nur« noch Pro­test­par­tei wer­den – und die hal­ten sich nor­ma­ler­wei­se nicht sehr lan­ge. Das Ge­eie­re in der SPD wird ihr noch ein­mal ge­hö­ri­gen Zu­lauf brin­gen (Ost und West), be­vor dann we­nig­stens im We­sten die Er­nüch­te­rung ein­tre­ten wird. Das hängt al­ler­dings da­von ab, ob es 2009 im Bund er­neut zu ei­ner »Gro­ssen Ko­ali­ti­on« kommt (was ich glau­be) oder ob es zur CDU/C­SU/FDP-Mehr­heit reicht (wenn, dann sehr, sehr knapp).

    Span­nend wird auch die Land­tags­wahl im Saar­land im näch­sten Jahr wer­den. Ich glau­be nicht, dass La­fon­taine ge­win­nen wird, aber er wird der SPD ei­nen im­mensen Flur­scha­den zu­fü­gen (und der CDU zum Sieg ver­hel­fen).


    Den Text in der Be­nach­rich­ti­gungs­mail – »ein klu­ger Kopf« – hat­te ich für die Kom­men­ta­to­ren ge­dacht. Ich hat­te nicht be­rück­sich­tigt, dass er auch bei mir er­scheint. Das ist na­tür­lich an­ma­ssend; ich wer­de es bal­digst wie­der än­dern.

  10. noch was zum Düs­sel­dorf-Blog
    Os­in­ski setzt in sei­nem Blog nicht nur ei­ne Link­emp­feh­lung zu dem rechts­extre­men Blog »Po­li­ti­cal­ly in­cor­rect«, son­dern er hat sich schon mehr­fach aus­drück­lich so­li­da­risch mit die­sem Mob ge­zeigt. Un­ter an­de­rem gra­tu­lier­te er PI in ei­nem Ar­ti­kel zu de­ren »Ge­burts­tag«. Os­inskis ei­ge­ne Ar­ti­kel zeich­nen sich in der Re­gel durch, sa­gen wir, feh­len­den Ho­ri­zont aus, ger­ne frem­den­feind­lich ein­ge­färbt. Da­zu ein ge­ra­de­zu fa­na­ti­scher Lo­kal­pa­trio­tis­mus. Und er hat of­fen­bar gu­te Kon­tak­te zur Düs­sel­dor­fer So­cie­ty. So­zio­lo­gen nen­nen das wohl »Ex­tre­mis­mus der Mit­te«. Os­in­sky ist ein ty­pi­sches Bei­spiel für das »häss­li­che Düs­sel­dorf«: viel Geld, we­nig Geist (wo­bei ich nur letz­te­res si­cher weiß :-).
    Aber halb so wild, es gibt hier auch net­te Leu­te.