»Nur, wenn sie müs­sen…«

Vom Elend von Dis­kus­sio­nen um Pla­gia­te bei Schrift­stel­lern

Fontaine-Duchamp
(Fo­to: By Mi­cha L. Rie­ser (Own work) [CC BY-SA 3.0 or GFDL ], via Wi­ki­me­dia Com­mons)

Über­sicht:

I. Von Kopf­jä­gern
II. In­ter­tex­tua­li­tät bzw.: »Man macht sich leicht lä­cher­lich«
III. Kast­ber­ger ./. Kehl­mann
IV. Epi­log – mit ei­nem Vor­schlag zur Gü­te

En dé­tail:

Von Kopf­jä­gern

Im Ja­nu­ar 1990 gab es im »stern« ei­ne gro­ße Ge­schich­te von Ha­rald Wie­ser über Wal­ter Kem­pow­ski. »Der Ab­schrei­ber« lau­te­te der Ti­tel des Tex­tes in der Wie­ser Kem­pow­ski des Pla­gi­ats überführ(t)e(n woll­te). Die­ser ha­be sich in sei­nem 1978 er­schie­ne­nen Buch »Aus gro­ßer Zeit« aus den Le­bens­er­in­ne­run­gen ei­nes an­de­ren, längst ver­ges­se­nen Ro­stocker Au­tors, Wer­ner Tschirch, be­dient. Fünf Sei­ten aus ei­nem Buch von Tschirch sei­en in Kem­pow­skis Werk ein­ge­ar­bei­tet wor­den – na­tür­lich oh­ne ent­spre­chen­de Hin­wei­se. Kem­pow­ski war da­mals nicht zu­letzt auf­grund der Ver­fil­mun­gen sei­ner au­to­bio­gra­phisch tim­brier­ten Ro­ma­ne durch Eber­hard Fech­ner ein sehr po­pu­lä­rer Au­tor. Der Plagiats­vorwurf er­reg­te dem­zu­fol­ge gro­ßes Auf­se­hen, so­gar in den »Ta­ges­the­men« der ARD wur­de der »Fall« be­han­delt.

Was viel­leicht nicht ganz un­wich­tig ist: Wie­ser war vom »Spie­gel« zum »stern« ge­wech­selt. Sei­nen größ­ten Coup lan­de­te Wie­ser 1987 – da­mals noch für den »Spie­gel«. Er re­cher­chier­te dass der Fern­seh­jour­na­list und zeit­wei­li­ge WDR-Fern­seh­di­rek­tor Wer­ner Hö­fer in den 1940er Jah­ren zahl­lo­se Na­zi-freund­li­che Ar­ti­kel für Zei­tun­gen ge­schrie­ben hat­te. Dies gip­fel­te 1943 in ei­nem Ar­ti­kel über die Hin­rich­tung ei­nes jun­gen Klavier­virtuosen, die Hö­fer »ge­fei­ert« kom­men­tiert ha­be. Hö­fers Re­la­ti­vie­run­gen hal­fen nicht – bin­nen kur­zer Zeit muss­te er sei­ne Sen­dung »Der in­ter­na­tio­na­le Früh­schop­pen« auf­ge­ben.

Wie­sers Re­cher­chen wa­ren ein Scoop ge­we­sen, so­zu­sa­gen »Spiegel«-like. Drei Jah­re spä­ter ver­such­te er mit sei­nem An­griff auf Kem­pow­ski ähn­li­ches. Es gab je­doch zwei si­gni­fi­kan­te Un­ter­schie­de: Zum ei­nen war und ist es im­mer ein dank­ba­res Feld, lan­ge ver­bor­ge­ne Na­zi-Kum­pa­nei­en auf­zu­decken. Aber hier ging es um et­was ganz an­de­res. Und zum an­de­ren war Wie­ser in­zwi­schen beim »stern« und nicht mehr beim »Spie­gel«.

Der Vor­wurf ge­gen Kem­pow­ski wur­de vor al­lem von zwei pu­bli­zi­sti­schen In­ter­ven­tio­nen ab­ge­schmet­tert: Hell­muth Ka­ra­seks em­pha­ti­scher Text »Der Ehr­ab­schrei­ber« im »Spie­gel« und Vol­ker Ha­ges Auf­satz »Ein Fall von Phi­li­ste­rei« in der Wo­chen­zei­tung »Die Zeit«.

Be­son­ders Ka­ra­sek lässt die ver­meint­li­chen wie tat­säch­li­chen so­ge­nann­ten Pla­gi­ats­fäl­le in der Welt­li­te­ra­tur ein­drucks­voll Re­vue pas­sie­ren: Büch­ner, Tho­mas Mann, Al­fred Dö­b­lin, Pe­ter Weiss, um nur ei­ni­ge zu nen­nen – al­les Ab­schrei­ber. Ka­ra­sek nimmt ex­pli­zit Par­tei für ein sol­ches Ver­fah­ren: »Vie­le Er­zäh­ler, Ma­ler, Mu­si­ker der Mo­der­ne sind nicht Er­fin­der, son­dern Fin­der.« Das Ge­fun­de­ne, so lässt sich Ka­ra­sek in­ter­pre­tie­ren, for­men sie um, stel­len es in ei­nen an­de­ren Kon­text und so ent­steht ei­ne Art Mehr­wert. Die­ser Mehr­wert schafft et­was ge­nu­in Neu­es.

Mit der ei­gent­li­chen Cau­sa lässt sich Ka­ra­sek Zeit und han­delt sie ei­lig ab. Er kommt zu dem Schluss: Mö­gen es auch 5 Sei­ten Ab­ge­schrie­be­nes ge­we­sen sein (von 450), bei Büch­ner wa­ren es 10 von 20. Der ehe­ma­li­ge »Spiegel«-Kollege wird flugs zum »Kopf­jäger« (was drei Jah­re vor­her bei Wer­ner Hö­fer noch gou­tiert wur­de). Ka­ra­seks Bi­lanz: »Wie­sers Vor­ge­hen er­in­nert an ei­nen Mann, der mit ei­nem Vor­schlag­ham­mer ei­nen Fern­se­her zer­trüm­mert, um zu be­wei­sen, daß kei­ne klei­nen Männ­chen drin sei­en, die das Pro­gramm mach­ten.« Ka­ra­seks Vor­ge­hen hin­ge­gen er­in­nert an ei­nen Rich­ter, der den Ein­bre­cher frei spricht, weil er nicht die gan­zen 1000 Eu­ro aus der Kas­se ge­stoh­len hat, son­dern nur 200.

Ins glei­che Rohr stößt auch Vol­ker Ha­ge und nennt Wie­sers Be­weis­füh­rung pau­schal »Phi­li­ste­rei«. (Er meint Wie­sers Vor­ge­hens­wei­se bei Kem­pow­ski, nicht die ge­gen Hö­fer.) Ha­ges Text mün­det in der süf­fi­san­ten Aus­sa­ge: »Es ist wahr: gro­ße Dich­ter sind oft ori­gi­nell; aber nur, wenn sie müs­sen.« Das ist üb­ri­gens ein Text von Egon Frie­dell (was Ha­ge na­tür­lich ein­ge­steht).

Das Er­geb­nis am En­de die­ser »Af­fä­re«: Kem­pow­ski war »ge­ret­tet«. Ka­ra­sek und Ha­ge hat­ten hel­den­haft die Li­te­ra­tur ver­tei­digt. Wer­ner Tschirch blieb un­be­kannt. Von Wie­ser er­schien ir­gend­wann ei­ne Bio­gra­fie über Ha­rald Juhn­ke.

In­ter­tex­tua­li­tät bzw.: »Man macht sich leicht lä­cher­lich«

Un­ge­ach­tet des Ein­zel­falls und der zeit­li­chen Di­stanz zei­gen die Tex­te von Ka­ra­sek und Ha­ge ex­em­pla­risch das Pro­blem, wenn von Pla­gia­ten in der Li­te­ra­tur die Re­de ist. Es lässt sich auf die Fra­ge ver­dich­ten, was ge­nu­in Ab­schrei­be­rei ist und was Col­la­ge. Zwan­zig Jah­re nach den An­schul­di­gen ge­gen Kem­pow­ski hat­te in den Feuil­le­tons im Rah­men der Pla­gi­ats­dis­kus­si­on um He­le­ne He­ge­manns »Axolotl Road­kill« 2010 der Be­griff der In­ter­tex­tua­li­tät Ein­lass ge­fun­den, der bis da­hin der Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft vor­be­hal­ten schien. Da­mit wur­den He­ge­manns Ab­schrei­be­rei­en aus dem Ro­man »Stro­bo« ei­nes ge­wis­sen Ai­ren von ei­ni­gen Kri­ti­kern so­zu­sa­gen le­gi­ti­miert. Er­staun­lich, dass die Ju­ry des Leip­zi­ger Buch­prei­ses »Axolotl Road­kill« trotz die­ser Vor­wür­fe noch auf die Short­list setz­te. Die da­ma­li­ge Ju­ry­vor­sit­zen­de Ve­re­na Auf­fer­mann be­zeich­ne­te He­ge­mann als »ex­trem be­gabt« (was ja streng ge­nom­men nichts über das Buch aus­sag­te) und es ge­nüg­te ihr, dass nun »al­les ei­nen or­dent­li­chen Weg« ge­he, was den Ur­he­ber­rechts­streit mit Ai­ren an­ge­he. Zum Buch­preis hat es dann doch nicht ge­reicht.

Rück­wir­kend be­trach­tend ist der Fall He­ge­mann ei­ner der we­ni­gen in der jün­ge­ren Ge­schich­te, in de­nen der Pla­gi­ats­vor­wurf von na­he­zu al­len Prot­ago­ni­sten ein­ge­stan­den wur­de (auch wenn He­le­ne He­ge­mann im Nach­klapp von »nur« zwei Sei­ten sprach). Sel­ten ist es auch der Fall, dass sich al­le Be­tei­lig­ten als Ge­win­ner se­hen konn­ten. He­ge­mann wur­de auf­grund ih­res ju­gend­li­chen Al­ters so­zu­sa­gen »ver­zie­hen« – und ver­kauf­te ih­ren Erst­ling in­klu­si­ve di­ver­ser Fern­seh­auf­trit­te groß­ar­tig. Ai­rens Ro­man, ur­sprüng­lich im klei­nen, aber um­trie­bi­gen SuKuL­TuR-Ver­lag er­schie­nen, wur­de in ei­nem grö­ße­ren Ver­lag neu auf­ge­legt. Der Be­trieb hat­te ein paar Wo­chen et­was zu schrei­ben und die Öf­fent­lich­keit ei­nen (ge­mä­ssig­ten) Auf­re­ger.

In der Re­gel wer­den Pla­gi­ats­vor­wür­fe im zeit­ge­nös­si­schen Li­te­ra­tur­mi­lieu mit Arg­wohn be­trach­tet. (Der Ein­wurf in Be­zug auf He­le­ne He­ge­mann kam auch so­zu­sa­gen von »au­ßer­halb«, dem Blog­ger Deef Pir­ma­sens). Deut­lich konn­te man dies bei den Vor­wür­fen ge­gen­über Tex Ru­bi­no­witz im Som­mer 2015 se­hen. Frank Fi­scher und Jo­sef Wälz­holz war­fen Ru­bi­no­witz in der FAZ vor in sei­nem Ro­man »Ir­ma« »zum Haus­sper­ling, zu ‘Deep Space Ni­ne’, zu Ma­ry Hop­kin, zu Bruce Dick­in­son, zu den Na­ja­den und noch zu ein paar an­de­ren Sa­chen« satz­wei­se aus der Wi­ki­pe­dia ab­ge­schrie­ben zu ha­ben. Die bei­den Au­toren sind auch Her­aus­ge­ber des On­line-Ma­ga­zins »Der Um­blät­te­rer«. Die­ses Ma­ga­zin hat­te über ei­ni­ge Jah­re ei­ne lo­se Rei­he mit so­ge­nann­ten Vos­sia­ni­schen An­to­no­ma­si­en pu­bli­ziert, in de­nen im­mer je­weils fünf sol­cher Fund­stücke mit An­ga­be der Quel­le (wenn auch et­was ver­steckt) ver­öf­fent­licht wur­den. Im »Süd­deut­sche Zei­tung Ma­ga­zin« (Heft 05/2015) wid­me­te sich nun Ru­bi­no­witz den Vos­sia­ni­schen An­to­no­ma­si­en und be­dien­te sich aus­gie­big mit Bei­spie­len aus dem »Um­blät­te­rer«. Da­ge­gen wä­re nichts zu sa­gen, wenn we­nig­stens die Quel­le er­wähnt wor­den wä­re. Frank Fi­scher (»Pa­co«) be­merk­te die­sen Klau und the­ma­ti­sier­te ihn im »Um­blät­te­rer«. Ru­bi­no­witz wur­de von ihm zum »Gut­ten­berg des Feuil­le­tons« er­klärt. Der Fall war ein­deu­tig: »Ru­bi­no­witz gibt den lu­sti­gen Zi­ta­te­ar­ran­gie­rer, sein Ar­ti­kel be­steht aber im Kern aus von uns über 5,5 Jah­re ku­ra­tier­tem Ma­te­ri­al. Un­se­re Samm­lung macht qua­si den hal­ben Text aus.« Ru­bi­no­witz gab sich bei den Um­blät­te­rern »to­tal ge­knickt«, bei der »Klei­nen Zei­tung« spä­ter dann eher nicht mehr.

Und wie sieht es mit dem Vor­wurf zum Ro­man »Ir­ma« aus? Nicht nur in den Kom­men­ta­ren zum Ar­ti­kel war die Kri­tik eher ver­hal­ten (11 von 12 Kom­men­ta­ren er­ken­nen kei­ne bis kaum Pro­ble­me in der nicht ge­nann­ten Ver­wen­dung der Wi­ki­pe­dia). Kaum be­rück­sich­tigt bei der Be­wer­tung des Fal­les wur­de, dass Ru­bi­no­witz in »Ir­ma« sehr wohl ein Quel­len­ver­zeich­nis auf­führt, aber da­bei stets die Zi­ta­te aus der Wi­ki­pe­dia ver­schwie­gen hat­te. Ru­bi­no­witz gab sich zwar »zer­knirscht«, aber die Auf­re­gung hielt sich in Gren­zen. Wo­mög­lich wä­re es span­nen­der ge­wor­den, wenn Ru­bi­no­witz von ei­nem da­hindar­ben­den Ly­ri­ker aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern oder Bur­ki­na Fa­so ab­ge­kup­fert hät­te. Aber Wi­ki­pe­dia? Die »Quel­le: In­ter­net«? Ur­he­ber­recht­li­ches Nie­mands­land wie wei­land für Tho­mas Mann die En­zy­klo­pä­dien.

Wer ein ver­meint­lich re­le­van­tes Pla­gi­at glaubt ent­deckt zu ha­ben und dies pu­bli­ziert, be­gibt sich auf heik­lem Ter­rain. Zum ei­nen ist im Ge­gen­satz zum wis­sen­schaft­li­chen Ar­bei­ten in der fik­tio­na­len Li­te­ra­tur nicht ein­deu­tig de­fi­niert, wann es sich um ein Pla­gi­at oder ei­ne wo­mög­lich er­laub­te An­eig­nung und Wei­ter­ver­ar­bei­tung han­delt und wann nicht. »Die Gren­zen zwi­schen Zi­tat und Pla­gi­at sind schwer zu zie­hen. Man macht sich leicht lä­cher­lich…«, schrieb Ka­ra­sek schon 1990. For­scher, die sich mit Pla­gia­ten aus­gie­big be­schäf­ti­gen, nei­gen ent­we­der da­zu, die­se zu ba­ga­tel­li­sie­ren oder über­all wel­che zu ent­decken; ge­le­gent­lich er­scheint es, als ge­sche­he bei­des gleich­zei­tig.

Re­zen­sen­ten­kol­le­gen schät­zen sol­che Ent­deckun­gen nicht be­son­ders, weil man ih­nen (ab­sur­der­wei­se) vor­wer­fen könn­te, nicht sel­ber das Pla­gi­at in ih­rer Be­spre­chung ge­fun­den zu ha­ben. Schnell sieht sich der Ent­decker ei­nes ver­meint­li­chen Ab­schrei­bens als Nei­der ab­qua­li­fi­ziert. So keilt Ro­bin Det­je in sei­nem Text zur Ru­bi­no­witz-An­ge­le­gen­heit auf »Zeit­on­line« aus, in dem er In­ter­ven­tio­nen wie die von Fischer/Wälzholz in die Ecke von »Künst­ler­hass und Kul­tur­ver­ach­tung« stell­te. Da­bei darf man nicht ver­ges­sen, dass Jour­na­li­sten wie Det­je, die das Ab­schrei­ben nach der »co­py & paste«-Methode zur Pe­ti­tes­se er­klä­ren, seit Jahr und Tag ge­wohnt sind, Ma­te­ri­al zu ver­ar­bei­ten und als ih­re Krea­ti­on aus­zu­ge­ben, oh­ne Quel­len zu nen­nen. Das dann aus­ge­rech­net aus die­sen Krei­sen die Ober­fläch­lich­keit von Netz­pu­bli­zi­sten und Blog­gern und de­ren ver­meint­lich fahr­lässiger Um­gang mit dem Ur­he­ber­recht ge­gei­sselt wird, ist in die­sem Zu­sam­men­hang nicht frei von Ko­mik.

Hin­zu kommt die lan­ge Tra­di­ti­on des Ge­nie­kults im deut­schen Li­te­ra­tur­be­trieb. Man mag gar nicht sa­gen, wann das be­gann. Schon vor oder erst mit Goe­the? Die In­sze­nie­rung des Dich­ters als Ge­nie ist ge­ra­de in Zei­ten ei­nes im­mer mehr per­so­na­li­sier­ten Feuil­le­tons eher noch wich­ti­ger ge­wor­den. Ein ar­ri­vier­ter und be­lieb­ter Schrift­stel­ler, der des Pla­gi­ats so­zu­sa­gen über­führt wur­de, wä­re mo­ra­lisch dis­kre­di­tiert. Dies wür­de al­ler­dings auch für die Jour­na­li­sten gel­ten, die die­sen Au­tor wo­mög­lich über vie­le Jah­re in den höch­sten Tö­nen ge­lobt ha­ben.

Im­mer sel­te­ner ent­deckt man in Re­zen­sio­nen Hin­wei­se auf Quel­len, von de­nen ein li­te­ra­ri­sches Werk ge­speist wur­de. Das ist in An­be­tracht der in­zwi­schen zahl­rei­chen so­ge­nann­ten Do­ku-Fik­ti­ons er­staun­lich. Ent­we­der wis­sen die Re­zen­sen­ten da­von nichts mehr – oder sie ha­ben (s. o.) die Furcht, sich lä­cher­lich zu ma­chen. Wenn dann An­ge­la Lei­nen in ei­ner Be­spre­chung zu Stef­fen Ko­petz­kys Buch »Ri­si­ko« von »fast wörtlich[en]« Über­nah­men aus ei­nem an­de­ren Text schreibt (in ih­rem Blog geht Lei­nen noch et­was kon­kre­ter dar­auf ein) – in­ter­es­siert dies ver­blüf­fen­der­wei­se nie­man­den mehr (Ko­petz­kys Buch stand auf der Longlist zum Deut­schen Buch­preis 2015.)

Kast­ber­ger ./. Kehl­mann

Wie bern­har­desk ein Streit um Pla­gi­at oder nicht es­ka­lie­ren kann, kann man ge­ra­de im Streit zwi­schen Klaus Kast­ber­ger und Da­ni­el Kehl­mann se­hen. In ei­nem In­ter­view mit der Wie­ner Zei­tung sag­te Kast­ber­ger:

»Denn na­tür­lich soll­ten wir uns als Kri­ti­ker zum Bei­spiel mit der Fra­ge be­schäf­ti­gen, war­um Da­ni­el Kehl­mann so ei­nen Er­folg hat und so viel ver­kauft, ob­wohl er nichts an­de­res macht, als Wi­ki­pe­dia ab­zu­schrei­ben und dar­aus Ro­ma­ne zu ba­steln.«

Auf die Be­mer­kung des Fra­gen­den »Das war jetzt aber schon et­was de­spek­tier­lich« ant­wor­tet Kast­ber­ger dann:

»Na­ja, man hat ja nach­ge­wie­sen, wie sehr sich die Ein­trä­ge zu Gauß und Hum­boldt auf Wi­ki­pe­dia und man­che Pas­sa­gen der ‘Ver­mes­sung der Welt’ äh­neln. Aber das ist ja ein le­gi­ti­mes Mit­tel. Die Avant­gar­di­sten ha­ben auch ir­gend­ein be­reits exi­stie­ren­des Stück Text ge­nom­men und ihn dann zur Li­te­ra­tur er­klärt. Wenn Duch­amp ein Uri­nal neh­men konn­te, ‘Duch­amp’ drauf schrei­ben und dann war es Kunst, dann darf auch Da­ni­el Kehl­mann ei­nen Wi­ki­pe­dia-Ar­ti­kel neh­men, ‘Kehl­mann’ drauf schrei­ben und sa­gen, es ist Li­te­ra­tur.«

Dar­auf­hin mel­de­te sich Da­ni­el Kehl­mann ent­rü­stet und ent­deckt bei Kast­ber­ger »den be­währ­ten Trick al­ler ge­schick­ten In­tri­gan­ten und Ruf­mör­der […], ei­ne frei er­fun­de­ne Lü­ge als all­ge­mein ver­brei­te­tes Wis­sen aus­zu­ge­ben«. Wei­ter schreibt er:

»Ich for­de­re Herrn Kast­ber­ger auf, ent­we­der die Ar­ti­kel, auf die er sich be­zieht, vor­zu­le­gen oder aber ei­ne ein­zi­ge aus Wi­ki­pe­dia ab­ge­schrie­be­ne Stel­le mei­nes Ro­mans zu nen­nen.«

Kast­ber­gers Ant­wort re­kur­riert auf die Zeit­schrift »Hum­boldt im Netz« (XIII, 25, 2012), in der ei­ni­ge »Ein­wän­de noch ein­mal zu­sam­men­ge­fasst und zu­sätz­lich spe­zi­fi­ziert« wor­den sei­en. Kast­ber­ger be­ruft sich aber­mals auf Duch­amp und sti­chelt: »Nur je­mand, der sich – ganz ge­gen die Be­grün­dungs­zu­sam­men­hän­ge der Mo­der­ne – in sei­nem li­te­ra­ri­schen Schaf­fen und da­bei qua­si nur aus ei­ner sehr kur­zen Pha­se der Li­te­ra­tur­ge­schich­te kom­mend als Ori­gi­nal-Ge­nie ver­steht, ver­möch­te den Hin­weis auf die Quel­len, die er ver­wen­det, als Ruf­mord zu se­hen, so wie Sie es mir ge­gen­über tun.«. Ei­nen »philo­logischen Be­weis«, das Kehl­mann aus der Wi­ki­pe­dia ab­ge­schrie­ben ha­be, brau­che er nicht zu er­brin­gen, da er den Vor­wurf nicht er­ho­ben ha­be.

Kehl­mann er­neu­ert in sei­ner Re­plik den Vor­wurf des In­tri­gan­ten­tums und weist dar­auf hin, in der ge­nann­ten Zeit­schrift wer­de das Ge­gen­teil be­haup­tet, näm­lich das Kehl­manns Alex­an­der von Hum­boldt »zu weit von der hi­sto­ri­schen Vor­la­ge ab­wi­che«.

Die­se Ein­las­sung Kehl­manns ist kor­rekt. In der im »Netz ver­füg­ba­ren Zeit­schrift wird Kehl­mann in meh­re­ren Auf­sät­zen ei­ne aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht un­zu­läs­si­ge Ver­quickung von Ori­gi­nal­fak­ten und Fik­tio­nen vor­ge­wor­fen. Ex­em­pla­risch kann man hier le­sen, wie die Usur­pa­ti­on und Ver­frem­dung ei­ner re­al exi­stie­ren­den Per­son durch Fik­ti­on zu un­ter Um­stän­den nach­hal­tig fal­schen »Über­lie­fe­run­gen« au­ßer­halb des Wissenschafts­betriebs füh­ren kann. Frank Holl bi­lan­ziert in sei­nem Auf­satz denn auch1:

»Im Grun­de ist ‘Die Ver­mes­sung der Welt’ ein an­ti­auf­klä­re­ri­sches Buch. Im be­sten Fall ist es nicht mehr als ein sinn­frei­er hi­sto­ri­scher Spaß. Die­ser geht al­ler­dings auf Ko­sten zwei­er Per­so­nen, die sich nicht mehr weh­ren kön­nen.«

Ott­mar Et­te be­schäf­tigt sich eben­falls kri­tisch mit Kehl­manns Schreib­ver­fah­ren2:

»Ge­ra­de mit Blick auf Hum­boldt hat Kehl­mann – wie er in sei­nen In­ter­views und Stel­lung­nah­men zu be­to­nen nicht mü­de wird – in­ten­siv re­cher­chiert, ha­be er doch ’sehr, sehr viel ge­le­sen – was al­ler­dings zu be­wäl­ti­gen war, weil es über Hum­boldt sehr vie­le Ab­hand­lun­gen gibt, die ei­nen Über­blick her­stel­len’. Kein Zwei­fel: Die­se Lek­tü­ren wa­ren für Kehl­mann höchst er­trag­reich. Denn es wä­re ein Leich­tes, die vie­len von ihm aus der äl­te­ren Hum­boldt-Li­te­ra­tur be­zo­ge­nen Kli­schees in ih­ren je­wei­li­gen Quel­len nach­zu­wei­sen und auf­zu­zei­gen, in wel­chem Ma­ße die­se Ar­bei­ten und Edi­tio­nen als Stein­brü­che für Epi­so­den, An­ek­do­ten und Ein­sich­ten ge­nutzt wur­den. Die Ver­mes­sung der Welt ist die li­te­ra­ri­sche Ant­wort auf die edi­to­ri­schen Ex­trak­te und Sur­ro­ga­te. Play it again, Sam.«

Et­te schreibt ne­bu­lös von »Stein­brü­chen« und ver­mei­det den­noch jeg­li­chen pe­jo­ra­ti­ven An­satz. Er fährt fort:

»Kehl­mann hat die über lan­ge Jahr­zehn­te in der bio­gra­phi­schen und edi­to­ri­schen Li­te­ra­tur mit­ge­schlepp­ten Hum­boldt-Split­ter neu ver­dich­tet und pfif­fig in Ro­man­hand­lun­gen über­setzt. Das war höchst ef­fi­zi­ent. […] Im Zen­trum die­ses satt­sam be­kann­ten Ab­zieh-Bil­des, des­sen Kehl­mann sich be­dien­te, aber steht das Schei­tern Alex­an­der von Hum­boldts und zu­gleich das Schei­tern sei­ner Art, Wis­sen­schaft zu be­trei­ben. Kein Wort dar­über, daß Hum­boldt im­mer wie­der selbst­iro­nisch mit der Vor­stel­lung des Schei­terns ge­spielt und sein ei­ge­nes Schei­tern hin­ter­grün­dig in­sze­niert hat…«

Et­was spä­ter heißt es dann:

In den zahl­rei­chen In­ter­views wird die Ge­lehr­ten­sa­ti­re mit ih­ren vie­len ver­gnüg­li­chen Pas­sa­gen und ih­rer flot­ten Schrei­be zu ei­ner Re­cher­che um­sti­li­siert, die sich auf die Su­che nach den wis­sen­schaft­li­chen Zusammen­hängen und Hin­ter­grün­den be­ge­ben ha­be. Die Fik­tio­na­li­tät wird spie­le­risch so sehr mit schein­ba­rer Fak­ti­zi­tät ver­quirlt, daß zu­min­dest ei­nem Pu­bli­kum, das we­der mit Gauß noch mit Hum­boldt ver­traut ist, Au­then­ti­zi­tät vor­ge­gau­kelt wer­den kann. Mag Da­ni­el Kehl­mann zwei­fel­los auch viel re­cher­chiert ha­ben: Aus­ge­dehn­te Lek­tü­ren von Tex­ten aus der Fe­der Hum­boldts dürf­ten wohl kaum da­bei ge­we­sen sein. Wie denn auch?«

Kehl­manns Ro­man sei das »Er­geb­nis ei­ner in­ten­si­ven Kan­ni­ba­li­sie­rung von Wis­sen­schaft«. Wei­ter heißt es:

»Der Ro­man hat sich ei­ne klei­ne Bi­blio­thek nicht nur von Hum­boldt-Ver­schnit­ten, son­dern auch von äl­te­rer Li­te­ra­tur über Hum­boldt ein­ver­leibt, sorg­sam nach er­zäh­le­risch Ver­wert­ba­rem durch­for­stet. Ein der­ar­ti­ges Vor­ge­hen ist le­gi­tim, kei­ne Fra­ge. Al­ler­dings soll­te uns die Ein­ver­lei­bung so zahl­rei­cher Ab­hand­lun­gen nicht glau­ben ma­chen, daß wir zwi­schen den Buch­deckeln oder in den In­ter­views et­was Kon­si­sten­tes – ge­schwei­ge denn et­was Neu­es – über Gauß oder Hum­boldt er­fah­ren könn­ten. Viel­mehr steht zu be­fürch­ten, daß man­che der Ste­reo­ty­pen, die man doch schon längst ver­braucht wähn­te, nun wie­der fröh­lich in der Öf­fent­lich­keit zir­ku­lie­ren wer­den.«

Und Holl schreibt:

»Wäh­rend an­de­re Au­toren hi­sto­ri­scher Ro­ma­ne ih­re Ar­beits­wei­se und Quel­len of­fen­le­gen, wi­der­setzt sich Kehl­mann die­ser Of­fen­heit. Er fügt den hi­sto­risch über­prüf­ba­ren Fak­ten ei­ge­ne, er­fun­de­ne hin­zu, oh­ne klar­zu­stel­len, um wel­che es sich han­delt.« (S. 59)

Die Tex­te von Holl und Et­te zei­gen en pas­sant die Pro­ble­me für die Wis­sen­schaft auf, wenn li­te­ra­ri­sche Do­ku-Fik­ti­ons sich ei­ner oder meh­re­rer Per­so­nen (oder ei­nes Stof­fes) an­neh­men, ihn (na­tur­ge­mäß) ver­frem­den, kom­pi­lie­ren und/oder zu­recht­bie­gen. Aber die­se Ver­fah­ren sind le­gi­tim; mo­der­ne Er­zäh­ler »dür­fen« das (und es ist nicht »gönner­haft«, ih­nen dies zu­zu­ge­se­hen, son­dern ein­fach nur ein Fakt).

Und nun al­so die Gret­chen­fra­ge. Wer hat Recht im Fall Kast­ber­ger vs. Kehl­mann? Die Ant­wort ist wie im­mer nicht so ein­fach. Kast­ber­gers hin­ge­wor­fe­nes wie ein Ur­teil er­schei­nen­des Dik­tum, Kehl­mann schrei­be aus der Wi­ki­pe­dia ab, war un­prä­zi­se und hät­te ver­tie­fen­der Er­läu­te­run­gen (bei­spiels­wei­se durch prä­zi­ses Nach­fra­gen) be­durft. Das der be­trof­fe­ne Au­tor dar­auf ent­spre­chend ge­reizt re­agiert, war zu er­war­ten. In der Sa­che sagt Kast­ber­ger nichts an­de­res als das Li­te­ra­tur sich aus Quel­len speist. Ent­schei­dend ist dann, was der Fin­den­de aus die­sen Quel­len macht. Li­te­ra­tur­kri­tik und –wis­sen­schaft sol­len, so Kast­ber­gers An­spruch, die­se Quel­len ge­ge­be­nen­falls auf­spü­ren und die Ver­fah­ren des Au­tors sicht­bar ma­chen.

Epi­log ‑mit ei­nem Vor­schlag zur Gü­te

1997 pro­vo­zier­te Wal­ter Kem­pow­ski (der, der 1990 als »Ab­schrei­ber« be­schimpft wur­de) mit ei­nem Buch mit dem Ti­tel »Bloomsday 1997«. Hier zapp­te sich je­mand (= Kem­powski) am 16. Ju­ni 1997 (dem so­ge­nann­ten »Bloomsday«) durch 37 Fern­seh­pro­gram­me und pro­to­kol­lier­te, was er hör­te. Kem­pow­skis »Lei­stung« in die­sem Buch liegt ein­zig al­lein im Zap­pen und in der Do­ku­men­ta­ti­on. Ei­ge­ne Er­läu­te­run­gen feh­len voll­stän­dig. Spä­ter wird er in sei­nem »Echolot«-Projekt ähn­li­ches prak­ti­zie­ren: Ein kol­lek­ti­ves Ta­ge­buch von hun­der­ten von Per­so­nen, die si­mul­tan zu ei­ner be­stimm­ten Zeit ih­re Emp­fin­dun­gen und Im­pres­sio­nen ge­äu­ssert hat­ten. Der Schrift­stel­ler als Kom­po­si­teur. Fritz J. Rad­datz, der sich in den 1960er und 1970er Jah­ren für Kem­pow­ski ein­setz­te, fand es nicht »ganz rech­tens und rein­lich«, dass die »Echolot«-Bände »un­ter sei­nem Na­men ALS AUTOR« pu­bli­ziert wur­den, da »doch kein ein­zi­ges Wort dar­in von ihm [sei], es doch eher »her­aus­ge­ge­ben« hei­ßen müß­te (oder wel­ches col­la­giert-ar­ran­giert-in­s­ce­n­iert-Ver­bum im­mer)«. Ihn dar­auf an­ge­spro­chen, re­agier­te Kem­pow­ski ge­reizt, es kam, so Rad­datz »das Wal­ter-Ben­ja­min-Ar­gu­ment und das Pis­soir von Duch­amp: Nur weil 2 Leu­te hoch­stap­le­risch ‘Zi­ta­te’ als ei­ge­nes Kunst­werk aus­ga­ben, ist das ja noch kein ‘Ge­setz’ «3. (Wie es Rad­datz, der Tho­mas Mann so ver­ehr­te, mit des­sen »Col­la­gen« hielt, ist mir jetzt nicht be­kannt.)

Zur Gü­te könn­te man es ein für al­le Mal wie Cle­mens J. Setz hal­ten. Nach sei­nem Dank an ei­ni­ge Per­so­nen skiz­ziert er am En­de sei­nes Bu­ches »Die Stun­de zwi­schen Frau und Gi­tar­re« sei­ne we­ni­gen Über­nah­men. Er nennt es »El­stern­tum«. Ein ge­lun­ge­ner Be­griff, den man viel­leicht in Zu­kunft über­neh­men soll­te (mit © für Cle­mens J. Setz). Die­ser Be­griff, als Eu­phe­mis­mus ver­wen­det, wür­de ver­mut­lich Wo­gen glät­ten und Dis­kus­sio­nen be­för­dern. Man könn­te statt von Pla­gia­to­ren oder Pla­gi­at-Ver­däch­ti­gen ein­fach von »El­stern« spre­chen. Ei­ne ge­wis­se Por­ti­on Hu­mor wä­re dann im­mer noch er­for­der­lich. Aber wenn schon das deut­sche Fi­nanz­amt sei­ne Soft­ware »El­ster»4 nennt, dann müss­te das doch auch für Dich­ter mög­lich sein.


  1. Holl, Frank (2012): "Die zweitgrößte Beleidigung des Menschen sei die Sklaverei ..." – Daniel Kehlmanns neu erfundener Alexander von Humboldt. In: HiN - Humboldt im Netz. Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien (Potsdam - Berlin) XIII, 25, S. 46-62.; hier S. 61 

  2. Ette, Ottmar (2012): Alexander von Humboldt in Daniel Kehlmanns Welt. In: HiN - Humboldt im Netz. Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien (Potsdam - Berlin) XIII, 25, S. 34-40. 

  3. Fritz J. Raddatz, Tagebücher 1982-2001, 14. August 1999, Rowohlt-Verlag, Kindle 71% 

  4. steht für: elektronische Steuererklärung 

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  1. Mir scheint Kast­ber­gers Vor­ge­hen schon rhe­to­risch un­red­lich zu sein, und des­halb gar nicht so schwer zu be­wer­ten. Ich wür­de es nicht »un­prä­zi­se« nen­nen, son­dern ge­zielt ver­schlei­ernd. Sein Vor­wurf lau­tet im Kern, Kehl­mann wür­de »ei­nen Wi­ki­pe­dia-Ar­ti­kel neh­men, ‚Kehl­mann‘ drauf schrei­ben und sa­gen, es ist Li­te­ra­tur« (auch wenn er ein­fügt, das sei ja le­gi­tim, ist es ein Vor­wurf, denn es ist na­tür­lich nur le­gi­tim ge­mäß ei­nem Kunst­pro­gramm – er nennt Duch­amp, li­te­ra­ri­sche »Avant­gar­den« –, dem Kehl­mann nicht an­ge­hört.)

    Die­ses Ur­teil zi­tiert Kast­ber­ger nicht, son­dern for­mu­liert selbst so. Er stützt es auf die Be­haup­tung, Kehl­manns Wi­ki­pe­dia-Ab­schrei­ben sei von an­de­ren »nach­ge­wie­sen«. Wenn sich das dann aber als falsch er­weist, und er auf Nach­fra­ge nur ko­kett be­haup­tet, er ha­be ja den Vor­wurf nicht selbst er­ho­ben, müs­se ihn al­so auch nicht be­le­gen, ist das nicht un­prä­zi­se, son­dern heuch­le­risch.

  2. Dass die For­mu­lie­rung von Kast­ber­ger zu grob ist, stimmt. Ein kun­di­ger Fra­ge­stel­ler, der an der Sa­che in­ter­es­siert ist und nicht an ei­ner Skan­da­li­sie­rung, hät­te da nach­ge­fragt. Die Zi­ta­te aus der Hum­boldt-Zeit­schrift zei­gen, dass man Kehl­manns Quel­len­aus­wer­tung dort durch­aus am­bi­va­lent be­trach­tet (der Na­me »Wi­ki­pe­dia« fällt dort al­ler­dings nicht ex­pres­sis ver­bis) . Nun muss ein Schrift­stel­ler nicht den Hum­boldt-For­schern und ih­ren Vor­stel­lun­gen ge­nü­gen; auch Schil­ler ver­wur­ste­te die hi­sto­ri­schen Ge­ge­ben­hei­ten nach Gu­sto.

    Dass Kast­ber­ger Kehl­mann nicht de­zi­diert zur Avant­gar­de zählt, ist Ihr Schluss. Ich le­se das nicht so ein­deu­tig. Im üb­ri­gen stellt sich Fra­ge, was Avant­gar­de im 21. Jahr­hun­dert über­haupt ist. Schreibt man da ei­nen Kol­por­ta­ge-Ro­man über zwei Ge­lehr­te?

  3. Al­so »un­prä­zi­se« fin­de ich sehr zu­rück­hal­tend for­mu­liert. Herr Kast­ber­ger hat ei­ne Be­haup­tung auf­ge­stellt, die er durch kei­ne Quel­le und kein Zi­tat decken konn­te. »Man hat ge­zeigt, daß Kehl­mann aus Wi­ki­pe­dia ab­schreibt.« Aber man hat­te das nicht ge­zeigt, und auch er konn­te es nicht zei­gen. Er hat das ein­fach ge­sagt, weil es ge­ra­de gut klang für ihn. Das ist ein­fach ganz elen­de Phi­lo­lo­gie. Je­der Stu­dent fie­le da­für durch. Da ist es völ­lig egal, ob man Kehl­mann mag oder nicht, das ist wis­sen­schaft­lich in­dis­ku­ta­bel, und an­stän­dig ist es schon gar nicht.

  4. »Dass Kast­ber­ger Kehl­mann nicht de­zi­diert zur Avant­gar­de zählt, ist Ihr Schluss. Ich le­se das nicht so ein­deu­tig.«

    D.h. nur weil ei­ner hun­dert Jah­re nach Duch­amp sei­ne (an­schei­nend fal­sche) Dar­stel­lung der Ar­beits­wei­se ei­nes Au­tors mit dem Hin­weis auf Duch­amp und die Avant­gar­de würzt, soll es kein An­griff ge­we­sen sein?

    Dann könn­te ich jetzt na­tür­lich auch da­her­kom­men und be­haup­ten, Kehl­mann schrei­be über­haupt nichts selbst, son­dern kom­pi­lie­re und über­set­ze nur, und dann rhe­to­risch er­gän­zen: aber das sei ja le­gi­tim, schließ­lich hät­ten Ba­rock­au­toren das auch ge­macht. Die­se Be­haup­tung könn­te ich zwar durch nichts stüt­zen, aber mir könn­te auch kei­ner nach­wei­sen, dass ich Kehl­mann nicht de­zi­diert zu den Ba­rock­au­toren zäh­le und es nicht ei­gent­lich als Lob mei­ne.

  5. In Keu­sch­nigs Ar­ti­kel fehlt mir die Kon­tex­tua­li­sie­rung, es fehlt die Fra­ge, wel­che Rol­le kom­mu­ni­ka­ti­ons- und tech­no­lo­gie­hi­sto­ri­sche Ver­än­de­run­gen bei den an­ge­spro­che­nen Phä­no­me­nen spie­len. Daß Au­toren im­mer An­lei­hen der ver­schie­den­sten Art ge­nom­men ha­ben, daß die Col­la­ge ein ei­ge­nes, eh­ren­wer­tes Gen­re ist – die­se Tat­sa­chen sind der Er­wäh­nung wert, aber letzt­lich doch alt­be­kannt und kaum ar­gu­men­tier­be­dürf­tig.

    Vie­le Au­toren ver­wen­den heu­te kei­ne En­zy­klo­pä­dien, kei­ne viel­bän­di­gen Wer­ke, die sie wo­mög­lich in Bi­blio­the­ken durch­stö­bern, und auch nicht die Ge­sam­mel­ten Wer­ke Goe­thes oder Hei­nes, zum Bei­spiel, son­dern das In­ter­net. Das oft­mals recht ei­lig oder flüch­tig oder ober­fläch­lich zu­sam­men­ge­klick­te Ma­te­ri­al fließt dann in den Text ein. Die Ge­fahr ist, daß der Sinn für Er­kennt­nis­vor­gän­ge, für das Er­ar­bei­ten ei­ner Dar­stel­lung, für hi­sto­ri­sche Tie­fe und zeit­be­ding­te Un­ter­schie­de ver­lo­ren­geht. De­fi­zi­te die­ser Art stel­le ich nicht nur bei den He­ge­män­nern, son­dern auch bei weit­hin als se­ri­ös gel­ten­den Au­toren fest (zwei ha­be ich in ei­nem Bei­trag zu die­sem Blog ge­nannt). Ei­ne all­ge­mei­ne ge­sell­schaft­li­che Pro­ble­ma­tik, die im­mer noch un­ter­schätzt bzw. fehl­ein­ge­schätzt wird, wirkt auch im Feld der Li­te­ra­tur.

    Ei­ne Rol­le spie­len mög­li­cher­wei­se auch die Jahr­zehn­te des Neo­li­be­ra­lis­mus und der glo­ba­le Sie­ges­zug der Kul­tur- und Pop­in­du­strie. Auf der ei­nen Sei­te geht man höchst locker mit al­len mög­li­chen In­gre­di­en­zi­en um, man mixt gern Cock­tails je­der Art, manch­mal oh­ne je­des Ver­ständ­nis für das, wo­mit man han­tiert. Auf der an­de­ren Sei­te hat sich der eben­falls durch die Mo­ne­ta­ri­sie­rung des Den­kens be­ding­te Wahn breit­ge­macht, stän­dig ir­gend­wel­che Be­sitz­rech­te gel­tend zu ma­chen und mit Rechts­an­wäl­ten zu dro­hen, was im Klar­text nur heißt: Ich will mein Geld, ich will noch mehr Geld. »Gei­sti­ges Ei­gen­tum« – ich ver­ste­he, daß ar­me Künst­ler auf ihm be­stehen und be­zahlt wer­den wol­len, aber letz­ten En­des ist das ei­ne con­tra­dic­tio in ad­jec­to, ein wi­der­sin­ni­ges Kon­zept.

    Vor­sätz­li­che Pla­gia­te sind im Li­te­ra­tur­be­reich höchst sel­ten, und die For­de­rung nach Aus­weis von Zi­ta­ten läuft dem, was Li­te­ra­tur ei­gent­lich ist, näm­lich freie Schöp­fung, bei der prin­zi­pi­ell al­les ver­wen­det wer­den darf, zu­wi­der. Für wiss­sen­schaft­li­ches Ar­bei­ten ist die For­de­rung sinn­voll, für künst­le­ri­sche Her­vor­brin­gun­gen nicht.
    Wie soll man sich in der Fra­ge Zi­tat-Pla­gi­at-Col­la­ge al­so ver­hal­ten? Das ein­zig sinn­vol­le Kri­te­ri­um ist das der Qua­li­tät. Aber dar­um schert man sich im Feuil­le­ton heu­te oft nicht, es an­zu­wen­den ist müh­sam. Ich für mei­nen Teil wür­de aber be­har­ren: Fest­stel­len kön­nen muß ein ernst­zu­neh­men­der Kri­ti­ker, WIE der Au­tor sein Ma­te­ri­al ge­braucht, zu wel­chem Er­geb­nis das führt und wie die­ses Er­geb­nis be­wer­tet wer­den kann. Ob je­mand Wi­ki­pe­dia zi­tiert hat oder nicht, die­se tri­via­le Fra­ge kann grund­sätz­lich über­haupt kein Kri­te­ri­um sein.

  6. Ich bin nicht si­cher, ob Neo­li­be­ra­lis­mus und Pop­kul­tur das Pla­giat­we­sen pro­por­tio­nal ge­se­hen be­för­dert ha­ben. Mag sein. In Ka­ra­seks Ar­ti­kel von 1990 sind et­li­che – al­ler­dings meist nur sehr pro­mi­nen­te – Bei­spie­le ge­nannt, wie man sich schon im 19. Jahr­hun­dert »be­dient« hat. Ex­per­ten mö­gen hier si­cher­lich noch mehr fin­den. Mit der in­zwi­schen voll­kom­men un­über­sicht­li­chen An­zahl der Neu­erschei­nun­gen geht na­tür­lich auch ein Zu­wachs von »Text­klau« ein­her.

    Ob es zu­viel der Zu­mu­tung ist, dass sich ein Schrift­stel­ler her­ab­lässt ne­ben dem Dank an (dem Le­ser fast im­mer) voll­kom­men un­be­kann­ten Per­so­nen auch ein paar Hin­wei­se ab­zu­ge­ben, wo­von man sich hat in­spi­rie­ren las­sen, weiss ich nicht.

    Dass die Fra­ge nach »gei­sti­gem Ei­gen­tum« bei künst­le­ri­schen Tex­ten ob­so­let ge­wor­den sein soll, im wis­sen­schaft­li­chen Be­reich je­doch nicht, leuch­tet mir nicht ein. Dann könn­te man das Ver­lags- und Pu­bli­ka­ti­ons­we­sen ein­stel­len und al­les ko­sten­los ins Netz stel­len. Da­mit wür­de der »Be­rufs­schrift­stel­ler« am En­de ab­ge­schafft wer­den. Das muss viel­leicht nicht un­be­dingt ein Nach­teil für die Li­te­ra­tur sein (et­li­che heu­te hoch an­ge­se­he­ne Schrift­stel­ler konn­ten von ih­ren Wer­ken nicht exi­stie­ren – was na­tür­lich heu­te mehr denn je zu ei­ner Ver­kit­schung des ver­kann­ten Ge­nies führt). Aber was ma­chen dann all die Schreib­werk­statt-Stu­die­ren­den?

    Kast­ber­gers Ein­las­sung in Be­zug auf Kehl­mann sagt ja nichts an­de­res, das ein Schrift­stel­ler un­ab­hän­gig da­von, ob er wo­mög­lich aus der Wi­ki­pe­dia sei­nen Plot oder ein Teil sei­nes Plots ab­ge­schrie­ben hat, be­trach­tet wer­den muss. Auch Kast­ber­ger stellt die Fra­ge nach dem »WIE« nicht nach dem »ob«. Das »ob« wur­de dann von Kehl­mann in die Dis­kus­si­on ge­bracht (was er­wart­bar war). Wie Kehl­mann Tex­te über und von Hum­boldt ver­ar­bei­tet hat – dar­über ge­ben die Auf­sät­ze in der ver­link­ten Zeit­schrift ei­ne ge­wis­se Ah­nung. Ob ein Li­te­ra­tur­kri­ti­ker, der die Kennt­nis­se über Hum­boldt nicht hat (nicht ha­ben kann) der­art in die Tie­fe ge­hen muss, steht auf ei­nem an­de­ren Blatt. Hier­in un­ter­schei­den sich dann Li­te­ra­tur­kri­tik von Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft. Das Feuil­le­ton übt – wenn über­haupt – fast nur noch »Kri­tik«. Für das Feuil­le­ton stellt sich nur die jour­na­li­sti­sche Fra­ge nach dem »ja« oder »nein«.

  7. Doch, ich glau­be, daß durch die Ver­füg­bar­keit ten­den­zi­ell al­ler Kul­tur- und Wis­sens­gü­ter, von zahl­lo­sen Bil­dern, ja, letzt­lich der gan­zen Geo­gra­phie (Goog­le Maps etc.) ei­ne an­de­re Si­tua­ti­on und Qua­li­tät er­reicht ist. Die­se Si­tua­ti­on ist na­tür­lich be­quem, und ich selbst nüt­ze und schät­ze ih­re Vor­tei­le. Das Pro­blem, das ich se­he, ist, daß die Pra­xis und ir­gend­wann viel­leicht die Idee von »An­eig­nung« ver­lo­ren geht. Wenn ich am Smart­phone oh­ne­hin al­les je­der­zeit ab­ru­fen kann, muß ich mir selbst nichts mer­ken, ich brau­che kein ei­ge­nes, kör­per­lich lo­ka­li­sier­tes Ge­dächt­nis mehr, ich muß den Stoff nicht durch­drin­gen, ha­be kei­ne Zeit da­zu, se­he die Mü­he nicht ein. Die­ser Kon­text gilt na­tür­lich nicht nur für Au­toren, aber ich den­ke doch, daß er auf spe­zi­fi­sche Wei­se auf die li­te­ra­ri­sche Pro­duk­ti­on wirkt. Na­tür­lich nicht zwangs­läu­fig, nicht bei je­dem, aber die­se Be­din­gun­gen soll­te man be­rück­sich­ti­gen, wenn man die­ser Fra­ge nach­geht.

    Es ist doch auf­fäl­lig, wie häu­fig und wie hy­ste­risch das Pla­gi­ats­the­ma seit ei­ni­gen Jah­ren in den Mas­sen­me­di­en ver­han­delt wird. Im aka­de­mi­schen Be­reich ist ei­ner der Grün­de die all­ge­mei­ne Aka­de­mi­sie­rung, der ich eben­falls skep­tisch ge­gen­über­ste­he. Je­der muß ei­nen aka­de­mi­schen Ti­tel ha­ben, sonst kommt er nir­gends un­ter, z. B. nicht in der Po­li­tik. Aber nicht al­le ha­ben das Ta­lent und die Aus­dau­er, ein The­ma wis­sen­schaft­lich auf­zu­ar­bei­ten. Er­go...

  8. Zum The­ma Dok­tor­ar­bei­ten gab es un­längst ei­nen in­ter­es­san­ten, in Tei­len des­il­lu­sio­nie­ren­den Text von Jür­gen Kau­be in der FAZ. An­lass wa­ren die Pla­gi­ats­vor­wür­fe ge­gen die deut­sche Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­rin Ur­su­la von der Ley­en. Te­nor des Tex­tes: Dok­tor­ar­bei­ten wer­den kaum ge­le­sen. Und sie die­nen nur am En­de nur als Sta­tus­sym­bol. Bei­des ist nicht so fürch­ter­lich neu.

    Die Hy­ste­rie bei Pla­gi­ats­vor­wür­fen in der Li­te­ra­tur en­det ja auch fast im­mer er­nüch­ternd. Ei­ne Le­se­rin mach­te mich auf den »Fall Mann­hart« auf­merk­sam, der auch im Ver­gleich en­de­te. Im Ge­gen­satz zu den Vor­wür­fen um die Ver­let­zung (ver­meint­li­cher) Per­sön­lich­keits­rech­te sind Pla­gi­ats­dis­kus­sio­nen meist nur kurz­fri­sti­ge »Auf­re­ger«.

    Dass die Idee von An­eig­nung durch die auf uns täg­lich mehr oder we­ni­ger un­ge­bremst ein­pras­seln­den In­for­ma­tio­nen ver­lo­ren geht, ist sehr gut mög­lich. (Ob­wohl ich schon vor 30 Jah­ren den Rat­schlag er­hielt, mir nur Wich­ti­ges zu mer­ken – vom Rest müss­te man nur wis­sen, wo es ab­ruf­bar ist.) Da­her ist es aber um­so bri­san­ter, wenn je­mand wört­li­che Pas­sa­gen aus ei­nem Ro­man ab­schreibt.

  9. Ich bin mir (im­mer noch nicht) si­cher, wel­che Aus­wir­kun­gen die an­dau­ern­de Ver­füg­bar­keit und das Ein­drin­gen von In­for­ma­tio­nen ha­ben wer­den (ne­ben der An­eig­nung ist si­cher­lich auch die ver­schwim­men­de Un­ter­schei­dung von Wis­sen und In­for­ma­ti­on ei­ne; viel­leicht be­deu­tet die Ver­füg­bar­keit letzt­end­lich ei­ne we­nig be­wuss­te Ge­ring­schät­zung?); je­den­falls dürf­ten die we­nig­sten ar­ri­vier­ten Schrift­stel­ler mit dem Smart­phone auf­ge­wach­sen und da­mit noch in ei­ner an­de­ren Kul­tur groß ge­wor­den sein.

    Ne­ben der Qua­li­tät wür­de ich im Pla­gi­ats­fall auch nach Sub­stanz und Neu­heit fra­gen und die­se fest­zu­ma­chen ver­su­chen: In wel­cher Re­la­ti­on ste­hen Stil, Form und der Raum den das Werk auf­macht? Wenn der In­halt (An­ek­do­ten, Mo­ti­ve, Fi­gu­ren, etc.), egal von wo er nun stammt, für Kehl­manns Buch ent­schei­dend ist und we­nig dar­über hin­aus­weist, ist das so oder so kein all­zu gu­tes Ur­teil. — Und im Fall des Echo­lot-Pro­jekts wä­re es äu­ßerst in­ter­es­sant her­aus­zu­ar­bei­ten wel­che Un­ter­schie­de ei­ne rei­ne Kol­la­ge und ei­ne ge­form­te Spra­che (»Stim­me«) für ein Werk mit sich brin­gen, wo Vor­tei­le und Gren­zen lie­gen und was das für den Au­tor als Schöp­fer ei­nes Werks be­deu­tet. — Viel­leicht kann man zwi­schen in­spi­rie­ren­dem und täu­schen­dem El­stern­tum un­ter­schei­den?

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  11. Klaus Kast­ber­ger hat sei­ne An­schul­di­gun­gen ge­ra­de in der Wie­ner Zei­tung wi­der­ru­fen und sich ent­schul­digt.

    http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wz_reflexionen/zeitgenossen/797614_Stellungnahme-zur-Causa-Kehlmann.html

    Jetzt wür­de mich in­ter­es­sie­ren: Herr Keu­sch­nig hat da­mals ge­schrie­ben, daß man kei­nes­wegs ein­deu­tig sa­gen kön­ne, Kast­ber­ger ha­be Un­recht. Jetzt sagt Kast­ber­ger selbst, daß er Un­recht ge­habt hat. Folgt dar­aus, daß Herr Keu­sch­nig auch sa­gen wird, er, Keu­sch­nig, ha­be Un­recht ge­habt, oder ist so et­was voll­kom­men un­denk­bar?

  12. @Matthias Wer­ner
    Dan­ke für den Link.

    Es steht üb­ri­gens dort zum Wi­ki­pe­dia-Pla­gi­at-Vor­wurf: »wenn man sie auf ih­ren wort­wört­li­chen Kern be­schränkt«. (Das hat­te Kast­ber­ger schon frü­her klar­ge­stellt.) An­son­sten ist es ei­ne Ent­schul­di­gung, die ih­re Ge­schich­te hat (mehr sa­ge ich nicht).

    In­ter­es­sant, wie Sie auf Ka­te­go­rien wie Recht und Un­recht re­kur­rie­ren. Le­sen Sie viel­leicht noch ein­mal ge­nau durch, was ich ge­schrie­ben ha­be.

  13. wenn man sie auf ih­ren wort­wört­li­chen Kern be­schränkt

    Das ist na­tür­lich schon lu­stig. »Falsch ist von mei­nen An­schul­di­gun­gen nur, was da­steht. Der Rest stimmt.«
    Und zu:

    An­son­sten ist es ei­ne Ent­schul­di­gung, die ih­re Ge­schich­te hat (mehr sa­ge ich nicht).

    Die hat ja je­de Ent­schul­di­gung. War­um die­ses Rau­nen? Da­mit die Le­ser den­ken, für Ein­ge­weih­te wer­de die Ent­schul­di­gung da­mit schon ir­gend­wie er­le­digt sein?
    Är­ger­lich, dass ei­nen Kast­ber­ger zur Kehl­mann­ver­tei­di­gung bringt. Hät­te er ein­fach ge­sagt, dass Kehl­mann tri­via­le Quatsch­bü­cher schreibt, hät­te nie­mand was da­ge­gen ge­habt.

  14. Der Ein­druck ei­ner Kastberger-»Verteidigung« mei­ner­seits ist falsch und kann nur bei de­nen auf­tre­ten, die nicht ge­nau le­sen. Die Aus­sa­ge, dass K. von der »Wi­ki­pe­dia« ab­schreibt hat Kast­ber­ger früh re­la­ti­viert. Wie dies un­ter Um­stän­den ge­meint sein könn­te, ha­be ich ver­sucht zu er­klä­ren. Na­tür­lich darf ei­nem Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­ler streng ge­nom­men ei­ne sol­che Äu­ße­rung in der Öf­fent­lich­keit nicht ent­fleu­chen. (Wie auch das Dik­tum, er schrei­be nur »Quatsch­bü­cher« auch Un­sinn ge­we­sen wä­re.) Kast­ber­ger ist im­pul­siv und nicht so ein lang­wei­li­ger Phra­sen­dre­scher wie die mei­sten sei­ner Zunft. Da­her re­kur­rier­te ich dar­auf, dass man min­de­stens von sei­ten des In­ter­view­ers noch ein­mal ge­nau­er hät­te nach­fra­gen müs­sen. Das ist aber un­ter­blie­ben, weil man den Kra­wall woll­te.