Joa­chim Zel­ter: Der Mi­ni­ster­prä­si­dent

Joachim Zelter: Der Ministerpräsident

Joa­chim Zel­ter: Der Mi­ni­ster­prä­si­dent

Dann fällt ihm noch der Mond­tag ein. Fast rich­tig sag­te die Ärz­tin, Frau Dok­tor Wol­ken­bau­er. Nein, er kennt kei­nen die­ser Ta­ge. Er lernt sie aus­wen­dig. Er hat Lücken im Kopf. Na­mens­lücken, Freun­des­lücken, Fa­mi­li­en­lücken, Be­rufs­lücken, Land­schafts­lücken, Er­in­ne­rungs­lücken, Wort­lücken. Er weiß nur, dass er Mi­ni­ster­prä­si­dent ist. Der Mi­ni­ster­prä­si­dent be­kommt von der Ärz­tin ein No­tiz­heft. Hier soll er hin­ein­schrei­ben, was er nicht ver­steht. Er schreibt auch sei­nen Na­men hin­ein: Claus Ur­spring. Schrei­ben kann er im­mer­hin. Und er weiß, dass der Mann, der im­mer zu Be­such kommt, Ju­li­us März heißt.

Der Mi­ni­ster­prä­si­dent hat­te ei­nen Au­to­un­fall und lag meh­re­re Ta­ge im Ko­ma. Er ist nun in ei­ner Kli­nik. Ju­li­us März be­sucht ihn re­gel­mä­ssig, denn schließ­lich ist Wahl­kampf. Ur­spring, so will es die Ärz­tin, soll sich er­in­nern, an die Kind­heit, an schö­ne Er­leb­nis­se. März will, dass er sich an die Lan­des­ver­fas­sung und die Kom­pe­ten­zen der Staats­se­kre­tä­re er­in­nert. Er paukt das mit ihm. Aber ir­gend­wie in­ter­es­siert es Ur­spring nicht. März er­klärt: Seit fünf­zig Jah­ren wird das Bun­des­land von der Par­tei re­giert. Es geht um 200.000 Ar­beits­plät­ze. Ei­ne Ab­wahl wä­re ei­ne Ka­ta­stro­phe. Ur­spring nimmt das hin, über­legt aber, was die 200.000 ma­chen könn­ten, wenn sie nicht ar­bei­ten müss­ten. Und ir­gend­wann fragt er, wel­cher Par­tei er an­ge­hört. Da muss März kurz hin­aus.

An­son­sten ist März un­er­bitt­lich. Er will Ur­spring für den Lan­des- und No­mi­nie­rungs­par­tei­tag »fit­ma­chen«. Sei­nem in­ner­par­tei­li­chen Ri­va­len spie­len sie ein ge­konn­tes Thea­ter vor. Ur­spring hat durch den Un­fall sei­nen Dia­lekt ver­lo­ren und spricht jetzt Hoch­deutsch statt Schwä­bisch. Die­ser an­fäng­lich als Ka­ta­stro­phe emp­fun­de­ne Zu­stand (der Dia­lekt re­prä­sen­tie­re Wein­berg und Wie­sen, ein red­se­li­ges Zu­sam­men­sein, so März) wird als Re­sul­tat ei­ner be­son­de­re ef­fek­ti­ven Hei­lung aus­ge­ge­ben. Da er be­dingt durch ei­ne Hüft­lu­xa­ti­on hinkt, soll er mit dem Fahr­rad öf­fent­lich auf­tre­ten. Das wird als Kampf ge­gen die CO2-Emis­sio­nen ver­kauft. Und da er men­tal nicht in der La­ge ist, ei­ne Re­de im all­ge­mei­nen Po­lit-Deutsch zu hal­ten, nimmt Han­nah, die Re­den­schnei­de­rin, die Wor­te und Phra­sen ein­zeln auf und setzt sie dann zu ei­ner per­fek­ten Re­de zu­sam­men. So gibt es ein Ra­dio­ge­spräch mit Pe­ter Slo­ter­di­jk, ob­wohl sich bei­de nie be­geg­net wa­ren. Und so wird spä­ter die Re­de auf dem Par­tei­tag ge­hal­ten wer­den, zu der Ur­spring nur die Lip­pen be­we­gen muss, wäh­rend der Ton von den prä­pa­rier­ten Bän­dern kommt.

Ur­spring er­kennt sei­ne Frau nicht mehr. Er mag sie auch nicht be­son­ders. Er fragt, ob er Kin­der hat. März ver­neint (ein­mal – ein Feh­ler im Ro­man? – spricht März dann doch von Kin­dern). März’ Zu­re­den über die Ver­dien­ste sei­ner Frau und die Vor­tei­le ei­ner glück­li­chen Ehe für den Wahl­kampf fruch­ten nicht. Die Ärz­te ka­pi­tu­lie­ren ir­gend­wann vor dem Kam­pa­gnen­ak­tio­nis­mus der En­tou­ra­ge, wel­che die dis­so­zia­ti­ve Iden­ti­täts­stö­rung Ur­springs nebst des­sen systematisierte[r] Amne­sie ein­fach igno­riert. Die­ser ist nicht in der La­ge, sich März, der sich fast wie ein Va­ter ge­riert und ihn als un­mün­di­ges Kind be­han­delt, zu ent­zie­hen. Viel­leicht folgt er ihm aber auch nur, um ihm ei­nen Ge­fal­len zu tun.

Der de­ran­gier­te Mi­ni­ster­prä­si­dent fun­giert im Ro­man als Ich-Er­zäh­ler und er­in­nert ge­le­gent­lich in sei­ner hin­ter­grün­di­gen Ver­zweif­lung an den Für­sten aus Jan-Pe­ter Bre­mers »Der Fürst spricht«. Den­noch: Auch wenn Ur­spring ge­steht, beim Wort »Wahl­kampf« zu­nächst an zwei auf­ein­an­der zu­schwim­men­de Wa­le ge­dacht zu ha­ben, von wün­schens­wer­ten Ver­sio­nen statt von Vi­sio­nen spricht oder wäh­rend der vom Band ein­ge­spiel­ten Re­de bei den von ihm sel­ber ge­spro­che­nen Wor­te die rein­ste Ver­wun­de­rung emp­fin­det, sie laut­ma­le­risch miss­ver­steht und mit den Lip­pen an­de­re Wör­ter formt (was frei­lich nicht ver­stan­den wird, da das Mi­kro­fon ab­ge­stellt ist) – selbst in die­sen Mo­men­ten de­nun­ziert Zel­ter sei­ne Fi­gur nicht. Auch die Ge­fahr, ihn als ei­ne Art Schelm à la Schwei­jk klü­ger dar­zu­stel­len, als er be­dingt durch sei­nen Un­fall sein kann, wird ge­konnt ver­mie­den. Statt­des­sen kann man das sich neu bil­den­de Sprach­ver­mö­gen nebst »ge­sun­dem« Skep­ti­zis­mus förm­lich her­an­wach­sen se­hen, et­wa wenn er die un­ter­schwel­li­gen Be­deu­tun­gen der Wor­te »auch« (Auch so ein Un­glück; Auch so ei­ner), »denn« (Geht es denn?) oder »gut« er­spürt.

Die Dia­lo­ge wer­den aus­schließ­lich in in­di­rek­ter Re­de wie­der­ge­ge­ben. Hier­durch wird die Di­stanz des Er­zäh­lers zu dem ihm Um­ge­ben­den noch deut­li­cher. Und manch­mal, bei­spiels­wei­se wenn Ur­spring sei­ne Stim­me in ei­ne zu­sam­men­ge­schnit­te­ne Re­de hört (des­sen In­halt er nicht zu er­fas­sen ver­mag), di­stan­ziert sich der Ich-Er­zäh­ler von dem tö­nen­den Mi­ni­ster­prä­si­den­ten Ur­spring selbst und nennt ihn beim Nach­na­men. Wie die Wahl­kämp­fer und Ärz­te Ur­spring ein­schät­zen, wird deut­lich, wenn sie über ihn und sei­ne De­fi­zi­te in des­sen Bei­sein er­zäh­len und spe­ku­lie­ren, über mich und Bett hin­weg, wie er an­merkt. Die Ab­we­sen­heit jeg­li­cher Pie­tät zeigt, dass hier je­mand als Ho­mun­cu­lus von März’ bzw. kaf­ka­esk-un­sicht­ba­ren Par­tei-In­ter­es­sen de­signt wird. Sei­ne »Ge­dan­ken«, die er zu­wei­len wagt zu äu­ßern (bei­spiels­wei­se je­dem Bür­ger ein­mal im Jahr ein Buch zu schen­ken), wer­den dem­zu­fol­ge so­fort als welt­fremd auf­ge­fasst und ab­ge­lehnt. In der na­iv-ro­man­ti­schen Un­be­küm­mert­heit, die der ver­un­fall­te Mi­ni­ster­prä­si­dent an den Tag legt, zeigt Zel­ter um so deut­li­cher, wie Macht in der Po­li­tik all­zu häu­fig nur noch als rei­ner Selbst­zweck dient und gar nicht mehr von dem ei­gent­li­chen Haupt­dar­stel­ler son­dern ei­ner gut­ge­öl­ten Par­tei­ma­schi­ne­rie be­stimmt wird. Und selbst März als Mo­tor der Kam­pa­gne scheint letzt­lich die­sem Ap­pa­rat aus­ge­lie­fert zu sein.

Na­tür­lich kommt ei­nem so­fort die Cau­sa Alt­haus in den Kopf, der nach ei­nem Ski­un­fall meh­re­re Mo­na­te in ei­ne Kli­nik ver­brach­te. Die Par­al­le­len sind un­ver­kenn­bar: Es gab ei­nen Un­fall, der vor­über­ge­hend ko­gni­ti­ve Funk­tio­nen beim Amts­trä­ger ein­ge­schränkt ha­ben dürf­te, ein Wahl­kampf nebst Par­tei­tag stand an und die ärzt­li­chen Bul­le­tins klan­gen wie Ver­laut­ba­run­gen, die im Buch von Ju­li­us März ab­ge­ge­ben wer­den. Zel­ter gibt zu, vom Fall Alt­haus in­spi­riert wor­den zu sein«, be­zieht sich da­bei auf den Satz ei­nes Arz­tes »Er weiß, daß er Mi­ni­ster­prä­si­dent ist, und er will es auch blei­ben« (der fast wört­lich auch im Buch auf­taucht), trans­for­miert die Ge­schich­te je­doch nach Ba­den-Würt­tem­berg, wo­mit die Kon­ti­nui­tät der 50jährigen Re­gie­rung ei­ner Par­tei zu­trifft.

Die Auf­zeich­nun­gen der Wor­te und Satz­frag­men­te las­sen Ur­spring und Han­nah über das Dienst­li­che hin­aus nä­her­kom­men. Sie wird zu sei­ner wich­tig­sten Be­zugs­per­son, zum An­ker in die­ser to­sen­den Thea­ter­in­sze­nie­rung, die Po­li­tik nur noch im Nach­plap­pern von Phra­sen si­mu­liert. Ur­spring reizt Han­nahs fast pro­vo­zie­ren­de Ru­he, ih­re Of­fen­heit und Spon­ta­nei­tät. Und Han­nah ge­fällt die nai­ve, fast kind­li­che Na­tür­lich­keit des »neu­en« Mi­ni­ster­prä­si­den­ten, der die­ses Amt nur noch als Rol­le spielt. Al­le tak­tisch-de­for­mie­ren­den Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten, die man ge­mein­hin ei­nem Po­li­ti­ker zu­spricht, sind bei Ur­spring ver­schüt­tet.

Das Kam­mer­spiel ver­wan­delt sich im letz­ten Drit­tel des Bu­ches in ei­ne Art Road- oder bes­ser: Bike-Mo­vie. Han­nah möch­te ei­nes Abends plötz­lich noch in ein Schwimm­bad. Sie fah­ren vie­le Ki­lo­me­ter, bis sie end­lich ei­nes fin­den. Als sie nach ei­ni­gen Stun­den zu­rück­fah­ren wol­len, of­fen­bart Han­nah, dass sie kei­nen Ori­en­tie­rungs­sinn ha­be. Ur­spring ist auch über­for­dert. So fah­ren sie ein­fach los und schnell ent­decken sie, dass sie sich ver­fah­ren ha­ben. Hil­fe kön­nen sie nicht ho­len; Han­nah hat­te ihr Mo­bil­te­le­fon ver­ges­sen und Ur­spring kennt März’ Num­mer nicht, die zu­dem auch noch ei­ne Ge­heim­num­mer ist. Es ent­ste­hen ur­ko­mi­sche Si­tua­tio­nen. So wol­len bei­de ih­ren zu­nächst un­frei­wil­li­gen Aus­flug ge­nie­ßen und wün­schen nicht, dass der Mi­ni­ster­prä­si­dent er­kannt wird. Da­her hat die­ser so­gar beim Früh­stück sei­nen Fahr­rad­helm auf. Ur­spring hat zwar Kre­dit­kar­ten mit, er­in­nert sich aber nicht an die PIN-Num­mern. Er hat­te beim Test in der Kli­nik ein­fach ir­gend­ei­ne Num­mer an­ge­ge­ben – kon­trol­liert wur­de das ja nicht. Mit viel Glück knacken sie ei­ne Num­mer und be­kom­men nun Geld am Au­to­ma­ten. Sie set­zen ih­re Rei­se fort, ver­las­sen Deutsch­land in Rich­tung Schweiz. Die Rück­sei­te ei­ner Müs­li-Packung ist ih­re Kar­te. Die ero­ti­schen An­nä­he­run­gen Han­nahs an Ur­spring wer­den mit ei­ner wun­der­bar-schüch­ter­nen Dis­kre­ti­on er­zählt. Aber das En­de des Aus­flugs und auch des Ro­mans soll nicht ver­ra­ten wer­den.

Joa­chim Zel­ters bril­lan­te Po­lit­sa­ti­re be­dient sich ei­nes fei­nen, aber nicht min­der schnei­den­den Hu­mors, der zu­wei­len an Lo­ri­ot er­in­nert. Ne­ben der in­di­rek­ten Re­de wecken auch die herr­li­chen Wort­schöp­fun­gen wie viel­ver­hei­ßend, Un­ab­wend­bar­keit, Er­leich­te­rungs­ap­plaus oder Feh­ler­ver­mei­dungs­re­den As­so­zia­tio­nen an den frü­hen, ek­sta­ti­schen Tho­mas Bern­hard. Es gibt zwei Mög­lich­kei­ten, auf die­ses Buch zu re­agie­ren: Man er­schrickt ob der Über­ein­stim­mun­gen zwi­schen die­sem Wahl­kampf und der sich zei­gen­den Rea­li­tät. Oder man sieht zu­künf­tig in je­dem Mi­ni­ster­prä­si­den­ten ei­nen po­ten­ti­el­len Claus Ur­spring, der sich viel lie­ber sei­ner Sehn­sucht nach Er­in­ne­run­gen hin­ge­ben möch­te statt ei­nen »Playback«-Wahlkampf zu füh­ren.

Al­so Furcht oder Mit­leid?

Ich ha­be mich für das Mit­leid ent­schie­den.


Die kur­siv ge­setz­ten Pas­sa­gen sind Zi­ta­te aus dem be­spro­che­nen Buch.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ei­ne ge­lun­ge­ne Re­zen­si­on und ich hof­fe sehr, das J. Zel­ter mor­gen mit auf der Short­list steht. Ich ha­be das Buch auch schon ge­le­sen und bin wie­der be­gei­stert. Ih­ren obi­gen Aus­füh­run­gen gibt es kaum noch et­was hin­zu­zu­fü­gen. Doch ei­ni­ge Ge­dan­ken, die mir beim Le­sen ge­kom­men sind, möch­te ich Ih­nen ger­ne mit­tei­len.
    Und das im ein­ge­link­ten In­ter­view der Schluß ge­nannt wird, emp­fin­de ich als un­nö­tig und als scha­de. Viel­leicht bin ich da auch et­was alt­mo­disch, aber mir ge­fällt es ziem­lich gut, mich auf ei­ner Ziel­ge­ra­den zu be­fin­den oh­ne zu wis­sen, wie es schluß­end­lich aus­geht ( li­te­ra­risch!).

    Mit dem Hin­weis auf Schil­ler ( Sei­te 88 ), der fast ne­ben­bei fällt, als Han­nah mit ihm über Bü­cher und Bü­cher le­sen spricht, stol­pert man ge­dank­lich über Schil­lers Werk „ Über An­mut und Wür­de“. Der Mensch als Ge­fühls- und Ver­nunft­s­we­sen, das passt zur dar­ge­stell­ten Per­son Claus Ur­spring.

    Und März be­tä­tigt sich als Ma­rio­net­ten­spie­ler, der Ur­springs Ver­hal­ten ra­tio­nal kon­trol­liert und steu­ert, ihn als Werk­zeug für die Po­li­tik be­nutzt.
    Auf der Büh­ne die Po­li­tik, die Ma­rio­net­ten­spie­ler im Hin­ter­grund, sind nicht zu se­hen, die Souf­fleu­se ( hier März) in der Ver­sen­kung, un­sicht­bar für die Zu­schau­er. Die Zu­schau­er be­zah­len für das Stück, das sie se­hen wol­len und sieht je­mand die Wahr­heit wie auf Sei­te 111, ein klei­ner Jun­ge be­merkt, dass Ur­spring hinkt, dann wird der Au­gen­zeu­ge hinaus­e­s­kor­tiert ( er­in­nert mich an des „Kai­sers neue Klei­der“ von H.C. An­der­sen).
    ( „Über das Ma­rio­net­ten­thea­ter“ von Kleist wür­de ich zu ger­ne Par­al­le­len zie­hen, be­stimmt hat der Au­tor Ge­dan­ken in die Rich­tung ge­habt, aber ich ken­ne nur die on­line ge­stell­ten Tex­te, und das reicht zu ei­nem State­ment m.E. nicht aus).

    Ein Schlüs­sel­ge­spräch fin­det in mei­nen Au­gen im Rönt­gen­ne­ben­raum statt ( S. 95 ).
    Das The­ma: Rück­tritt. ( Mein so­for­ti­ger Ge­dan­ke: Horst Köh­ler, der zu­rück­ge­tre­te­ne BP )
    Wol­ken­bau­er, die Ärz­tin sagt dort u.a.: „Ein Mensch hat zu wis­sen wer er ist.“ Und Wol­ken­bau­er wei­ter: „ Er hat nicht nur das Recht zu wis­sen wer er ist, son­dern auch zu er­fah­ren, wer er ein­mal war und ei­gent­lich sein möch­te.“
    Die Er­in­ne­rung müs­se er wie­der­fin­den, da­mit er er­kennt, wo­hin er im Le­ben will. Nicht nur Wis­sen wis­sen; aber Wol­ken­bau­er schei­tert fast an die­sem Un­ter­fan­gen, weil März, der Souf­fleur, zu do­mi­nant ist.
    Kein Wun­der, dass Claus Ur­spring sei­ner Ärz­tin zum Ab­schied u.a. sa­gen möch­te ( Sei­te 105 ), dass er noch nie ei­nem Men­schen mit ei­nem solch schö­nen Na­men be­geg­net sei und wie sehr ihm der Na­me Wol­ken­bau­er ge­fal­len wür­de.
    Mir ge­fällt der Na­me in die­sem Zu­sam­men­hang auch sehr gut: Man baut sich et­was aus Wol­ken. Träu­me, Vi­sio­nen, auch wenn sie sich wie­der ver­flüch­ti­gen, aber es kom­men ja wie­der neue Wol­ken, aus de­nen man sich et­was bau­en kann...

  2. Ja, das Buch bie­tet sehr vie­le Quer­ver­wei­se, die zu Deu­tun­gen ein­la­den. Das macht ja auch sei­ne Qua­li­tät aus. Die Par­al­le­le zu Kleist ist auch greif­bar, da Ur­spring ja durch­aus in den »Stand der Un­schuld« zu­rück­ver­setzt scheint – nur eben nicht durch das Es­sen des Baum der Er­kennt­nis, son­dern durch ei­nen Un­fall.

    Man­che sind al­ler­dings ein biss­chen auf­ge­setzt, weil ein biss­chen zu of­fen­sicht­lich (bspw. die zu des »Kai­sers neue Klei­der«).

  3. Buch­preis
    Die Ju­ry zog es vor, das buch nicht auf die Short­list zu set­zen und be­vor­zug­te statt­des­sen die Gou­ver­nan­ten­pro­sa von Ju­dith Zan­der oder den af­fek­tier­ten Wa­wer­zi­nek (bei­des EIn­drücke vom Bach­mann­preis; die Bü­cher nicht ge­le­sen, da­her viel­leicht ein biss­chen un­ge­recht).

    Wenn das die be­sten Bü­cher des letz­ten Jah­res wä­ren, stün­de es nicht gut um die deutsch­spra­chi­ge Li­te­ra­tur. Zum Glück ist es an­ders.

  4. Nur ganz kurz ge­ant­wor­tet, da ich ge­ra­de von ei­nem Kon­gress kom­me und schon wie­der auf dem Sprung auf ei­nen an­de­ren Ar­beits­platz bin:
    Jam­mer-jam­mer­scha­de! Zel­ter ge­hört zu den Au­toren Deutsch­lands, die man fest­hal­ten muss, die ge­hört-ge­le­sen wer­den soll­ten, da er ei­ne Spra­che spricht-schreibt, die nicht nur der Uni-Pro­fes­sor ver­steht, son­dern auch die Band­brei­te in­ter­es­sier­ter Le­se­rIn­nen, die an­ders­wo im Berufsleben/Leben ste­hen. Und das die Al­ters­stu­fe rauf und run­ter. ( Ich ha­be mich bei ver­schie­de­nen Zel­ter-Le­sun­gen als Zu­hö­re­rin um­se­hen kön­nen).
    Je­des Buch von ihm hät­te den Deut­schen Buch­preis ver­dient!