René Pfister ist seit fast zwanzig Jahren in unterschiedlichen Funktionen beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel tätig. 2019 geht er für das Magazin in die USA. Donald Trump war Präsident und der Wahlkampf hatte bereits begonnen. Er kam mit seiner Familie nach Chevy Chase, einem, wie es heißt, liberalen Stadtteil Washingtons. Hier wird die Regenbogenfahne gehisst und man geniert sich für Trump. Aber rasch bekommt dieses paradiesische Bild Risse, etwa wenn ihm jemand erzählt, dass sein Sohn in der Schule Probleme bekommt, weil er nichts dabei findet, dass Weiße Dreadlocks tragen. Pfister erkennt, dass die Fassade von Furcht durchsetzt ist. Es ist die Furcht, etwas Falsches zu denken und zu sagen. Denn sofort droht die soziale Ausgrenzung – und eventuell Schlimmeres.
In den letzten Jahren häufen sich in den so freiheitlich gebenden Vereinigten Staaten die »Fälle«, in denen vermeintlich unbedachte Aussagen zu weitreichenden Folgen führen. Pfister bündelt einige dieser Ereignisse in seinem Buch »Ein Wort zuviel«. Es ist, so der Anspruch, ein »Report« »wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht«.
Die Kapitel des Buches sind Reportagen, die miteinander verknüpft werden. Da wird Ian Buruma besucht, der wegen des Protestes über die Veröffentlichung eines Textes von Jian Ghomeshi, der zu Unrecht sexueller Übergriffe angeklagt war, seinen Chefredakteursposten bei der New York Review of Books aufgab. Der Geophysiker Dorian Abbot schildert seine Ausladung als Redner beim MIT, weil er in einem Text Qualität über »Diversität« stellt. Pfister analysiert die neue »Campus Culture«, bei der Redner beschimpft und gestört werden, wenn man es nicht geschafft hat, sie auszuladen und ihre Beiträge damit zu verunmöglichen.
Josef Braml: Die transatlantische Illusion
»Die transatlantische Illusion« von Josef Braml war bereits vor dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine ein Bestseller. Der Verlag legte Anfang März mit einer zweiten, aktualisierten Auflage nach, in der das Ereignis vom 24. Februar eingearbeitet wurde. Braml wird als Generalsekretär der »Trilateralen Kommission« vorgestellt, einer sogenannten Denkfabrik (»Thinktank« – böse übersetzt mit »Denkpanzer«), der – wie dies mit den meisten Organisationen dieser Art so üblich zu sein scheint – einige Mythen ob ihrer Auswirkungen und Dimensionen anhaften.
Entgegen der Erwartung, die man nach dem Vorwort an den Titel hegt, geht es allerdings nicht nur um Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Der Erfolg des Buches dürfte sich auch der dezidiert kritischen Sicht auf die USA verdanken. In fast beschwörendem Ton wird ausgeführt, dass sich Europa nicht länger der »transatlantischen Illusion« hingeben dürfe. Die USA, so die These, werden in naher Zukunft nicht mehr als »Schutzmacht« für »Sicherheit und Wohlstand der Alten Welt« zur Verfügung stehen, weil sich der geostrategische Fokus auf den Indo-pazifischen Raum, insbesondere, China konzentriere. Aber eben auch, weil die Vereinigten Staaten selber nicht mehr eine stabile Macht darstellen.
Als Beleg hierfür wird der »amerikanische Patient« einer genauen Untersuchung unterzogen. Nichts wird ausgelassen. Etwa die unzulässigen außenpolitischen Einmischungen seit den 1950er Jahren vor allem in Südamerika (Guatemala, Chile) und im Nahen und Mittleren Osten (von Mossadegh/Iran 1953 bis in die Gegenwart). Als Tiefpunkt wird der völkerrechtswidrige und mit Lügen unterfütterte Irakkrieg 2003 herausgestellt. Immerhin würden die Affären und Missgriffe der Außenpolitik im Nachhinein mindestens teilweise öffentlich aufgearbeitet – anders als etwa in Diktaturen.
»Future War«, das Buch dreier Militärstrategen, erstmals 2021 publiziert und jetzt in deutscher Übersetzung vorliegend, bekommt durch die russische Invasion in die Ukraine zusätzliche Relevanz. Die Lektüre ist beunruhigend, ernüchternd und anstrengend, aber auch lohnend.
Zwei Tage vor der Invasion russischer Truppen in die Ukraine erschien das Buch »Future War – Bedrohung und Verteidigung Europas« in deutscher Sprache. Geschrieben wurde es von den beiden ehemaligen US-Generälen John R. Allen und Frederick Ben Hodges sowie dem britischen Militärhistoriker Julian Lindley-French. Die deutsche Übersetzung stammt von Bettina Vestring (der man aus vielen Gründen ein großes Lob zollen muss). Der Verlag weist zu Recht auf die traurige Aktualität des Buches hin, welches, so Klaus Naumann, ehemaliger General und Generalinspekteur der Bundeswehr, in glücklicheren Zeiten geschrieben worden sei. Tatsächlich erschien »Future War« 2021 in der »Oxford University Press«. Die Lektüre zerstreut den Eindruck rasch, damals seien wesentlich glücklichere Zeiten gewesen.
Die Kernthesen des Buches sind schnell umrissen: Erstens erfordert die Verteidigung Europas im zukünftigen Krieg ein neues, umfassendes Sicherheitskonzept, in dem individuelle Sicherheit und nationale Verteidigung miteinander harmonieren. Beide sind unverzichtbar für eine neue Art von Abschreckung, die sich im komplexen Mosaik der Hybrid‑, Cyber- und Hyper-Kriegsführung bewähren muss. Zweitens haben die neuen Technologien zur Folge, dass sich die Führung moderner Kriege – und folglich auch die europäische Verteidigung – von Grund auf verändert.
Leider sind, so die immer wiederholte Prämisse, diese Entwicklungen durch die Covid-19-Pandemie insbesondere in Europa, aber auch in den USA, aus dem Fokus geraten. Die Staaten hätten, wie es leicht vorwurfsvoll – vor allem in Richtung Deutschland – heißt, in der Pandemie lieber in individuelle menschliche Sicherheit als in nationale Verteidigung investiert. Dabei ist die Pandemie nur ein Beschleuniger einer europäischen Bräsigkeit hinsichtlich der Verteidigungsbereitschaft zu verstehen. Die Autoren sprechen von einem schwindelerregenden Niedergang Europas seit 2010. Es werden vier globale Megatrends genannt, die Europas Niedergang noch beschleunigen könnten: Der Klimawandel (und die hieraus entstehende Massen-Migration), der demografische Wandel (aussterbende Gesellschaften), Wasser- und Ressourcenknappheit (bzw. strategische Abhängigkeiten zu Staaten wie Russland und China) und die Verschiebung wirtschaftlicher und militärischer Macht in Richtung Asien.
Überbeanspruchung der USA
Während die USA sich vor allem von Chinas zunehmenden Aggressionen im südpazifischen Meer (insbesondere um Taiwan herum) zu konzentrieren hat und den Blick auf die Krisensituationen im Mittleren Osten legt, glauben die Europäer immer noch, sich im Zweifel auf den, wie es bisweilen polemisch heißt, amerikanischen Steuerzahler verlassen zu können. Dabei dürfte bei einer Gleichzeitigkeit mehrerer Konflikte den USA rasch die Ressourcen ausgehen und ihre Prioritäten nicht mehr in Europa zu finden sein.
Irgendwann 2019 trifft sich Kevin Kühnert im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung mit Philipp Amthor, dem vier Jahre jüngeren Nachwuchsstar der CDU. Die Lebensläufe ähneln sich. Beide haben ihr ganzes bisheriges Berufsleben in Gremien von politischen Parteien verbracht und dort reüssiert. Amthor hat immerhin die »Erste Juristische Prüfung« absolviert, Kühnert ist Studienabbrecher. Der aufmerksame Zuschauer erinnert sich an eine Szene im Film, dass ein Bild des Kopfes von Amthor an irgendeiner Pinnwand im Willy-Brandt-Haus im Hintergrund sehen war als sich Kühnert und seine Entourage Hochrechnungen anschauten – vermutlich als Scherzmittel. Amthor erkundigt sich, warum ein Filmteam dabei ist und Kühnert klärt ihn auf, dass dies für eine Langzeit-Dokumentation sei; geplant bis zur Bundestagswahl 2021. Er habe das auch schon mal überlegt, so Amthor, der sich vermutlich sorgen würde, dass die Privatheit zu kurz kommt. Kein Problem, klärt ihn Kühnert auf, »wenn ich sage ‘ist nicht’ – dann ist nicht«.
Genau dies muss man in den mehr als drei Stunden, den der Film »Kevin Kühnert und die SPD« dauert (ordentlich portioniert auf sechs Folgen), immer im Auge haben: Es ist die sterile Authentizität eines »Best of«, welches Katharina Schiele und Lucas Stratmann von Kevin Kühnert zwischen 2018 und 2021 mit dessen Erlaubnis zeigen. Es ist eine Simulation von Realität, ein bestimmtes Image transportierend. Gezeigt wird jemand, der permanent Medien konsumiert und sich in den Medien Präsenz verschafft, eben weil er in einer Position als Juso-Vorsitzender (bis Ende 2020) genau diese Präsenz erhält. Kühnert, der ständig unter Strom zu sein scheint, ist Akteur in einer selbstreferentiellen Kommunikationsspirale einer Politbubble, die nur einen Fixpunkt hat: Kevin Kühnert.
Er macht es den Medien leicht, ist ein dankbarer Interviewpartner, (fast) ständig verfügbar und reaktionsschnell, wenn es darum geht, Aussagen seiner Genossen und/oder des politischen Gegners schlagzeilenträchtig zu kommentieren. Wenn er den sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer als »Sprechautomat« bezeichnet, so ist dies durchaus als Distanz zu den Phrasen des Politbetriebs gemeint, die Kühnert immer versucht ist, zu umgehen um eigene Punkte zu setzen.
Bei aller Inszenierung – es gibt sie eben doch, die ehrlichen Momente. Als Kühnert im Europawahlkampf in der oberbergischen Provinz vorfährt und für ein paar Stunden das Basisparfüm in einer Gaststätte einatmet, bricht er sich noch vor dem Buffet auf. Man verabschiedet ihn herzlich; er ist wirklich eine Art von Hoffnungsträger. Als die Autotür zuschlägt entfleucht ihm ein Seufzer: »Meine Güte«. Und da blitzt die Verachtung des Funktionärs dem Kleinbürger gegenüber auf.
Als er in einem ZEIT-Interview 2019 die Kollektivierung von Unternehmen als langfristiges Ziel ausgibt, um den Kapitalismus zu überwinden, kontert er den Widerspruch auch in den eigenen Reihen mit einem trotzigen »das musste mal gesagt werden« und moniert, dass der Beitrag im Netz immer noch hinter einer Bezahlschranke verborgen ist. Wenn hierzu die Interviewanfragen anderer Medien explodieren, kontert Kühnert dies mit »Aasgeierei«, weil die zu erwartenden Fragestellungen nicht nach seinem Geschmack ausfallen dürften. Wenn er könnte, würde er auch noch die Fragen an sich selber formulieren wollen. Immerhin wird der »Volksverpetzer« gelobt, der als Sidekick zu Kühnerts Pressesprecher die Interview-Passage entsprechend deutet.
Bei DWDL steht zu lesen, was Kühnert zur Dokumentation sagte: »Viele leiten ihr Verständnis von politischen Prozessen und Parlamentarismus von dem ab, was sie in Filmen und Serien sehen, während das konkrete Verständnis des eigenen nationalen oder regionalen Parlaments sehr gering ausgeprägt ist.« Weiter steht dort, er, also Kühnert, »habe zeigen wollen, ‘wie Politik aussehen kann, wenn sie nicht aus dem parlamentarischen Zusammenhang heraus kommt’ «.
Sahra Wagenknecht gehört in Deutschland zwar zu den bekanntesten Politikern der Partei Die Linke (hier im weiteren »Linkspartei« genannt, um diese von der allgemeinpolitischen Richtung »Linke« abzugrenzen), aber ist auch ein Beispiel dafür, dass Bekanntheit, überparteiliche Beliebtheit und Respekt nicht automatisch mit Einfluss in der jeweiligen Partei verbunden ist. Man spricht dann schnell von jemanden, der »in der falschen Partei« sei.
Man kann Wagenknecht vieles vorwerfen, aber Angst vor Konflikten gehört nicht dazu. Trotz ihrer Entmachtung nebst Ablösung als Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag 2019 und dem mehr oder weniger sichtbaren Scheitern einer außerparlamentarischen, linken Sammlungsbewegung »aufstehen« wagt sie sich immer wieder ins Getümmel. So wurde sie unlängst zur Spitzenkandidatin der Linkspartei in NRW gewählt, was dahingehend interessant ist, weil Wagenknecht eigentlich nichts mit diesem Bundesland zu tun hat. Was sie nicht davon abhält, im Wahlkreis Düsseldorf II anzutreten.
Zum innerparteilichen Streitfall wurde die Kandidatur unter anderem durch die Publikation ihres neuesten Buches »Die Selbstgerechten«, in dem Wagenknecht furios mit dem sogenannten »Linksliberalismus« ins Gericht geht, für den sie bisweilen den leicht despektierlichen, aber griffigen Begriff »Lifestyle-Linke« verwendet.
Allen Bekenntnissen zum Trotz ist »Die Selbstgerechten« bisweilen durchaus auch eine Abrechnung. Dabei ist es kein Zufall, dass es starke Übereinstimmungen mit Bernd Stegemanns »Die Öffentlichkeit und ihre Feinde« gibt – war doch Stegemann Mitgründer und im Vorstand von »aufstehen«. Wagenknechts Vorhaben geht aber weiter. Zwar kritisiert sie zunächst auf rund 200 Seiten die sogenannte »linke« Identitätspolitik, aber anschließend folgen auf rund 140 Seiten Positionierungen für eine neue, zeitgemässe »linke« Politik, die diesen Namen verdienen soll.
Entfremdete Lifestyle-Linke
Im Fokus von Wagenknechts Kritik steht der »Linksliberalismus«. Damit meint sie ausdrücklich nicht die sozialliberale Politikrichtung der Regierungen zwischen 1969 und 1982: »Wenn in diesem Buch von Linksliberalismus die Rede ist, ist der Begriff immer im modernen Verständnis als Bezeichnung für die Weltsicht der Lifestyle-Linken gemeint und nie in dem früheren Wortsinn.« Diese Unterscheidung sei wichtig weil beide Denkrichtungen nichts miteinander zu tun hätten. Den Begriff verwende sie trotzdem, weil er sich etabliert habe. Damit verfährt sie ähnlich wie in ihrem Buch »Freiheit statt Kapitalismus« von 2011, in dem »Neoliberalismus« ebenfalls in der zeitgenössischen Konnotation (vulgo: dereguliertes Wirtschaftssystem) verwendet wird und nicht im Sinne der ordo-liberalen Entwürfe von Eucken und Müller-Armack (obwohl sie diese erwähnt).
Die vorgebrachte Diagnose ist beileibe nicht neu: Sich links wähnende Aktivisten, mehrheitlich akademisch ausgebildet, solide Mittel- bis Oberschicht, großstädtisch, »weltoffen und selbstverständlich für Europa, auch wenn jeder unter diesen Schlagworten etwas anderes verstehen mag«, besorgt ums Klima, setzt sich für »Emanzipation, Zuwanderung und sexuelle Minderheiten ein«. Sie usurpieren den Diskurs innerhalb der politischen Linken. Der Nationalstaat ist diesen »Lifestyle-Linken« ein Auslaufmodell: Man schätzt »Autonomie und Selbstverwirklichung mehr als Tradition und Gemeinschaft. Überkommene Werte wie Leistung, Fleiß und Anstrengung findet [man] uncool.«
Wagenknecht konstatiert eine Entfremdung der Linken mit ihren potentiellen Wählern: »Früher gehörte es zum linken Selbstverständnis, sich in erster Linie für die weniger Begünstigten einzusetzen, für Menschen ohne hohe Bildungsabschlüsse und ohne ressourcenstarkes familiäres Hinterland. Heute steht das Label links meist für eine Politik, die sich für die Belange der akademischen Mittelschicht engagiert und die von dieser Schicht gestaltet und getragen wird.«
Gemeint ist der bisweilen verbitterte, in Universitäten aber auch sozialen Netzwerken bis hinein in die Publizistik geführte Kampf für Sprach- und Sprechge- bzw. verbote, vor allem jedoch gegen vermeintlichen Rassismus und Diskriminierungen von Minderheiten. Er will allerdings, so Wagenknecht, keine rechtliche Gleichheit, sondern ufert aus in »Quoten und Diversity, also für die ungleiche Behandlung unterschiedlicher Gruppen.« Die Folge: »Der identitätspolitische Linksliberalismus, der die Menschen dazu anhält, ihre Identität anhand von Abstammung, Hautfarbe, Geschlecht oder sexuellen Neigungen zu definieren, […] spaltet […] da, wo Zusammenhalt dringend notwendig wäre. Er tut das, indem er angebliche Minderheiteninteressen fortlaufend in Gegensatz zu denen der Mehrheit bringt und Angehörige von Minderheiten dazu anhält, sich von der Mehrheit zu separieren und unter sich zu bleiben. Nachvollziehbarerweise führt das bei der Mehrheit irgendwann zu dem Gefühl, die eigenen Interessen ihrerseits gegen die der Minderheiten behaupten zu müssen.« (Hervorhebungen S. W.)
[...] Der Titel könnte patriotischer nicht sein: »Ein verheißenes Land«. Im (kurzen) Vorwort erklärt Obama, warum für ihn die USA immer noch diese Zuweisung verdient. Die Vokabel des »amerikanischen Traums« verwendet er zwar nicht direkt, aber sie wird feierlich umschrieben. Und Obama kann auch Pathos, wenn er davon spricht, »die Möglichkeit von Amerika« nicht aufzugeben, ...
»Zu Hitler fällt mir nichts ein«, schrieb Karl Kraus 1933 und sagte dann doch einiges über ihn.
»Zu Donald Trump fällt mir nichts ein«, denke ich manchmal, und mein Über-Ich, das wie immer recht hat, wendet ein, Trump sei nicht Hitler, und dann will mir wirklich nichts einfallen. Ich glaube nicht, daß ich, hätte ich die Möglichkeit, mich mit diesem Mann an einen Kaffeehaustisch setzen würde. Da verstehe ich Greta Thunberg gut. Der Mann redet ja nur über sich, zu sich und zu allen.
2
Zum Typus, der im Exemplar Gestalt angenommen hat, fällt mir aber doch etwas ein. Er interessiert mich, der Typus, weil ich überzeugt bin, daß der DT, der director técnico, wie man in hispanischen Ländern Fußballtrainer nennt, der beste Repräsentant jenes Menschenbilds ist, das der Neoliberalismus im Zuge der totalen Ökonomisierung der Gesellschaft ohne großes Hallo, vielmehr als »Selbstverständlichkeit«, verbreitet und eingewurzelt hat. DT, der Idealtypus: egoistisch, selbstdarstellerisch, mediensüchtig, ungebildet, laut, vulgär, stets den persönlichen Gewinn, d. h. seine Kohle im Sinn. Irgendwo, irgendwann, es ist Jahre her, gab es mal eine Diskussion, ob ein Land seine politischen Führer verdient habe oder nicht. Man sagt es nicht gern, niemand hört es gern, aber ich glaube wohl, daß es da eine Widerspiegelung gibt, auch wenn sie verzerrt und mißbraucht werden kann. Allerdings ist das eine Wechselwirkung, keine Einbahnwiderspiegelung, die Präsidenten und Kanzler spiegeln zurück, sie bestärken und beeinflussen die Masse und gebrauchen sie mittels der Mittler, also der Medien, und zwar so direkt wie möglich, ohne Journalisten als Dämpfer dazwischen: Mittler Twitter.
Nahezu alle meine Facebook-»Freunde« aus Österreich, die sich dort politisch äußern, waren und sind fast naturgemäß gegen die Regierung Kurz gewesen. Die Freude war entsprechend groß als es nun hieß, es gibt Neuwahlen. Man bezieht natürlich Position: Gegen Kurz, noch mehr gegen die FPÖ, eher neutral zur SPÖ. So weit, so bekannt.
Ich habe keine Lust, die Facebook-Threads zu sprengen. Daher frage ich hier im Blog: Wie stellt Ihr Euch eigentlich eine neue Regierung nach den Neuwahlen vor? Vorsicht, denn die Frage ist ehrlich gemeint!