War­um nicht Kurt Beck?

Der ent­schei­den­de Satz war wohl die­ser:

    Des­halb wä­ge und wäh­le ge­nau, wer Ver­ant­wor­tung für das Land zu ver­ge­ben hat, wem er sie an­ver­trau­en kann – und wem nicht.

We­ni­ge Ta­ge vor der Hes­sen-Wahl griff Wolf­gang Cle­ment in der »Welt« An­drea Yp­si­l­an­tis An­ti-Atom­po­li­tik an. Plötz­lich gab es me­dia­le Ent­la­stung für Koch, der in ei­ner de­sa­strö­sen und un­ver­ant­wort­li­chen Wahl­kam­pa­gne al­le Auf­merk­sam­keit auf sich – und ge­gen sich zog. Aber hat die­ser Ar­ti­kel von Cle­ment wirk­lich An­drea Yp­si­l­an­ti den »Sieg« ge­ko­stet?

Ei­ni­ge Ge­nos­sen, die Cle­ment par­tei­schä­di­gen­des Ver­hal­ten vor­war­fen, or­ga­ni­sier­ten flugs ein Par­tei­aus­schluss­ver­fah­ren. Über­ra­schen­der­wei­se hat sich hier­aus mehr als nur ei­ne Rü­ge für den ehe­ma­li­gen NRW-Mi­ni­ster­prä­si­den­ten ent­wickelt: Er wird – so war be­reits ge­stern zu hö­ren – aus der SPD aus­ge­schlos­sen.

Aber wor­in liegt ge­nau der Scha­den, den Cle­ment mit die­sem Ar­ti­kel der SPD und ih­rer Spit­zen­kan­di­da­tin zu­ge­fügt ha­ben soll? Po­ten­ti­el­le Atom­kraft­be­für­wor­ter wa­ren si­cher­lich schon vor­her nicht be­reit, SPD (oder Grü­ne) zu wäh­len. Oder glaubt man, Cle­ments Wort ha­be noch in­ner­halb der SPD ein solch gro­sses Ge­wicht, dass man Angst vor die­ser Mein­ung ha­ben muss? Dann wä­re der in­ner­par­tei­li­che Kon­sens über den Atom­aus­stieg in Wirk­lichkeit gar kein Kon­sens. Oder geht es nur um die von den Par­tei­en so oft beschwor­ene »Ge­schlos­sen­heit« – ei­gent­lich ei­ne de­mo­kra­ti­sche Un­tu­gend, wenn sie nur um ih­rer sel­ber wil­len exi­stiert?

Und apro­pos »par­tei­schä­di­gen­des Ver­hal­ten«: War­um hat ei­gent­lich nie­mand ein Par­teiausschlussverfahren für Kurt Beck an­ge­strengt, als der we­ni­ge Ta­ge vor der Land­tagswahl in Ham­burg plötz­lich ei­ne Zu­sam­men­ar­beit der SPD mit der Links­par­tei in Hes­sen frei­gab? Der Scha­den, der der SPD und dem Spit­zen­kan­di­da­ten Nau­mann hier­aus er­wach­sen ist, dürf­te un­gleich grö­sser ge­we­sen sein, als das brä­si­ge Lob­by­isten­ge­schwa­fel von Cle­ment. Nau­manns Po­si­ti­on, in kei­nem Fall in Ham­burg mit der Lin­ken zusammen­zugehen, wur­de durch den Bun­des­par­tei­vor­sit­zen­den des­avou­iert – der Wäh­ler konn­te schlie­ssen, dass Nau­mann even­tu­ell ge­zwun­gen wür­de, mit den Lin­ken zusammenzuar­beiten.

Der Par­tei­aus­schluss Cle­ments zeigt die Hilf­lo­sig­keit und Kon­zep­ti­ons­lo­sig­keit der ak­tu­el­len SPD an. Statt sich mit dem po­li­ti­schen Geg­ner aus­ein­an­der­zu­set­zen, wird von durch­ge­knall­ten Pro­vinz­ge­nos­sen Schei­ben­schie­ssen prak­ti­ziert. Ich ha­be Cle­ment nie be­son­ders ge­mocht; sei­ne Ar­ro­ganz hat mich im­mer ab­ge­sto­ssen. Aber wie ver­un­si­chert muss ei­ne Par­tei im tief­sten In­nern sein, wenn ei­ne ab­sei­ti­ge Mei­nung nicht mehr ak­zep­tiert wird?

Man stel­le sich nur ein­mal vor, die CDU wür­de Hei­ner Geiss­ler aus­schlie­ssen.

35 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Wä­re Wolf­gang Cle­ment je­mand, bei dem die Mei­nun­gen an­de­rer ei­ne ge­le­gent­li­che Be­rück­sich­ti­gung fän­den, je­mand, bei dem ei­ne Rü­ge we­nig­stens an­satz­wei­se Spu­ren im Ge­dan­ken- und Mei­nungs­bil­dungs­pro­zeß, vor al­lem aber in sei­nem wei­te­ren Ver­hal­ten hin­ter­lie­ße, dann hät­te das wo­mög­lich sei­nem (ein­deu­tig par­tei­schä­di­gen­dem) Ver­hal­ten ge­nü­ge ge­tan.

    Wä­re.

    Ist er aber nicht. Leb­haft kann ich mir hin­ge­gen aus­ma­len, wie er dann in sei­ner von Ih­nen zu recht als ar­ro­gant be­zeich­ne­ten Art »sich ei­nen grin­sen« wür­de, wie er bei näch­ster sich bie­ten­der Ge­le­gen­heit wie­der ge­gen die SPD schös­se, ei­ne Land­tags­wahl in letz­ter Mi­nu­te zu­gun­sten des po­li­ti­schen Geg­ners be­ein­fluß­te, um die In­ter­es­sen sei­nes Ar­beit­ge­bers RWE zu wah­ren.

    Mir will nicht so rich­tig in den Kopf, war­um die SPD (auch in ei­ner Kri­se) sich die­ses Man­nes nicht er­weh­ren oder not­falls auch ent­le­di­gen kön­nen soll.

    Der Mann hat ein Recht auf sei­ne ei­ge­ne Mei­nung (und wenn ich von der Kern­kraft ab­se­he, deckt sie sich oft mit mei­ner ei­ge­nen). Wenn er aber zur Wahl des po­li­ti­schen Geg­ners auf­ruft, ei­ne Wo­che vor ei­ner Wahl, die die SPD wahr­schein­lich sonst ge­won­nen hät­te (so­viel Pro­mil­le an Ein­fluß hat auch der Cle­ment noch), dann kann ich den So­zis ih­ren Schritt nun wirk­lich nicht ver­den­ken.

    Man stel­le sich nur ein­mal vor, Hei­ner Geiß­ler hät­te ei­ne Wo­che vor ei­ner Bun­des­tags­wahl in­di­rekt zur Wahl La­fon­tai­nes auf­ge­ru­fen.

    Und die CDU wür­de Hei­ner Geiß­ler dann nicht aus­schlie­ßen.

  2. Cle­ment hat ja nicht zur Wahl von Koch auf­ge­ru­fen. So­weit kann man sei­nen Ar­ti­kel wirk­lich nicht in­ter­pre­tie­ren. Die Tä­tig­keit, die er da bei RWE aus­übt, ist üb­ri­gens nicht sein Brot­ver­dienst.

    Ich hal­te we­nig bis gar nichts von Ka­der­par­tei­en, de­ren Mit­glie­der blind ei­ner Li­nie zu fol­gen ha­ben und ih­ren Ver­stand aus­zu­schal­ten ha­ben. Von »er­zie­he­ri­schen Mass­nah­men«, wie man Mei­nun­gen für das näch­ste Mal zü­geln kann, hal­te ich auch nichts. Wie kann man das nicht aus­hal­ten? Der Mann ist doch durch sei­nen Ne­ben­job bei RWE hin­rei­chend »aus­ge­wie­sen«?

  3. Angst: so oder so
    Ob­wohl ich das Ge­zer­re bis­her auch eher un­wür­dig fand, fin­de ich nun, das Pe­ter Vieh­rigs Ar­gu­men­te viel für sich ha­ben – aber nur wenn man in­ner­halb der so­wie­so klein­li­chen Lo­gi­ken die­ser Pro­vinz­po­li­tik bleibt. (Ja, schon klar: Es ist zu­gleich Re­al-Po­litk.)

    Aber was an­de­res fin­de ich in­ter­es­san­ter. Dass bei all den Macht­wort-Men­ta­li­tä­ten und den Frak­ti­ons­zwän­gen und über­haupt all der En­ge die­ser Welt es zu solch ei­nem Fall (im dop­pel­ten Sin­ne) kom­men konn­te: Der „Su­per-Mi­ni­ster“ letzt­lich vom Klein­klecker­ver­ein ge­stürzt. Yp­si­l­an­ti war nur der letz­te Be­weis des Ver­lusts al­ler Bo­den­haf­tun­gen und wer weiß wel­cher per­sön­li­chen Krän­kun­gen solch ei­ner deut­schen Kar­rie­re (zu­mal nach den Jah­ren in der War­te­po­si­ti­on hin­ter Rau).

    Es hat­te neu­lich noch je­mand dar­auf auf­merk­sam ge­macht, dass „die Schwar­zen“ im­mer mit­leids­lo­ser mit ih­ren Ge­fal­le­nen um­gin­gen, da­bei zu­gleich aut­ho­ri­täts-fi­xier­ter blie­ben: Die Spit­ze soll es rich­ten, nicht der Orts­ver­ein. Und jetzt zie­hen sie so­gar mit den po­pe­li­gen Mit­glie­der­zah­len an der christ­li­che­ren SPD vor­bei? Ir­gend­wie ist Cle­ment da doch auch ein (an­de­res) Zei­chen, für was im­mer. Wie vor­her auch Lo­fon­taine. Es muss ir­gend­was mit dem Ver­lust der Rück­bin­dung bei grö­ße­rem, all­zu gro­ßem Macht­zu­wachs zu tun ha­ben. In­so­fern wä­re die eng­stir­ni­ge Hin­ter­stu­be mit Stall­ge­ruch doch auch ein Kor­rek­tiv. Es soll­te ei­nem wohl auch Angst ma­chen.

  4. @en-passant
    Ja, Angst, na­tür­lich! Aber vor was? Vor wem? Ist die Geg­ner­schaft zur Atom­kraft Vor­aus­set­zung für ei­ne SPD-Mit­glied­schaft? Wo steht das? Und wenn die­ser Ar­ti­kel Stim­men ge­ko­stet ha­ben soll – ich blei­be bei der ab­surd klin­gen­den Fra­ge -: War­um nicht Beck auch aus­schlie­ssen? Des­sen Vor­ge­hen vor der Ham­bur­ger Wahl war schlim­mer und dau­er­haft schä­di­gen­der.

    Es hat na­tür­lich was pseu­do-ba­sis­de­mo­kra­ti­sches: Der klei­ne OV schmeisst den frü­her so mäch­ti­gen MP aus der Par­tei. Ich glau­be, das sind al­le­samt recht er­bärm­li­che Wich­te, die ih­re Kraft an ei­ner halb­to­ten En­te aus­to­ben. Wann schlie­ssen denn die Grü­nen Rez­zo Schlauch aus, nur weil er bei EnBW ar­bei­tet?

    Mir macht ei­ne auf Dau­er be­deu­tungs­lo­se SPD Angst. Ich ha­be ge­ra­de ge­le­sen, dass man mit ein biss­chen Zu­ver­sicht in die baye­ri­schen Land­tags­wah­len geht. Dort liegt man der­zeit bei 22% – das sei­en 2%-Punkte mehr als bei der letz­ten Wahl. Wenn das schon Zu­ver­sicht aus­löst, sagt das ei­ni­ges über die­se ehe­mals so gro­sse Par­tei.

    Es gibt ei­nen Spruch, der nie so ganz falsch ist: Der Fisch stinkt vom Kopf her.

  5. Angst stinkt ja auch...
    Um die Fra­ge wört­lich zu neh­men: Angst vor der ge­schlos­se­nen Ge­wiss­heit des Orts­ver­eins eben­so wie vor der sich für welt­läu­fig hal­ten­den „Kom­pe­tenz“ des Mi­ni­sters. Angst vor bei­der Di­lettanz. Angst, da­vor, im­mer nur die Wahl für’s klei­ne­re Übel zu ha­ben.

    Angst aber auch vor dem „Sy­stem“, sei­ner letzt­li­chen Ge­schlos­sen­heit, sei­ner Ge­walt (die ei­ne blin­de ist, ei­ne igno­ran­te, kei­ne vor­sätz­li­che). Angst, dass das so Re­al-Exi­stie­ren­de tech­no­kra­ti­scher, po­si­ti­vi­sti­scher Ent­schei­dungs­sy­ste­me letzt­lich wirk­lich nur mehr so hin­zu­neh­men ist, weil es vor der Über­wäl­ti­gung durch die Agen­da der Welt­la­gen gar kei­ne Al­ter­na­ti­ve gibt. (Und ich mei­ne hier auch nicht ein an­de­res, bes­se­res po­li­ti­sches Sy­stem.)

    Angst zu­letzt, mein nai­ves Un­wohl­sein auf­zu­ge­ben ge­gen ei­ne Ge­läu­fig­keit, die sich in­for­miert glaubt und in ei­nem Min­de­sten doch par­ti­zi­pa­tiv weil sie ein paar Nach­rich­ten über die­se Sei­te der Dar­stel­lung der Welt ver­folgt.

    (Ich weiß aber na­tür­lich auch, dass das ins­ge­samt eher auf mei­ne ei­ge­ne Un­ver­nunft deu­tet und dass sol­ches Den­ken über­haupt ein Lu­xus­pro­blem ist ver­gli­chen mit den Pro­ble­men an­ders­wo. Das Pie­fi­ge sol­cher Nach­rich­ten wie über die SPD hat dann fast et­was Be­ru­hi­gen­des.)

    Vom Kopf her: Ja. Aber was, wenn der zu­neh­mend nur mehr ei­ne sym­bo­li­sche Funk­ti­on dar­stell­te, ei­ne ver­en­gen­de auch, an man eben „per­so­na­li­sie­ren“, al­so ver­en­gen kann, was längst auf ei­ne brei­te­re Ba­sis ge­hört? Das ist jetzt nicht nur Wort­spiel. Die ir­ri­ge Idee ist wohl, da wür­de noch ir­gend­wo ge­dacht, wenn doch nur „ge­lei­tet“ wird und Stra­te­gien ab­ge­wägt und eben­so klei­ne­re Übel er­wo­gen. Die Macht­lo­sig­keit der Macht al­so.

    Al­les nur ein gro­tes­kes Selbst­miss­ver­ständ­nis? Da­vor dann wie­der die Re­al-Po­li­tik. (Sie­he auch Dirk El­bers for Ober­bür­ger­mei­ster dem­nächst. Und dann wie­der wei­ter mit der [mei­ner per­sön­li­chen] „Angst“. Ei­ne „Ger­man Angst“?)

    Um Bay­ern ma­che ich mir kei­ne Sor­gen. Da lief das schon im­mer so, inkl. Sie­mens und Bay­reuth und Ami­gos. Auch die SPD ist da rea­li­stisch.

    (Und sor­ry: ich woll­te das jetzt gar nicht so ins Per­sön­li­che wen­den...)

  6. #2
    »Cle­ment hat ja nicht zur Wahl von Koch auf­ge­ru­fen«

    Nein?

    »Des­halb wä­ge und wäh­le ge­nau, wer Ver­ant­wor­tung für das Land zu ver­ge­ben hat, wem er sie an­ver­trau­en kann – und wem nicht.«

    Ich fin­de schon. Viel­leicht war es auch ein Vo­tum für Hahn (FDP). Das dürf­te RWE und Cle­ment im Zwei­fel auch gleich ge­we­sen sein. Zu­min­dest in Hes­sen.

    Aus dem Ein­trag über Wolf­gang Cle­ment bei Wi­ki­pe­dia:

    »Tä­tig­kei­ten nach sei­nem Amt als Bun­des­mi­ni­ster

    Seit sei­nem Aus­schei­den nahm er zahl­rei­che Po­sten in der Wirt­schaft an, haupt­säch­lich in der En­er­gie­wirt­schaft.

    Im Fe­bru­ar 2006 wur­de er in den 21-köp­fi­gen Auf­sichts­rat der RWE-Kraft­werks­toch­ter RWE Power AG (Es­sen) ge­wählt und ver­tritt dort die Sei­te der An­teils­eig­ner...«

    Ich bin eben­falls ge­gen ei­ne »Ka­der­par­tei«. Auch ich bin ge­gen blin­de Li­ni­en­treue. Auch ich will Mei­nun­gen nicht »zü­geln«. Dar­um geht es aber nicht. Er ver­such­te kurz vor die­ser für die SPD ge­ra­de in der ge­gen­wär­ti­gen Kri­se so wich­ti­gen Wahl, kaum ver­schlei­ert die Wahl des po­li­ti­schen Geg­ners zu un­ter­stüt­zen = par­tei­schä­di­gen­des Ver­hal­ten.

    Das darf er. Und die SPD darf sich weh­ren. Und darf ihn »raus­schmei­ßen«. Das scheint mir nur kon­se­quent zu sein. Ich fin­de das auch nicht klein­lich, kein biß­chen.

  7. Darf Cle­ment nicht nach sei­nem Aus­schei­den die­se Tä­tig­kei­ten über­neh­men? Schlim­mer noch als das fin­de ich, dass im Wis­sen dar­um viel­leicht Po­li­tik ge­macht wor­den ist. Wie bei dem ehe­ma­li­gen – par­tei­lo­sen – Wirt­schafts­mi­ni­ster Mül­ler. In den USA gibt es – glau­be ich – ei­ne Zwangs­pau­se, war­um nicht hier?

    Ich fin­de die La­ge für die SPD »span­nend« (end­lich darf ich die­ses ei­gent­lich ab­ge­grif­fe­ne Wort ein­mal ei­ni­ger­ma­ssen sinn­voll be­nut­zen): Cle­ment hat Wi­der­spruch ein­ge­legt – die Bun­des-SPD muss nun ir­gend­wann ent­schei­den, ob der Aus­schluss bin­dend ist oder nicht. Sie kön­nen sich nur falsch ent­schei­den. Stim­men sie ihm zu, dann sto­ssen sie die Agen­da 2010-Po­li­ti­ker vor den Kopf (das dürf­ten viel­leicht noch 15–20% un­ter den »Wich­ti­gen« sein). He­ben sie den Be­schluss auf, sieht es wie ein Ein­griff in das pseu­do-de­mo­kra­ti­sche Hier­ar­chie­ge­flecht aus.

    Preis­fra­ge: Wer bringt sich frei­wil­lig im­mer in selbst­ge­mach­te Pro­ble­me, die je­des­mal zu ga­ran­tiert we­ni­ger Wäh­ler­stim­men füh­ren? Und das ganz oh­ne Zu­tun des Geg­ners!

  8. @en-passant
    Die CDU soll­te sich nicht da­mit brü­sten, dass sie jetzt mehr Mit­glie­der als die SPD hat, weil das ja nur da­durch zu­stan­de ge­kom­men ist, dass die Mit­glie­der­zahl der ei­nen Par­tei lang­sa­mer fällt als die der an­de­ren. War­um Po­falla da­mit an die Öf­fent­lich­keit geht, ist mir schlei­er­haft.

    @Gregor
    Der macht­po­li­ti­sche Un­ter­schied zwi­schen Cle­ment und Beck be­steht dar­in, dass die Äu­ße­run­gen von Cle­ment die SPD wahr­schein­lich den Wahl­sieg ge­ko­stet ha­ben, wäh­rend die Äu­ße­run­gen von Beck in die­ser Hin­sicht kei­ne Ge­fahr dar­stel­len. Da steht nichts auf der Kip­pe, man ist sta­bil schlecht.

    Das ak­tu­el­le Ur­teil zu Cle­ment scheint mir cha­rak­te­ri­stisch für den Zu­stand der SPD zu sein: Die Mei­nun­gen in den Orts­ver­ei­nen sind of­fen­bar an­ders als bei ei­ni­gen der füh­ren­den Per­so­nen der SPD. Das fing aber spä­te­stens mit Schrö­der an. Ich glau­be nicht, dass des­sen 2010-Po­li­tik den Leu­ten vor Ort ge­fal­len hat. Beck hat sein Ohr viel­leicht mehr an der Mas­se, aber er wird von sei­nem ei­ge­nen Füh­rungs­per­so­nal de­mon­tiert. Ich ver­mu­te, dass die­se Kri­se noch die ge­sam­te Ge­ne­ra­ti­on der Füh­rungs­spit­ze an­dau­ern und erst en­den wird, wenn Nah­les, Droh­sel & Co. an der Rei­he sind.

  9. Wi­der­streit der Kräf­te
    @Köppnick
    Lu­stig wä­re ei­gent­lich erst­mal die Zwangs­la­ge zum Um­kehr­schluss, dass die CDU al­so über Jahr­zehn­te nach­ran­gig ge­wen­sen wä­re, wenn das lä­cher­li­che Mehr an ei­nem ins­ge­sam­ten Schwin­den denn heu­te als auch nur pro­pan­gan­di­sti­scher Vor­zug gel­ten wür­de.

    Po­falla ist ge­nau das, was man, so den­ke ich, ei­gent­lich fürch­ten müss­te: Die Funk­ti­on-ge­wor­de­ne Harm­lo­sig­keit, die den­noch wirkt. Al­le la­chen sie über ihn. Aber er hat sich auch durch­ge­setzt, er ist ein Fakt! Mit ihm ist zu rech­nen!

    Und so wird es ja ei­gent­lich auch von Nah­les er­war­tet, dass sie sich schließ­lich durch­setzt. Und der Orts­ver­ein will aber ein Wört­chen mit­re­den – der glaubt, das sei De­mo­kra­tie, und nicht das De­le­gie­ren an De­le­gier­te. In­so­fern ist aber Beck (sind al­le Mäch­ti­gen) doch wie­der nur Stell­ver­tre­ter ei­nes funk­tio­na­len Fil­ters, der dann der­art ge­norm­te Per­sön­lich­kei­ten her­vor­bringt.

    Muss ei­nen das nicht ir­gend­wie schrecken?

    Und zu Cle­ment noch: Ihn – wie jetzt in der Pres­se teil­wei­se – als ir­gend­wie auf­rech­ten Dis­si­den­ten hin­zu­stel­len, ist ja wohl da­ne­ben. Der Mann bleibt Main­stream, nur dem funk­tio­nal ab­ge­spal­ten noch da. Ei­gent­lich will ihn kei­ner mehr, und er weiß das – da macht er jetzt noch ein biss­chen Thea­ter.

  10. #8 @Köppnick
    Zu Ham­burg: In den dor­ti­gen Bou­le­vard-Zei­tun­gen schmolz der Vor­sprung der CDU im Fe­bru­ar von Wo­che zu Wo­che. Bei in­fra­test di­map war der Ab­stand zwi­schen CDU und SPD Mit­te Fe­bru­ar, al­so zehn Ta­ge vor der Wahl, bei 4%. Bei den Wah­len dann be­trug er 8%. Auch wenn die­se Was­ser­stands­mel­dun­gen ex­trem un­zu­ver­läs­sig sind: Je­mand wie Beck muss­te wis­sen, was auf dem Spiel stand. Ver­lo­ren war die Par­tie Ham­burg ge­nau nicht. (Au­sser­dem hat er de­zi­diert Nau­mann des­avou­iert.)

  11. #7

    Die Preis­fra­ge be­ant­wor­te ich ver­mut­lich ganz ähn­lich wie Sie. Aber um den an­de­ren noch nicht den Rät­sel­spaß zu ver­der­ben...

    Der Cle­ment darf die­se Tä­tig­kei­ten über­neh­men. Das hat zwar »Ge­schmäck­le«, woll­te man aber die­ses un­ter­sa­gen, hät­te man stets ei­ne Ab­gren­zungs­pro­ble­ma­tik und dar­aus re­sul­tie­ren­de Ver­schleie­rungs­ver­su­che. (Er wä­re dann eben Be­ra­ter des Auf­sichts­ra­tes, oder Be­ra­ter ei­nes Be­ra­ters.) Daß das mo­ra­lisch stinkt, steht für mich au­ßer Fra­ge.

    Aber dar­um geht es nicht. Es ist recht­lich zu­läs­sig. Und er darf mei­nen, was im­mer er meint. Er darf auch der An­sicht sein, daß ei­ne ri­si­ko­be­haf­te­te, rück­wärts­ge­wand­te En­er­gie­tech­no­lo­gie, die eben­falls sehr bald ein Res­sour­cen­pro­blem ha­ben wird, für de­ren Ab­fall­pro­duk­te noch im­mer kein End­la­ger ge­fun­den ist (Wie auch? Wir bräuch­ten vie­le tau­send Jah­re Halt­bar­keit und Zu­griffs­schutz!), daß die­se Tech­no­lo­gie al­so ei­ne ad­äqua­te Brücken­lö­sung sei. (Ver­ken­nend, daß sie dies schon ist, wenn auch nicht ad­äquat. Er folg­lich als Auf­sichts­rat sei­nem Vor­stand mal in die Hin­tern tre­ten soll­te, die Brücke zur Ent­wick­lung von hand­hab­ba­ren Al­ter­na­ti­ven zu nut­zen.) Der darf das al­les mei­nen. Ich fin­de zwar, ge­lin­de ge­sagt, daß das ei­ne ziem­lich be­knack­te und of­fen­sicht­lich in­ter­es­sen­ge­steu­er­te Hal­tung ist, hal­te es aber sehr­wohl für zu­läs­sig.

    Ei­ne Be­für­wor­tung der Kern­tech­no­lo­gie ist auch nicht »un­so­zi­al­de­mo­kra­tisch«. Der darf das auch ei­ne Wo­che vor ei­ner Wahl mei­nen. Er darf die Mehr­heits­mei­nung der SPD und ih­re ent­spre­chen­den Be­schlüs­se für falsch be­fin­den. Er darf das auch ganz ent­schie­den tun. Doch, wie schon ge­sagt:

    Dar­um geht es nicht!

    Er hat zur Wahl des po­li­ti­schen Geg­ners auf­ge­ru­fen. Mit­ten in ei­ner für die SPD sehr schwie­ri­gen Ge­menge­la­ge. Ei­ne Wo­che vor die­ser Wahl. Er hat mit die­sem Ein­satz für den po­li­ti­schen Geg­ner der SPD (im In­ter­es­se seines/r Arbeitgeber/s) sehr wahr­schein­lich das ei­ne Pro­mil­le Vor­sprung für Koch ver­ur­sacht. Und dies ge­nau so ge­wollt.

    Und das darf er ei­gent­lich nicht. Zu­min­dest darf die SPD ihn dar­auf­hin hin­aus­wer­fen.

    Aus mei­ner Sicht hat das erst­mal nichts mit Schrö­ders Agen­da zu tun. Und um Miß­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen: Von Schnit­zern im De­tail ab­ge­se­hen, ge­hö­re ich zu den Be­für­wor­tern der Agen­da 2010. Daß nun trotz­dem ei­ni­ge die Ge­le­gen­heit er­grei­fen, mit de­ren Be­für­wor­tern in­ner­halb der SPD »ab­zu­rech­nen«, ver­wun­dert mich we­nig, än­dert aber auch nichts an mei­nem Ur­teil über Cle­ments Ver­hal­ten. Ich bin fast ge­neigt, für Cle­ments State­ment das Wort hinterf..ig zu ge­brau­chen.

    Der Ver­gleich zu Beck und Ham­burg geht mei­ner Mei­nung nach völ­lig fehl, ob­wohl die Wir­kung ei­ne ver­gleich­ba­re war. Beck hat­te sich gna­den­los in dem däm­li­chen und un­be­hol­fe­nen Ver­such ver­lau­fen, die SPD aus ei­nem Wort­bruch her­aus­zu­re­den. Die Mo­ti­va­ti­ons­la­ge war al­so ei­ne ganz an­de­re. Das war Nau­mann aber na­tür­lich voll­kom­men egal.

    Ich kann für die SPD nur hof­fen, daß Beck ein­mal sei­ne Be­hä­big­keit und sei­nen Schlin­ger­kurs auf­gibt. We­nig­stens dies­mal soll­te er ste­hen und den Raus­wurf Cle­ments be­stä­ti­gen. Schon mit­tel­fri­stig wür­de es der SPD nüt­zen, nicht scha­den, so­fern er das auch kom­mu­ni­zie­ren kann:

    Nicht we­gen sei­ner Mei­nung, son­dern we­gen sei­nes Ver­hal­tens fliegt Cle­ment raus.

    Ge­nau an die­ser Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit ha­be ich aber er­heb­li­che Zwei­fel. Ich fürch­te, er wird ein­knicken und der ewig ge­trie­be­ne blei­ben, der er schon ist.

  12. #9 – @en-passant
    Wenn ich die die drei Ge­ne­ral­se­kre­tä­re ver­glei­che, dann bin ich von Hu­ber­tus Heil ernst­haft be­gei­stert. Der ist mit Ab­stand der In­tel­li­gen­te­ste, den die SPD der­zeit in der Spit­ze zu bie­ten hat. Man merkt es an sei­ner Spra­che und sei­nen Ant­wor­ten, die sind nicht sche­ma­ti­siert.

    Po­falla ist das ab­so­lu­te Kon­trast­pro­gramm, für mich ist er die per­so­ni­fi­zier­te Sprech­bla­se.

    Und von Frau Ha­dert­hau­er weiß ich nicht, was ich von ihr hal­ten soll. Ei­ner­seits hat sie sich in der CSU durch­ge­setzt, was mir ei­ni­gen Re­spekt ab­for­dert, an­de­rer­seits ha­be ich von ihr schon ei­ni­ge sehr merk­wür­di­ge Äu­ße­run­gen ge­hört. Zum Bei­spiel hat sie sinn­ge­mäß ge­sagt, die SPD sol­le ge­fäl­ligst am lin­ken Rand or­dent­lich fi­schen, so wie das die CSU am rech­ten auch tun wür­de. Da war ich baff.

  13. »Ein Hur­ra der ge­rech­ten Sa­che« oder »An­ders geht es nicht«

    Köpp­nick

    Zum Bei­spiel hat sie sinn­ge­mäß ge­sagt, die SPD sol­le ge­fäl­ligst am lin­ken Rand or­dent­lich fi­schen, so wie das die CSU am rech­ten auch tun wür­de. Da war ich baff.

    Die­se Hal­tung war in der Bun­des­re­pu­blik lan­ge Zeit in bei­den La­gern Kon­sens (je nach Vi­ta er­lebt oder nicht). Die Zer­fa­se­rung des Mei­nungs­spek­trums der Wei­ma­rer Re­pu­blik soll­te un­ter al­len Um­stän­den ver­mie­den wer­den, Volks­par­tei­en die Sta­bi­li­tät bie­ten, die in den schwie­ri­gen Jah­ren nö­tig war. Wann der Zeit­punkt war, als die­se Hal­tung ob­so­let wur­de oder ob er über­haupt schon ein­ge­tre­ten ist, ver­mag ich nicht zu sa­gen.

    Gre­gor

    Ka­der-Par­tei ist ein häss­li­ches Wort, ver­wen­det wie die 5.Kolonne Mos­kaus oder die ro­ten Socken. Trotz­dem steckt ein Kern Wah­res dar­in, da der Ka­der ein Wir-Ge­fühl vor­aus setzt, dass der SPD und vor al­lem den Orts­ver­ei­nen lan­ge Zeit zu Grun­de lag. Ge­sin­nungs-Par­tei hört sich für mich bes­ser an. Und das sind die lin­ken Par­tei­en im Ge­gen­satz zur po­lit­schen Rech­ten, die vie­le Ichs sind und kein Wir.

    Es ist jetzt nichts Neu­es, dass ge­ra­de die Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten die­ses Bild häu­fig durch­bro­chen ha­ben. Aber spä­te­stens mit Schrö­der und Cle­ment kam es zu ei­ner ech­ten Ent­frem­dung der Ba­sis, was vie­ler­orts bis heu­te nicht ver­zie­hen ist. Cle­ment war als Nach­fol­ger Raus der In­be­griff von Filz, In­tri­ge und Kor­rup­ti­on, be­vor er sich recht­zei­tig nach Ber­lin ab­setz­te und Stein­brück das Scher­ben­keh­ren über­liess, der es flugs Cle­ment gleich tat und ver­brann­te Dör­fer hin­ter­liess. In Ber­lin hat Cle­ment für vie­le Par­tei­mit­glie­der die Sa­che der Ar­bei­ter end­gül­tig ver­ra­ten (man den­ke nur an die Steu­er­re­form von ’99), um sich dann in die Füh­rungs­eta­ge der Groß­in­du­strie ab­zu­setz­ten. Kei­ne gu­te Vor­aus­set­zung zum lieb ha­ben.

    Sei­ne ech­te Ver­feh­lung war aber, mit der ver­meint­li­chen Wahl­emp­feh­lung die Ge­mein­schaft ver­ra­ten zu ha­ben. Ob es sie so über­haupt gibt, sei da­hin ge­stellt. Da dies aber not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für ei­ne lin­ke Volks­par­tei ist, rüt­tel­te er da­mit an den Grund­fe­sten der Par­tei.

    Becks la­vie­ren bzgl. der Links­par­tei ist qua­li­ta­tiv et­was ganz an­de­res. Er war un­ge­schickt, zu­ge­ge­ben kei­ne gu­te Ei­gen­schaft für ei­nen Par­tei­vor­si­zen­den, aber nicht eh­ren­rüh­rig. Die SPD hat mit den Grü­nen und den Lin­ken im Lau­fe der Zeit zwei Par­tei­en vor die Na­se be­kom­men, die we­sent­li­che Kli­en­tel ab­ge­zo­gen hat und es ver­un­mög­licht in näch­ster Zeit ne­ben Schwarz/Gelb ei­ne welt­an­schau­li­che Mehr­heit zu bil­den. Der Weg zur lin­ken Ko­ali­ti­on ist da­her eben­so schwie­rig wie zwangs­läu­fig. Durch ge­lun­ge­ne Pro­pa­gan­da ist dies bis­her nicht kom­mu­ni­zier­bar, wor­an Beck ge­schei­ter ist. Das war sta­te­gisch schlecht, macht ihn aber nicht zu ei­nem schlech­te So­zi­al­de­mo­kra­ten.

    Ich bin froh das er weg ist, zu­sam­men mit die­sen Hom­bachs et.al.

  14. #13 Pe­ter
    Die­se Hal­tung war in der Bun­des­re­pu­blik lan­ge Zeit in bei­den La­gern Kon­sens (je nach Vi­ta er­lebt oder nicht). Die Zer­fa­se­rung des Mei­nungs­spek­trums der Wei­ma­rer Re­pu­blik soll­te un­ter al­len Um­stän­den ver­mie­den wer­den, Volks­par­tei­en die Sta­bi­li­tät bie­ten, die in den schwie­ri­gen Jah­ren nö­tig war. Wann der Zeit­punkt war, als die­se Hal­tung ob­so­let wur­de oder ob er über­haupt schon ein­ge­tre­ten ist, ver­mag ich nicht zu sa­gen.

    Die bei­den gro­ßen Par­tei­en CDU und SPD ver­dan­ken ih­re Er­fol­ge in der Zeit nach dem 2. Welt­krieg der Tat­sa­che, dass es in der ehe­ma­li­gen BRD tat­säch­lich ei­ne lan­ge Pha­se der Pro­spe­ri­tät ge­ge­ben hat. Bei­de Ent­wür­fe wa­ren er­folg­reich, weil es Auf­stiegs­chan­cen auf der ei­nen Sei­te und et­was zu ver­tei­len auf der an­de­ren Sei­te gab. Die SPD hat nun das Pech, dass ih­re ver­such­te Ori­en­tie­rung zur Mit­te ge­nau mit dem Zeit­punkt zu­sam­men­fiel, als die­se Mit­te ver­stärkt zu ero­die­ren be­gann und sie un­glück­li­cher­wei­se mit Schrö­der ein zwei­tes Mal die Wahl ge­wann und an der Macht blieb.

    Ich glau­be nicht an ei­ne län­ger­fri­sti­ge Zer­split­te­rung, es ist nur heu­te nicht klar, un­ter wel­chem Fähn­lein sich die Mehr­heit der »Lin­ken« ver­sam­meln wird, un­ter dem der SPD oder dem der Links­par­tei. Da wird viel vom rei­nen Zu­fall ab­hän­gen, vom Cha­ris­ma der Front­män­ner und was weiß ich. Der­zeit ist die Links­par­tei im Vor­teil, weil sie kla­re For­de­run­gen stel­len kann und kla­re Vor­stel­lun­gen hat – oh­ne dass ihr die an­de­ren die Chan­ce ge­ben zu zei­gen, was da­von wirk­lich funk­tio­niert und was nicht.

  15. #11 – Pe­ter Vieh­rig
    Er hat zur Wahl des po­li­ti­schen Geg­ners auf­ge­ru­fen.
    Das ist so nicht rich­tig. Er hat – zu­ge­ge­be­ner­ma­ssen sy­bil­li­nisch – zum Ab­wä­gen ge­ra­ten. Aber was ist dar­an falsch? Wen hat er mit die­sem Ar­ti­kel und die­ser For­mu­lie­rung von der Wahl der SPD (Frau Yp­si­l­an­ti) ab­ge­ra­ten?

    - Den no­to­ri­schen SPD-Wäh­ler? Nein.
    – Den lin­ken So­zi­al­de­mo­kra­ten, der schon im­mer ge­gen Schrö­der, Cle­ment & Co. war? Auch nicht – der wird ge­ra­de mo­ti­viert ge­we­sen sein, da Yp­si­l­an­ti ja ei­ne der we­ni­gen war, die ih­nen bei der Agen­da 2010 auch öf­fent­lich wi­der­spro­chen hat­ten (man muss das auch per­sön­lich se­hen!)
    – Den schwan­ken­den CDU-Wäh­ler, der mit der Dreck­kam­pa­gne von Koch nicht ein­ver­stan­den war? Auch nicht, der hat zur Ge­wis­sens­be­ru­hi­gung FDP ge­wählt.
    – Den Atom­strom­be­für­wor­ter der FDP, der nicht mit Koch ein­ver­stan­den ist? Auch nicht – sie­he oben

    Ich wa­ge die The­se, dass ein­zig die me­dia­le Auf­blä­hung die­ses Ar­ti­kels und der un­ter­stell­te »Streit in der SPD« da­zu bei­getra­gen ha­ben dürf­te, ein Zerr­bild der SPD ab­zu­ge­ben. Aber – ich ge­he da von mir aus – wenn ich ei­ne glü­hen­de (po­li­ti­sche) Ver­eh­re­rin von Frau Y. wä­re, wür­de mich doch ein sol­cher Ser­mon eher an­sta­cheln. Der Scha­den, von dem ge­re­det wird, exi­stiert nur vir­tu­ell – als »Stö­rung der Fried­hofs­ru­he« so­zu­sa­gen. Das da Lei­chen lie­gen, die durch nichts ge­stört wer­den kön­nen, in­ter­es­siert nicht. Es geht um Par­tei­rä­son (ich sa­ge nicht mehr »Ka­der«, okay).

    Zu Ham­burg: Beck hat­te nicht ver­sucht, sich »her­aus­zu­re­den« – er hat­te we­ni­ge Ta­ge vor der Ham­burg-Wahl erst er­mög­licht, dass die Lan­des­ver­bän­de frei ent­schei­den kön­nen; im Rah­men ei­ner klei­nen Fei­er, bei der auch Jour­na­li­sten an­we­send wa­ren. Er hät­te nur ein paar Ta­ge war­ten brau­chen. Das Her­aus­re­den fand spä­ter statt.

  16. Post scrip­tum:
    Die ARD setzt sich ja im Mo­ment ganz toll vor­bild­lich für die freie Mei­nungs­äu­sse­rung in Chi­na ein und ge­gen die vom IOC of­fen­sicht­lich ge­dul­de­te In­ter­net­zen­sur. Löb­lich.

    Mei­nen Kom­men­tar zum The­ma Cle­ment-Aus­schluss auf dem Ta­ges­schau-Blog, der sinn­ge­mäss das oben ge­sag­te wie­der­gab (und ei­nen Link auf den Bei­trag setz­te) wur­de dann aber doch nicht ver­öf­fent­licht.

    Da fällt mir im­mer wie­der der Satz von Gu­stav Hei­ne­mann ein:

    Wer mit dem Zei­ge­fin­ger all­ge­mei­ner Vor­wür­fe auf den oder die ver­meint­li­chen An­stif­ter oder Draht­zie­her zeigt, soll­te be­den­ken, dass in der Hand mit dem aus­ge­streck­ten Zei­ge­fin­ger zu­gleich drei an­de­re Fin­ger auf ihn selbst zu­rück­wei­sen.

  17. #16

    Das wun­dert Sie doch nicht wirk­lich, oder?

    Das Blog der Ta­ges­schau, das ich heu­te zum er­sten mal se­he, er­weckt eher den Ein­druck, ei­ne »emo­tio­na­le Müll­hal­de« zu sein, da­mit man­che ihr Müt­chen küh­len kön­nen.

    Viel­leicht ist es an der Ver­lin­kung ge­schei­tert? Das ist aber nur so ei­ne Idee, ich glau­be das ei­gent­lich nicht. »Blog­kul­tur« fin­det man eben nur in »ech­ten« Blogs, nicht in Ali­bi­ver­an­stal­tun­gen der ver­meint­li­chen Kon­kur­renz.

    »Er hat – zu­ge­ge­be­ner­ma­ssen sy­bil­li­nisch – zum Ab­wä­gen ge­ra­ten. Aber was ist dar­an falsch? Wen hat er mit die­sem Ar­ti­kel und die­ser For­mu­lie­rung von der Wahl der SPD (Frau Yp­si­l­an­ti) ab­ge­ra­ten?«

    Auf die­ses dün­ne Eis wer­de ich Ih­nen nicht fol­gen, mich jetzt auf ei­ne so­zio­lo­gi­sche Her­lei­tung ein­zu­las­sen, wer von den Wäh­lern nun mög­li­cher­wei­se kon­kret von ei­ner Wahl Yp­si­l­an­tis ab­ge­hal­ten wur­de. Auch ei­ner sa­lo­mo­ni­schen Um­in­ter­pre­ta­ti­on der Ein­las­sun­gen Cle­ments fol­ge ich nicht. Mir ge­nügt es voll­auf, den ent­schei­den­den Satz (auch in sei­nem Kon­text) noch­mal zu le­sen, da­mit mir sei­ne Ab­sich­ten deut­lich vor Au­gen tre­ten, ob nun be­män­telt oder nicht. Und die Ab­sicht ge­nügt. Und an­ge­sichts des äu­ßerst knap­pen Wahl­aus­gangs fin­de ich die­se Um­deu­tungs­ver­su­che fast schon al­bern.

    Das ist auch der ent­schei­den­de Un­ter­schied zur Cau­sa Beck: Die Mo­ti­va­ti­on, die da­hin­ter­ste­hen­de Ab­sicht.

    Dar­aus muß man nicht ein­mal schluß­fol­gern, daß Cle­ment aus­ge­schlos­sen ge­hö­re – aber man kann es. (Und mei­ner Mei­nung nach soll­te man auch!) Dies der SPD vor­zu­hal­ten, geht für mich fehl. Und nein: Es geht eben nicht um Par­tei­rä­son. Oder nur in­so­weit, als man den Wahl­sieg der ei­ge­nen Par­tei halt nicht ziel­ge­rich­tet tor­pe­diert, so­viel »Par­tei­rä­son« hal­te ich dann auch für er­for­der­lich.

    Fast be­lu­stigt bin ich, wenn ich die­ses Weh­kla­gen von den »Wah­rern der Mei­nungs­frei­heit« hö­re oder le­se, es nährt zur Zeit in mir den Ver­dacht, daß da wel­che ei­ne gro­ße Freu­de an der Selbst­zer­flei­schung der So­zis hät­ten:

    Aber: Nun zer­flei­schen sie sich mal nicht, im Ge­gen­teil, sie weh­ren sich! So­was aber auch! Sap­per­lot!

    Dür­fen die das?

  18. Ta­ges­schau-Blog
    Ich ver­mu­te, dass es an der Ver­lin­kung ge­schei­tert ist. Bei der F.A.Z. for­mu­liert man ja um oder schnei­det her­aus. Bei tagesschau.de wird ge­löscht. Was mich über­rascht, weil ich hier ge­le­gent­lich vom NDR Le­ser ha­be...

    »Dün­nes Eis«
    Se­he ich nicht – und war auch nicht so ge­meint. Als sei die Wahl von Cle­ments Ar­ti­kel ent­schie­den wor­den. Das glau­be ich nie­mals.

    In ei­nem ha­ben Sie viel­leicht Recht: Im Ge­gen­satz zu Beck, der ver­mut­lich ein­fach nur zu blöd war, sei­ne neue Ko­ali­ti­ons­po­li­tik noch drei Ta­ge zu ver­heim­li­chen, kann man bei Cle­ment Ab­sicht un­ter­stel­len. Yp­si­l­an­ti und er sind und wa­ren kei­ne »Freun­de«. (Al­ler­dings Beck und Nau­mann auch nicht – Nau­mann hat in Ham­burg Wahl­kampf mit Schrö­der ge­macht!)

    Ein Kom­men­ta­tor auf dem ta­ges­schau-Blog hat ja nicht so ganz un­recht: Nach wel­chen Kri­te­ri­en stuft man denn den Scha­den ein? Dar­auf, dass die SPD mehr als 7% ge­won­nen hat im Ver­gleich zur letz­ten Wahl ge­won­nen? Am 14.01.08, al­so ei­ne Wo­che vor dem Cle­ment-Ar­ti­kel und zwei Wo­chen vor der Wahl mel­de­te der Hes­si­sche Rund­funk ein Um­fra­g­er­geb­nis, wel­ches dem tat­säch­li­chen Re­sul­tat ähn­lich war (zu­min­dest was die Re­la­tio­nen an­geht).

    Für mich als even­tu­el­len SPD-Wäh­ler stellt sich die Fra­ge: Wäh­le ich die Par­tei viel­leicht NICHT, weil ich Cle­ments Ar­ti­kel ge­le­sen ha­be oder wäh­le ich sie NICHT, weil sie nun in den Län­dern mit den Lin­ken zu­sam­men­ge­hen »darf«? Mei­ne Ant­wort dürf­te klar sein.

  19. Wenn die fal­schen Leu­te das rich­ti­ge sa­gen – und um­ge­kehrt

    Das fol­gen­de mag ein we­nig holp­rig wir­ken, manch­mal weit aus­ho­lend, da ich Ih­nen aber ru­hi­gen Her­zens gu­ten Wil­len un­ter­stel­le, schrei­be ich es trotz­dem.

    »Als sei die Wahl von Cle­ments Ar­ti­kel ent­schie­den wor­den. Das glau­be ich nie­mals.«

    Als ich das ge­le­sen ha­be, muß­te ich lä­cheln. Selbst jetzt, ei­ni­ge Stun­den spä­ter, muß ich das. Kein spöt­ti­sches Lä­cheln, viel­mehr ein leicht iro­ni­sches. Ver­su­chen Sie sich vor­zu­stel­len, Herr Keu­sch­nig, wie ich Ih­nen freund­schaft­lich auf die Schul­tern klop­fe und Ih­nen sa­ge: »Dann glau­ben Sie es eben nicht!« Der Äu­ße­rung von Beck bil­li­gen Sie ei­ne we­sent­li­che Aus­wir­kung auf die Wahl in Ham­burg zu (im­mer­hin bis zu 4%), dem Cle­ment für Hes­sen hin­ge­gen nicht ein­mal ein 40stel da­von? Sie wer­den zu­ge­ben, das hinkt. Und zwar »Mäch­tig ge­wal­tig!«, wie Ben­ny von der »Ol­sen­ban­de« jetzt sa­gen wür­de:

    Viel Ver­gnü­gen!

    Und nun wie­der im Ernst, ich woll­te ja wei­ter aus­ho­len: Ein ehe­ma­li­ger Ar­beits­kol­le­ge von mir be­zeich­ne­te mich ein­mal mit deut­lich iro­ni­schem Un­ter­ton als ei­nen »li­be­ral­kon­ser­va­ti­ven So­zi mit grü­nem Ein­schlag«, und bei al­ler Iro­nie cha­rak­te­ri­sier­te er da­mit mei­ne po­li­ti­schen Grund­hal­tun­gen ziem­lich ge­nau. Aus Ih­ren Schluß­sät­zen in­ter­pre­tie­re ich, daß der Schuh ei­gent­lich ganz wo­an­ders drückt, wo­mit wir ganz dicht bei­ein­an­der lie­gen dürf­ten: Die SPD ist auf ei­nem fal­schen Kurs, und dank Beck ist sie das auch noch schlin­gernd. Von der sog. Links­par­tei ge­trie­ben, läßt sie sich von der Uni­on die But­ter vom Brot neh­men.

    Na­tür­lich nut­zen ei­ni­ge aus dem lin­ken Flü­gel der SPD die Ein­las­sun­gen Cle­ments als Steil­vor­la­ge, um mit dem ge­sam­ten Er­be Schrö­ders und den Prot­ago­ni­sten sei­ner Po­li­tik »ab­zu­rech­nen«. Und ich bit­te Sie, es mir zu glau­ben, daß ich das kei­nes­falls gut­hei­ße. Und die Ver­su­chung liegt na­he, Cle­ment zu ver­tei­di­gen, wenn man sich die Per­so­nen und Mo­ti­ve der An­grif­fe ge­gen ihn ver­ge­gen­wär­tigt.

    Doch ich bin nicht be­reit, so­weit in ei­ne (letzt­lich doch ei­ge­ne) psy­cho­lo­gi­sche und ar­gu­men­ta­ti­ve Fal­le zu lau­fen, den »fal­schen« Leu­ten zu wi­der­spre­chen, wenn sie ein­mal schlicht recht ha­ben. Nicht in ih­ren Mo­ti­ven, son­dern ganz ober­fläch­lich: Sie ha­ben recht in der Sa­che. Das, was Cle­ment vor der Wahl in Hes­sen ziel­ge­rich­tet mit sei­nen Äu­ße­run­gen be­trie­ben hat, ist nicht trag­bar. Das wä­re es für kei­ne Par­tei. Und wenn er das we­nig­stens im nach­hin­ein ein­sä­he, könn­te man das mit ei­ner Rü­ge ab­tun. Aber, wie nicht an­ders zu er­war­ten, er nimmt für sich auch wei­ter­hin Son­der­rech­te in An­spruch. Zu­sam­men­ge­faßt in et­wa: »Wenn ich der Mei­nung bin (je nach Be­darf im Fremd­auf­trag oder nicht), die SPD ist nicht wähl­bar, dann darf ich das auch of­fen sa­gen, auch kurz vor ei­ner ent­schei­den­den Wahl. Denn, wenn ich das sa­ge, dann ist das schließ­lich im Lan­des­in­ter­es­se, dann darf ich die­se Wahl tor­pe­die­ren, auch wenn es den Wahl­sieg ko­stet, auch zu­künf­tig, denn Lan­des­in­ter­es­se geht im­mer vor...« Ar­ro­gan­ter geht’s kaum!

    Und da kann ich nur er­wi­dern: Wenn er wirk­lich denkt, die SPD sei nicht wähl­bar, wenn er meint, der Kurs der SPD sei der­ma­ßen gra­vie­rend falsch, dann ist er in der fal­schen Par­tei. Und wenn er das of­fen in die­ser Form und bös­ar­ti­gen Ab­sicht sagt, dann darf die­se Par­tei ihn raus­schmei­ßen, zu­mal dann, wenn er von selbst par­tout nicht er­ken­nen will, daß er ge­hen soll­te. Da­zu hat die­se Par­tei je­des Recht.

    Ob­wohl ich al­so den SPD-Kurs in vie­lem be­denk­lich fin­de, hier ist er es in mei­nen Au­gen nun­mal nicht. Wo­bei – wie be­fürch­tet – der Beck wackelt ja ge­ra­de wie­der...

  20. @Peter Vieh­rig
    Becks Äu­sse­rung sechs Ta­ge vor der Landtags-(Bürgerschafts)wahl in Ham­burg, dass sich Yp­si­l­an­ti nun doch mit den Stim­men der Lin­ken wäh­len las­sen »darf«, hat mit Si­cher­heit gra­vie­ren­de­re Aus­wir­kun­gen auf der Wäh­ler­ver­hal­ten als das Lob­by­ge­schwa­fel ei­nes ab­ge­tre­ten­den SPD-Ex. Nicht nur, weil es ei­nen glat­ten Wort­bruch zu den Wahl­aus­sa­gen der SPD in Hes­sen dar­stellt, son­dern weil es die Glaub­wür­dig­keit der SPD un­ter­mi­niert. Das ist al­le­samt re­le­van­ter als das, was in Hes­sen pas­sier­te.

    Ih­re Zu­sam­men­fas­sung des KSTA-In­ter­views ist leicht ein­ge­färbt, da es Be­stand­tei­le ent­hält, die er so nie ge­sagt hat. Aber dar­über kön­nen sich die Le­ser ja sel­ber ein Ur­teil bil­den. Ich ha­be ge­le­sen: »... die­se Par­tei für die grund­sätz­lich rich­ti­ge hal­te. Sie ist ei­ne Par­tei der Ge­rech­tig­keit und der Frie­dens­po­li­tik.« und »Es muss aus­ge­spro­chen wer­den, dass ei­ne En­er­gie­po­li­tik, wie sie von hes­si­schen So­zi­al­de­mo­kra­ten ver­tre­ten wird, ab­so­lut in­du­strie­feind­lich und nicht ver­ant­wort­bar ist. Das war so und bleibt so. Der rich­ti­ge en­er­gie­po­li­ti­sche Weg kann nicht sein, gleich­zei­tig auf Atom­ener­gie und Koh­le zu ver­zich­ten. Das ist der Kurs von Frau Yp­si­l­an­ti, den ich mir er­laubt ha­be, zu kom­men­tie­ren. Die­ses Recht neh­me ich wei­ter in An­spruch. Auch dar­in ist die Ent­schei­dung der Schieds­kom­mis­si­on falsch. Sie spricht ja von der Ein­schrän­kung der Mei­nungs­frei­heit, die man als Par­tei­mit­glied ein­ge­he. Wenn ich das ak­zep­tie­ren wür­de, könn­ten Jour­na­li­sten nicht mehr in ei­ner Par­tei sein. Wenn ich ge­ra­de in der En­er­gie­po­li­tik ei­ne Ab­wä­gung vor­neh­me, sind mir die Lan­des­in­ter­es­sen wich­ti­ger als die Par­tei­in­ter­es­sen, selbst in Wahl­kämp­fen.«

    Ich glau­be, Ihr Ur­teil, ich en­ga­gie­re mich »für Cle­ment«, ist falsch. Ich en­ga­gie­re mich für so et­was wie ei­nen Dis­kurs und bin der Mei­nung, dass auch ei­ne Par­tei dis­kurs­fä­hig sein und blei­ben muss. Cle­ments Ver­hal­ten muss­te ge­rügt wer­den, weil es (auch) schlech­ter Stil war. Aber das man des­we­gen je­man­den aus­schliesst – das hal­te ich für »töd­lich« (nicht nur un­ter den »Be­din­gun­gen« des me­dia­len Zir­kus, der sich da auf­tut).

    Ne­ben­bei: Ich bin und war nie Mit­glied ei­ner Par­tei. Ich ha­be vor sehr lan­ger Zeit da­mit sym­pa­thi­siert, in die SPD ein­zu­tre­ten, aber der NA­TO-Dop­pel­be­schluss von Schmidt (den ich aus sehr vie­len an­de­ren Grün­den für den be­sten Bun­des­kanz­ler hal­te, den Deutsch­land je hat­te) hat­te mich da­von ab­ge­hal­ten.

  21. @en-passant + Köpp­nick (#12)
    Bei Hu­ber­tus Heil den­ke ich in letz­ter Zeit im­mer an ei­ne Ver­an­stal­tung, als er Oba­mas »Yes, we can« als Sprech­chor auch für die SPD in­sze­nie­ren woll­te. Das war so arm­se­lig, dass ich die­sen Mann als ad­äqua­ten »Geg­ner« von Po­falla se­hen kann. Bei­de »Sprech­bla­sen« oh­ne Pro­fil. Dass Po­falla Kar­rie­re macht, dürf­te dar­an lie­gen, dass die CDU vor­her leich­te Pro­ble­me mit all­zu selb­stän­dig den­ken­den Ge­ne­ral­se­kre­tä­ren hat­te (Kohl hat­te das auch – mit Geiss­ler und Bie­den­kopf aber ganz an­de­re, in­tel­lek­tu­el­le Ka­li­ber). Man um­gibt sich in die­sen Krei­sen ger­ne mit Leu­ten, die ei­nem (auch in­tel­lek­tu­ell) nicht ge­fähr­lich wer­den kön­nen.

    Die Per­spek­ti­ve auf das Ge­spann Wo­we­reit – Nah­les (nach der Bun­des­tags­wahl 2009 für 2013) wür­de mich even­tu­ell ver­an­las­sen, jetzt noch in die SPD ein­zu­tre­ten, um dann des­we­gen aus­zu­tre­ten. Aber nein, das wä­re zu­viel Wid­mung.

  22. Ach, wie ist es an­ge­nehm, so ei­ne ru­hi­ge und ge­schlif­fe­ne Dis­kus­si­on zu ver­fol­gen und wenn man, wie ich, nichts dort Un­be­dach­tes hin­zu­fü­gen kann, so hält man sich bes­ser raus. Da aber der letz­te Bei­trag von Pe­ter Vieh­rig so prä­zi­se mei­ner Sicht der Cau­sa Cle­ment und SPD ent­spricht, muss ich das jetzt doch noch los wer­den.

  23. #12 / Se­kre­tär & General(sschlüssel)
    Mmh. Hern Heils Na­me ha­be ich zwar schon mal ge­hört, aber au­ßer als Ver­laut­ba­rungs­auf­sa­ger bis­her kaum re­gi­striert. Ist das gut (smooth ope­ra­ting)? Oder schlecht (zu­we­nig Ra­dau)?

    Man muss hier bei Men­schen mit ei­nem Tem­pe­ra­ment ja auch auch im­mer die Funk­ti­on hin­zu­ad­die­ren und dann die Wur­zel zie­hen. Aber sind sie dann, oh­ne Kennt­nis­se ih­res in­ter­nen Stan­dings, auch zu be­ur­tei­len? Ich ver­mu­te, ich mag die­se Leu­te meist des­we­gen nicht, weil sie als Ver­ein­fa­cher (und „Ein­peit­scher“) auf­tre­ten müs­sen und an­de­re als Sel­ber­den­ker letzt­lich nicht ernst neh­men. So über­zeugt kann kein Mensch sein, um der­art dog­ma­tisch da­her zu kom­men.

    Die CDU ha­be ich mit die­ser Art Funk­ti­ons­trä­ger aber im­mer als eher noch un­glü­cher emp­fun­den. Und Geiß­ler? „Der größ­te Het­zer seit...“? Lie­ber nicht. Ich fin­de ihn auch nach sei­ner Keh­re nicht viel glaub­wür­di­ger.

  24. #19 – raus/rein
    Al­so ei­gent­lich bin ich eher auf G.K.’s Li­nie: Dis­kurs soll­te im­mer vor­ran­gig, so­weit als mög­lich ge­för­dert und er­laubt sein. Vor al­lem, wenn er das eh eher zu we­nig ist (man den­ke nur an so ei­nen wi­der­li­chen Eu­phe­mis­mus wie »Frak­ti­ons­dis­zi­plin« ge­gen die be­tu­li­che, aber für mich al­ter­na­tiv­lo­se Ge­wis­sen­ver­ant­wor­tung).

    Was aber, wenn man auch Raus­wurf als (ex­trem­ste) Band­brei­te von Dis­kurs be­trach­tet? Das soll jetzt kein haar­spal­te­ri­scher So­phis­mus sein, aber es gibt auch so et­was wie Starr­sinn, Blöd­heit, Un­be­lehr­bar­keit... An­ti­hal­tung aus ir­ra­tio­nelen Grün­den. (Das scheint mir bei Cle­ment doch nicht all­zu weit ent­fernt, je­mand, der ja auch wäh­rend sei­ner Mi­ni­ster­zeit nicht als der gro­ße Dis­ku­tie­rer und To­le­ranz­ler auf­fiel, son­dern eher als ein­sa­mer Ent­schei­der – und ent­schie­de­ner Ab­qua­li­fi­zie­rer An­ders­den­ken­der).

    Ich fin­de, auch äu­ßer­ste Mit­tel müs­sen er­laubt sein – wenn es denn ein Äu­ßer­stes ist – was ich nicht be­ur­tei­len kann und will, aber da­für gibt’s schließ­lich Gre­mi­en. Und wenn al­so da jetzt wie­der von der „Spit­ze“ je­mand hin­ein­ge­schickt wird, der da mit­fum­meln soll... ist das dann auch schon wie­der ei­ne Schief­la­ge des Dis­kur­ses und sei­ner nie gleich­wer­tig ope­rie­ren­den Kräf­te?

  25. @en-passant #24
    Ja, es hat was, den ein­sti­gen Ba­sta-Mann (der das viel mehr war als Schrö­der) jetzt mit ei­nem »Es reicht« vor die Tür zu set­zen. Und das Di­lem­ma ist na­tür­lich, wenn dies »von oben« auf­ge­ho­ben wer­den soll­te. Wie wer­den dann wohl die »Be­wäh­rungs­auf­la­gen« aus­se­hen? Kei­ne Ar­ti­kel mehr in »Springer«-Erzeugnissen? Oder drei­mal das Ge­bäu­de des Orts­ver­eins Bo­chum auf Knien um­run­den und An­dre­as Nah­les-Bild­chen am Hut tra­gen?

    Na­tür­lich ist auch ein Raus­wurf ein »Dis­kurs­mit­tel«. Es gibt ja (an­geb­lich) kei­nen Nicht-Dis­kurs. Mir geht es wirk­lich nicht um Cle­ment, son­dern um das Mes­sen, was da statt­fin­det: Wir ge­stat­ten der per­so­na-non-gra­ta ein­fach nichts mehr – den an­de­ren (Beck) das grösst­mög­li­che Cha­os. Ich se­he – im wei­te­sten Sinn- das, was Wal­ser neu­lich »Zeit­geist« nann­te und des­sen Wech­sel­spiel­chen er (ein biss­chen lar­moy­ant) be­klag­te. Man kann das auch bei Ben­neter se­hen, der auch schon mal in Un­gna­de ge­fal­len war – und dann (kurz­zei­tig) Ge­ne­ral­se­kre­tär wur­de.

    Von der »Agen­da 2010«-SPD sind fast nur noch Stein­mei­er und Stein­brück üb­rig­ge­blie­ben. Er­ste­rer wird in ei­nen aus­sichts­lo­sen Wahl­kampf ge­schickt, wo­mit man Letz­te­ren dann auch los wä­re. Cle­ment hin, Cle­ment her.


    @blackconti
    Ei­ner der Vor­wür­fe, die man mir schon mal ge­macht hat, ich wür­de mich hier mit Ja-Sa­gern um­ge­ben. Das sind die Leu­te, die nicht die Kom­men­ta­re le­sen. Aber wie Sie schon sa­gen: So­lan­ge dies auf die­ser Ebe­ne statt­fin­det, ist das für mich auch sehr be­le­bend.

  26. Geiß­ler
    Geiß­ler hat – das darf man nicht ver­ges­sen – ei­nen Je­sui­ten­aus­bil­dung ge­habt. Das er­klärt m. E. vie­les. Im­mer­hin war er zwölf Jah­re Ge­ne­ral­se­kre­tär der CDU – er soll­te die in­tel­lek­tu­el­le Er­gän­zung zu Kohl und sei­ner »gei­stig-mo­ra­li­schen Wen­de« dar­stel­len. Geiß­ler ver­hin­der­te, dass die Par­tei nach rechts schwenk­te und dort Stim­men ver­lor, in dem er sel­ber mit ha­ne­bü­chen­den Ver­glei­chen agier­te (den kurz­fri­sti­gen Auf­schwung der »Re­pu­bli­ka­ner« konn­te er nicht ver­hin­dern; das war eher Strauß ge­schul­det). Als er merk­te, dass Kohl aus­ge­brannt war, prob­te er den Auf­stand, der ja be­kann­ter­ma­ssen schei­ter­te.

    Geiß­lers wert­kon­ser­va­ti­ves Den­ken wird kaum noch wahr­ge­nom­men, weil sein vi­ru­len­ter An­ti­ka­pi­ta­lis­mus im Vor­der­grund ge­tre­ten ist. Letzt­lich ver­tritt er ei­ne keyne­sia­ni­sche Form des al­ten »Rhei­ni­schen Ka­pi­ta­lis­mus«, un­ter­legt mit staats­wirt­schaft­li­chen Ele­men­ten. Ty­pi­sches Den­ken ei­nes Man­nes, der in ab­ge­schot­te­ten Märk­ten (= Ost/­West-Di­cho­to­mie) ge­fan­gen ist.

  27. Die SPD steckt in ei­nem ech­ten Teu­fels­kreis. Ge­lingt es der SPD-Sit­ze, den Aus­schluss-Be­schluss durch ih­re In­ter­ven­ti­on noch zu kip­pen, wer­den Mit­glie­der der vor den Kopf ge­sto­ße­nen Orts­ver­bän­de aus­tre­ten. Ge­lingt es nicht, tun das an­de­re. Man ver­glei­che den na­he­zu ge­räusch- (in­ner­halb der Links­par­tei) und fol­gen­lo­sen (für die Links­par­tei) Raus­wurf von Chri­stel Weg­ner nach ih­ren un­säg­li­chen Äu­ße­run­gen und die jah­re­lang gut­ge­gan­ge­ne In­te­gra­ti­on der Leu­te von der kom­mu­ni­sti­schen Platt­form. (Üb­ri­gens soll­te die po­li­ti­sche Klas­se der Bun­des­re­pu­blik der Links­par­tei da­für dank­bar sein. Die RAF z.B. ist ja nicht zu­letzt da­durch ent­stan­den, dass man zu­nächst le­ga­le Pro­test­ler in die Il­le­ga­li­tät ab­ge­drängt hat.)

  28. @Köppnick
    Die RAF z.B. ist ja nicht zu­letzt da­durch ent­stan­den, dass man zu­nächst le­ga­le Pro­test­ler in die Il­le­ga­li­tät ab­ge­drängt hat.
    Das ist ein schö­nes, aber des­halb nicht we­ni­ger fal­sches Mär­chen. Ul­ri­ke Mein­hof hat nie­mand ab­ge­drängt. In die Il­le­ga­li­tät ha­ben sich die »Pro­test­ler« sel­ber be­ge­ben – durch Kri­mi­na­li­tät.

  29. Ka­nal­ar­bei­ter
    @Köppnick
    Rechts- oder Links­ab­weich­ler ein­bin­den und die ei­ge­nen Rän­der be­schmut­zen (aus­fran­sen las­sen)? Wo doch al­le end­lich nach Pro­fil gie­ren, nach Ab­gren­zung, nach wäh­ler-bin­den­der und zu ver­mit­teln­der Deut­lich­keit?

    Wenn die SPD kei­ne Volks­par­tei mehr ist, könn­te sie sich zu­min­dest wie­der »an­stän­dig« pro­fi­lie­ren (wenn sie’s könn­te).
    Wür­de man Cle­ment-An­hän­ger in der SPD ver­mu­ten? Den omi­nö­sen auf­ge­klär­te­ren »Fach­ar­bei­ter« et­wa?
    (Ist nicht po­le­misch ge­meint: ich fra­ge mich das.)

  30. Per­so­nen oder Po­li­tik?
    Viel­leicht ist das das Pro­blem, dass es eben doch zu­letzt im­mer eher an Leu­ten hängt – Beck – Cle­ment – Ge­ne­ral­se­kre­tä­re – der „tüch­ti­ge“ (H.Schmidt) aber un­be­lieb­te Stein­brück – usw. , die für was ste­hen müs­sen und da­mit ei­gent­lich schon ein­ge­schränkt sind (oder, schon ir­gend­wie du­bi­os, wie Stein­mey­er).

    Statt et­wa Leu­te zu ha­ben, die für was ste­hen und da­mit an­de­re an­zu­zie­hen ver­mö­gen, die sich dem po­si­tiv an­ver­wan­deln und die Sa­che ins­ge­samt be­rei­chern könn­ten. (Als ich klein war, gabs Wil­ly Brandt – von sei­ner Po­litk konn­te ich noch kaum was ka­pie­ren, aber sah, wie­viel ihm fol­gen woll­ten, und von da­her ha­be ich da wo­mög­lich ein ro­man­tisch-ver­zerr­tes Bild.)

    Die Agen­da 2010 war viel­leicht un­aus­weich­lich, war wo­mög­lich auch ei­ni­ger­ma­ßen gut als zwin­gend „ver­kauft“ (nicht un­ähn­lich die­sen „Das Boot ist voll“-Eingängigkeiten), nur in der Sa­che dann, und na­tür­lich ih­ren rea­len Aus­wir­kun­gen, zu schlecht und ins­ge­samt zu in­kon­se­quent, als dass sie heu­te noch als über­zeu­gen­de da­ste­hen könn­te. Und müss­ten dann ei­gent­lich nicht auch ih­re ruhm­lo­sen Prot­ago­ni­sten ab­tre­ten? Nicht um­sonst ist mit „Hartz“ der schmäh­lich weg­ge­räumt, der das ent­wickeln und be­nen­nen durf­te.

    Nur, dass es seit­dem kaum viel an­ders ge­wor­den ist und wohl auch nicht mehr wird.
    Nur dass die Par­tei­en ei­gent­lich in ei­nem wei­te­ren Sin­ne in­ter­es­sant ge­wor­den sind, da sie näm­lich auch von ih­rem Po­si­tio­nen und Ori­en­tie­rung ge­ben Per­so­nal her – oder dem, was es ver­spre­chen könn­te -, nichts Zu­kunfts­wei­sen­des oder auch nur Ge­gen­warts­ad­äqua­tes auf­zu­bie­ten ha­ben. Denn, wer­den nicht auch die mei­sten Pro­blem­la­gen mitt­ler­wei­le ge­nug deut­lich, dass man ih­re Lö­sun­gen [in­ter­na­tio­nal] an­vi­sie­ren könn­te? Statt­des­sen ha­ben wir die in ih­rer Kom­ple­xi­tät kaum zu be­grei­fen­de Kli­ma­front und zu­gleich da­mit mit der (et­wa mit der Pend­ler­pau­scha­le pu­bli­kums­nah ver­sim­pel­ten) En­er­gie­pol­tik ein Pro­blem, dass wohl Rück­wärts­ge­wandt­hei­ten un­ver­meid­lich wie­der auf­kom­men lässt.

    Man se­he, wie ge­ra­de der Au­to­markt in den USA und mit ihm do­mi­no­mä­ßig all die Di­no­sau­ri­er-Rea­li­en zu­sam­men­bre­chen, die dran hän­gen, bis zur Bör­se und den Jobs und den Ren­ten­fonds und dar­aus wie­der ent­ste­hen­den Po­li­tik­zwän­gen, de­ren Fol­gen viel­leicht wei­ter rei­chen, als je­der sich das aus­zu­ma­len ver­mag.

    Pro­blem ist viel­leicht die An­ti­quiert­heit des Men­schen. „Der al­ler­größ­te Teil der Mensch­heit be­fin­det sich um hun­dert Jah­re zu­rück hin­ter dem, was ge­dacht wird (Ro­bert Mu­sil, vor ca. hun­dert Jah­ren).

    Und über­all „Per­so­nen“, die mit der Her­aus­for­de­rung zu den Fra­gen nicht in ei­nen gün­sti­ge Stel­lung zu brin­gen sind. Oder? Da hier mit dem ei­nen so vie­le an­de­re Na­men ein­ge­führt wur­den – sieht da je­mand ir­gend­wen?

  31. # 30 / Brandt
    ...war wahl­wei­se »Va­ter­lands­ver­rä­ter« oder Heils­brin­ger (ich wuchs in ei­nem Um­feld auf, in dem das Er­ste­re galt – aber nicht in der Fa­mi­lie!). Na­tür­lich war er bei­des nicht. Aber Brandt stand für ei­ne Po­li­tik, auch wenn vie­les sei­ne Mit­ar­bei­ter (Egon Bahr ins­be­son­de­re) ein­fä­del­ten (ich mei­ne hier ins­be­son­de­re die Ost- und Au­ssen­po­li­tik). Heu­te ste­hen hin­ter Per­so­nen nur noch – die Per­so­nen sel­ber. Es sind po­tem­kin­sche Po­li­ti­ker – oh­ne Rück­grat, oh­ne »Vi­si­on« (ja, der Schmidt moch­te das nicht), oh­ne Be­wusst­sein, für was und wen man das tut.

    Da­her ent­wickeln auch Fi­gu­ren wie Geiß­ler ei­ne Fas­zi­na­ti­on – sie ha­ben Idea­le (um nicht »Vi­sio­nen« zu sa­gen), nein: sie er­wecken das Ge­fühl, ein Ide­al (Idea­le) zu ha­ben. Und dar­um ist Beck so lang­wei­lig: Der än­dert sei­ne Mei­nung nach der Um­fra­ge. Wenn uns aber die Me­di­en sug­ge­rie­ren, dass De­mo­kra­tie auf der je­wei­li­gen Mehr­heits­ent­schei­dung des Vol­kes be­ruht (ein fol­gen­rei­ches Miss­ver­ständ­nis) – was kön­nen, was dür­fen wir dann an­de­res er­war­ten?

    Brandts Po­li­tik war rich­tig, auch wenn sie nicht 1972 mehr­heit­lich ge­wählt wor­den wä­re. Die Mehr­heit ent­schei­det nicht über Rich­tig­keit. Po­li­ti­ker, die uns dies ein­re­den wol­len, sind ge­fähr­li­che Dem­ago­gen. Po­li­ti­ker, die ei­nem Trend hin­ter­her­lau­fen, sind Idio­ten. Da sind mir Leu­te wie Cle­ment, auch wenn er in der Atom­ener­gie voll­kom­men irrt, lie­ber. Die ir­ren we­nig­stens »gross«.

  32. #28
    Das ist ein schö­nes, aber des­halb nicht we­ni­ger fal­sches Mär­chen. Ul­ri­ke Mein­hof hat nie­mand ab­ge­drängt. In die Il­le­ga­li­tät ha­ben sich die »Pro­test­ler« sel­ber be­ge­ben – durch Kri­mi­na­li­tät.

    Was hältst du von der The­se, dass die be­tref­fen­den Per­so­nen in die Il­le­ga­li­tät ge­gan­gen sind, weil sie zu der Mei­nung ge­langt wa­ren, es gä­be kei­ne ge­eig­ne­ten le­ga­len Mög­lich­kei­ten, ih­re Zie­le zu er­rei­chen? Das kann man jetzt wie­der un­ter ver­schie­de­nen Aspek­ten be­trach­ten: 1. Wa­ren ih­re Zie­le falsch? 2. Ha­ben sie ih­re le­ga­len Mög­lich­kei­ten un­ter­schätzt? Was man mit Si­cher­heit sa­gen kann, dass die Mehr­heit der deut­schen Be­völ­ke­rung kei­ne »Re­vo­lu­ti­on« woll­te und nicht »be­freit« wer­den vom »Schwei­ne­sy­stem«.

    Wahr­schein­lich hast du bzgl. der RAF Recht. Ich woll­te aber ei­gent­lich mit mei­nem Ver­gleich et­was an­de­res sa­gen: Man soll­te froh sein, dass sich die Rea­los in der Links­par­tei mit der kom­mu­ni­sti­schen Platt­form ab­pla­gen, be­son­de­ren Spaß dar­an ha­ben Gy­si und Bis­ky dar­an si­cher nicht. Aber bes­ser man sieht Sahra Wa­gen­knecht ab und zu in ei­ner Talk­show oder ei­nem Par­tei­tag als je­den Tag auf ei­nem Fahn­dungs­fo­to.

  33. @Köppnick
    Ich glau­be nicht, dass Dei­ne The­se zur RAF stimmt; ich ha­be hier auch in ei­ni­gen Bei­trä­gen ver­sucht zu er­klä­ren, war­um ich das glau­be.

    Dass die »Kom­mu­ni­sti­sche Platt­form« als »Spiel­wei­se« der Lin­ken dient, um in ei­ner Art psy­cho­so­zia­ler Hy­gie­ne die Leu­te vor dem Ab­rut­schen zu be­wah­ren, geht in et­wa in die Rich­tung von Pe­ters Kom­men­tar. In der Bon­ner Bun­des­re­pu­blik war es lan­ge Kon­sens, dass evtl. di­ver­gie­ren­de Flü­gel in­te­griert wer­den sol­len. Bei der CDU/CDU soll­ten rechts-na­tio­na­le Kräf­te ein­ge­bun­den wer­den – bei der SPD Lin­ke. Das hat lan­ge funk­tio­niert – und zwar von 1969 bis un­ge­fähr 1985. Vor­her kam die NPD bei der Bun­des­tags­wahl auf über 4% und droh­te, die­sen Kon­sens so­zu­sa­gen zu um­ge­hen. Da­nach ka­men die »Re­pu­bli­ka­ner« auf (Schön­hu­ber), die für ei­ni­ge Jah­re am rech­ten Rand fisch­ten und ein­mal fast in den baye­ri­schen Land­tag ein­ge­zo­gen wä­ren.

  34. Ich glau­be nicht, dass Dei­ne The­se zur RAF stimmt; ich ha­be hier auch in ei­ni­gen Bei­trä­gen ver­sucht zu er­klä­ren, war­um ich das glau­be.

    Über die RAF-Ge­schich­ten ha­be ich noch­mal nach­ge­dacht, ich muss ge­ste­hen, ich weiß zu­we­nig dar­über, es war nicht mei­ne Zeit und au­ßer Aug­steins Buch ha­be ich kaum et­was Um­fang­rei­che­res ge­le­sen. (Und ob Aug­steins Sicht die ein­zig mög­li­che ist, müss­te auch hin­ter­fragt wer­den.) Es ist si­cher rich­tig, dass Ba­der & Co. kei­ne 68er In­tel­lek­tu­el­len ge­we­sen sind und es ei­ner ganz be­stimm­ten Per­sön­lich­keits­struk­tur be­darf um so zu han­deln, wie sie es ta­ten. Aber es muss ja ei­nen Grund ge­ge­ben ha­ben, dass sich ei­ne sol­che Grup­pe (und Ge­fähr­dung) in der Bun­des­re­pu­blik ge­nau zu die­ser Zeit her­aus­ge­bil­det hat und dass sie zu­min­dest am An­fang vie­le of­fe­ne und heim­li­che Un­ter­stüt­zer oder Be­für­wor­ter ge­habt ha­ben.

    Dass die »Kom­mu­ni­sti­sche Platt­form« als »Spiel­wei­se« der Lin­ken dient, um in ei­ner Art psy­cho­so­zia­ler Hy­gie­ne die Leu­te vor dem Ab­rut­schen zu be­wah­ren, geht in et­wa in die Rich­tung von Pe­ters Kom­men­tar.

    Ver­glei­che zwi­schen »links« und »rechts« hin­ken im­mer ein biss­chen, auch wenn sie noch so häu­fig wie­der­holt wer­den und die Lieb­lings­res­sen­ti­ments un­se­rer Freun­de aus Bay­ern sind. Nimm Sahra Wa­gen­knecht. Die hat über He­gel di­plo­miert, pro­mo­viert ge­ra­de in Volks­wirt­schafts­leh­re, ist Mit­glied des Eu­ro­pa­par­la­ments und dort im Aus­schuss für Wäh­rung und Wirt­schaft (so heißt der, glaub’ ich). Sie ver­folgt zwei »Haupt­pro­jek­te«: Grund­ein­kom­men und Ver­staat­li­chung. Bei­des sind Din­ge, die nicht so ein­fach vom Tisch zu wi­schen sind. Ich glau­be nicht, dass das Gros der Leu­te, die die­se Ideen für falsch hal­ten, in ei­ner Dis­kus­si­on mit ihr ar­gu­men­ta­tiv be­stehen könn­ten. (Ich wür­de das auch gar nicht wol­len, so­lan­ge ich auf die Fra­ge ei­nes ge­mein­sa­men Be­kann­ten ;-) , wel­che Vor­tei­le denn z.B. die Pri­va­ti­sie­rung der Stadt­wer­ke für die Bür­ger ei­nes Ge­mein­we­sens hat, kei­ne Ant­wort weiß.) Ich weiß nicht, ob man »am rech­ten Rand« ver­gleich­ba­re in­tel­lek­tu­el­le Ka­pa­zi­tä­ten fin­det.

  35. @blackconti

    Vie­len Dank für die Blu­men! Dies ge­hört zu den Din­gen, die auch ich an Gre­gor Keu­sch­nigs Blog so sehr schät­ze, näm­lich, daß die sonst ge­pfleg­ten und viel­fach vor­her­seh­ba­ren Ar­gu­men­ta­ti­ons- und vor al­lem Es­ka­la­ti­ons­mu­ster hier zu­meist gar nicht erst auf­tre­ten, Bei­spie­le für das glat­te Ge­gen­teil fin­det man mei­ner Mei­nung nach bei der schon vom Au­tor ver­link­ten Dis­kus­si­on beim Ta­ges­schau-Blog. Man ge­winnt so­fort den Ein­druck, die mei­sten Kom­men­ta­to­ren sei­en selbst Yp­si­l­an­ti und Cle­ment, oder na­he Ver­wand­te der­sel­ben. Auf Ge­gen­ar­gu­men­te wird nicht oder fast nicht ein­ge­gan­gen, na­he­zu im­mer schwingt ein Ag­gres­si­ons­pe­gel mit, daß ei­nem schlecht wer­den kann, fast nie spürt man ei­ne Ach­tung für die Dis­kus­si­ons­part­ner, da­bei ha­ben die­se doch le­dig­lich ei­ne an­de­re Mei­nung. Feind­su­che und Feind­fin­dung (Cle­ment, Yp­si­l­an­ti, die SPD, die Lin­ken, die Rech­ten, die Groß­kop­fer­ten, das Sy­stem, oder al­le auf ein­mal) mu­tie­ren zu wah­rer Selbst­ref­en­tia­li­tät (die­ses herr­li­che Wort ha­be ich von Ste­fan Nig­ge­mei­er ge­klaut), und zwar im dop­pel­ten, wenn nicht mehr­fa­chen Sin­ne. Daß da­bei ein ech­ter Ge­dan­ken­aus­tausch auf der Strecke bleibt, in­ter­es­siert of­fen­bar nur we­ni­ge, die gei­sti­ge Ma­stur­ba­ti­on ist wohl wich­ti­ger, wo­bei die­se na­tür­lich so un­be­frie­di­gend blei­ben muß wie die leib­li­che, was aber die we­nig­sten zu stö­ren scheint.

    So ganz an­de­res er­lebt man hier. Herr Keu­sch­nig und ich wer­den uns ver­mut­lich nicht ei­nig. Wie­der ein­mal. Und doch (oder ge­ra­de des­halb?) macht mich sei­ne Sicht rei­cher, schärft sie mei­ne Ge­dan­ken. Sei­ne Ar­gu­men­te sind gut, sehr gut. Sie klop­fen al­so von vie­len Sei­ten mei­ne Sicht auch für mich selbst noch­mal ab. Ist sie für mich noch im­mer rich­tig? Au­ßer­dem fügt er wei­te­re Sicht­wei­sen hin­zu, die ich zwar nicht tei­le, aber durch sei­ne strin­gen­te Ar­gu­men­ta­ti­ons­wei­se nun nach­voll­zie­hen kann. Ich ver­ste­he ihn.

    Bei­spiels­wei­se wä­re ich von al­lei­ne gar nicht erst auf den Ge­dan­ken ge­kom­men, ei­ne Ana­lo­gie zu Beck her­zu­stel­len. Ich hal­te sie auch noch im­mer für falsch. Das macht aber nichts, sie hat mich ein klei­nes Stück »klü­ger« ge­macht, mich den­noch be­rei­chert.

    Be­vor ich die De­bat­te mei­ner­seits mit ei­ner wei­te­ren Mei­nungs­ver­schie­den­heit ru­hen las­se, will ich aber noch ei­nen Ver­such der Über­zeu­gung wa­gen:

    @Gregor Keu­sch­nig

    »Becks Äu­sse­rung sechs Ta­ge vor der Landtags-(Bürgerschafts)wahl in Ham­burg, dass sich Yp­si­l­an­ti nun doch mit den Stim­men der Lin­ken wäh­len las­sen »darf«, hat mit Si­cher­heit gra­vie­ren­de­re Aus­wir­kun­gen auf der Wäh­ler­ver­hal­ten als das Lob­by­ge­schwa­fel ei­nes ab­ge­tre­ten­den SPD-Ex.«

    Das wür­de ich nicht­mal be­strei­ten, ich be­strei­te al­ler­dings, daß das Aus­wir­kungs­ver­hält­nis der Wor­te Becks zu den Wor­ten Cle­ments 40:1 über­steigt, und erst dann wä­re Cle­ment »ent­la­stet«.

    »Ich glau­be, Ihr Ur­teil, ich en­ga­gie­re mich »für Cle­ment«, ist falsch. Ich en­ga­gie­re mich für so et­was wie ei­nen Dis­kurs und bin der Mei­nung, dass auch ei­ne Par­tei dis­kurs­fä­hig sein und blei­ben muss.«

    Die­se Dif­fe­ren­zie­rung ha­be ich schon voll­zo­gen, daß es Ih­nen um die Dis­kurs­fä­hig­keit ei­ner Par­tei (näm­lich hier der SPD) geht. Auch ist mir deut­lich ge­wor­den, daß Ih­nen die Per­son Cle­ment nicht un­be­dingt am Her­zen liegt. Et­was an­de­res woll­te ich auch nicht un­ter­stel­len. Ich hat­te aber den Ein­druck, daß Sie ein be­son­de­res En­ga­ge­ment für den Flü­gel der SPD, den Cle­ment ver­tritt, und des­sen Sicht­wei­se zei­gen. Und zu­min­dest bei mir ist das so, ich ste­he die­sem Flü­gel tat­säch­lich prin­zi­pi­ell nä­her als dem lin­ken.

    Und wir stim­men we­nig­stens dar­in über­ein, daß »...ei­ne Par­tei dis­kurs­fä­hig sein und blei­ben muss.« Nur geht die Ein­sicht in die­se Not­wen­dig­keit nicht so weit, daß ich den Auf­ruf ei­nes pro­mi­nen­ten Par­tei­mit­glieds zur Wahl des po­li­ti­schen Geg­ners die­ser Par­tei für zwin­gend to­le­ra­bel hal­te. Ich ge­ste­he den Mit­glie­dern der SPD zu, daß sie zu ei­ner an­de­ren Sicht­wei­se ge­lan­gen kön­nen. Ich mei­ne so­gar, daß sie dies soll­ten.

    • Hät­te Cle­ment sei­ne Ein­las­sun­gen in der »Welt« oh­ne den letz­ten Satz ge­trof­fen, kä­me ich zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis.
    • Wür­de er we­nig­stens im nach­hin­ein die­sen be­dau­ern, kä­me ich auch zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis.
    • Wür­de er we­nig­stens für die Zu­kunft er­klä­ren, kei­nen Wahl­kampf mehr für den po­li­ti­schen Geg­ner der SPD zu ma­chen, kä­me ich eben­falls zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis.

    Je­doch nichts da­von.

    Es geht ihm al­so nicht um den Dis­kurs, der ist nur Vor­wand, denn oh­ne sei­nen letz­ten Satz wä­re die­ser Dis­kurs in kei­ner Wei­se ein­ge­schränkt! Es geht ihm nicht um das Recht auf ei­ne ei­ge­ne Mei­nung, das ist auch nur ein Vor­wand. Und wenn letz­te­res kein Vor­wand, son­dern es tat­säch­lich sei­ne Mei­nung ist, daß man die SPD nicht wäh­len soll­te, dann ist er in der fal­schen Par­tei! Denn die Hes­sen-SPD ist nun­mal mehr­heit­lich, wie sie ist. Sie ist ein Teil des Mei­nungs­spek­trums in­ner­halb der SPD. Wenn er das nicht ak­zep­tie­ren kann, muß er aus der SPD aus­tre­ten. Dann darf er sie auch be­kämp­fen, ih­re Wahl­nie­der­la­ge her­bei­re­den.

    Er will der SPD auch wei­ter­hin im Wahl­kampf ak­tiv und ge­zielt scha­den dür­fen, wann im­mer ER das für er­for­der­lich oder nütz­lich hält. Er will das als SPD-Mit­glied tun dür­fen.

    Nein, das muß kei­ne Par­tei aus­hal­ten kön­nen. Nicht­mal die SPD muß das. Nicht­mal in ih­rer der­zei­ti­gen Ver­fas­sung.


    »Ei­ner der Vor­wür­fe, die man mir schon mal ge­macht hat, ich wür­de mich hier mit Ja-Sa­gern um­ge­ben.«

    Wer er­hebt denn der­ar­ti­ge Vor­wür­fe? Ab­ge­se­hen von kurt na­tür­lich.

    »So­lan­ge dies auf die­ser Ebe­ne statt­fin­det, ist das für mich auch sehr be­le­bend.«

    Vie­len Dank! Und die­ses Kom­pli­ment er­wi­de­re ich gern.

    Wie gut ist es doch, daß Sie ein Blog be­trei­ben... ;-)