Uwe Tell­kamp: Der Turm

Uwe Tellkamp: Der Turm
Uwe Tell­kamp: Der Turm

Ri­chard Hoff­manns 50. Ge­burts­tag En­de No­vem­ber 1982 in Dres­den – und die Fa­mi­lie, die Freun­de, die Ar­beits­kol­le­gen (ei­ni­ge da­von »Ge­nos­sen«) kom­men zu­sam­men; auch die­je­ni­gen, die man sonst sel­ten oder nie sieht (es gibt Be­such aus Süd­ame­ri­ka). Hoff­mann ist Chir­urg, sei­ne Frau An­ne (ge­bo­re­ne Roh­de) Kran­ken­schwe­ster. Sohn Chri­sti­an ist 17 Jah­re alt, Ro­bert zwei­ein­halb Jah­re jün­ger.

Die Vor­be­rei­tun­gen zu die­ser Fei­er, dann die Fei­er­lich­kei­ten sel­ber (man er­in­nert sich an an­de­re Bü­cher, die so be­gin­nen), dem gro­ssen und teu­ren Buf­fet (mit manch sel­te­nen Zu­ta­ten), dem in­ni­gen Haus­kon­zert von Chri­sti­an und Ez­zo und Reg­lin­de (den Kin­dern von Chri­sti­ans On­kel Ni­klas), den »Feh­den« der Blas- und Streich­in­stru­men­ta­li­sten. Fest­re­den mit po­li­tisch ein­deu­ti­gen oder mehr­deu­ti­gen An­spie­lun­gen. Über­haupt das Ge­plau­der, die Dis­pu­te: man kurz nach dem Tod von Leo­nid Bre­sch­new, die Spe­ku­la­tio­nen um den Nach­fol­ger An­dro­pow sind voll im Gan­ge, in Deutsch­land hat­te es Hel­mut Kohl ge­schafft und man hört von der Hoff­nung, der We­sten wür­de end­lich dem »Neu­en« här­ter ent­ge­gen­tre­ten. Die schrof­fe Ab­leh­nung Hoff­manns der west­deut­schen Ost­po­li­tik ge­gen­über, die als Wan­del durch An­bie­de­rung ver­spot­tet wird – und die Ge­gen­po­si­ti­on der Frie­dens­be­weg­ten. Das Zwi­schen-den-Zei­len-Le­sen in den Wurst- und Käseeinwickelpapier[en] na­mens »Säch­si­sche Neue­ste Nach­rich­ten«, »Säch­si­sches Ta­ge­blatt« und, vor al­lem, »Säch­si­sche Zei­tung«.

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Mar­cel Bey­er: Kal­ten­burg

Der Na­tur­wis­sen­schaft­ler Her­mann Funk (ge­bo­ren 1934) ver­ab­re­det sich im Jahr 2006* mit der Über­set­ze­rin Ka­tha­ri­na Fi­scher. Fi­scher soll ei­nen eng­li­schen Tou­ri­sten, der sich für die mit­tel­eu­ro­päi­sche

Marcel Beyer: Kaltenburg
Mar­cel Bey­er: Kal­ten­burg
Vo­gel­welt in­ter­es­siert, durch Dres­den und Um­ge­bung füh­ren und sie möch­te hier­für ih­re or­ni­tho­lo­gi­schen Kennt­nis­se ver­bes­sern – so­wohl in der Be­stim­mung der Tie­re als auch in der la­tei­ni­schen und eng­li­schen Über­set­zung. Funk war jah­re­lang As­si­stent von Pro­fes­sor Lud­wig Kal­ten­burg, ei­ner Ko­ry­phäe auf dem Ge­biet der Or­ni­tho­lo­gie – und weit dar­über hin­aus. Kal­ten­burg ist auch Ver­fas­ser des Bu­ches »Ur­for­men der Angst«, in dem er sich mit der mensch­li­chen Psy­che (vielleicht…eher not­ge­drun­gen) be­schäf­tigt. Im Lau­fe des »Un­ter­richts« kom­men die bei­den sehr schnell vom ei­gent­li­chen Ge­gen­stand ab; sie ge­ra­ten ins Er­in­nern, tref­fen sich noch Mo­na­te da­nach, schlen­dern durch Dres­den und das Elb­tal, neh­men al­te Ge­bäu­de und Ge­gen­den in Au­gen­schein, schau­en den Vo­gel­schwär­men zu und ver­knüp­fen da­bei ih­re Er­in­ne­run­gen an Zei­ten und Per­so­nen; sie re­ka­pi­tu­lie­ren und spe­ku­lie­ren und be­schwö­ren das Ver­gan­ge­ne.

So könn­te man in Kür­ze »Kal­ten­burg« zu­sam­men­fas­sen und hät­te noch nicht ein­mal an­näh­rend den Rah­men die­ses Bu­ches ent­wor­fen, ge­schwei­ge denn ei­ne Ah­nung be­kom­men von Mar­cels Bey­ers Spra­che und Er­zähl­stil.

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