Ich bin kein Mit­glied der Netz­ge­mein­de

Im­mer häu­fi­ger hö­re ich von ihr: der »Netz­ge­mein­de«. Es wird an sie ap­pel­liert, über sie phi­lo­so­phiert, ge­gen sie po­le­mi­siert oder mit ihr ar­gu­men­tiert. Im All­ge­mei­nen ver­steht man un­ter dem Be­griff wohl Leu­te, die sich in Blogs, auf Twit­ter und/oder Face­book mel­den, aus­tau­schen und ko­or­di­nie­ren. Ober­fläch­lich be­trach­tet ge­hö­re ich al­so auch da­zu. So wird man ver­ein­nahmt. Zu den gu­ten Vor­sät­zen ei­ni­ger selbst­er­nann­ter Spre­cher die­ser so­ge­nann­ten Netz­ge­mein­de ge­hör­te es of­fen­sicht­lich, das in­zwi­schen trä­ge ge­wordene Volk auf­zu­rüt­teln. Da ist dann auch schnell von der »Kri­se der Blog­ger« die Re­de. Und das dann aus­ge­rech­net aus der Kra­wall­fa­brik »Frei­tag«, die vom »Neobieder­meier« der In­ter­net-Couch-Po­ta­toes schwa­felt, die sich lie­ber in den Mau­ern des »Club Ro­bin­son« à la Goog­le+ und Face­book tum­meln. Als Re­fe­renz­grö­ßen da­für die­nen je­ne, die mit Ver­trä­gen bei den »Alt­me­di­en« aus­ge­stat­tet sind. Da­bei ha­be ich längst auf­ge­ge­ben die­se Sek­ten­füh­rer zu le­sen, da sie mir schon vor Jah­ren au­ßer selbst­re­fe­ren­zi­el­lem Wort­ge­klin­gel nichts zu sa­gen hat­ten. »Spie­gel On­line« reicht das heu­te im­mer noch. Was ei­ni­ges über die­ses Me­di­um ver­rät.

Es ist schon fast zur Nor­ma­li­tät ge­wor­den, dass all­über­all für mich ir­gend­je­mand glaubt spre­chen zu müs­sen. Ob­wohl mich noch nie ei­ner ge­fragt hat. Es gibt Ver­brau­cher­schüt­zer, die für mich et­was »for­dern«. (Da­bei möch­te ich zum Bei­spiel kei­ne »Am­pel« auf Lebens­mittelverpackungen, weil sie ver­dum­mend ist.) Die Par­tei, die ich (zäh­ne­knir­schend als klei­ne­res Übel) ge­wählt ha­be, spricht von mir als »Wäh­ler«, des­sen Wil­le zu er­fül­len sei. Da­bei weiß der Spre­cher gar nicht, ob ich die Par­tei für das, was da ge­ra­de be­spro­chen wird, ge­wählt ha­be. (Er will es auch gar nicht wis­sen.) Me­di­en­funk­tio­nä­re re­den für den »Zu­schau­er« oder »Zu­hö­rer«, der vor et­was ge­schützt wer­den soll oder um den es geht. An­de­re be­mü­hen den »Le­ser«, der nicht mehr über­for­dert wer­den möch­te. Was, wenn ich über­for­dert wer­den will bzw. die­se Über­for­de­rung sel­ber er­fah­ren möch­te?

Und es gibt al­so in­zwi­schen ei­ne Hand­voll Lob­by­isten, die glau­ben, für »die Netz­ge­mein­de« spre­chen zu müs­sen. Man er­kennt sie dar­an, dass sie für Main­stream­m­e­di­en zi­tier­fä­hig und da­mit sa­tis­fak­ti­ons­fä­hig ge­wor­den sind. Sie dür­fen nun ne­ben den üb­li­chen Po­li­ti­kern auch an­dert­halb Sät­ze sa­gen, wenn es um »ih­re« The­men geht. Da­bei sind sie ge­zwun­gen, ih­re An­lie­gen all­zu oft auf das Ab­son­dern von Pa­ro­len zu ver­kür­zen und re­agie­ren wie die­je­ni­gen, die sie ver­meint­lich be­kämp­fen: Die Halb- oder Vier­telleser, die Phrasen­drescher des Bou­le­vards oder ein­fach nur die gna­den­lo­sen Ver­ein­fa­cher oder mut­wil­li­gen Kom­pli­zie­rer des Feuil­le­tons. Sie er­kau­fen sich ih­re Be­deu­tung durch das Mit­schwim­men im Pa­nik­strom der Sen­sa­tio­na­li­sten, Hy­per­ven­ti­lie­rer und Verbal­hysteriker.

Vor ei­ni­gen Mo­na­ten schrieb ein Jour­na­list über Twit­ter ei­nen Her­aus­ge­ber der FAZ di­rekt an. Der ab­ge­druck­te Ar­ti­kel (ei­ne win­zig klei­ne Po­le­mik von we­ni­gen Zei­len) sei ei­ne »Schan­de« für die FAZ. Es ging um ACTA und der Kom­men­ta­tor im Ar­ti­kel ent­rü­ste­te sich, dass die Po­li­tik der »Meu­te« nach­ge­ge­ben ha­be. Da wag­te ei­ner, dem Chor der Af­fir­ma­ti­on in dür­ren Zei­len zu wi­der­spre­chen. Der Kri­ti­ker emp­fand die­se klei­ne Po­le­mik als der­art ma­je­stäts­be­lei­di­gend, dass er öf­fent­lich beim Her­aus­ge­ber petz­te. Das ist nicht nur in­to­le­rant und hu­mor­los, son­dern er­in­nert auch fa­tal an den Un­ter­ta­nen­geist ver­kniffener Le­ser­brief­schrei­ber der 80er Jah­re, die ob ei­nes ih­nen un­pas­sen­den Ar­ti­kels in ih­rem Leib- und Ma­gen­blatt droh­ten, ihr Abon­ne­ment zu kün­di­gen. So zeigt sich das deut­sche Kon­ti­nu­um im Nicht-Er­tra­gen von Plu­ra­lis­mus.

Die selbst­er­nann­ten Spre­cher des »Net­zes« ha­ben die Spiel­re­geln der me­dia­len Kako­phonie sou­ve­rän ver­in­ner­licht und spie­len nun mit. Da­bei scheu­en sie nicht da­vor zu­rück, sich auch vor jeg­li­cher Kennt­nis zu er­re­gen. So rich­tig »old school« al­so. Das kön­nen und sol­len sie mei­net­we­gen auch – ich bin nicht ver­pflich­tet, mir dies an­zu­tun. Ich ent­zie­he ih­nen hier­mit die Er­laub­nis, für mich zu spre­chen. (Da­bei ist es mög­lich, dass sie das nie­mals woll­ten, aber man kann ja nicht wis­sen.) In al­ler Deut­lich­keit: Ich we­der ein Be­woh­ner des In­ter­net noch Mit­glied ei­ner oder gar »der« Netz­ge­mein­de.

Denn auch im Netz gibt es kein un­ver­han­del­tes »Wir«, zu­min­dest gibt es kei­nes, das sich aus dem blo­ßen Ne­ben­ein­an­der ver­all­ge­mei­nern­de Ur­tei­le er­laubt und für an­de­re spricht. Ge­nau­so we­nig, wie ein Christ An­hän­ger des Pap­stes sein muss, um sei­nen Glau­ben aus­zu­üben, ist ein Netz­schrei­ber au­to­ma­tisch Teil ei­ner »Netz­ge­mein­de« – sei es nun, man ru­bri­zie­re sich sel­ber so ein oder wird als Kampf­grup­pe von wem auch im­mer als sol­che be­stimmt.

Für mich kann auch ein CDU-Mann ein rich­ti­ges Ar­gu­ment lie­fern. Und ei­ne Grü­ne Un­sinn re­den. Ein Ver­le­ger kann Grün­de für sei­ne Hal­tung zum Ur­he­ber­recht ha­ben, die ihn nicht au­to­ma­tisch zum Aus­beu­ter ma­chen. Ich möch­te sie hö­ren und nicht per se als »ge­steuert« de­nun­zie­ren. Zei­tun­gen sind für mich kei­ne »Holz­me­di­en« (so­fern die­ser Aus­druck pe­jo­ra­tiv ge­braucht wird), das öf­fent­lich-recht­li­che Ra­dio und Fern­se­hen kein »Staats­rund­funk« und »so­zia­le Netz­wer­ke« kei­ne Lö­wen­gru­ben. Über Face­book ha­be ich Leu­te ken­nen­ge­lernt, de­nen ich an­son­sten nie be­geg­net wä­re. Und bei Face­book sind Leu­te, de­nen ich nie be­geg­nen möch­te. Ich kann sel­ber ent­schei­den, ob ich da­bei sein möch­te oder nicht und dort über et­was ei­nen Ein­trag ver­fas­sen will oder nicht. Ich bin nicht ge­bun­den an In­sti­tu­tio­nen, die ich auch nicht per se zu Geg­nern oder gar Fein­den er­klä­re. Ich brau­che we­der Da­ten­schüt­zer, die mich vor­aus­ei­lend vor et­was be­wah­ren noch selbst­er­nann­te Ak­ti­vi­sten, die mich pa­ter­na­li­stisch und un­ge­fragt be­treu­en wol­len und je­den zwei­ten Tag nö­ti­gen, mich ir­gend­ei­ner Pe­ti­ti­on an­zu­schlie­ßen. Wenn ich ir­gend­wann Hil­fe brau­chen soll­te, mel­de ich mich selb­stän­dig.

Ein Tweet von 140 Zei­chen ist viel­leicht ein ge­lun­ge­ner Apho­ris­mus oder ein Hin­weis auf et­was. Aber nicht der Er­satz von Po­li­tik, denn Po­li­tik ist kei­ne vir­tu­el­le Mas­sen­druck­sa­che. Nur weil et­was »po­li­tisch« ist, ist es noch kei­ne Po­li­tik. Wer an ei­nen Shits­torm teil­nimmt, soll­te sich an den Ur­sprung des Wor­tes er­in­nern (»Shit« geht oh­ne Arsch­lö­cher nicht). Ein »Ret­weet« oder »copy&paste« er­set­zen kei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit ei­ner The­ma­tik. Ich mag kei­ne ver­ba­len Lynch­mobs, die an den so­ge­nann­ten Wil­den We­sten er­in­nern (und nicht nur an die­sen). Nicht je­de zu­fäl­li­ge Mehr­heit be­sitzt per se schon ei­ne de­mo­kra­ti­sche Le­gi­ti­ma­ti­on. Je­de Ein­deu­tig­keit er­regt mei­ne Skep­sis; die Ein­deu­tig­keit der 140 oder 400 Zei­chen, die sich blind und teil­wei­se blind­wü­tig ver­teilt, erst recht. Ich hal­te es nicht für ei­nen Fort­schritt, wenn auf Ama­zon ein Depp mit drei Zei­len ein Buch »re­zen­siert«. Ge­nau so we­nig hal­te ich Tril­ler­pfei­fen bei De­mon­stra­tio­nen für ei­nen Aus­weis von In­tel­li­genz. Und ich möch­te nicht im­mer nur wis­sen, wo­ge­gen man ist, son­dern auch ein­mal wo­für. Viel­leicht so­gar mit ei­ni­gen Vor­schlä­gen, wie man das er­rei­chen kann.

Im glei­chen Ma­ße wie Ideo­lo­gien ge­fähr­lich sind, hal­te ich (po­li­ti­sche) Ah­nungs­lo­sig­keit nicht für ei­ne Tu­gend. Trans­pa­renz ist nicht nur Selbst­zweck; es muss auch et­was da sein, was trans­pa­rent ge­macht wer­den soll. Wenn Trans­pa­renz als Über­wa­chung ei­ner Ge­sinnung ein­ge­setzt wer­den soll, ist das Ge­gen­teil an­ge­bracht. Die Aus­sa­ge, dass et­was »ver­al­tert« ist, ist kein Ar­gu­ment, son­dern ei­ne Be­haup­tung. Das Me­di­um ist nicht schon die Nach­richt. Die Nach­richt ist die Nach­richt sel­ber. Al­les an­de­re ist un­ter Um­stän­den ein Ab­len­kungs­ma­nö­ver. Und zwar auf bei­den Sei­ten.

Es gibt Ak­ti­vi­sten, die Web­sei­ten von ih­nen un­lieb­sa­men Men­schen oder Or­ga­ni­sa­tio­nen zer­stö­ren oder be­set­zen. Sie, die an je­der Stel­le die Mei­nungs­frei­heit hoch­le­ben las­sen, im­ple­men­tie­ren dort, wo sie ih­nen miss­fällt, das Faust­recht. Das Han­deln die­ser soge­nannten Ak­ti­vi­sten ist an­ma­ßend und ty­ran­nisch. Wer es un­ter­stützt, weil es ja »die Bö­sen« trifft, zeigt da­mit sei­ne to­ta­li­tä­re Ein­stel­lung, weil er sei­ne An­schau­ung für ab­so­lut setzt und an­de­res nicht dul­det.

So, und da­mit ge­nug in den Spie­gel ge­schaut.

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  1. Dan­ke für den Text wi­der den all­ge­gen­wär­ti­gen, für­sorg­li­chen Pa­ter­na­lis­mus!

  2. Pingback: Sonntagslinks approaching! — KALIBAN (You are likely to be eaten by a grue)

  3. Dass In­di­vi­du­en (will­kür­lich) in ei­ner Grup­pe zu­sam­men­ge­fasst wer­den, um dann über ei­ne Grup­pe mit be­son­de­ren Ei­gen­schaf­ten zu spre­chen (die Netz­ge­mein­de, die Po­li­ti­ker, die Wirt­schafts­bos­se, die Kir­che, die Mi­gran­ten) ist doch kein neu­es Phä­no­men. Es ist schlicht und er­grei­fend not­wen­dig, um über­haupt in ei­nem über­ge­ord­ne­ten Zu­sam­men­hang über ir­gend­was spre­chen zu kön­nen. Oder sol­len wir in Zu­kunft bei­spiels­wei­se nicht mehr über sta­ti­sti­sche Ar­beits­markt­zah­len spre­chen, son­dern über die Be­schäf­ti­gungs­si­tua­ti­on je­des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers? Wä­re wohl et­was zu kom­pli­ziert, oder? Je wei­ter man ei­ne Grup­pe fasst, die be­stimm­te ge­mein­sa­me Ei­gen­schaf­ten (an­geb­lich) be­sitzt, de­sto un­schär­fer wird eben das in­di­vi­du­el­le Bild, das über je­den Ein­zel­nen ver­meint­li­chen An­ge­hö­ri­gen die­ser Grup­pe ge­zeich­net wird. Das kann eben so­weit ge­hen, dass – wie jetzt hier zu le­sen – je­mand im Brust­ton der Über­zeu­gung sagt: Nein, ich ge­hö­re nicht da­zu! Wo­bei ich beim Be­griff »Netz­ge­mein­de« schon auch die Fra­ge se­he, ob es die­se Grup­pe mit be­stimm­ten ge­mein­sa­men Ei­gen­schaf­ten über­haupt gibt.

  4. @Moki
    Na­tür­lich müs­sen im Dis­kurs fall­wei­se »Grup­pen« ge­bil­det wer­den, um viel­leicht all­ge­mein­gül­ti­ge Aus­sa­gen tref­fen zu kön­nen. Die Fra­ge ist nur, in­wie­weit die­se Grup­pen­bil­dung ei­ne Ho­mo­ge­ni­tät er­zeugt, die so gar nicht exi­stiert. Meist wer­den die­se Grup­pen be­nö­tigt, um kom­ple­xe Zu­sam­men­hän­ge der­art ra­di­kal zu ver­ein­fa­chen, dass ei­gent­lich rein gar nichts da­mit aus­ge­sagt ist. Die Em­pö­rung ist ja üb­ri­gens im­mer dann gross, wenn die­ser künst­li­chen Grup­pe in Be­zug auf ne­ga­ti­ve Ei­gen­schaf­ten oder Ver­hal­tens­wei­sen ru­bri­ziert wer­den. Das gän­gig­ste Bei­spiel ist das der »Aus­län­der« – das ist längst ein Schimpf­wort ge­wor­den und wird als ent­spre­chend kom­ple­xi­täts­re­du­zie­rend be­trach­tet.

    Ganz schlimm wird die­se Ver­ein­nah­mung dann, wenn sie zu pa­ter­na­li­sti­schen Ef­fek­ten bzw. Af­fek­ten führt, die über die blo­sse Ver­ein­nah­mung hin­aus­füh­ren: Wenn man ver­sucht, für mich zu re­den, um For­de­run­gen po­li­ti­schen und/oder ge­sell­schaft­li­chen nach­druck zu ver­lei­hen.

    Der letz­te Satz Ih­res Kom­men­tars ist dann ja ganz auf mei­ner Li­nie.

  5. »Die Netz­ge­mein­de möch­te mehr Kon­zen­tra­ti­on auf Sach­the­men«, faß­te Hi­ro die Stim­mung der deut­schen In­ter­net­nut­zer zu­sam­men.

  6. Bei die­ser Head­line auf DRa­dio-Wis­sen muss­te ich gleich an Dei­nen Text den­ken:

    AARON SWARTZ – Das Netz trau­ert
    )

    Al­so bit­te jetzt al­le mal so rich­tig trau­ern, BITTE!
    Zum Bei­spiel so: http://is.gd/3u7Yua

    PS: Ich schät­ze DRa­dio sehr, hal­te RSS und CC für klas­se Sa­chen und weiß, was Sui­zid für die Hin­ter­blie­be­nen be­deu­ten kann.

  7. @Thomas Weiss
    Mit DR-Wis­sen ha­be ich durch­aus Pro­ble­me. Vie­le Bei­trä­ge fin­de ich ziem­lich ober­fläch­lich; hat nicht viel ge­mein mit DLF oder DLR Kul­tur.

  8. Pingback: Links oben: Webdokus und Officemanager - UNIVERSALCODE

  9. Dan­ke für die­sen Ar­ti­kel,
    »Nicht je­de zu­fäl­li­ge Mehr­heit be­sitzt per se schon ei­ne de­mo­kra­ti­sche Le­gi­ti­ma­ti­on. «

    Die Ver­all­ge­mei­ne­rung ist an­schei­nend die an­ge­sag­te Ar­gu­men­ta­ti­ons­me­tho­de und das Über­stül­pen von »Ge­mei­nem« Usus... (auch hier ein schö­nes Spiel: ge­mein!)

    Zu den selbst­er­nann­ten »Netz-Gu­rus« fällt mir im­mer die auf­fäl­li­ge Fri­seur die­ser Herr­schaf­ten ein: der ei­ne mit dem Iro­ke­sen­haar­schnitt und dann war da mal ei­ner, der nann­te sich »Os­si Ur­chs« und und kei­ner wuß­te war­um der nun ein Netz-Spe­zi sein soll­te, hat­te aber un­ge­wa­sche­ne Ra­sta-Haa­re.
    Ich mei­ne, die Wahl ei­ner auf­fäl­li­gen Fri­sur kann auf ei­ne in­ne­re Lee­re hin­deu­ten, ein lee­rer Kopf trägt bes­ser ;=)

    So, jetzt hab ich ein we­nig ver­all­ge­mei­nert...

    Gruss, CMG

  10. Der Iro­ke­sen­haar­schnitt ist na­tür­lich ein ge­nia­les Wie­der­erken­nungs­merk­mal. Um­so schein­hei­li­ger dann die Zu­rück­wei­sung, so­bald man dar­auf re­kur­riert.

  11. Hal­lo,
    dan­ke für die­se deut­li­chen Wor­te. Ich ha­be mich schon lan­ge über die­se und an­de­re Ver­all­ge­mei­ne­run­gen ge­sträubt, nun hat es ei­ner in rich­ti­ge Wor­te ge­fasst. Tat­säch­lich be­kommt man schnell »Iden­ti­täts­pro­ble­me«, wenn man als Mit­glied die­ser omi­nö­sen und of­fen­bar im­mer aus ei­ner An­ti­hal­tung her­aus agie­ren­den Ge­mein­de auch schon­mal sagt: Na­ja, soooo un­recht hat der gar nicht...
    Nee, ich will mich nicht mit ei­ner Grup­pe iden­ti­fi­zie­ren, de­ren Zu­ge­hö­rig­keit mir an­ge­dich­tet wird und die nur des­we­gen exi­stiert, weil man kei­ne an­de­re Schub­la­de da­für fin­den konn­te. Das Netz ver­lö­re sei­ne wun­der­ba­re Frei­heit (die es schließ­lich ja noch zur Ge­nü­ge gibt), ge­hör­ten wir al­le die­ser ei­nen ko­mi­schen Ge­mein­de an.

  12. Nein, ich will ei­gent­lich auch nir­gends zu­ge­hö­ren – tue es aber zu­neh­mend auch nur­mehr, wenn ich sel­ber die Zu­schrei­bun­gen er­ken­ne und sie für mich an­er­ken­ne. Zum Bei­spiel: „Si­nus-Mi­lieus“ – ich hät­te ver­mu­tet, dort gar nicht vor­zu­kom­men, fin­de mich da aber als Post­ma­te­ria­list (na ja, so un­ge­fähr). Es ge­lingt mir heu­te, mich ge­gen Ver­ein­nah­mun­gen zu wapp­nen, in­dem ich mich eh zu­neh­mend als ra­di­ka­le Min­der­heit de­fi­nie­re. Aber das hat dann auch ei­ne Kehr­sei­te.

    Und an­de­rer­seits bin ich manch­mal schon froh, wenn ei­ni­ge in mei­nem Na­men spre­chen, um die Welt ir­gend­wie mit Wis­sen oder Wi­der­stand oder dem schla­gen­de­ren Ar­gu­ment zu ver­bes­sern zu ver­su­chen: Weil ich als Post-Al­les zu faul, zu in­dif­fe­rent oder schon von zu vie­len Ver­geb­lich­keits­ge­füh­len ge­schla­gen bin, sel­ber den Hin­tern hoch­zu­krie­gen. (Oder mei­ne Hal­tung viel zu kom­pli­zie­ret oder ent­le­gen wä­re, sie je­man­den zum So­li­da­risch­sein an­zu­die­nen, wä­ren wir dann auch im­mer­hin schon zwei. Da bin dann manch­mal auch ganz ger­ne ziem­lich al­lei­ne.)

    Ob­wohl ich al­so mei­ne, den Af­fekt des Ar­ti­kels zu ver­ste­hen (und auch weit­ge­hend zu tei­len), su­che ich dar­in auch nach ei­ner ver­steck­ten Krän­kung: Man sel­ber ist ja kaum je per­sön­lich ge­meint; die mei­sten Vor­brin­gen­den wol­len sich ei­ner brei­te­ren Ba­sis für das von ih­nen Be­haup­te­te ver­ge­wis­sern. (Und ei­gent­lich ist ja jeg­li­che Zi­vi­li­tät im­mer auch schon Ver­ein­nah­mung.)

    Steht nicht hin­ter je­dem Be­strei­ten der Am­bi­ti­on ei­nes an­de­ren im­mer auch ei­ne ei­ge­ne, ei­ne über das Ei­ge­ne hin­aus? Man weiß es (et­was) bes­ser. (Oder lei­det an den Träg­heits­kräf­ten, mit de­nen In­for­ma­tio­nen und Ar­gu­men­te in dem ach so plu­ra­len, da­bei oft ach so fa­den Süpp­chen na­mens „Öf­fent­lich­keit“ an­ge­rührt wer­den – das dann doch oft so ei­ne trü­be Sa­che ist.)

    * * *

    An­de­rer An­satz. Trotz die­ses Post­dings­bums über­kom­men mich bei be­stimm­ten Bei­tra­gen­den manch­mal ter­ro­ri­sti­sche Phan­ta­sien. Da aber heu­te al­le re­den dür­fen, egal wo, wor­über, zu je­der­mann… und noch um Kopf und Kra­gen … wird man das nicht mehr ab­stel­len kön­nen (oder nur mit nach­zu­rü­sten­den Aus­schalt­knöp­fen). Oder man muss eben sel­ber lau­ter, ge­nau­er re­den, schla­gen­der… Ver­bes­sern al­so nicht doch letzt­end­lich al­le ge­mein­sam in je un­ter­schied­li­chen An­stren­gun­gen die Welt?

    Zwei Ge­gen­punk­te:
    – Von de­nen, die eh im­mer re­den, weiß man ir­gend­wann, was kommt – das ver­mehrt dann zu­se­hends die dunk­le Ma­te­rie der an­geb­li­chen In­for­ma­ti­ons­ge­sell­schaft: Die se­künd­lich schier ge­gen das Un­er­träg­li­che (das Un­er­heb­li­che) an­wach­sen­de Red­un­danz.

    - Der an­de­re Punkt wä­re wohl die­ses Selbst­er­nannt­sein der im­mer sel­ben Be­däch­ti­gen, oder die Tat­sa­che, dass man die Aus­le­se­pro­zes­se meist nicht durch­schaut, die da­zu ge­führt ha­ben, dass je­man­dem sei­ne Spre­cher-Rol­le zu­ge­fal­len ist. (Aber sind of­fi­zi­el­len Spre­cher nicht oft die schlimm­sten?)

    Viel­leicht doch in dem Zu­sam­men­hang mal ein Be­kennt­nis (ein Co­ming-out). Weil mich die­se gan­ze Netz­ge­mein­de und Face­book-Cho­se (z.B.) schon län­ger ei­gent­lich nicht mehr in­ter­es­siert, mich ge­le­gent­lich aber doch noch mal so ein In­for­ma­ti­ons­über­blicks-Be­dürf­nis in die­se Rich­tung an­kom­men kann, le­se ich ab und zu den Iro­ke­sen. Tat­säch­lich füh­le ich mich dann manch­mal bes­ser in­for­miert – ob­wohl es mehr oder min­der ir­rele­vant für mich ist. Die Denk- oder Sor­tier- oder For­mu­lie­rungs­lei­stun­gen, die die sich an ih­ren Ge­gen­stän­den Ab­mü­hen­den von Fall zu Fall auch für mich er­ar­bei­ten, ent­la­sten mich. Der In­for­ma­ti­ons­pro­zess lie­fert mit sei­nen Ver­dün­nun­gen so­zu­sa­gen auch noch die ho­möo­pa­thi­sche Ef­fek­te. Ich dan­ke da­für – al­len.

  13. Du willst al­so kein Teil der blog­gen­den Netz­ge­mein­de sein? Ok, dann lösch ich die­ses Blog eben aus mei­nem Feed­rea­der.

    Am »je­der für sich« und nie­mand für al­le geht eh der­zeit die Welt den Bach run­ter.

  14. @herr.jedermann
    Der Ein­wand mit dem Re­si­du­um ei­ner per­sön­li­chen Krän­kung aus wel­chen Grün­den auch im­mer ist si­cher­lich durch­aus na­he­lie­gend. Ich möch­te ihn je­doch für mich nicht gel­ten las­sen. Zu­viel spricht da­ge­gen: Die Sper­rig­keit, Main­stream-Ab­ge­wandt­heit der al­ler­mei­ster mei­ner The­men und Tex­te bei­spiels­wei­se. Ich bin schlicht nicht at­trak­tiv für die gän­gi­gen Mul­ti­pli­ka­to­ren. Das ha­be ich früh er­kannt. Hin­zu kommt die brä­si­ge Ar­ro­ganz aus­ge­rech­net de­rer, die an­de­res pre­di­gen. Was sie nicht da­von ab­hält in pa­ter­na­li­sti­schem Stil zu ver­ein­nah­men.

    Ei­ne Le­se­rin (?) »droht« mir wei­ter oben mit der Lö­schung mei­nes Blogs aus ih­rem Feed­rea­der. Sie zeigt da­mit, dass sie nichts ver­stan­den hat, wo­mög­lich den Text gar nicht voll­stän­dig ge­le­sen hat: Von al­len Ein­wür­fen ge­gen ei­nen Text ist der der zu­künf­ti­gen Nicht­be­ach­tung, der Be­stra­fung des Schrei­bers oder Me­di­ums, zu­meist der schwäch­ste (wenn es auch ver­ständ­lich er­scheint).

    Ich ha­be ja frü­her durch­aus den Iro­mann ge­le­sen, aber wor­über schreibt er ei­gent­lich heu­te noch? Das Selbst­re­fe­ren­zia­li­täts­ka­rus­sell ist of­fen­sicht­lich un­ge­bro­chen. Neu­lich wur­de wie­der er­klärt, wie Blog­ger Hun­dert­tau­sen­de ver­die­nen kön­nen (frei­lich oh­ne Prü­fung der Sach­ver­hal­te und oh­ne Dif­fe­ren­zie­rung der kul­tu­rel­len Dif­fe­ren­zen zwi­schen den USA und D). Ich fra­ge mich dann im­mer: War­um ma­chen das denn so we­ni­ge?

    Ich war noch nie im Le­ben auf ei­ner De­mon­stra­ti­on. Nicht, dass es nicht Ge­le­gen­hei­ten da­für ge­ge­ben hat. Aber ich kann mich nicht hin­ter ei­nem Ein-Satz-Trans­pa­rent ver­sam­meln. Es gibt kei­ne Pa­ro­le, die nicht auch ei­ner gut durch­dach­ten Aus­nah­me be­darf oder eben der­art platt ist, dass man sie gar nicht erst de­kla­mie­ren muss. De­mon­stra­tio­nen die­nen meist nicht dem Zweck, ei­ner Sa­che auf die Sprün­ge zu hel­fen, son­dern um die ei­ge­ne Ta­ten­lo­sig­keit zu ver­wan­deln. Das ist le­gi­tim, aber nicht mehr und nicht we­ni­ger »Ak­ti­on« als das Schrei­ben ei­nes Tex­tes.

    Da­bei bin ich nicht ge­gen Ge­mein­schaf­ten; im Ge­gen­teil. Sie kön­nen von mir aus so­gar Hier­ar­chien auf­wei­sen. Aber sie dür­fen kei­ne Ein­bahn- oder Ein­weg­strecken sein. Und nie­mand darf un­ge­fragt für mich bzw. in mei­nem Na­men agie­ren. In Wirk­lich­keit sind die­se Kom­mu­ni­ka­ti­ons­exper­ten zu­meist eher das Ge­gen­teil dess­sen, wo­für sie so ein­tre­ten (Meckel!).

    Die »Spre­cher­rol­len« wer­den ja nicht nach ei­nem Prin­zip ver­ge­ben. Das darf man auch nicht er­war­ten. In Wirk­lich­keit sind es – wie im »re­al life« – gut ge­öl­te Seil­schaf­ten, die sich ge­gen­sei­tig auf den Schild he­ben. Auch da­ge­gen ha­be ich nichts, so­lan­ge nicht der Ef­fekt ein­tritt, dass ich mit die­sen Leu­ten gleich­ge­setzt wer­de. Nicht je­der der Mit­glied im ADAC ist, ver­tritt des­sen Po­si­tio­nen un­ein­ge­schränkt. Merk­wür­dig nur, dass dies bei den ADAC-Mit­glie­dern auch nie­mand er­war­tet. Blog­ger da­ge­gen »sind« im­mer ir­gend­was.

    Die Ent­la­stung, die Sie ver­spü­ren, kann ich nicht mehr be­mer­ken, da ich Lo­bo et. al. nur noch in ho­möo­pa­thi­schen Do­sen le­se, hö­re, zur Kennt­nis neh­me. Was mich aber auf die Pal­me bringt, ist die Apo­stro­phie­rung als »Neo­bie­der­mei­er« – und das dann von de­nen, die al­le pu­bli­zi­sti­schen Mög­lich­kei­ten ha­ben. Tat­säch­lich ist es ja so, dass man nur mit Hy­per­ven­ti­la­tio­nen noch wahr­ge­nom­men wird (die we­ni­gen Aus­nah­men be­stä­ti­gen ja die Re­gel). Die Ver­lot­te­rung der Sze­ne Rich­tung »Bild«-Wagner (nur eben auf der an­de­ren Sei­te; we­nig­stens manch­mal) ist doch längst voll im Gang. (Die an­de­re Al­ter­na­ti­ve sind die Kat­zen­blogs, die mit ih­ren 10 Le­sern ih­re Ru­he ha­ben wol­len; ich will sie ih­nen nicht neh­men). Vie­le Blog­ger sind nur noch wohl­fei­le Ge­sin­nungs­schrei­ber. Ihr Feh­ler ist, dass sie sich für Avant­gar­de hal­ten und für das Zen­trum der Welt. Sie lan­cie­ren On­line-Pe­ti­tio­nen (der Ab­lass­han­del 2.0) ge­gen fast al­les und glau­ben ei­ne Re­le­vanz er­reicht zu ha­ben, wenn 22.000 Leu­te mit ein paar Klicks ei­ne Mi­ni­ste­rin ab­set­zen wol­len.

    Die Il­lu­si­on ih­rer zu­meist er­schrecken­den Be­deu­tungs­lo­sig­keit kom­pen­sie­ren nun ei­ni­ge in der Hul­di­gung den Netz-Apo­lo­ge­ten ge­gen­über. Man kennt das. Ich hät­te längst 1000 Le­ser am Tag, wenn ich be­stimm­ten Leu­ten nach dem Mund ge­schrie­ben hät­te. Al­so auch hier: Kei­ne Un­ter­schied zum so­ge­nann­ten Jour­na­lis­mus.

    Das ist im üb­ri­gen kein Plä­doy­er für die Ver­göt­te­rung der »Ni­sche«. Das ist ja auch so ei­ne Selbst­lü­ge: Man fühlt sich als Avant­gar­de der Avant­gar­de. Na­tür­lich möch­te ich Le­ser und gu­te Kom­men­ta­re auf mei­nem Blog. Aber nicht um den Preis der per­sön­li­chen Ver­bie­gung.

    (Ich glau­be, ich bin ir­gend­wie ab­ge­kom­men...?!)

  15. @Sabine
    Wie­vie­le Kom­men­ta­re ha­ben Sie auf mei­nem Blog schon hin­ter­las­sen? Wie­vie­le Ver­lin­kun­gen ha­ben Sie schon durch­ge­führt? Wo kann man ih­re Ein­drücke le­sen?

    Sie ha­ben noch nicht ein­mal Ge­brauch von der Mög­lich­keit ge­macht, Ihr Pseud­onym mit Ih­rem Blog / Web­sei­te zu un­ter­le­gen. Und Sie ma­ßen sich an, ei­ne Art vir­tu­el­ler Ge­mein­schaft das Wort zu re­den?

  16. Wer bloggt und mehr als ei­nen Kom­men­tar pro Tag schreibt, ist in der Ge­mein­de drin, fer­tig! Sie wer­den auch als Mann, als Deut­scher, als Ge­büh­ren­zah­ler ver­ein­nahmt, ob sie wol­len oder nicht. Mit­ge­fan­gen, mit­ge­han­gen.

    (ICH bin üb­ri­gens NICHT Mit­glied der Netz­ge­mein­de und füh­le mich da­durch auch nicht an­ge­spro­chen.)

  17. über ei­ne ge­meinde lässt sich ganz oh­ne selbst­kri­tik ent­spannt la­chen. hat da­mals ei­gent­lich nie je­mand com­mu­ni­ty mit ge­mein­schaft über­setzt?

    mir kam die re­li­gi­ös kon­no­tier­te va­ri­an­te im­mer schon zy­isch vor. ich mag sie bis heu­te nicht ak­zep­tie­ren.

    .~-

  18. @dot til­de dot
    Ho­ni soit qui mal y pen­se? Wer liest denn ei­ne per se re­li­giö­se Kon­no­ta­ti­on? Ge­mein­de ist syn­onym zu Kom­mu­ne (im fran­zö­si­schen: com­mu­ne).

    Mag sein, dass die re­li­giö­se Kom­po­nen­te pe­jo­ra­tiv hin­zu­ge­dich­tet wird. Das hat mich aber nicht in­ter­es­siert, da es für mich nicht ne­ga­tiv be­setzt ist. »Ge­mein­schaft« wä­re al­ler­dings in Be­zug auf die »Com­mu­ni­ty« (ein häss­li­ches Wort, zu­mal es tat­säch­lich nicht ein­deu­tig ist) tref­fen­der; da ha­ben Sie recht. Es wird wo­mög­lich nicht ver­wen­det, weil »Ge­mein­schaft« ein noch ne­ga­tiv be­setz­te­res Wort ist (»Volks­ge­mein­schaft« bei den Na­zis et­wa).

  19. Ich woll­te an­fangs ab­sicht­lich nicht da­mit an­fan­gen, um es nicht kom­pli­zier­ter zu ma­chen (und auch weil es auf et­was ver­weist, das mir manch­mal als et­was ko­misch-ver­däch­ti­ge Fi­xie­rung an­ge­krei­det wird), aber tat­säch­lich se­he ich die­se ideel­le Sei­te bei dem Wort »Com­mu­ni­ty« je­des­mal auch. (Im Wort­emp­fin­den un­ge­fähr so, wenn man von »Ger­ma­ny« spricht: Das bin ja ich! Und will es doch nicht sein. Und kann dem doch nicht aus­wei­chen. Usw. )

    Und ich fra­ge mich ge­ra­de spon­tan, ob von da­her, al­so ei­ner tie­fer emp­fun­de­nen, aber nicht un­be­dingt so ge­dach­ten / re­flek­tier­ten Ent­täu­schung, dann die um­fas­sen­de­re Ent­täu­schung und al­so das Di­stan­zie­rungs­ver­lan­gen aus­geht?

    Wür­de man manch­mal nicht gern viel mehr ir­gend­wo zu­ge­hö­ren? Kann man es tat­säch­lich nicht im­mer we­ni­ger er­tra­gen?

    (Klingt wo­mög­lich ganz of­fen­sicht­lich , ist es dann aber – ein­ge­fasst in all die Ar­gu­men­te und Ar­gu­men­ta­ti­ons­s­te­reo­ty­pien – gar nicht. Der be­kann­te Ef­fekt »Je nä­her man et­was an­sieht, de­sto fer­ner sieht es zu­rück«.)

  20. @herr.jedermann
    Aber viel­leicht ist die Internet-»Community« ist doch viel he­te­ro­ge­ner als das, was man ge­mein­hin als ‘Deutsch­land’ as­so­zi­iert? In vie­len Fäl­len di­stan­zie­re ich mich längst nicht mehr vom Deut­schen, was ja auch ab­surd wä­re (da­zu ge­hört na­tür­lich auch das »An­neh­men« der ge­schicht­li­chen Rea­li­tä­ten). Da­bei be­strei­te ich gar nicht, dass es ty­po­lo­gi­sche Merk­ma­le gibt (nicht für Deut­sche). Und ich ha­be nichts ge­gen den Be­griff der »Men­ta­li­tä­ten«. Ich fin­de die un­ter­schied­li­chen Tem­pe­ra­men­te, mit de­nen man ho­mo­ge­ne Ge­mein­schaf­ten grob um­schrei­ben kann, für be­rei­chernd.

    Aber der Trend geht doch in die Ni­vel­lie­rung: Al­les muss gleich ge­macht wer­den. Die Dif­fe­renz ist doch nicht mehr aus­zu­hal­ten. Oder? Wir müs­sen jetzt »Eu­ro­pä­er« sein, da­mit uns nicht mehr der Ge­ruch des Pro­vin­zia­lis­mus um­gibt. Was für ein Blöd­sinn! »Eu­ro­pä­er« gibt es al­len­falls als geo­gra­phi­sche Be­zeich­nung für al­le die­je­ni­gen, die in Eu­ro­pa le­ben. Aber nicht als po­li­ti­sche, so­zia­le, ge­sell­schaft­li­che Ein­heit. Aber das ist den Gleich­ma­chern nicht mehr aus­zu­re­den. Sie re­den der Dif­fe­ren­zie­rung das Wort, in dem sie al­les auf ih­re schnö­de Com­pu­ter­lo­gik »0« oder »1« her­un­ter­bre­chen. Un­ter­schie­de wer­den per se zu »Dis­kri­mi­nie­run­gen« er­klärt. Sieht man z. B. an den Uni­sex-Ta­ri­fen für Ver­si­che­run­gen. Wo­hin das führt, ist klar.

    (Nur am Ran­de, viel­leicht sehr ab­sei­tig und auch nur, weil es mir spon­tan ein­fällt: Ist es nicht so, dass vie­le Amok­läu­fer da­hin­ge­hend cha­rak­te­ri­siert wer­den, sie sei­en »Ein­zel­gän­ger« ge­we­sen? )

    Ih­re letz­te Fra­ge ist sehr in­ter­es­sant: Es ist ja ei­nes der The­men der Zeit – das Schwan­ken zwi­schen In­di­vi­dua­li­tät und Ge­mein­schafts­ge­fühl. Am in­ter­es­san­te­sten fand ich dies im ame­ri­ka­ni­schen Kom­mu­ni­ta­ris­mus aus­ge­führt. Da taucht we­nig­stens der Be­griff des »Ge­mein­wohls« auf, oh­ne gleich de­nun­ziert zu wer­den. Aber ir­gend­wie fand ich das auch im­mer ein biss­chen sek­ten­haft. Durch­ge­setzt hat es sich nicht, wo­mög­lich aus ei­ner ge­wis­sen Skep­sis her­aus. (Viel­leicht ist auf dem Land in den USA aber tat­säch­lich der »Zu­sam­men­halt« noch stär­ker – auch, wenn ei­nem dies dann po­li­tisch nicht passt.)

    Wenn ich die all­ge­gen­wär­ti­gen Mo­den se­he (sei es Klei­dung oder Ac­ces­soires oder auch po­li­ti­sche An­schau­un­gen), so ist doch ein Drang fest­zu­stel­len, sich da­mit ge­mein zu ma­chen, um, und das ist das merk­wür­di­ge, gleich­zei­tig auch wie­der ei­ne Di­stanz zu ei­ner an­de­ren Grup­pe (Schicht) zu schaf­fen. Da­von lebt ei­gent­lich die­ser Ka­pi­ta­lis­mus: Dau­ernd ge­riert er Wa­ren, die in­klu­die­ren und zu­gleich auch ex­klu­die­ren. Und Dis­kur­se wer­den im­mer wie­der der Lo­gik »Wer nicht für mich ist, ist ge­gen mich« ge­führt.

    Der Ver­such, ei­ne »Com­mu­ni­ty« zu schaf­fen, die mit ei­ner Stim­me so­zu­sa­gen als Lob­by­grup­pe in öf­fent­li­che Dis­kur­se ein­tritt (die be­rühm­te »kri­ti­sche Mas­se«), muss schei­tern, weil es im­ma­nent sein muss, dass ei­ne sol­che Ge­mein­schaft zu di­ver­gie­ren­de In­ter­es­sen hat. Mein Ver­such ei­ner Di­stan­zie­rung ist ja so­zu­sa­gen ein Wi­der­spruch in sich, denn tat­säch­lich hat ja nie­mand ex­pli­zit für mich ge­spro­chen – al­so braucht es auch ei­gent­lich kei­ner Di­stan­zie­rung. Und den­noch be­trach­te ich man­ches Ge­re­de über »Blog­ger« (auch und ge­ra­de bei de­nen, die es ei­gent­lich bes­ser wis­sen müss­ten) als un­zu­läs­si­ge Ver­ein­nah­mung.

  21. Das mit Ger­ma­ny war na­tür­lich nicht wört­lich zu ver­ste­hen, son­dern soll­te ein be­stimm­tes Mo­ment an Ver­schie­bung an­deu­ten: Im Ver­lust kol­lek­ti­ver Ein­deu­tig­kei­ten (oder so­gar de­ren of­fen­si­ver Ab­leh­nung) und der Frak­tio­nie­rung auch noch der näch­sten Nach­bar­schaf­ten wer­den sol­che Denk-Be­griffs-Din­ger der ver­än­der­ten Zu­ge­hö­rig­keit nicht nur ope­ra­bler, son­dern wer­den zu ei­ner Art dif­fus-kon­kre­tem Er­satz. Die Leu­te ver­zücken sich so­gar an solch ol­len Ka­mel­len wie dem Eu­ro-Vi­si­ons-Song-Con­test. (Oder heißt der gar nicht mehr so? Sonst soll­te man „Eu­ro“ und „Vi­si­on“ un­be­dingt wie­der zu­sam­men­brin­gen.)

    Und si­cher ist auch die He­te­ro­ge­ni­tät in ei­ner per se un­über­sicht­li­chen Ge­mein­schaft im­mer viel grö­ßer, als die das Cha­rak­te­ri­sti­sche in den Blick zu neh­men ver­su­chen­de Per­spek­ti­ve dar­auf zu se­hen er­laubt – zu­letzt zer­fällt al­les im­mer wie­der in sich zu ver­hal­ten ha­ben­de Ein­zel­ne – die sich an ih­nen ähn­li­chen ver­hal­ten. Dar­um ist ja so­cial so ein Er­folg: Man bil­det ei­gent­lich Ge­mein­schaf­ten in ei­nem „fle­xi­ble re­spon­se“. Die Gleich­ma­che­rei ist Sur­ro­gat, aber zu­gleich, in eben der letzt­li­chen Un­ver­bind­lich­keit, auch hoch dis­po­ni­bel. Aber so, wie al­le In­di­vi­du­en sein wol­len – und al­so im „Main­stream der In­di­vi­dua­li­sten“ (Nor­bert Bolz) lan­den -, gibt es auch wei­ter­hin die Sehn­süch­te nach den di­ver­sen Ge­mein­schaft­lich­kei­ten (so wie frü­her für die Sin­gles den di­ver­sen Fa­mi­li­en­er­satz).

    Und ein­her mit dem Gleich­ma­chen ge­hen ja die Dif­fe­ren­zie­run­gen. Ich ver­wun­de­re mich im­mer noch je­des Mal, wenn ich hö­re, wie ten­den­zi­ell ob­sku­re Grup­pen-Ver­bind­lich­kei­ten im­mer ver­bind­li­cher wer­den. (Dass es im­mer mehr, im­mer son­der­ba­re­re „Tri­bes“ gibt mit In­si­der-Ri­ten und ih­ren Jar­gons und Er­ken­nungs­zei­chen und Tä­to­wie­run­gen oder neo-ata­vi­sti­schen Ver­hal­tens­wei­sen … Hacker und Ul­tras und Ska­ter und Sur­fer und Rocker mit Ma­fia-ähn­li­chen Schwü­ren und so was.) Und hat das nicht mit ir­gend­ei­nem qua­li­ta­ti­ven Man­gel an sonst re­al er­leb­ter Ge­mein­schaft­lich­keit zu tun?

    Tat­säch­lich hängt da­mit zu­sam­men aber wohl auch die Frag­wür­dig­keit des Ein­zel­gän­gers. An­de­rer­seits ver­mu­te ich, dass je­der, der von sei­nem ei­ge­nen, et­was an der Welt po­si­tiv zu ver­ein­nah­men ver­su­chen­den Stand­punkt aus spricht, ei­gent­lich ei­nen „kom­mu­ni­ta­ri­sti­schen“ Ver­such un­ter­nimmt. Die Ge­mein­schaft­lich­keit ist, dem Gu­ten das Wort zu re­den, im­mer schon ein­ge­baut. Sie kann sich aber meist auf des­sen Hö­he nicht hal­ten. Und da­ge­gen müs­sen sich dann an­de­re auch wie­der ver­wah­ren. Und die Netz­ge­mein­de et­wa ist ge­nug dif­fus wie auch kon­kret, dass sich je­der bei Be­darf da­zu rech­nen oder di­stan­zie­ren kann. Sie ist so ge­se­hen nur ein Na­me fürs be­griff­li­che Mar­ke­ting, ei­ne Art men­ta­les Tag in der um sich grei­fen­den hu­man mark­up lan­guage um zur Ori­en­tie­rung al­les bes­ser aus­zu­zeich­nen.

    Die Idee kommt mir er­neut, dass es da im Hin­ter­grund im­mer ei­ne Ent­täu­schung gibt, wenn ei­ne – zu­letzt ja (mit Lo­vink, al­so kri­tisch ge­dach­te) heils­brin­ge­ri­sche Ge­mein­schaft kon­kret eher ver­sagt (oder ei­nem die Mit­wir­kung ver­sagt – was auf das Glei­che hin­aus­läuft). „Das Netz“ ist ja im­mer noch für vie­le ei­ne kryp­to-uto­pi­sche En­ti­tät, weil sie da­hin­ein und da her­um ih­re men­ta­len Hoff­nun­gen auf das Bes­se­re pro­je­zie­ren, ih­re all­täg­li­che Pra­xis da­nach rich­ten und so­gar ei­ne denk­ba­re Po­li­tik (Pi­ra­ten). Aber viel­leicht gilt das auch für die an­de­ren Ein­ge­mein­de­ten

    Ich fra­ge mich al­so, ob de­nen, die ei­gent­lich da­zu ge­hö­ren wol­len, die Gren­zen da­für im­mer so klar sind … bzw die Ent­täu­schun­gen dann un­auf­ge­klär­te sind. Und an­ders­her­um: Wenn et­wa Mar­kus Becke­dahl mal wie­der spricht – und er es ja rund­um gut meint, auch in dem Wis­sen, dass es ihn be­ru­fen hat und es ihn an­schei­nend braucht – was dann das va­ge Un­zu­rei­chen­de dar­an ist. (Und das es nicht aus­reicht, und dass doch wei­ter ge­bohrt wer­den muss…)

    In ei­ner schon als ver­al­tet gel­ten­den Per­spek­ti­ve ge­sagt: Das Gan­ze IST (bleibt) das Fal­sche. Und doch ist es eben das re­al exi­stie­ren­de, das wo­mög­lich ein­zig zu ver­bes­sern mög­li­che, das an­dau­ernd an eben sei­ner Selbst­ver­bes­se­rung ar­bei­ten­de Pro­jekt. Nur die Be­grif­fe wer­den dar­an dann manch­mal zu Ge­spen­stern. Ob­wohl ich seit zwei Jah­ren sel­ber gar kein Blog­ger mehr bin, zäh­le ich mich im­mer ir­gend­wie noch da­zu. Letzt­lich hö­re ich al­so zu, ge­hö­re, wenn je­mand an­fängt für mich zu spre­chen. Wo­mög­lich meint er es gut?

  22. Ja, »Eu­ro­vi­si­on« gibt es noch (der Lie­der­wett­be­werb heisst ja »Eu­ro­vi­si­on Song Con­test«; statt »Grand Prix Eu­ro­vi­si­on de la Chan­son«) – nur merkt man das nicht mehr, weil die­se Eu­ro­vi­si­ons­fan­fa­re nicht mehr ge­spielt wird. Und tat­säch­lich: Frü­her, als die vor gro­ßen Ver­an­stal­tun­gen wuch­tig er­tön­te, hat­te man vor dem Fern­se­hen das Ge­fühl ei­ner Ge­mein­schaft al­lei­ne da­durch an­zu­ge­hö­ren, dass man das jetzt schau­te? War­um wird denn bei je­der Ge­le­gen­heit be­tont, wie­vie­le Men­schen jetzt die­ses Fuß­ball­spiel an­schau­en? Um ei­nen kurz­fri­sti­gen (für die Dau­er die­ser Ver­an­stal­tung) Zu­sam­men­halt zu stif­ten? Aber ist das dann schon ei­ne Fern­seh- oder Fuß­ball­ge­mein­de?

    Es gab im WDR-Fern­se­hen, als man sich noch fünf‑, sechs Mal im Jahr mit Phi­lo­so­phie be­schäf­tig­te, ei­ne 45 mi­nü­ti­ge Sen­dung über den ame­ri­ka­ni­schen Kom­mu­ni­ta­ris­mus. Der Ti­tel ist un­glaub­lich tref­fend: »Frie­ren­de Sta­chel­tie­re«. Und in der Tat glau­be ich, dass der In­di­vi­dua­lis­mus mit sei­nen Vor­zü­gen und Frei­hei­ten auch ei­ne ge­wis­se Käl­te aus­strahlt. In die­se Ker­be sind jetzt die so­ge­nann­ten »so­zia­len Netz­wer­ke« ein­ge­tre­ten: Sie er­mög­li­chen (schein­bar) bei­des: Man sitzt ein­zeln (viel­leicht so­gar un­ge­wa­schen oder in an­son­sten »aso­zia­lem« Zu­stand) vor dem PC und ist gleich­zei­tig mit sei­nen »Freun­den« in In­ter­ak­ti­on. Face­book wird zum Emul­ga­tor; das Un­ver­ein­ba­re wird zu­sam­men­ge­bracht. Die Hatz auf 400, 500 oder noch mehr »Freun­de« er­klä­re ich mir da­mit, dass da­durch im­mer ge­nug Leu­te on­line sind, mit de­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on we­nig­stens theo­re­tisch mög­lich ist.

    Die von Ih­nen an­ge­spro­che­nen Jar­gons, Ri­ten, Er­ken­nungs­zei­chen von Grup­pen spie­geln na­tür­lich den Drang wi­der, sich ir­gend­wo auf­ge­ho­ben zu füh­len. Die Fa­mi­li­en sind längst ob­so­let ge­wor­den, weil sie deut­li­che Spu­ren von Ver­pflich­tun­gen und Ver­ant­wor­tun­gen auf­wei­sen. Re­li­gio­nen ver­lan­gen ei­nen Ge­hor­sam ei­nem ab­strak­ten We­sen ge­gen­über; das ist für die Mo­der­ne, die al­les be-grei­fen will, nicht mehr at­trak­tiv. Auf per­fi­de Art und Wei­se kehrt dies dann zwar spä­ter in grup­pen­dy­na­mi­schen Pro­zes­sen wie­der zu­rück, wird aber als frei­wil­li­ge Ver­pflich­tung ak­zep­tiert. Wich­tig ist dann, dass sol­che Or­ga­ni­sa­tio­nen Hier­ar­chien aus­bil­den, die sicht­bar Auf­stiegs­mög­lich­kei­ten bie­ten (Rocker­ban­den und auch Sek­ten funk­tio­nie­ren bspw. so). In ge­wis­ser Wei­se be­frie­digt die­se star­re, hier­ar­chisch ori­en­tier­te und ‑fi­xier­te Or­ga­ni­sa­ti­on dann das Ge­fühl ei­ner so­zia­len Auf­ge­ho­ben­heit. Dass sie her­me­tisch ist und auch nur un­ter ei­nem ge­wis­sen Druck zu­sam­men­bleibt, macht ge­ra­de ih­ren Reiz aus. Fa­mi­li­en bre­chen ja in­zwi­schen so leicht aus­ein­an­der wie Knäcke­brot – weil es eben auch ganz leicht geht.

    Zu­rück zum Netz: Da wird al­so das zu­nächst so be­ju­bel­te, »heils­brin­gen­de« zur Ent­täu­schung (Sie spre­chen Lo­vink an). Aber war­um? Wer ent­täuscht ei­gent­lich wen? Liegt die Ent­täu­schung nicht im­mer auch beim Ent­täusch­ten, bei des­sen Er­war­tun­gen, die viel­leicht il­lu­so­risch wa­ren? Wa­ren nicht die Par­tys im­mer ent­täu­schend, von de­nen man et­was er­war­tet hat­te? Und, um­ge­kehrt: Wur­de nicht ge­ra­de das Er­eig­nis, zu dem man wo­mög­lich nur aus ge­sell­schaft­li­chen Zwän­gen her­aus teil­nahm, zu ei­nem wie auch im­mer ge­ar­te­ten Er­folg?

    Ge­hört man wirk­lich im­mer ir­gend­wo da­zu? Ist der Re­gio­nal­li­ga-Fuß­ball­spie­ler auch ei­ne »Fuß­bal­ler« wie all die hoch­be­zahl­ten Pro­fis? Oder ist die­se Ein­ord­nung nur ei­ne rein sprach­li­che Be­nen­nung, ein Ober­be­griff, der ei­gent­lich so­fort ei­ner Dif­fe­ren­zie­rung be­dürf­te? Wer be­stimmt das ei­gent­lich? Und vor al­lem: War­um?

    Klar, das Me­di­en die Ver­ein­fa­chung be­nö­ti­gen wie ein Jun­kie sei­nen Schuss. Zum ei­nen, weil sie da­mit bes­ser ih­re Nach­richt glau­ben trans­por­tie­ren zu kön­nen. Zum an­de­ren, weil sie im Grun­de gar kein In­ter­es­se an Dif­fe­ren­zie­run­gen ha­ben, weil sie näm­lich Ar­beit macht. Ich hal­te Schöp­fun­gen wie »Netz­ge­mein­de« oder auch, viel wich­ti­ger, »Po­li­ti­ker«, »Ban­ker«, »Is­la­mist« (usw.) für pro­ble­ma­tisch. Viel­leicht sind sie not­wen­di­ge Übel. Ob­wohl man be­stimm­te Ver­ein­fa­chun­gen merk­wür­di­ger­wei­se scheut: »Aus­län­der« gilt als un­kor­rekt (auch Hin­wei­se auf an­de­re Staats­bür­ger­schaf­ten). Es gibt al­so Über­ein­künf­te, die ei­ner­seits sol­che sprach­li­chen Grob­hei­ten gut­hei­ßen, an­de­rer­seits sie ver­dam­men. Wo kom­men die­se her? (Nein, ich will hier nicht das Fass der »po­li­ti­cal cor­rect­ness« auf­ma­chen.)

    Die Nei­gung, Ähn­lich­tu­en­de und Ähn­lich­den­ken­de in Schub­la­den zu sor­tie­ren er­füllt na­tür­lich noch an­de­re Zwecke als die der Ver­ein­fa­chung. Es wer­den (künst­lich) Ge­gen­wel­ten ge­schaf­fen: Netz vs. Print; Po­li­ti­ker vs. Volk; Is­la­mis­mus vs. We­sten. Sie füh­ren nicht nur zu Ab­gren­zun­gen, die wie­der­um zu ma­nich­äi­schen Ent­schei­dun­gen zwin­gen (da­für oder da­ge­gen; die ei­ne Sei­te oder die an­de­re). Nein. Sie schaf­fen näm­lich ei­nes: ein Ge­mein­schafts­ge­fühl.

  23. Ge­mein­den, ja: die wer­den si­cher heu­te aus­drück­lich ge­stif­tet – ist ja auch ein not­wen­di­ger Mar­ke­ting­ef­fekt (Kun­den­bin­dung). Und die mei­sten Men­schen lie­ben es an­schei­nend, Teil ei­ner gro­ßen Sa­che, ei­ner Men­ge zu sein. (Und ge­ra­de weil mir das per­sön­lich nur schlecht mög­lich ist, be­ob­ach­te ich das manch­mal um­so fas­zi­nier­ter.)

    Wenn man statt In­di­vi­dua­lis­mus »Li­be­ra­lis­mus« sagt, scheint auch al­les klar: Der Ein­zel­kämp­fer, die Ideo­lo­gie des „Er­folgs“, die Aus­bil­dung und Be­haup­tung der [kal­ten] »per­so­na« ... die öko­no­mi­sche, und da­mit die letzt­lich für al­les, das Ge­mein­we­sen höch­ste Ver­nunft. Als Er­satz dann die Fan‑, Fuß­ball oder Fei­er­ge­mein­de und »go­ing so­cial«: die tat­säch­lich ins So­zi­al-En­gi­nee­rung ab­ge­wand­te, als „pu­blic vie­w­ing“ sie­chen­de Ge­mein­schaft­lich­keit? Aber viel­leicht ver­schiebt es sich nur un­ent­wegt. So­gar die Sol­da­ten frü­her oder so­gar die »Kreuz­züg­ler« wa­ren eher be­zahl­te, ihr Aus­kom­men und da­mit ih­re gu­te Sa­che an ei­nen Fremd­zweck bin­den­de Scher­gen. Viel­leicht ist Dar­wi­nis­mus als Ma­kro­ef­fekt doch viel grund­le­gen­der als die Über­re­gelt­heit un­se­rer Le­ben von Au­ßen­in­stan­zen und ge­mach­ten Trends uns se­hen las­sen? Und in der Ein­zel­be­geg­nung gibt’s dann wie­der Freund­lich­keit wie auch blu­ti­ge Kämp­fe.

    Vor Jah­ren, als ich mal wie­der, ewig un­wil­lig ge­gen­über der ka­len­da­risch ab­zu­ru­fen­den Weih­nachts­se­lig­keit, ei­gent­lich je­de Ge­mein­schaft­lich­keit ver­wei­gern woll­te, ge­riet ich in ei­nem be­stimm­ten Fo­rum an ei­ne Frau, die noch rich­tig dar­un­ter litt – und wir grün­de­ten au­gen­blick­lich ei­ne Zwei­sam­keit der Da­ge­gen­sei­en­den. Dar­aus wur­de dann ei­ne rich­ti­ge, lang­jäh­ri­ge Freund­schaft. Von da­her ha­be ich dann auch das Vir­tu­el­le im­mer be­jaht, weil es ja leicht ins Le­ben rü­ber­reicht.

    Viel­leicht ist »Com­mu­ni­ty« letzt­lich gar nicht zu ver­wei­gern, ist so­gar als Be­dürf­nis oft gar nicht durch­schaut? Man will heu­te eben nur die Frei­heit, sich sei­ne Näch­sten oder Spieß­ge­sel­len aus­su­chen zu dür­fen und ver­wei­gert lie­ber den nar­ziss­ti­schen Stress, sich von ei­nem zu sehr An­de­ren dau­ernd in Fra­ge stel­len zu las­sen. Die we­ni­gen rich­ti­gen Freun­de hat man dann an­ders­wie. (Und in den Fa­mi­li­en herrscht heu­te sehr oft, zu­min­dest nach mei­ner Be­ob­ach­tung, statt den ur­sprüng­li­chen Kon­flik­ten und dem Nä­he-Ter­ror ei­ne ab­ge­klär­te Prag­ma­tik.)

    Ja, in­ter­es­sant sind dann die Auf­er­le­gun­gen bzw. de­ren Me­cha­nis­men, die man sich an­ders­wo wie­der her­ein­holt, die Grup­pen- und Da­zu­ge­hö­rig­keits- und Cor­rect­ness­zwän­ge – zu­letzt bin­den sie ei­nen doch zu­rück (re­li­gio).

    Die di­ver­sen (für mich eher dif­fu­sen) Netz­frak­tio­nen fol­gen an­schei­nend oft dem Ide­al ei­nes »rich­ti­gen Den­kens«, da­zu den je­wei­li­gen An­ge­sagt­hei­ten und dem Auf­der­hö­he-da­mit-Sein. Da­ge­gen ste­hen die mit dem un­ge­le­ge­nen, dem nicht ge­nug dif­fe­ren­zier­ten oder ver­al­te­ten Ar­gu­ment. Oft müss­te man ei­gent­lich be­reits „drin“ sein, wo an­de­re schon al­les ab- oder dicht­ge­macht ha­ben. Ich le­se gern hier und da et­was tie­fer, emp­fin­de mich dann aber doch oft nicht wirk­lich ein­ge­la­den. So­mit ist die »Ge­mein­de« für mich ent­we­der ei­gent­lich im­mer ei­ne an­de­re – oder ei­ne heim­lich her­me­ti­sche­re, als sie zu sein vor­gibt. Oder ich ge­be mir nicht ge­nug Mü­he, die un­ge­schrie­be­nen (aber doch zu­gäng­li­chen) Ver­bind­lich­kei­ten her­aus­zu­fin­den.

    So­mit sind mir sol­che un­schar­fen Zu­ge­hö­rig­kei­ten wie „Netz­ge­mein­de“ viel­leicht letzt­lich ganz an­ge­nehm? Ich ha­be mich da­mit ar­ran­giert – und bin dann na­tür­lich auch sel­ber schuld an dem Un­ge­nü­gen, dass ich im Um­gang mit die­sen Ge­mein­den und den Äu­ße­run­gen ih­rer Spre­cher emp­fin­de. Das, was ich vor Län­ge­rem in an­de­rem, nicht ganz un­ähn­li­chen Zu­sam­men­hang mal mein (eher un­zu­ver­läs­si­ges, streu­ne­ri­sches) Da­zu­ge­hö­rig­keits­ver­lan­gen ge­nannt ha­be, geht je­den­falls längst wie­der weg von den Vir­tua­li­tä­ten weg.

    Wo­hin an­de­re mich ein­ord­nen, da­ge­gen kann ich kaum et­was tun. Wer man ist, sa­gen ei­nem die an­de­ren. Nicht zu­letzt da­mit, wie sie ei­nem hel­fen, sich da­von ab­zu­gren­zen. So be­stä­tigt sich das So­zia­le (und ja auch ei­ne es­sen­zia­li­sti­sche So­zio­lo­gie à la Max We­ber): Man kon­sti­tu­iert sich in sei­nen Ab­gren­zun­gen. Und ent­geht sei­nen Ein­ge­mein­dun­gen trotz­dem nicht.

  24. Na­tür­lich ent­geht man Ein­ge­mein­dun­gen nicht. Aber ich ha­be das Ge­fühl, der Drang zur Ver­ein­nah­mung war noch nie so stark (so­fern ich dies in mei­ner Le­bens­zeit fest­stel­len kann). Es ist klar, dass ich in Spa­ni­en oder Öster­reich als Deut­scher wahr­ge­nom­men, al­so »ver­ein­nahmt« wer­de. Das stört mich aber nicht, weil es dem Ge­gen­über erst ein­mal als gro­be Ein­ord­nung dient. Die näch­ste Stu­fe ist, wenn mir in­ner­halb die­ser Ein­ord­nung be­stimm­te Denk- oder Ver­hal­tens­mu­ster un­ter­stellt wer­den. Aber auch das ist mensch­lich, zu­mal mei­ne in­di­vi­du­el­le (!) Kom­ple­xi­tät in ei­nem spa­ni­schen Re­stau­rant auch zweit­ran­gig ist.

    Et­was an­de­res ist die­se vor­aus­ei­len­de Ver­ein­nah­mung in ge­sell­schafts- und so­zi­al­po­li­ti­schen Kon­tex­ten: Es gibt Ver­brau­cher­schüt­zer, Da­ten­schüt­zer, Na­tur­schüt­zer, Um­welt­schüt­zer – und al­le glau­ben pa­ter­na­li­stisch für mich spre­chen zu kön­nen bzw. wer­den von Me­di­en vor­aus­ei­lend als da­zu le­gi­ti­miert an­ge­se­hen. Das Gan­ze kommt mir in­zwi­schen wie ein Spiel vor: Es gibt bei­spiels­wei­se Ge­set­ze oder auch nur Ge­set­zes­ent­wür­fe. Die wer­den so­fort von den die be­tref­fen­den Lob­by­grup­pen kom­men­tiert. Zum »Aus­gleich« wer­den die po­si­tiv kon­no­tier­ten, »gu­ten« Lob­by­grup­pen (eben je­ne ‑schüt­zer [die Li­ste un na­tür­lich un­voll­stän­dig]) her­an­ge­zo­gen. Das Er­geb­nis soll dann den plu­ra­li­sti­schen Mei­nungs­bo­gen zei­gen. Ich blei­be al­lei­ne; der Jour­na­list sam­mel­te nur Er­klä­run­gen, die al­le­samt kei­nen be­son­de­ren Wert ha­ben (es sind meist nur ein, zwei oft ge­nug vor­aus­seh­ba­re Sät­ze). Den­noch bin ich oft ge­nug be­reits ver­ein­nahmt.

    Das kann ich sehr schlecht ver­hin­dern. Und ge­ra­de des­halb stösst mir dies auch so bei der so­ge­nann­ten »Netz­ge­mein­de« auf. Nicht, dass Jour­na­li­sten die­sen Be­griff ver­wen­den fin­de ich ver­werf­lich (sie kön­nen of­fen­sicht­lich lei­der gar nicht an­ders, als kom­ple­xe Zu­sam­men­hän­ge her­un­ter­zu­bre­chen), son­dern dass sich hier wie selbst­ver­ständ­lich ei­ne ge­wis­se Kli­en­tel eta­bliert hat, die die­ses Spre­chen für An­de­re in­ter­na­li­siert hat. Wenn sie »Wir« sa­gen, dann möch­ten sie da­mit »Al­le« mei­nen – je hö­her die Mas­se, für die sie das Wort er­grei­fen, de­sto wuch­ti­ger die Stim­me. So läuft das Sprach­spiel Po­li­tik ja in­zwi­schen.

    Ich sa­ge nicht, dass ich die Lö­sung ken­ne. Dass, was die Pi­ra­ten ver­sucht ha­ben (»Li­quid de­mo­cra­cy«) ist auch re­la­tiv un­be­frie­di­gend. Teil­wei­se wi­der­spricht es dia­me­tral dem, was man ge­mein­hin un­ter Par­tei­en ver­stand: Ei­ni­ge Per­so­nen ha­ben ei­ne po­li­ti­sche Pro­gram­ma­tik – und su­chen nun An­hän­ger, die dies tei­len und mit de­nen die Zie­le ver­wirk­licht wer­den kön­nen. Die Pi­ra­ten ha­ben es in Pro­gramm­punk­ten, zu de­nen sie kei­ne ori­gi­nä­re Pro­gram­ma­tik ver­tra­ten, um­ge­kehrt ge­macht: Sie wa­ren erst ein­mal da und woll­ten per Mehr­heits­be­scheid wis­sen, wie sie sich zur Au­ßen- oder Ren­ten­po­li­tik zu po­si­tio­nie­ren ha­ben. Schafft man so ei­ne po­li­ti­sche »Ge­mein­schaft«? ich glau­be nicht.

    Ich ha­be ja auch ein »Da­zu­ge­hö­rig­keits­ver­lan­gen«. Aber die Zir­kel sind doch re­la­tiv klein. Selbst bei Face­book, wo Leu­te mit 2000 oder 3000 Freun­den mit­tels aus­ge­klü­gel­ter Fil­ter nur Mel­dun­gen von den Leu­ten er­hal­ten, mit de­nen sie in re­gel­mä­ssi­gem Kon­takt sind. Das sind viel­leicht 40, 50. Wenn da­von je­der ein, zwei Mel­dun­gen pro Tag ab­schickt, ist das schon an der Gren­ze zur Wahr­nehm­bar­keit. Ich ha­be ein­mal ge­le­sen, die Grie­chen be­trach­te­ten 5000 Per­so­nen als die ma­xi­ma­le Gren­ze ih­rer Ago­ra (das ist merk­wür­di­ger­wei­se auch die Gren­ze der per­sön­li­chen Freund­schafts­mög­lich­kei­ten auf Face­book; Fan­sei­ten er­mög­li­chen al­ler­dings un­be­grenz­te Mit­glie­der­zah­len). Dar­über hin­aus wa­ren de­mo­kra­ti­sche Vor­gän­ge nur äu­ßerst schwer zu be­werk­stel­li­gen, so glau­be man da­mals. Mit den neu­en Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten dürf­te die Zahl sich po­ten­ziert ha­ben. Den­noch dürf­te es Gren­zen he­ben und viel­leicht liegt hier­in auch der Vor­teil klei­ne­rer Län­der, die ein an­de­res, dich­te­res Ge­mein­schafts­ge­fühl ent­wickeln als gro­ße Po­pu­la­tio­nen.

  25. Viel­leicht hat die Ver­ein­nah­mung auch mit der sich nicht ganz fal­schen An­nah­me zu tun, dass die Nut­zung ei­nes Me­di­ums prägt, ver­bin­det oder be­stimm­te (ähn­li­che aber auch va­ri­ie­ren­de) Ver­hal­tens­wei­sen und In­ter­es­sen her­vor­bringt (vgl. das Wort »Blog­ger«).

    Mich stört die Ver­ein­nah­mung we­ni­ger, so­lan­ge ar­gu­men­tiert wird, al­so der Da­ten- oder Um­welt­schüt­zer re­le­van­te Ein­wän­de for­mu­liert. Zu­dem bin ich nicht über­all kom­pe­tent (ganz im Ge­gen­teil: nur an we­ni­gen Or­ten), die Ver­tre­tun­gen sind von da­her nicht prin­zi­pi­ell falsch, ja so­gar not­wen­dig.

  26. @metepsilonema
    Der Daten‑, Natur‑, Ver­brau­cher- oder sonst­wer-Schüt­zer ar­gu­men­tiert aber im­mer mit mir. Er braucht die un­aus­ge­spro­che­ne Le­gi­ti­ma­ti­on, um sei­ner Stim­me Ge­wicht zu ver­lei­hen. Wür­de er das nicht tun, wä­re sei­ne Stim­me im Dis­kurs nicht re­le­vant.

  27. Aber ist nicht bei je­dem Spre­cher die un­aus­ge­spro­che­ne Le­gi­ti­ma­ti­on im­pli­zit? (Schö­ne Ver­klam­me­rung von Ent­ge­gen­set­zun­gen.)

    Man den­ke an »Stamm­tisch« oder an Fuß­ball-Kom­men­ta­to­ren: So­zu­sa­gen phä­no­me­no­lo­gisch muss ich mir die mei­ste Zeit ge­wis­ser­ma­ßen et­was an­ma­ßen, um et­was aus­zu­spre­chen, das zu­letzt An­spruch auf All­ge­mein­gül­tig­keit re­kla­miert.

    Na­tür­lich ver­weist auch das wie­der auf ei­ne Über­zo­gen­heit des An­spruchs – der, der ja ei­gent­lich be­strit­ten wer­den soll. Aber gin­ge es oh­ne? (Bzw. dann nur je­des­mal wie­der sei­ne ei­ge­ne Po­si­ti­on in Zwei­fel zu zie­hen?) Oder man müss­te je­des­mal auf sei­ne ra­di­ka­le Selbst­be­zo­gen­heit beim Spre­chen ver­wei­sen. (Die eben­so un­will­kür­lich eh pas­siert, aus­drück­li­cher­wei­se aber die­se Po­si­ti­on schwä­chen wür­de. Man kä­me dau­ernd in per­for­ma­ti­ven Selbst­wi­der­spruch.)

    Und die­se bei­läu­fi­ge Ent­la­stung lt. Me­tep­si­lo­n­e­ma ver­spü­re ich oft auch: Je­mand soll es ein­mal sa­gen, von mir aus laut, wor­auf ich sel­ber ge­ra­de nicht komme[n kann].
    Tat­säch­lich hel­fen mir dann die Ein­ge­mein­dun­gen auch wie­der, mei­ne Ge­gen­po­si­ti­on zu stär­ken (ob­wohl ich sie mir auch öf­ter ver­bit­ten möch­te).

  28. @Gregor
    Na­tür­lich spre­chen man­che Or­ga­ni­sa­tio­nen un­ge­fragt für mich, aber kann man dem über­haupt ent­kom­men? Was soll ein Ver­brau­cher- oder Um­welt­schüt­zer tun? Er möch­te doch klar­stel­len wo­für er ein­tritt, al­so et­wa für die Er­hal­tung der Um­welt oder für Pro­duk­te, die be­stimm­ten Stan­dards ge­nü­gen. Das sind doch per se Be­lan­ge, die ei­nen ver­all­ge­mei­ner­ten An­spruch stel­len müs­sen und da­her darf er auch for­mu­liert wer­den. Selbst­ver­ständ­lich hängt die Stimm­stär­ke von der Zahl de­rer ab, die man ver­tritt, al­ler­dings, so hof­fe ich, ist das nicht das al­lei­ni­ge Kri­te­ri­um.

  29. @herr.jedermann
    Der Sport­be­richt­erstat­ter heisst aber -kom­men­ta­tor, d. h. die Sub­jek­ti­vi­tät ist so­zu­sa­gen ein­ge­baut – wo­mög­lich so­gar er­wünscht. Ei­ne Ob­jek­ti­vi­tät wä­re da hin­der­lich; die Ent­schei­dung, ob es ei­nen Elf­me­ter ge­ben soll oder nicht, trifft der Fuß­ball­kom­men­ta­tor am En­de für sich (im Glücks­fall mit Ar­gu­men­ten, Zeit­lu­pe, Re­gel­zi­tat, etc).

    In der Po­li­tik gibt es die­sen un­aus­ge­spro­che­nen »Frak­ti­ons­zwang«. Der Ge­dan­ke geht da­hin, dass nicht al­le Ab­ge­ord­ne­ten ei­ner Par­tei über al­le Ge­set­zes­vor­ha­ben den glei­chen Wis­sens­stand ha­ben kön­nen. Da­her gibt es Gre­mi­en, Aus­schüs­se, Mi­ni­ste­ri­en, wo die fach­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten dis­ku­tiert wer­den. Als »ein­fa­cher« Ab­ge­ord­ne­ter ken­ne ich mich viel­leicht nur ei­ni­ger­ma­ßen mit der Au­ßen­po­li­tik aus. Was ma­che ich bei Fi­nanz­ent­schei­dun­gen? Oder wenn es um Da­ten­schutz­be­lan­ge geht? Die Domp­teu­re in den Frak­tio­nen sa­gen: Man hat sich der Par­tei­li­nie an­zu­schlie­ßen und da­mit zu ver­trau­en, dass die schon im Sin­ne der Par­tei die »rich­ti­gen« Schlüs­se ge­zo­gen ha­ben. Hier wird al­so lau­fend für an­de­re ge­spro­chen.

    Schließ­lich hat der Ab­ge­ord­ne­te auch so zu ent­schei­den. So die Li­nie in den Par­tei­en. Tat­säch­lich steht im Grund­ge­setz et­was an­de­res: Je­der ist sei­nem Ge­wis­sen ver­ant­wort­lich. Wer das aus­schöpft und »auf­fällt« be­kommt ein­fach kei­nen gu­ten Li­sten­platz mehr bei der näch­sten Wahl.

    Nach die­sem Sche­ma sind auch die in­for­mel­len Mei­nungs­bild­ner längst or­ga­ni­siert. Sie ha­ben noch nicht ein­mal Sank­ti­ons­me­cha­nis­men, au­ßer die Ex­klu­si­on, die aber in der Re­gel so­wie­so be­steht. Der Ge­dan­ke von Ver­brau­er­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen bei­spiels­wei­se liegt da­hin­ge­hend., die he­te­ro­ge­ne Mas­se der »Ver­brau­cher« so­zu­sa­gen stell­ver­tre­tend als Sprach­rohr zu be­die­nen. Wür­den sie das nicht tun, müss­ten sie for­mal­lo­gisch ar­gu­men­tie­ren. Mit der ge­lie­he­nen Macht, für al­le Ver­brau­cher spre­chen zu dür­fen, ver­schaf­fen sie sich Re­le­vanz. Wi­der­spricht ein sol­ches Ge­ha­be aber nicht der Re­de vom »herr­schafts­frei­en Dis­kurs« (an das ich nicht glau­be; in­so­fern ist die­se Fra­ge rhe­to­risch)?

  30. Mit der ge­lie­he­nen Macht, für al­le Ver­brau­cher spre­chen zu dür­fen, ver­schaf­fen sie sich Re­le­vanz.

    Das be­strei­tet, glau­be ich, nie­mand, aber zur Re­le­vanz ge­hö­ren auch Ar­gu­men­te und wenn die nicht stich­hal­tig sind, dann nützt das Schrei­en nichts, bzw. wer­den sich die Stim­men meh­ren, die den Ver­tre­tungs­an­spruch be­strei­ten (hof­fent­lich).

    Mit dem höchst pro­ble­ma­ti­schen Frak­ti­ons­zwang ist es ähn­lich: Wenn sich ein Ab­ge­ord­ne­ter in ei­ner The­ma­tik nicht aus­kennt, kann man ihm die en­spre­chen­den In­for­ma­tio­nen und Ar­gu­men­te vor­le­gen, ent­schei­den muss er (Ge­wis­sen). Dass das oft nicht ge­wollt ist, steht auf ei­nem an­de­ren Blatt.

    Um dem Druck­mit­tel Li­sten­platz ent­ge­gen zu wir­ken, könn­te man das Wahl­recht ent­spre­chend per­so­na­li­sie­ren und der Wäh­ler un­be­que­me Ab­ge­ord­ne­te be­loh­nen.

  31. @metepsilonema
    Der Aus­tausch von Ar­gu­men­ten bleibt doch meist in der me­dia­len Auf­ge­regt­heit auf der Strecke – selbst dort, wo man dies si­mu­liert (Talk-Shows). Oft wer­den nur noch Af­fek­te be­dient und Res­sen­ti­ments ge­füt­tert.

    Das Wahl­recht wird na­tür­lich nicht ent­spre­chend ge­än­dert wer­den, weil Par­tei­gre­mi­en nichts mehr ver­ab­scheu­en als »un­zu­ver­läs­si­ge« Frak­ti­ons­mit­glie­der. Nach au­ßen gilt ei­ne po­li­ti­sche Par­tei ja als be­son­ders er­folg­reich und zu­ver­läs­sig, wenn sie »ge­schlos­sen« auf­tritt – als sei dies ei­ne Tu­gend an sich. Die Me­di­en ver­stär­ken die­ses Bild noch – wo­bei sich dann ganz schnell der Kreis schließt: Ringt ei­ne Par­tei um ei­ne po­li­ti­sche Rich­tung, gilt sie als zer­strit­ten. Pas­siert dies nicht, gilt sie ir­gend­wann als mo­no­li­thisch. In bei­den Fäl­len spie­len sich Jour­na­li­sten als Sprach­roh­re für den Bür­ger auf.

  32. Viel­leicht ist das nur mo­men­ta­ner Über­sät­ti­gung und wi­der­wil­li­gem Über­druss ge­schul­det, aber als ich die Über­schrift die­ses Ar­ti­kels las, dach­te ich auch nur: Ah, das eig­net sich wie­der um in der Bild­blogru­brik »6 vor 9« ge­li­stet zu wer­den und von dort ein paar wü­ten­de Er­wi­de­run­gen her­bei­zu­trei­ben, die dem Ar­ti­kel­ver­fas­ser mög­lichst zur Be­stä­ti­gung die­nen mö­gen. Und ich bin ja auch so ein Be­woh­ner mei­nes Blog­el­fen­bein­turms oder Kel­ler­lochs und bit­te­rer Geg­ner des Zeit­gei­stes. War es noch fas­zi­nier­te Ab­sto­ßung auch über die Macht kol­lek­ti­ver Ge­fühls­la­gen, die aus­rei­chen, um ei­nem Bun­des­prä­si­den­ten den Gar­aus zu ma­chen oder Mi­ni­ster aus dem Amt zu trei­ben, so ge­sellt sich lang­sam aber auch Be­wun­de­rung hin­zu: dar­über wie so ein auf­kei­men­des Ge­fühl, ei­ne all­ge­mei­ne Ge­stimmt­heit ein Stadt ein Land er­greift oder ei­ne sich for­mie­ren­de Be­we­gung oder Idee plötz­lich ton­an­ge­bend wird und die Men­schen zu neu­en Hoch­ver­feinun­gen der Kul­tur oder Bar­ba­rei­en an­spornt.
    Viel­leicht kann ich das nicht so gut aus­drücken, wie Ra­bow­ski das in sei­nen Be­trach­tun­gen in »Un­se­re Sa­che« tut. Lei­der ha­be ich mir schon zu­vie­le Zet­tel hin­ein­ge­legt, so dass ich die Stel­le ge­ra­de nicht fin­de, in wel­cher er den Zeit­geist als et­was Vor­an­trei­ben­des, Dy­na­mi­sches be­schreibt – nicht schon be­wirbt oder an­preist,.. aber das brach­te mich da­zu mei­ne re­flex­haf­te Ab­wehr­hal­tung zu über­den­ken. Manch­mal dau­ert es et­was län­ger: viel­leicht braucht es eben jahr­zehn­te­lan­ge Kam­pa­gnen und Ein­trich­te­run­gen von »Di­gi­tal- und Me­di­en­zeit­al­ter«, bis die Um­brü­che auf ein­mal in kur­zer Zeit er­fol­gen. (Ich mei­ne mich zum Bei­spiel zu er­in­nern, dass als die UMTS-Li­zen­zen zu un­vor­stell­ba­ren Sum­men ver­stei­gert wur­den, mir das ge­rau­ne, dass es da­für kei­nen Markt gä­be für sehr plau­si­bel hielt – jetzt wird es wohl für die Mo­bil­funk­un­ter­neh­men eng, die auf dem Smart­phon­e­markt nicht mit­hal­ten kön­nen. So it goes.)
    Ich hof­fe ich ver­feh­le das The­ma da­mit nicht zu sehr, in der Dis­kus­si­on wur­de die­ser Aspekt, glau­be ich, auch schon her­vor­ge­ho­ben: dass solch ver­grö­bern­de Ein­tei­lun­gen wie die »Blog­ger« oder »Netz­ge­mein­de« oft schon fast not­wen­di­ge Ori­en­tie­rungs- und Ein­tei­lungs­ver­su­che sind, um in den um­her­schwap­pen­den Zeit­geist­wel­len ein paar An­ker­punk­te zu ha­ben. Jetzt mag das so grob ver­zer­rend er­schei­nen wie es ja ist, al­le über ei­nen Kamm zu sche­ren, aber in ein paar Jahr­zehn­ten, wird viel­leicht so dar­über be­rich­tet wer­den, wie die »Holz­me­di­en« nie­der­gin­gen (so läufts doch auch im Äs­the­ti­schen und ih­ren Epo­chen­ein­tei­lun­gen oder un­se­rer Ge­schichts­schrei­bung all­ge­mein).

  33. Aber es sind ja ge­ra­de die­se »kol­lek­ti­ven Ge­fühls­la­gen«, die auch ir­gend­wann ein­mal Bauch­schmer­zen ver­ur­sa­chen kön­nen. Man nennt das »Ru­del­bil­dung« beim Fuß­ball oder, noch zu­tref­fen­der, kennt es aus We­stern­fil­men, wenn der Lynch­mob sein Recht will. Wie ist das denn mit der Be­wun­de­rung für ei­ne auf­kei­men­de Idee? Was, wenn die­se »Idee«, die­ses Ge­fühl, zu et­was führt, was ei­nem dann nicht passt? Wa­ren nicht al­le »Be­we­gun­gen« auch durch ih­re Dy­na­mik (zu­nächst) le­gi­ti­miert? Man nann­te das auch ein­mal »Re­vo­lu­ti­on«. Aber wie ging das ei­gent­lich im­mer aus? Und: sind die ak­tu­ell pro­pa­gier­ten »Re­vo­lu­tio­nen« nicht eher Kin­der­ge­burts­ta­ge? Und tra­gen bei doch ei­nen Keim Ge­fahr in sich; ein Atom, dass man viel­leicht nicht ent­fes­selt se­hen möch­te.

    Et­li­che die­ser Kam­pa­gnen, die so ge­führt wer­den, wi­dern mich in­zwi­schen an. Sei es, dass es um Sprach­kon­trol­le geht oder ein­fach nur bil­li­ge Af­fek­te ge­nährt wer­den. Was, wenn die Kon­trol­le durch die Mas­sen ver­sagt? Ich ha­be – ehr­lich ge­sagt – kein Ver­trau­en in ei­nen kol­la­bo­ra­ti­ven Aus­gleich, der im­mer wie­der auf den rich­ti­gen Weg (des Rechts­staats) füh­ren muss.

    Na­tür­lich muss es gro­be Ver­all­ge­mei­ne­run­gen ge­ben. Aber was wenn die­se Ver­all­ge­mei­ne­run­gen un­ge­prüft als Le­gi­ti­ma­ti­on bzw. Re­prä­sen­ta­ti­on die­nen? Für ein Han­deln, dass man so gar nicht will.

    Sa­gen Sie doch ein­mal ei­nem Ver­lag, Sie ar­bei­ten für ein On­line­me­di­um und schrei­ben dort über Li­te­ra­tur. In ge­fühl­ten 80% der Fäl­le hat sich das Ge­spräch er­le­digt. Sie die­nen al­len­falls als Mul­ti­pli­ka­to­ren. Ihr Text kann so aus­ge­feilt sein wie kein an­de­rer – der von der FAZ und der SZ wird zi­tiert. Sie, als On­line­schrei­ber, ge­hö­ren der »Netz­ge­mein­de« an. Oder, schlim­mer, sie sind ein Nerd. »Blog« be­deu­tet in Deutsch­land: Schrei­ben ins Un­rei­ne mit dem Un­rei­nen. Wenn Jour­na­li­sten »blog­gen«, schrei­ben sie so­zu­sa­gen vor. Das gilt nicht als Jour­na­lis­mus – es ist Ge­kra­kel. (Merk­wür­dig ist dann, wie »Blogs« plötz­lich bei der Be­richt­erstat­tung über dik­ta­to­ri­sche oder an­ders miss­lie­bi­ge po­li­ti­sche Re­gime ei­ne Le­gi­ti­ma­ti­on in den Main­stream­m­e­di­en er­hal­ten; plötz­lich gilt all das, was sie im In­land als Ein­wän­de brin­gen, nicht mehr.)

  34. Die­se Kon­no­ta­tio­nen hat­te ich mit dem »dy­na­misch« nicht aus­ge­schlos­sen und das Un­be­ha­gen vor sol­chen Mas­sen­af­fek­ten ken­ne ich nur zu gut. Aber kön­nen sie dä­mo­nisch und Kin­der­ge­burts­tag zu­gleich sein? Und ist Kul­tur oder Kunst auch nicht oh­ne ei­ne Mas­se von Men­schen denk­bar, die et­was Be­son­de­res dar­in zu er­blicken ver­meint und sie über die Zei­ten tra­diert. Wä­re Kaf­ka so groß, wenn die Se­kun­där­li­te­ra­tur über ihn nicht gan­ze Re­gal­wän­de füll­te? D.h. ist die­se Kul­tur dann auch das Fal­sche – wie un­ser Le­ben? Ist die­ses Fal­sche nicht schon so ubi­qui­tär ge­wor­den, dass wir wenn wir »Main­stream«, »Zeit­geist« sa­gen nicht auch schon nur noch Re­fle­xe be­die­nen?

  35. Na­tür­lich wird »die Mas­se« be­nö­tigt. De­mo­kra­tie funk­tio­niert ja als Ku­mu­lie­rung von Mas­sen­mei­nun­gen. Je grö­ßer (und he­te­ro­ge­ner) die­se Mas­se ist, de­sto un­wahr­schein­li­cher soll ein Miß­brauch des durch die Mas­se zu­stan­de ge­kom­me­nen Ur­teils sein. Hier­in liegt der Wi­der­spruch zum Dis­kurs: Er mag ei­gent­lich kei­ne tief­ge­hen­de He­te­ro­ge­ni­tät, die Kom­ple­xi­tät spie­gelt. Da­her müs­sen In­sti­tu­tio­nen ge­schaf­fen wer­den, die in der Öf­fent­lich­keit ein­deu­tig zu­zu­ord­nen sind und die so­zu­sa­gen stell­ver­tre­tend agie­ren. Die­se In­sti­tu­tio­nen (bei­spiels­wei­se »Green­peace« oder »Trans­pa­ren­cy In­ter­na­tio­nal«), die nicht de­mo­kra­tisch le­gi­ti­miert sind, be­ge­ben sich in dis­kur­si­ve Sprach­spie­le, in der sie als Re­prä­sen­tan­ten gleich­be­rech­tigt mit Po­li­tik, Wis­sen­schaft und Wirt­schaft in­ter­agie­ren. Wie das funk­tio­niert, er­kennt man an al­len Ecken und En­den und ins­be­son­de­re in der EU: gar nicht. Da­her er­wägt man in der EU auch ei­ne Be­gren­zung der Macht des »Elek­to­rats«, was na­tür­lich das Kind mit dem Ba­de aus­schüt­tet.

    Wich­tig ist für mich in die­sem Zu­sam­men­hang, dass In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung am En­de Mas­sen­in­ter­es­sen bün­deln soll. Die­se Bün­de­lung ist je­doch fast im­mer pa­ter­na­li­stisch und in­stru­men­tell, d. h. es wird für mich ge­spro­chen – und – das ist wich­tig – nie­mals mit mir.

    Es geht mir nicht um »rich­tig« oder falsch« – in­so­fern führt das Kaf­ka-Bei­spiel in die Ir­re: Erst war die Li­te­ra­tur Kaf­kas da – dann die Leu­te, die die­se Li­te­ra­tur ent­deckt ha­ben – da­nach wur­de sie pu­bli­ziert, be­kannt ge­macht. Die »Mas­se« spielt da gar kei­ne Rol­le; eher im Ge­gen­teil: Wä­re es nach dem Mas­sen­ge­schmack ge­gan­gen (der, man er­in­ne­re sich, de­mo­kra­ti­sche Ver­fah­ren be­stimmt), wä­re Kaf­ka ei­ne Rand­er­schei­nung ge­blie­ben. Erst die Her­aus­he­bung an Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten mach­te ihn in be­stimm­ten Krei­sen »po­pu­lär«. Der Ruhm Kaf­kas – von dem er nichts mehr hat­te – ist ein her­me­ti­scher Ruhm; die Se­kun­där­li­te­ra­tur wird nur von ei­nem en­gen Kreis über­haupt zur Kennt­nis ge­nom­men, ge­schwei­ge denn ge­le­sen. Die­ser »Kreis« hat sich wie­der­um in­sti­tu­tio­na­li­siert und ent­spre­chend agiert er dann auch (der Pa­ter­na­lis­mus wirkt dann nach in­nen: nie­mand wür­de sich trau­en, Kaf­ka als schlech­te Li­te­ra­tur zu be­zeich­nen).

    .-.-.

    Und manch­mal möch­te man ja viel­leicht ein Teil der Mas­se sein. Hier­in liegt ja die Am­bi­va­lenz. Die Hy­per-In­di­vi­dua­li­sie­rung macht die Leu­te ja nicht zwin­gend glück­li­cher. So schwankt man zwi­schen Ver­dam­mung (die durch­aus re­flex­haf­te Zü­ge an­nimmt) und Fas­zi­na­ti­on. Auf­lös­bar ist das nicht.