An­fangs­sym­pa­thie

Über zwei Bü­cher von mir nicht ganz Un­be­kann­ten.

An­dre­as H. Dre­scher und Marc De­gens ken­ne ich ei­gent­lich nicht. Wenn man »ken­nen« in den Kri­te­ri­en des »re­al life« de­fi­niert. Wir ha­ben uns noch nie ge­se­hen. Wir korrespon­dieren zu­wei­len bzw. ha­ben kor­re­spon­diert. Die Be­kannt­schaft ist vi­ral und sehr spo­ra­disch. An­dre­as H. Dre­scher schick­te mir vor vie­len Jah­ren ein Ma­nu­skript, dass ich ziem­lich gut fand. Sei­ne zwei­te Ver­si­on hat­te ich dann ir­gend­wie nicht mehr ge­le­sen, da ich sel­ber an ei­nem Buch­pro­jekt ar­bei­te­te. Da war die Mög­lich­keit mein Hand­ke-Ju­go­sla­wi­en-Buch im SuKuL­TuR-Ver­lag von Marc De­gens zu pu­bli­zie­ren, schon ver­wirkt (mei­ne Schuld).

An­dre­as H. Dre­scher hat ak­tu­ell »Koh­len­hund« pu­bli­ziert; in ei­nem Ver­lag, der sein ei­ge­ner ist (wenn ich das rich­tig ver­ste­he; bei Ama­zon ist er zur Zeit nicht lie­fer­bar). Und von Marc De­gens er­fährt man in »Eri­wan« end­lich, was er zwi­schen 2008 und 2010 in Ar­me­ni­en ge­macht und er­lebt hat. »Eri­wan« er­scheint bei »Il­le & Rie­mer««, je­nem Ver­lag, der mein Hand­ke-Ju­go­sla­wi­en-Buch 2012 ver­legt hat­te.

Die bei­den Bü­cher ha­be ich al­so mit ei­ner ge­wis­sen An­fangs­sym­pa­thie ge­le­sen. Das soll­te man wis­sen, wenn man mei­ne Be­mer­kun­gen liest.

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Marc De­gens: Fuck­in Su­shi

Marc Degens: Fuckin Sushi
Marc De­gens: Fuck­in Su­shi
Niels Wawr­zy­ni­ak ist 16 oder 17, Gym­na­si­ast und wohnt seit dem Um­zug aus dem Ruhr­ge­biet mit sei­nen El­tern in Bonn. Bei ei­ner Schul­fei­er lernt er den et­wa gleich­altrigen Re­né ken­nen. Bei­de mö­gen Doom Me­tal und vor al­lem lan­ge Mu­sik­stücke. Niels’ er­ster iPod um­fasst 52 Ti­tel, 11 Std., 45 Mi­nu­ten. Ne­ben Bob Dy­lan, Ji­mi Hen­drix (»Ma­chi­ne Gun«), Kraft­werk (»Auto­bahn«) und den Doors (»When the mu­sic is over«) un­ter an­de­rem The Kni­fe, »To­mor­row in a year«, Sunn 0)) mit »Helio)))Sophist«, Das Bier­be­ben »Im Kreis«, Die Krupps mit »Stahl­werk­sin­fo­nie«, Cas­par Brötz­mann mit »Mas­sa­ker« und Ma­nu­el Gött­sch­nigs »E2-E4« (58:39) und T.Raumschmiere.

Niels hat ei­nen Bass. Re­né ei­ne Gi­tar­re und Ideen für Tex­te, die »roh und hart und ehr­lich« sind. Bei­de grün­den ei­ne Band: »R@’n’Niels« (Re­né ist R@ = »rat«). Ei­nes Sonn­tags fah­ren sie, um sich in Bonn nicht zu bla­mie­ren, nach Bad Mün­ster­ei­fel und spie­len dort vor dem Hei­no-Ca­fé. Der Er­folg ist über­schau­bar, aber die Saat keimt. Re­né ge­lingt es, den sechs Jah­re äl­te­ren Lloyd zu be­gei­stern. Von nun an ha­ben sie ei­nen Schlag­zeu­ger und Fah­rer in Per­so­nal­uni­on. Vor al­lem je­doch ei­nen Pro­ben­raum – in ei­nem Turm. Spä­ter kommt noch die Pun­ke­rin Ni­no mit ih­rem Key­board hin­zu. Aus dem Band­na­men »Fun­king Su­shi« wird schließ­lich »Fuck­in Su­shi«. Es geht um »Welt­frie­den und Ab­rent­nern«. Die Lo­gik ist ver­blüf­fend: War­um nicht nach der Schu­le mit der Ren­te be­gin­nen, Mu­sik ma­chen, tags­über Fern­se­hen (»Koch­sen­dun­gen, Zoo­re­por­ta­gen, Hal­len­fuß­ball oder Sommer­biathlon«) und erst dann, so ab 50, mit dem Ar­beits­le­ben be­gin­nen?

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Bet­ti­na Fischer/Dagmar Fret­ter (Hrsg.): Ei­gent­lich Hei­mat

Bettina Fischer/Dagmar Fretter (Hrsg.): Eigentlich Heimat
Bet­ti­na Fischer/Dagmar Fret­ter (Hrsg.): Ei­gent­lich Hei­mat

Zum 25. Grün­dungs­ju­bi­lä­um der Kunst­stif­tung Nord­rhein West­fa­len wur­de ein Er­zähl­band kon­zi­piert, der, so im Vor­wort, zei­gen soll, »was das Land Nord­rhein-West­fa­len an Li­te­ra­tur zu bie­ten hat«. Her­aus­ge­kom­men ist ein Band mit 29 Er­zäh­lun­gen von Au­torin­nen und Au­toren, die je­weils mit ei­nem Ort in Nord­rhein-West­fa­len ver­knüpft sind; ei­nem Ge­burts­ort, Wohn­ort, Stu­dier­ort, manch­mal auch nur ei­nem Sehn­suchts- und Ver­gan­gen­heits­ort. Ge­plant sei dies nicht ge­we­sen, so die bei­den Her­aus­ge­be­rin­nen Bet­ti­na Fi­scher und Dag­mar Fret­ter, aber am En­de sei­en es mehr als man dach­te Hei­mat­ge­schich­ten ge­wor­den. Um kei­ne Miss­ver­ständ­nis­se auf­kom­men zu las­sen und der dro­hen­den Ver­ein­nah­mung durch den Kitsch ent­ge­gen­zu­wir­ken wur­de wohl der relati­vierende Ti­tel »Ei­gent­lich Hei­mat« ge­fun­den.

Was Se­pa­ra­ti­sten wie Wil­fried Schar­nagl nie ein­leuch­ten wird: Bin­de­strich­län­der sind nicht trotz son­dern we­gen ih­rer Viel­heit, ih­rer He­te­ro­ge­ni­tät, in­ter­es­sant. Das wird im vor­lie­gen­den Band sehr schön sicht­bar, ob­wohl es mit dem Ruhr­ge­biet und dem Groß­raum Köln durch­aus Schwer­punk­te gibt. Zu Be­ginn er­zählt Jörg Al­brecht (»Vor dem Road­movie«) von den Vor­be­rei­tun­gen zur 30-Jahr-Fei­er der leicht dys­to­pisch an­ge­hauch­ten »Ruhr­stadt« (53 Städ­te von Camp Lint­fort [sic!] bis Hamm ha­ben sich zu­sam­men­ge­schlos­sen), die im »näch­sten Jahr«, hier: 2045, an­ste­hen soll und von der Sehn­sucht sei­ner Be­woh­ner, die Zeit vor die­ser Ver­ei­ni­gung, die Zeit des wim­meln­den, un­or­ga­ni­sier­ten »Ruhr­ge­biets«, wie­der auf­le­ben zu las­sen.

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