Cle­mens J. Setz: Die Stun­de zwi­schen Frau und Gi­tar­re

Clemens J. Setz: Die Stunde zwischen Frau und Gitarre
Cle­mens J. Setz: Die Stun­de zwi­schen Frau und Gi­tar­re

Zu­nächst war der in den 1970er Jah­ren auf­kom­men­de Be­griff der »Neu­en In­ner­lich­keit« für die da­mals neu ent­ste­hen­de deutsch­spra­chi­ge Li­te­ra­tur gar nicht als Schimpf­wort ge­dacht. Aus­ge­drückt wer­den soll­te da­mit die Ab­gren­zung von ei­ner po­li­tisch mo­ti­vier­ten und mo­ra­li­sie­ren­den Li­te­ra­tur, die ins­be­son­de­re in den 1960er Jah­ren do­mi­nier­te. So wur­den die er­sten Tex­te, die das Sub­jekt mit ih­ren per­sön­li­chen, exi­sten­ti­el­len De­for­ma­tio­nen in das Zen­trum rück­ten, zu­nächst vor­sich­tig be­grüßt. Aber es dau­er­te nicht lan­ge, bis das Ru­brum »In­ner­lich­keit« pe­jo­ra­tiv ver­wen­det wur­de: Eit­le Selbst­be­spie­ge­lung, See­len­strip­tease, un­po­li­tisch, re­stau­ra­tiv – oder knapp for­mu­liert: lang­wei­lig und nar­ziss­tisch. Da­bei ist es ei­gent­lich bis heu­te ge­blie­ben. Im­mer noch gilt In­ner­lich­keits­pro­sa als ver­däch­tig, wenn sie fast oh­ne Plot da­her­kommt oder sich nicht not­dürf­tig min­de­stens als Ent­wick­lungs­ro­man tarnt. Merkwürdiger­weise kei­ne Pro­ble­me gibt es mit den In­ner­lich­kei­ten der Haupt­fi­gu­ren im Kri­mi­nal­gen­re, wie bei­spiels­wei­se in den in­zwi­schen längst als Li­te­ra­tur ka­no­ni­sier­ten Kri­mi­nal­ro­ma­nen des kürz­lich ver­stor­be­nen Hen­ning Man­kell. Die Le­bens­pro­ble­me sei­ner Haupt­fi­gur Wallan­der wer­den gleich­ran­gig mit dem zu lö­sen­den Kri­mi­nal­fall be­han­delt. Da­bei kä­me nie­mand auf die Idee, Man­kells Wallan­der-Ro­ma­ne als In­ner­lich­keits­pro­sa zu ver­or­ten. Tat­säch­lich gel­ten sie als »au­then­tisch« und da­mit wird ei­ner der ak­tu­el­len Feuilleton­götzen ge­hul­digt: Li­te­ra­tur hat sich ei­nem Rea­lis­mus zu ver­pflich­ten. Nur das Fan­ta­sy-Gen­re und li­te­ra­ri­sche Dys­to­pien sind von die­sem Ge­setz be­freit (was de­ren Er­schei­nungs­men­ge er­klärt).

Der me­dia­le Er­folg von Cle­mens J. Setz’ »Die Stun­de zwi­schen Frau und Gi­tar­re« liegt wo­mög­lich dar­in, dass er ei­ne In­ner­lich­keits­pro­sa an­bie­tet, die im Tem­po und Zeit­geist der Ge­gen­wart da­her­kommt und zu­sätz­lich noch ei­ne Sus­pen­se-Hand­lung ein­ge­baut hat. Die Haupt­fi­gur ist die 21jährige Psych­ia­trie-Be­treue­rin Na­ta­lie Rein­eg­ger. Er­zählt wer­den (bis auf die we­ni­gen Sei­ten Epi­log, der zwei Jah­re spä­ter spielt) sie­ben oder acht Mo­na­te im Le­ben die­ser jun­gen Frau, die in ei­ner psych­ia­tri­schen An­stalt (Eu­phe­mis­mus: »Be­treu­tes Woh­nen«) ei­ne neue Stel­le be­ginnt. Das Set­ting kommt da­her wie ein Kam­mer­spiel; vier Be­treue­rin­nen, ein, zwei »Zi­vil­die­ner«, ei­ne Hand­voll Be­woh­ner.

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»Nur, wenn sie müs­sen…«

Vom Elend von Dis­kus­sio­nen um Pla­gia­te bei Schrift­stel­lern

Fontaine-Duchamp
(Fo­to: By Mi­cha L. Rie­ser (Own work) [CC BY-SA 3.0 or GFDL ], via Wi­ki­me­dia Com­mons)

Über­sicht:

I. Von Kopf­jä­gern
II. In­ter­tex­tua­li­tät bzw.: »Man macht sich leicht lä­cher­lich«
III. Kast­ber­ger ./. Kehl­mann
IV. Epi­log – mit ei­nem Vor­schlag zur Gü­te

En dé­tail:

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De­mut und Wut

Preis­ver­ga­be. Und ei­ni­ge un­we­sent­li­che Be­mer­kun­gen.

Hart­näckig wei­ger­te sich der neue Ju­ry­vor­sit­zen­de Burk­hard Spin­nen ein Pau­schal­ur­teil über den ak­tu­el­len »Jahr­gang« beim Bach­mann­preis 2008 ab­zu­ge­ben. Das kön­ne man nicht, so Spin­nen, wenn über­haupt müs­se man zehn, fünf­zehn Jah­re ab­war­ten; es sei­en ja schliess­lich kei­ne Wein­jahr­gän­ge.

Spin­nen stiehlt sich da aus ei­nem Ur­teil her­aus. Das über­rascht nur vor­der­grün­dig. Wür­de er zu­ge­ben, dass das Ni­veau schwach war, kri­ti­siert er auch im­pli­zit die Ju­ro­ren und auch sich sel­ber. Die Ju­ry aber – die­sen Ein­druck be­kam man sehr schnell – ist ziem­lich kri­tik­re­si­stent.

Hin­ter der jo­via­len Fas­sa­de des Mo­de­ra­tors Die­ter Moor (der mit sei­ner zwang­haf­ten Ge­sprächs­füh­rungs­rhe­to­rik nicht nur stör­te, son­dern auch ge­le­gent­lich in un­zu­läs­si­ger Wei­se in den Wett­be­werb ein­griff) schlum­mer­ten die längst aus­ge­tüf­tel­ten Be­wer­tungs­fall­bei­le bei­spiels­wei­se des Wich­tig­tu­ers Ijo­ma Man­gold, der teil­wei­se voll­kom­men ver­wirr­ten (und text­un­si­che­ren) Ur­su­la März und ei­nes fast zwang­haft den Clown ge­ben­den Klaus Nüch­tern.

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