Anmerkungen zu einer Handvoll legendärer Sätze
9 – Unschuldige Formen der Übertreibung
First, the facts. Zuerst die Fakten. Mit diesem Satz begann Joel Pollak, Chefredakteur der Website Breitbart News, am 23. Januar 2017 seinen Leitartikel, in dem er Donald Trump und seine Mitarbeiter in Schutz nahm, die in Bezug auf die Zahl der bei der Amtseinführung des Präsidenten anwesenden Personen maßlos übertrieben hatten. Kellyanne Conway, seine Sprecherin, hatte von »alternativen Fakten« gesprochen, um Trumps großspurige Behauptung, das Publikum sei zahlreicher gewesen als bei seinem Amtsvorgänger, zu zementieren.
Welche Fakten hatte Pollak in dieser Angelegenheit zu bieten? Nun, er führte aus, daß die Menge von der Tribüne her gesehen, also vom Standort des Präsidenten, gewaltig wirkte – er selbst könne dies bestätigen, denn er habe einen Platz auf der Tribüne ergattert gehabt. Diese Rechtfertigung, der Präsident sei halt einer subjektiven Täuschung erlegen, mag den Journalisten ehren. Vom Standpunkt der Wahrhaftigkeit aus gesehen ist es bedenklich, wenn subjektive Eindrücke zu Fakten geadelt werden. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik und in der medialen Berichterstattung sollte beides getrennt werden. Was Pollak als Fakten bezeichnete, ist nichts anderes als die Feststellung der Subjektivität der Wahrnehmung, die natürlich für jedermann gilt. Wir haben täglich den Eindruck, die Sonne bewege sich um die Erde, und unsere Sprache spiegelt diesen Eindruck wider: Die Sonne geht auf und sie geht unter. Wir wissen aber heute dank Kopernikus und Galilei, daß die Tatsachen anders liegen.