Ide­al­ty­pus DT

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»Zu Hit­ler fällt mir nichts ein«, schrieb Karl Kraus 1933 und sag­te dann doch ei­ni­ges über ihn.

»Zu Do­nald Trump fällt mir nichts ein«, den­ke ich manch­mal, und mein Über-Ich, das wie im­mer recht hat, wen­det ein, Trump sei nicht Hit­ler, und dann will mir wirk­lich nichts ein­fal­len. Ich glau­be nicht, daß ich, hät­te ich die Mög­lich­keit, mich mit die­sem Mann an ei­nen Kaf­fee­haus­tisch set­zen wür­de. Da ver­ste­he ich Gre­ta Thun­berg gut. Der Mann re­det ja nur über sich, zu sich und zu al­len.

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Zum Ty­pus, der im Ex­em­plar Ge­stalt an­ge­nom­men hat, fällt mir aber doch et­was ein. Er in­ter­es­siert mich, der Ty­pus, weil ich über­zeugt bin, daß der DT, der di­rec­tor té­c­ni­co, wie man in his­pa­ni­schen Län­dern Fuß­ball­trai­ner nennt, der be­ste Re­prä­sen­tant je­nes Men­schen­bilds ist, das der Neo­li­be­ra­lis­mus im Zu­ge der to­ta­len Öko­no­mi­sie­rung der Ge­sell­schaft oh­ne gro­ßes Hal­lo, viel­mehr als »Selbst­ver­ständ­lich­keit«, ver­brei­tet und ein­ge­wur­zelt hat. DT, der Ide­al­ty­pus: ego­istisch, selbst­dar­stel­le­risch, me­di­en­süch­tig, un­ge­bil­det, laut, vul­gär, stets den per­sön­li­chen Ge­winn, d. h. sei­ne Koh­le im Sinn. Ir­gend­wo, ir­gend­wann, es ist Jah­re her, gab es mal ei­ne Dis­kus­si­on, ob ein Land sei­ne po­li­ti­schen Füh­rer ver­dient ha­be oder nicht. Man sagt es nicht gern, nie­mand hört es gern, aber ich glau­be wohl, daß es da ei­ne Wi­der­spie­ge­lung gibt, auch wenn sie ver­zerrt und miß­braucht wer­den kann. Al­ler­dings ist das ei­ne Wech­sel­wir­kung, kei­ne Ein­bahn­wi­der­spie­ge­lung, die Prä­si­den­ten und Kanz­ler spie­geln zu­rück, sie be­stär­ken und be­ein­flus­sen die Mas­se und ge­brau­chen sie mit­tels der Mitt­ler, al­so der Me­di­en, und zwar so di­rekt wie mög­lich, oh­ne Jour­na­li­sten als Dämp­fer da­zwi­schen: Mitt­ler Twit­ter.

Der Prä­si­dent der Ver­ei­ni­gen Staa­ten von Ame­ri­ka sagt al­so sei­nen An­hän­gern, die er spie­gelt und die ihn wi­der­spie­geln, in ei­ner ge­mein­sa­men Nar­zis­sen­bla­se, was sie hö­ren wol­len, egal was, zum Bei­spiel, daß die an­de­ren (ir­gend­wel­che an­de­ren) an ei­ner Mi­se­re schuld sind, und wenn ihm sonst nichts ein­fällt, reißt er eben Wit­ze, streut An­ek­do­ten aus, die gut an­kom­men wer­den. Ei­ne die­ser Ein- und Aus­las­sun­gen, halb Witz, halb An­ek­do­te, be­traf den süd­ko­rea­ni­schen Film Pa­ra­si­te, der bei den Os­car­preis­ver­lei­hun­gen den Haupt­preis ge­wann. Ich glau­be nicht, daß DT die­sen Film ge­se­hen hat, wahr­schein­lich hat man ihm ge­ra­de mal ge­sagt, wor­um es geht, näm­lich um Rei­che und Ar­me, und viel­leicht, daß die Rei­chen nicht hun­der­pro­zent gut weg­kom­men (die Ar­men auch nicht, aber das hat man ihm viel­leicht nicht ge­sagt). Ich glau­be nicht, daß es sinn­voll wä­re, am Kaf­fee­haus­tisch mit DT über die­sen Film zu spre­chen.

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An DTs Aus­las­sung fin­de ich zwei­er­lei be­mer­kens­wert und auf­schluß­reich, so­gar lehr­reich. Er­stens, daß DT auf kei­ne äs­the­ti­schen oder fil­mi­schen Kri­te­ri­en oder Be­grün­dun­gen zu­rück­griff, son­dern al­lein auf öko­no­mi­sche. Daß Pa­ra­si­te in den USA gro­ße Pu­bli­ci­ty be­kommt, sei schänd­lich, weil: Ame­ri­ca first. Süd­ko­rea, als Volks­wirt­schaft, schlü­ge schon ge­nü­gend Vor­tei­le für sich her­aus, wenn jetzt ei­ne US-ame­ri­ka­ni­sche In­sti­tu­ti­on die­sen Film ins Ram­pen­licht stellt, schnei­det sie sich ins ei­ge­ne Fleisch, d. h. ins Fleisch der na­tio­na­len Volks­wirt­schaft, an der die Film­in­du­strie ei­nen nicht un­we­sent­li­chen An­teil hat. Das ein­zi­ge Kri­te­ri­um für das Ur­teil des DT ist al­so ein öko­no­mi­sches, Fil­me ha­ben in sei­nen Au­gen al­lein den Zweck, pro­fi­ta­bel zu sein und der ei­ge­nen Volks­wirt­schaft – Ar­beits­plät­ze, Ein­schalt­quo­ten usw. – zu die­nen, Ame­ri­ca first.

Zwei­tens, DT be­dien­te in sei­ner Aus­las­sung die Nost­al­gie de­rer, die er re­prä­sen­tiert, d. h. spie­gelt, d. h. sei­ner Fans. Frü­her hat man uns nur US-ame­ri­ka­ni­sche Fil­me vor­ge­setzt, un­ter­stell­te DT, und sie wa­ren gut, sei­en bes­ser ge­we­sen als heu­te die Fil­me mit ih­ren Winz­lin­gen à la Brad Pitt, der es ge­wagt hat­te, den DT bzw. ein Ver­fah­ren um sei­ne Per­son zu kri­ti­sie­ren. Ei­ner wie DT, die­ser Ide­al­ty­pus, will nichts Neu­es, und wo es sich zeigt und er es viel­leicht nicht gleich ver­steht, ver­dammt er es lie­ber, als sich da­mit aus­ein­an­der­zu­set­zen. Der ei­ne von zwei Fil­men, die er da­bei nann­te, Go­ne Wi­th The Wind, stammt aus dem Jahr 1939, und ver­harm­lost nach An­sicht man­cher Kri­ti­ker die Skla­ve­rei in der US-ame­ri­ka­ni­schen Ver­gan­gen­heit. Der zwei­te er­schien 1950, Re­gie führ­te der gro­ße Bil­ly Wil­der, und mit sei­ner Ge­schich­te vom Sun­set Bou­le­vard woll­te er nicht zu­letzt je­ne Kul­tur­in­du­strie und Traum­fa­brik de­mas­kie­ren, die DT in sei­ner Aus­las­sung so em­pha­tisch ver­tei­dig­te (ein klei­ner Wi­der­spruch, der ihm of­fen­bar ent­ging).

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Sanf­ter Ter­ror der Öko­no­mie, al­te Hü­te der Kul­tur. Mehr fällt mir auch zum Ide­al­ty­pus nicht ein.

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  1. Ich glau­be, Trump ist mehr als nur Re­fle­xi­on aus der Be­völ­ke­rung. Es ist ei­ne Art von Hil­fe­ruf von den­je­ni­gen, die in den Jah­ren des »Neo­li­be­ra­lis­mus« öko­no­misch un­ter die Rä­der ge­kom­men sind. Die ha­ben eben kei­ne Lust, sich an den Phra­sen der Hol­ly­wood-Mil­lio­nä­re zu er­göt­zen. Sie ha­ben auch kei­ne Zeit, sich um die Be­find­lich­kei­ten ei­nes schwe­di­schen Teen­agers zu küm­mern. Für sie ist ei­ne dis­kri­mi­nie­rungs­freie Kunst, wie sie in den New Yor­ker Ga­le­rien ge­hypt wird, nicht wich­tig. Ich muss in die­sem Zu­sam­men­hang im­mer wie­der auf Ge­or­ge Packer hin­wei­sen (kein Apo­lo­get Trumps, eher im Ge­gen­teil, aber ei­ner der we­ni­gen, die auch jetzt – so­fern ich das mit­be­kom­me – ei­nen küh­len Kopf be­wah­ren).

    Trump ist für et­li­che ei­ne Art Heils­brin­ger, weil er ih­nen noch ein­mal sagt, wie gut al­les frü­her war und ih­nen Glau­ben macht, die Welt wie­der zu­rück­dre­hen zu kön­nen. Dass das nicht geht, weiss er si­cher­lich sel­ber (so blöd, wie er dar­ge­stellt wird, ist er mit Si­cher­heit nicht). Da­her braucht er im­mer wie­der »Schul­di­ge«, die die­se Re­stau­ra­ti­on ver­hin­dern, wie z. B. die Chi­ne­sen mit ih­rer Wirt­schafts­macht (in Wahr­heit zielt er da­bei auch auf die mi­li­tä­ri­sche Macht). Der Aus­spruch »Ame­ri­ca first« ist an Ba­na­li­tät im üb­ri­gen kaum zu über­bie­ten. Wenn man sich Mü­he macht, fin­det man die­sen Te­nor in Bei­trä­gen al­ler ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten, in­klu­si­ve Oba­ma. Wem auch sonst soll­te ein ame­ri­ka­ni­scher Prä­si­dent ver­pflich­tet sein?

    Das Ver­rück­te – und das hat bis­her nie­mand von den De­mo­kra­ten ei­nem Groß­teil der Be­völ­ke­rung klar­ma­chen kön­nen: Trumps Re­stau­ra­ti­on soll mit den glei­chen Mit­teln ge­sche­hen wie der von Packer be­schrie­be­ne »Nie­der­gang« der ame­ri­ka­ni­schen Kern­in­du­strien seit den 1960er Jah­ren. Sa­lopp ge­sagt: Trump will den Neo­li­be­ra­lis­mus mit Hil­fe des Neo­li­be­ra­lis­mus zu Gun­sten der »gu­ten, al­ten Zeit« (die na­tür­lich nie so war, wie sie dar­ge­stellt wird), ab­schaf­fen. Statt ir­gend­wel­che lä­cher­li­chen »Ver­feh­lun­gen« Trumps zu su­chen, soll­te man die­ses Kon­zept be­nen­nen und aus­ein­an­der­neh­men.

    Der Jour­na­lis­mus ist aber lie­ber auf der yel­low-press-Sei­te. Man zer­legt sei­ne Tweets statt sie nüch­tern ein­zu­ord­nen und – das ist auch mög­lich – zu igno­rie­ren. Erst die Er­re­gun­gen ma­chen Trump noch größer…es gibt das Sprich­wort »Viel Feind, viel Ehr«. So tickt Trump.

    Ein po­li­ti­sches Kon­zept ge­gen Trump se­he ich al­len­falls bei San­ders (oh­ne dass ich mit ihm über­ein­stim­me). Die ge­sam­mel­ten Fe­mi­ni­stIn­nen müs­sen al­ler­dings erst ihr Ge­schwätz vom »wei­ßen, al­ten Mann« re­vi­die­ren, be­vor sie dem 77jährigen San­ders Re­fe­renz er­wei­sen. Sein Ma­kel ist ein an­de­rer: Er ist für ame­ri­ka­ni­sche Ver­hält­nis­se zu »links«. Er wür­de – das ist si­cher – im Kon­gress an der Mehr­heit der Re­pu­bli­ka­ner schei­tern. (Auch Oba­ma war in­nen­po­li­tisch bis auf ei­ne Aus­nah­me ei­ne »la­me duck«.) Und ja, ich hal­te auch das Al­ter für grenz­wer­tig. (Im Nach­hin­ein war die No­mi­nie­rung von Clin­ton ein stra­te­gi­scher Feh­ler. Nur weil man un­be­dingt die er­ste Frau im Wei­ßen Haus woll­te.)

    (»Neo­li­be­ra­lis­mus« set­ze ich in An­füh­rungs­zei­chen, weil es ein Be­griff ist, der von sei­ner ur­sprüng­li­chen Be­deu­tung los­ge­löst ver­wen­det wird. Ich wä­re für »De­re­gu­lie­rung«, aber auch das ist un­voll­stän­dig.)

    Noch ein­mal, zu­mal sie er­wähnt ist: Thun­berg und Trump sind sich in Hin­sicht auf die Me­di­en nicht un­ähn­lich. Bei­de bau­en auf me­dia­le Er­re­gun­gen. Hier­für set­zen sie sich di­rekt, d. h. oh­ne den gän­gi­gen Jour­na­lis­mus in Sze­ne. Der nimmt sie nur auf – al­ler­dings mit dia­me­tral ent­ge­gen­ge­setz­ten Vor­zei­chen: Trump ist durch­weg ne­ga­tiv kon­no­tiert (au­ßer in »sei­nen« Me­di­en), Thun­berg aus­nahms­los po­si­tiv. Wäh­rend Trump ei­ne Re­stau­ra­ti­on an­strebt, ist es bei Thun­berg ei­ne Art Re­vo­lu­ti­on. Leicht kann man die glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­sche Kom­po­nen­te, die bei­de eint, über­se­hen. Der gra­vie­rend­ste Un­ter­schied ist der der in­sti­tu­tio­nel­len Macht.

  2. Mit Karl Kraus als Mass­stab hat LP die Lat­te hoch ge­legt – und re­üs­siert. DT als Film­kri­ti­ker er­weist sich als er­gie­bi­ges The­ma.

  3. Das her­vor­ra­gen­de Buch von Packer ha­be ich da­mals nach der Be­spre­chung in Be­gleit­schrei­ben ge­le­sen. Dan­ke auch für den Hin­weis auf das In­ter­view mit Packer in der WOZ. Ich ha­be es u. a. als Be­stä­ti­gung mei­ner klei­nen Spie­gel­theo­rie ge­le­sen, z. B. die­sen Satz: „Die­ser ak­tu­el­le Po­pu­lis­mus ist eher ei­ne Art Ce­le­bri­ty-Po­pu­lis­mus, ei­ne Ver­knüp­fung die­ser «Göt­ter» mit den Mas­sen, die qua­si durch sie le­ben: Man über­gibt ih­nen sei­ne Träu­me, da­mit die Pro­mis sie wei­ter­tra­gen.“
    Ih­ren An­mer­kun­gen stim­me ich weit­ge­hend zu. Mein Text soll­te punk­tu­ell sein und von da aus ein paar Schlag­lich­ter auf All­ge­mei­ne­res wer­fen. „Ame­ri­ca first“ ist ein Slo­gan, wie er in ame­ri­ka­ni­schen Wahl­kämp­fen ty­pisch ist. Sehr re­du­ziert, zwei Wör­ter, aber nicht dumm. Trump ver­sucht, ihn durch al­te Re­zep­te um­zu­set­zen – nicht mit son­der­lich viel Er­folg bis­her. Pro­tek­tio­nis­mus, Han­dels­krieg, Straf­zöl­le, Aus­stieg aus in­ter­na­tio­na­len Ab­kom­men, Rück­zug ame­ri­ka­ni­scher Mi­li­tärs und son­sti­ger Spe­zia­li­sten aus Ge­gen­den, wo es nichts zu ho­len gibt für Ame­ri­ca. Es ist die Ma­xi­me des Ego­is­mus, ge­gen die Idee der So­li­da­ri­tät, für die – nach Trump – Oba­ma steht. In die­sen Kon­text paßt sei­ne Kri­tik an „Pa­ra­si­te“ bzw. den Os­cars da­für wie die Faust aufs Au­ge. Dann die Tat­sa­che, daß er gern auf al­te Re­zep­te aus den Acht­zi­gern zu­rück­greift, wie auf al­te Fil­me aus der mitt­le­ren Hol­ly­wood-Ära. Schließ­lich die zur Schau ge­stell­te Vul­ga­ri­tät, die bei den Mo­der­ni­sie­rungs­ver­lie­rern, bei de­nen er am mei­sten punk­tet, gut an­kommt.

    So­zia­le Me­di­en wie Twit­ter er­lau­ben DT, die Pres­se und al­le son­sti­gen In­stan­zen zu ge­hen, di­rekt zu sei­nen An­hän­gern zu spre­chen und im End­ef­fekt in den tra­di­tio­nel­len Me­di­en noch mehr prä­sent zu sein, als es US-Prä­si­den­ten bis­her wa­ren. Bei al­ler be­rech­tig­ten Kri­tik an der Pres­se, es braucht ein­fach Kon­troll­in­stan­zen, es braucht Fil­ter (ja!), es braucht kom­pe­ten­te Leu­te (und nicht Au­to­ma­ten), die sie hand­ha­ben, es braucht In­ve­sti­ga­ti­on und dif­fe­ren­zier­te­re Re­fle­xi­on. Packer ist auch Jour­na­list, er be­weist doch, daß wir auf Leu­te wie ihn nicht ver­zich­ten kön­nen.

  4. Leo­pold Fe­der­mei­er, Sie kon­ze­die­ren, dass Trump mi­li­tä­risch nicht ex­pa­nisv po­li­ti­siert. Ich möch­te noch da­zu­set­zen: An­ders als Bar­rack Oba­ma und Hil­la­ry Clin­ton. Bei Ste­ve Sai­ler heißt das: Don’t in­va­de – don’t in­vi­te – al­so kein il­le­ga­ler Mas­sen­zu­zug und kei­ne mi­li­tä­ri­schen In­ter­ven­tio­nen.

    Die klei­ne-Leu­te-Per­spek­ti­ve bei Trump ist et­was, das Ste­ve Sai­ler schon vor der Wahl (!) mit Da­ten aus dem ame­ri­ka­ni­schen So­zi­al­le­ben un­ter­füt­tert. Er setzt das fort, so letz­ten Mon­tag, wo er on­line auf Taki’s Ma­ga­zi­ne die Hö­he der Haus­prei­se in den USA mit Blick auf das Wahl­ver­hal­ten der Be­woh­ner in Be­zie­hung setzt und fin­det: Nied­ri­ge Haus­prei­se und höch­ste Haus­prei­se (Man­hat­tan Park Ave­nue) = mehr­heit­lich Re­pu­bli­ka­ner Ge­gend, // ho­he (=wei­ße und asia­ti­sche Mit­tel­schicht) und su­per-nied­ri­ge Haus­prei­se (= Vier­tel der Schwar­zen) = Wäh­ler der De­mo­kra­ten.

    Matt Taib­bi vom Rol­ling Stone hat ähn­li­ches ge­sagt, zu­letzt bei sei­nem Ge­spräch mit Joe Ro­gan die­sen Win­ter, aber auch gleich nach der Wahl in ei­nem sehr selbst­kri­ti­schen Ar­ti­kel im Rol­ling Stone, wo er schrieb, dass der ge­sam­ten li­be­ra­len Eli­te ge­nau die­ses Fak­tum wäh­rend des Wahl­kampfs ge­nau vor Au­gen ge­stan­den hat, aber kei­ner hat’s ge­schrie­ben – aus, wie Matt Taib­bi im Rück­blick (auch selbst­kri­tisch) sagt, fal­schen jour­na­li­sti­schen ‑Sen­dungs­be­wußt­sein her­aus). – Ein in­ter­es­san­ter Vor­gang, wie ich fin­de.

    Zu Packer, des­sen Op­ti­mis­mus ich nicht ganz tei­le, ge­hört auch die Hil­li­bil­ly Ele­gie von J. D. Van­ce – und (mein per­sön­li­cher Fa­vo­rit, by a long shot): »De­er Hun­ting wi­th Je­sus« von dem un­ter­des­sen lei­der ver­stor­be­nen groß­ar­ti­gen US-Au­ssen­sei­ter Joe Pa­geant. Der hat­te auch ei­ne Web­sei­te – weiß aber nicht, ob die sei­nen Tod über­stan­den hat.

    Eben­falls in die­se Ker­be haut Charles Mur­ray mit sei­nem sehr da­ten­rei­chen Buch »Co­ming Apart«, über das die Bloom­berg Busi­ness Week sei­ner­zeit ge­schrie­ben hat: – « (...) an in­cisi­ve, alar­ming and hu­ge­ly fru­st­ra­ting book about the sta­te of the Ame­ri­can scoie­ty.« – Das war zu Oba­mas Hoch­zeit, 2012 neb­bich.

  5. @Dieter Kief
    Ich will Ih­nen da nicht wi­der­spre­chen. Der Frie­dens­no­bel­preis für Oba­ma war ei­ne Far­ce. Und was Packer Oba­ma nicht ver­zeiht: daß er die Fi­nanz­spe­ku­lan­ten und Im­mo­bi­li­en­haie (zu de­nen Trump ja zu­min­dest ur­sprüng­lich ge­hört) nach der von ih­nen ver­ur­sach­ten Kri­se von 2008 nicht zur Ver­ant­wor­tung ge­zo­gen hat.

  6. @Leopold Fe­der­mair

    Na­ja, Trump ver­sucht, sei­ne Wahl­ver­spre­chen jen­seits des Blöd­sinns der Me­xi­ko-Mau­er ein­zu­lö­sen. Da­zu ge­hör­te die Be­en­di­gung des En­ga­ge­ments in Sy­ri­en und Af­gha­ni­stan. Das sind auch ele­men­ta­re For­de­rung eu­ro­päi­scher Lin­ker. Auch Pro­tek­tio­nis­mus und Zöl­le fin­det man dort. San­ders ist in der Wirt­schafts­po­li­tik üb­ri­gens nä­her bei Trump als man denkt.

    Packers Zi­tat über den Ce­le­bri­ty-Po­pu­lis­mus kann man dop­pel­deu­tig in­ter­pre­tie­ren. Für mich der »Po­pu­lis­mus« der Hol­ly­wood-Ka­ste ähn­lich der von Trump. Auch in Deutsch­land er­lebt man seit vie­len Jah­ren, dass bspw. Schau­spie­ler un­ge­fragt und dau­er­haft po­li­ti­sche State­ments ab­ge­ben. Das zeigt, dass der Po­pu­lis­mus-Vor­wurf auf den zu­rück­fal­len kann, der ihn äu­ßert.

    In­zwi­schen ha­ben sich die La­ger still­schwei­gend auf ei­ne ge­gen­sei­ti­gen Ver­ach­tung ge­ei­nigt. Das treibt die Po­la­ri­sie­run­gen noch wei­ter an. In den USA hat­te das be­reits mit Clin­ton vs Ging­rich be­gon­nen. Die Tea-Par­ty-Be­we­gung spal­te­te die Re­pu­bli­ka­ner. Trump sich noch ein­mal dar­über hin­weg ge­setzt. Vie­len Re­pu­bli­ka­nern selbst der Tea-Par­ty ist er in­zwi­schen pein­lich.

    Dass flam­men­de Plä­doy­er für den Jour­na­lis­mus ver­mag ich für das, was ich in­zwi­schen von Jour­na­li­sten zu le­sen und zu hö­ren be­kom­me, nicht tei­len, weil sich im­mer mehr der »Hal­tungs­jour­na­lis­mus« durch­setzt. Man wähnt sich über den Din­gen ste­hend als Wahr­heits­ver­kün­der. In­tui­tiv ah­nen vie­le, dass das nicht stimmt. Das Pro­blem ist, dass sie dann an­de­ren Pa­ro­len­dre­schern dro­hen auf­zu­sit­zen.

  7. Gre­gor Keu­sch­nig, Sie schrei­ben:
    »Das flam­men­de Plä­doy­er für den Jour­na­lis­mus ver­mag ich für das, was ich in­zwi­schen von Jour­na­li­sten zu le­sen und zu hö­ren be­kom­me, nicht tei­len, weil sich im­mer mehr der »Hal­tungs­jour­na­lis­mus« durch­setzt. Man wähnt sich über den Din­gen ste­hend als Wahr­heits­ver­kün­der. In­tui­tiv ah­nen vie­le, dass das nicht stimmt. Das Pro­blem ist, dass sie dann an­de­ren Pa­ro­len­dre­schern dro­hen auf­zu­sit­zen.«

    Ich ha­be auf Matt Taib­bi – und Joe Ro­gan hin­ge­wie­sen und ge­sagt, dass die jour­na­li­sti­sche (Selbst-) Kri­tik üben, in den USA, das ist doch er­freu­lich! – Zu­mal sie bei wei­tem nicht die ein­zi­gen sind. Jo­na­than Fran­zen hat die­ses Pro­blem eben­falls aus­führ­lich (am Bei­spiel!) be­han­delt in »Pu­ri­ty« – auf Deutsch merk­wür­di­ger- ja:womöglich so­gar un­sin­ni­ger­wei­se »Un­schuld«. Das Buch be­ginnt ja mit ei­ner Sze­ne, in der die NYT ei­ne un­über­seh­bar at­trak­ti­ve Rol­le spielt und be­han­delt dann auch den un­ab­hän­gi­gen Netz­jour­na­lis­mus.

    Dann ist da noch Tom Wol­fe mit sei­nen Be­trach­tun­gen zum Fern­seh­jour­na­lis­mus – und wie da die Fak­ten da­vo­schwim­men, buch­stäb­lich, zeigt er aus­führ­lich in sei­nem letz­ten Ro­man »Back to Blood«.

    Ein erst­ran­gi­ges Bei­spiel da­von zir­ku­liert ge­ra­de durch die Blogs, näm­lich die zum NYT- Edi­to­ri­al Board zäh­len­de Jour­na­li­stin, die, zu Gast beim Sen­der MSNBC über Mi­cha­el Bloom­bergs un­glaub­li­chen Reich­tum zu be­rich­ten weiß, dass Bloom­berg al­lein für sei­nen Prä­si­dent­schafts­wahl­kampf so­viel Geld aus­ge­ge­ben ha­be, dass die­ses Geld da­zu rei­chen wür­de, je­dem Ame­ri­ka­ner und je­der Ame­ri­ka­ne­rin und auch al­len Kin­dern in den USA usw. ei­ne Mil­li­on Dol­lar zu ge­ben – und dass dann im­mer noch nicht ein­mal das Geld aus­ge­ge­ben wä­re, das Bloom­berg al­lein für den Wahl­kampf aus­ge­ge­ben ha­be – und how ama­zing that is, usw. ....

    Dass es doo­fe und kor­rup­te Jour­na­li­sten gibt, spricht wohl nicht ge­gen die­sen Be­ruf sel­ber.

    Ste­ve Ban­non hat ei­ni­ges In­ter­es­san­te über den US-Jour­na­lis­mus und die Tea-Par­ty zu sa­gen, üb­ri­gens, der­zeit auch in ei­nem Do­ku­men­tar­film über ihn.

  8. Es geht nicht dar­um, ob Jour­na­li­sten »doof« oder kor­rupt sind. Es geht dar­um, ob Jour­na­li­sten Mei­nung von Nach­richt tren­nen bzw. in­wie­weit sie dies längst ver­quir­len. Die­sen Text hier wer­den Sie si­cher­lich ken­nen. Er skiz­ziert das Pro­blem.

    Und Ban­non kann ich mir nun wirk­lich nicht als Me­di­en­kri­ti­ker vor­stel­len. Er ist ja sel­ber ein Dem­ago­ge, der sei­ne Ideo­lo­gie als Wahr­heit ver­kauft.

  9. 2) @ Leo­pold Fe­der­mair we­gen Oba­mas nä­he zu den Fi­nanz­spe­ku­lan­ten &

    1) @ Gre­gor Keu­sch­nig – wg. Ban­non – Der ist (war zu­sam­men mit An­drew Breit­bart – den Packer ja ein­läss­lich ab­han­delt) ei­ner der ein­fluss­reich­sten Me­di­en-Self­ma­de-Un­ter­neh­mer der letz­ten De­ka­de. Er hat im­mense Er­fah­rung auf die­sem Ge­biet – und er hat mit­ge­hol­fen, ei­ne der gro­ßen Macht­fra­gen zu ge­win­nen, die uns­re Zeit kennt: Näm­lich die, wer der mäch­tig­ste Mann der Welt wird.
    Von die­sem mäch­tig­sten Mann der Welt ist er dann hin­aus­kom­pli­men­tiert wor­den, weil er sei­nen Über­zeu­gun­gen auch im Oval Of­fice treu blieb. Ins­be­son­de­re, was die Fra­ge der il­le­ga­len Im­mi­gra­ti­on und den Rück­bau der Mi­li­tär­macht USA an­geht. -
    – Das Sprich­wort heißt, wer mit dem Teu­fel es­sen will, braucht ei­nen lan­gen Löf­fel. Ich den­ke an Goe­thes Faust – et­was, ich geb’s zu, das Ban­non auch ger­ne (und häu­fig) tut.

    Hier noch was zu bei­der Clin­tons und Oba­mas ver­derb­li­cher Nä­he zu Big Mo­ney mit Blick auf den o. a. in­ve­stig­ti­ven Rol­ling-Stone Schrei­ber Matt Taib­bi.

    2) Der mitt­ler­wei­le – un­ter den Hap­py few – be­rühm­te er­ste Ab­satz des Gold­man-Sachs-Ar­ti­kels Matt Taib­bis im Rol­ling Stone:

    »The first thing you need to know about Gold­man Sachs is that it’s ever­y­whe­re. The world’s most powerful in­vest­ment bank is a gre­at vam­pi­re squid wrap­ped around the face of hu­ma­ni­ty, re­lent­less­ly jamming its blood fun­nel in­to anything that smells li­ke mo­ney. In fact, the hi­sto­ry of the re­cent fi­nan­cial cri­sis, which dou­bles as a hi­sto­ry of the ra­pid de­cli­ne and fall of the sud­den­ly swind­led dry Ame­ri­can em­pire, reads li­ke a Who’s Who of Gold­man Sachs gra­dua­tes.«
     
    Hier der gan­ze Ar­ti­kel 

    https://www.rollingstone.com/politics/politics-news/the-vampire-squid-strikes-again-the-mega-banks-most-devious-scam-yet-101182/
      
    Taib­bis Lead: From tech stocks to high gas pri­ces, Gold­man Sachs has en­gi­nee­red every ma­jor mar­ket ma­ni­pu­la­ti­on sin­ce the Gre­at De­pres­si­on — and they’re about to do
    it again

    Das ist der Nachol­ger sechs Jah­re spä­ter https://www.rollingstone.com/politics/politics-news/the-great-american-bubble-machine-195229/
       
    Banks are no lon­ger just fi­nan­cing hea­vy in­du­stry. They are ac­tual­ly buy­ing it up and in­ven­ting big­ger, bol­der and sca­ri­er scams than ever
     
    Da war mit­ten in Oba­mas Re­gie­rungs­zeit.

    2016 gab es die An­wei­sung an die An­ge­stell­ten der gro­ßen Ban­ken, nicht für Trump zu spen­den – Big Mo­ney setz­te voll auf Hil­la­ry Clin­ton. Ver­ständ­lich. Hat auch ums Haar ge­klappt.

    Matt Taib­bi kommt üb­ri­gens in den US-Me­di­en vor, auch au­ßer­halb
    des Rol­ling Stone,Joe Ro­gans und sei­ner Bü­cher.  – Aber do­siert. Die­se Do­sie­rung scheint zu ge­nü­gen. Sie sorgt da­für, dass Taib­bis Bü­cher und Ar­ti­kel auch in Deutsch­land kaum ei­ner re­zen­siert, zi­tiert und/ oder kennt.
    Auch Ge­or­ge Packer und Mi­cha­el Le­wis er­wäh­nen ihn lei­der nicht.

  10. Dan­ke für den Taib­bi-Ar­ti­kel, der mir un­be­kannt war. Er weist ja u. a. auch auf Clin­tons Ab­schaf­fen des Glass-Ste­agull-Acts hin, der das Zocken erst er­mög­lich­te.

    Ein biss­chen non­cha­lant sub­su­miert er Leh­man und AIG als »col­lap­sed«. Tat­säch­lich wur­de ja AIG ge­ret­tet, in dem man Leh­man in die Plei­te schick­te.

    Dass Trump die Ban­ken an die Kan­da­re nimmt, kann man ja nun wirk­lich nicht sa­gen. Sie kön­nen ein­fach wei­ter­ma­chen.

  11. Auch ich dan­ke für den Link zu Taib­bi. Der Ab­schaf­fung des Glass-Seagull-Acts miß auch Packer in sei­nem Buch gro­ße Be­deu­tung bei, das fand ich da­mals schon über­zeu­gend. Liest man Taib­bi, ist zu be­fürch­ten, daß man aus der Kri­se von 2008 nichts ge­lernt hat. Wie Gre­gor K. ha­be ich auch den Ein­druck, daß DT kein In­ter­es­se dar­an hat, das Bank­we­sen zu re­gu­lie­ren.

  12. Oh – bit­te, sehr gern!

    Wg. AIG – Die bei­den (!) Taib­bi-Ar­ti­kel sind on­line und on the run ge­schrie­ben und nicht nach­be­ar­bei­tet – die ste­hen da wie vor Jah­ren ver­fasst. Die Bü­cher Taib­bis ge­ben dann mehr Per­spek­ti­ve und De­tails.

    Ei­ner der gro­ßen Un­ter­schie­de zwi­schen Ste­ve Ban­non und Do­nald Trump ist, dass Ban­non klar ist, dass die Ent­kop­pe­lung von Fi­nanz­wirt­schaft und rea­ler Wirt­schaft in den USA un­heil­voll ist. Sein Haupt­ar­gu­ment: Es ent­fal­len die Rück­kop­pe­lungs­schlei­fen, die nor­ma­ler­wei­se da­für sor­gen, dass die Fi­nanz­wirt­schaft der Re­al­wirt­schaft dient. Nor­ma­ler­wei­se stei­gert die Fi­nanz­wirt­schaft die Ef­fek­ti­vi­tät der Re­al­wirt­schaft, in­dem sie ef­fek­ti­ver arbeitende/ un­do­der pla­nen­de Un­ter­neh­men bei der Fi­nan­zie­rung be­vor­zugt und so ein An­reiz­sy­stem schafft, die Pro­duk­ti­on bzw. das An­ge­bot zu ver­bes­sern.

    Das funk­tio­niert nicht mehr rich­tig. Das ist die Dy­na­mik von So­me­whe­res und Any­whe­res (Da­vid Goodhart/ Mi­chel Houellebecq/Tom Wol­fe (»A Man in Full« – a true so­me­whe­re), Chri­sto­phe Guil­luy (No Soie­ty)), be­feu­ert durch B. Clin­ton ff. – und die ent­fes­sel­te Glo­ba­li­sie­rung.

    Ein Er­geb­nis ist, dass die Fi­nanz­wirt­schafts­pro­fi­te sich von der nun­mehr lo­ka­len (!) US-Wirt­schaft lö­sen und die rea­len US-Fir­men fast wie Spiel­mar­ken be­nut­zen. Und selbst die Re­gie­rung kann un­ter den der­zei­ti­gen Be­din­gun­gen dar­an kaum et­was än­dern. GM wur­de – auch mit Steu­er­gel­dern – wie­der flott ge­macht, aber die Pro­duk­ti­on in den USA ging da­bei da­bei peu á peu ver­lo­ren. Der­zeit wer­den 40% der in den USA ver­kauf­ten GM-Au­tos in Chi­na (!) pro­du­ziert.

    Ap­ple be­schäf­tigt in den USA kei­ne Ar­bei­ter mehr. – Nur noch Kon­struk­ti­on, Mar­ke­ting (Re­kla­me) und Ver­kauf – das wars.

    Trump hat das an­ge­spro­chen und ein bissl was ge­macht. Packer nennt ein paar Bei­spie­le von Grün­dun­gen und Start-Ups usw. – Das ist aber si­cher zu we­nig. So­wohl bei Packer als auch bei Trump. Ein Licht­blick ist, dass die Trump-Ad­mi­ni­stra­ti­on das deut­sche dua­le Be­rufs­bil­dungs­sy­stem auf die Agen­da ge­setzt hat. Das könn­te sich – zu­min­dest lang­fri­stig – als se­gens­reich her­aus­stel­len.

    Das Pro­blem der qua­si ver­wen­dungs­un­fä­hi­gen US-Un­ter­schicht ist so groß, dass ich öf­ter in US-Dis­kus­sio­nen den Ein­druck be­kom­me, selbst küh­nen Leu­ten mit wei­tem Ho­ri­zont wird die Di­men­si­on lang­sam un­heim­lich.

    Ste­ve Ban­non ge­hört zu den eher furcht­lo­sen De­bat­teu­ren, und wenn ich wäh­len müss­te zwi­schen Ste­ve Ban­non und Ge­or­ge Packer, wür­de ich mei­nen, Ban­non sei je­den­falls in die­ser Li­ga und sei­ne Ideen nicht zu ver­ach­ten. Dass er Goe­the liest und Tho­mas von Aquin kennt, fin­de ich ebnfalls gut (mein weak spot).

    Ich emp­feh­le sei­ne Di­kus­si­on in der Ox­ford Stu­dent Uni­on, da kommt viel von dem, was ich hier an­spre­che, ex­pli­zit zum Tra­gen. Oder das in­ter­view, das er PBS ick­j­lo­o­be in den USA ge­ge­ben hat. Das ist sehr un­auf­ge­regt. Ste­hen bei­de on­line. Ich mei­ne, es ge­be mehr Gem­in­sa­mes als Tren­nen­des zwi­schen Ste­ve Ban­non und Matt Taib­bi, und fin­de es merk­wür­dig, dass die­se Ge­mein­sam­keit nicht ge­se­hen wird.

    Noch­mal we­gen der US-Un­ter­schicht. Ich war ein paar Wo­chen in De­troit, das ist zwar schon ei­ne Wei­le her, aber ich war down­town in ei­ner al­ter­na­ti­ven Schu­le – und hab’ die gan­ze Gang-Rea­li­tät usw. – auch den Idea­lis­mus der jun­gen Wei­ßen, die die­se Schu­le aus­schließ­lich auf­ge­baut und be­trie­ben ha­ben, mit­er­lebt.

    Es hat sich seit­dem nichts ge­bes­sert. Und kei­ner hat für die­se qua­si auf­ge­ge­be­ne Mil­lio­nen­stadt ei­nen Plan. Nun, um den Blues voll­ends hin­aus­zu­po­sau­nen, noch die­ser Ge­dan­ke: De­troit ist nur ein Bei­spiel; es gibt in den USA vie­le sol­cher Städ­te oder Be­zir­ke (Fer­gu­son). Das wird noch lan­ge so wei­ter­ge­hen. – Fly-Over-Coun­try.

  13. Was die Rol­le des Jour­na­lis­mus be­trifft, bin ich auf der Sei­te von Die­ter Kief, nicht auf des (sonst na­tür­lich sehr ge­schätz­ten) Gre­gor Keu­sch­nig. Die kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­sche Mög­lich­keit für ei­ne Ein­zel­per­son, auf di­rek­tem Weg Mil­lio­nen zu er­rei­chen, hat ganz we­sent­lich zu dem Schla­mas­sel bei­getra­gen, das wir mit den So­zia­len Me­di­en jetzt ha­ben, mit der gan­zen Ver­mül­lung, der Rand­po­si­ti­on ver­nünf­ti­ger Dis­kur­se, der Vor­herr­schaft von un­re­fle­kier­ten Ge­füh­len (Em­pö­rung, Hass, Lyn­chlust), von Ver­schwö­rungs­theo­rien, von be­wußt in die Welt ge­setz­ten Ge­rüch­ten, von sy­ste­ma­ti­scher un­ter­schwel­li­ger Be­ein­flus­sung von gro­ßen Mas­sen, die oft bei Fir­men, je­den­falls Pro­fis in Auf­trag ge­ge­ben wird. Po­pu­li­sten und skru­pel­lo­se Ex­tre­mi­sten kom­men mit die­sem Me­di­um sehr viel bes­ser zu­recht als sol­chen Wer­ten wie Ver­nunft, Bil­dung, Dis­kus­si­on ver­pflich­te­te Per­so­nen und Grup­pen. Das ist m. E. kein Zu­fall und kein stra­te­gi­scher »Vor­sprung«, viel­mehr ent­spricht die Struk­tur die­ser Me­di­en der Denk- und Ak­ti­ons­struk­tur der Po­pu­li­sten.
    Gibt es ei­nen un­ab­hän­gi­gen Jour­na­lis­mus, wer­den die Äu­ße­run­gen und Hand­lun­gen von Po­ten­ta­ten ge­siebt (nicht je­der Furz, je­der Irr­tum, je­de Un­be­herrscht­heit geht in die Öf­fent­lich­keit), hin­ter­fragt, ana­ly­siert – kurz, durch ein ver­nünf­ti­ges Me­di­um an die All­ge­mein­heit wei­ter­ge­ge­ben. Ge­nau die­se Rol­le stört Trump an den New York Times. Nun mag es zu­tref­fen, daß ein­zel­ne Jour­na­li­sten kor­rum­piert sind; mei­ner Lang­zeit­be­ob­ach­tung nach wer­den auch sie in ih­rer Ge­samt­heit im­mer düm­mer, un­ver­ant­wort­li­cher, un­ge­bil­de­ter. Aber er­stens se­he ich zu ei­nem star­ken Jour­na­lis­mus kei­ne Al­ter­na­ti­ve, wenn wei­ter­hin De­mo­kra­tie exi­stie­ren soll. Und zwei­tens, setzt man das vor­aus, geht es eben dar­um, gu­ten Jour­na­lis­mus zu un­ter­stüt­zen und die Aus­bil­dung zu ver­bes­sern (ich ha­be selbst Pu­bli­zi­stik stu­diert).

    Ste­ve Ban­non wer­de ich mir an­se­hen. Ich kann­te ihn bis­her nur aus der Schub­la­de »Rechts­extre­mist«.

  14. Ich glau­be, es greift zu kurz, den »so­zia­len Me­di­en« die Ver­ant­wor­tung für die Ver­ro­hung bzw. Ver­un­mög­li­chung des (so­ge­nann­ten) Dis­kur­ses an­zu­la­sten. Die­se tra­gen na­tür­lich für die Sicht­bar­keit der di­ver­gie­ren­den Mei­nungs­strö­me und de­ren Ver­brei­tung bei. Kei­ne Fra­ge. Aber dass Jour­na­li­sten da­bei die Fels­klöt­ze in der Bran­dung sind, ist ein eher ein Wunsch­traum.

    Ich ha­be na­tür­lich nichts ge­gen »gu­ten Jour­na­lis­mus«; aber wer de­fi­niert das? Da wer­den Jour­na­li­sten we­gen ih­rer je­wei­li­gen »Hal­tung« aus­ge­zeich­net. Aber man hat nicht be­grif­fen, dass der­ar­ti­ge Be­vor­mun­dun­gen im Pu­bli­kum längst un­er­wünscht sind. Der Fil­ter funk­tio­niert – üb­ri­gens ähn­lich ei­nem Al­go­rith­mus – zu­meist nur noch in ei­ne Rich­tung. Das ist üb­ri­gen auf al­len Sei­ten so. In den USA kann man das ex­em­pla­risch se­hen: FOX News auf der ei­nen, CNN auf der an­de­ren Sei­te. Ein Aus­tausch fin­det nur mehr sel­ten statt – je­des »La­ger« bleibt ge­schlos­sen und beisst An­ders­den­ken­de oder auch nur Fra­gen­de weg.

    Ich möch­te aber gar nicht in die USA ab­wan­dern. Deutsch­land ge­nügt mir schon. Da hat­te vor ein paar Ta­gen ein Ra­dio­mo­de­ra­tor, der seit sehr vie­len Jah­ren zu spä­ter Stun­de ei­ne Art See­len­sprech­stun­de macht (er hat­te neu­lich sei­ne Ar­beit erst wie­der auf­ge­nom­men) sanf­te Kri­tik an Gre­ta Thun­berg ge­äu­ssert. So­fort klirr­ten die Schwer­ter auf Twit­ter und Face­book. Man hat sei­ne Ein­wän­de gar nicht ver­sucht zu wi­der­le­gen. Man schritt so­fort zur Dif­fa­mie­rung. Der Mo­de­ra­tor war bin­nen Se­kun­den ein »Neu-Rech­ter«, ein »al­ter, wei­ßer Mann« (er ist 62) und – na­tür­lich! – ein Na­zi. Der Sa­ti­ri­ker Die­ter Nuhr, der zu­wei­len auch die In­sze­nie­run­gen der FFF sa­ti­risch ge­han­delt, be­kommt ähn­li­che At­tri­bu­te an den Kopf ge­schleu­dert. Das geht so weit, dass man for­dert, dass sei­ne Sen­dung in der ARD ab­ge­setzt wer­den soll.

    Vor­der­grün­dig hat das zu­nächst ein­mal nichts mit Jour­na­lis­mus zu tun. Aber wenn man sieht, wel­che Mei­nungs­kor­ri­do­re in den Me­di­en an­ge­legt sind, dann ahnt man, war­um ein kri­ti­scher Jour­na­lis­mus bspw. über FFF un­ter­bleibt.

    Ich hat­te nach mei­nem Um­zug ein Pro­be-Abo für drei Wo­chen der Lo­kal­zei­tung ge­star­tet. Dem­nächst dar­über ein biss­chen mehr. Nur so viel: Et­li­ches wa­ren ab­ge­schrie­be­ne, viel­leicht leicht ver­än­der­te Agen­tur­mel­dun­gen. Ganz viel Main­stream, den man – lei­der – nach Kon­sum der öf­fent­lich-recht­li­chen Sen­der nicht mehr braucht.

  15. Na­tür­lich sind die So­zia­len Me­di­en nicht al­lein an der Mi­se­re schuld. Es ist ei­ne kom­ple­xe Ent­wick­lung, die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gien sind aber im Zen­trum des Sturms. La­ger­den­ken, Po­la­ri­sie­run­gen, »Hal­tung« statt Re­fle­xi­on, Zwei­fel, Tat­sa­chen­prü­fung (als »Fak­ten­check« auf den Slo­gan her­un­ter­ge­kom­men) – ja, al­lent­hal­ben. Da di­ver­gie­ren wir nicht. Die Ur­sa­chen­ana­ly­se ist schwie­rig, ich wa­ge mich an die­ser Stel­le lie­ber nicht dar­an.

  16. Ich wa­ge die The­se. dass so et­was wie »Dis­kurs« in der heu­ti­gen Zeit kaum mehr mög­lich ist. Nie­mand ist mehr in der La­ge, kom­ple­xe Sach­ver­hal­te zu durch­blicken. In­tui­tiv ah­nend, wird es auch gar nicht erst mehr ver­sucht. Statt­des­sen be­harrt je­mand bei der ein­mal für sich ge­fun­de­nen »Mei­nung«, die nun mit Zäh­nen und Klau­en ver­tei­digt wer­den muss.

    Bis in die 1980er hin­ein gab es ei­ne Fern­seh­sen­dung mit dem Ti­tel »Pro und Con­tra«. Hier wur­de wie in ei­nem Ge­richts­ver­fah­ren Po­si­tio­nen zu ei­nem ge­sell­schaft­li­chen The­ma dis­ku­tiert. Mit An­wäl­ten und »Zeu­gen«, d. h. Ex­per­ten. Die Zu­schau­er stimm­ten VOR der Sen­dung ab (pro oder con­tra) und, das war der Kern, da­nach. Ge­mes­sen wur­de dann der Un­ter­schied. Zwar gab es hier nur zwei Mög­lich­kei­ten (Ent­hal­tung viel­leicht als Drit­tes), aber man muss­te sich die Ar­gu­men­te der je­weils an­de­ren Sei­te an­hö­ren. Meist ge­schah dies oh­ne Mur­ren.

    Heu­te wird je­de ab­sei­ti­ge Po­si­ti­on so­fort in ein La­ger ver­or­tet. Und das wird ja durch­aus von der Jour­na­li­stik be­för­dert. Ich er­in­ne­re mich (noch ein­mal) an die Be­richt­erstat­tung zur Trump-Wahl. Als die ver­sam­mel­ten »Ex­per­ten« (un­ter ih­nen Schau­spie­ler, aber auch ehe­ma­li­ge und ak­tu­el­le Kor­re­spon­den­ten) fas­sungs­los da­stan­den und ih­rer Em­pö­rung frei­en Lauf lie­ßen. Das konn­te ein­fach nicht pas­sie­ren, weil es nicht sein durf­te.

    Je­de, aber wirk­lich je­de Dis­kus­si­on in öf­fent­lich-recht­li­chen Sen­dern über die Wah­len in den USA be­ginnt mit ei­nem Be­kennt­nis, wie schreck­lich die­se Trump-Zeit ist. Auf die Idee, dass man das nicht be­son­ders er­wäh­nen muss, kommt nie­mand. Je­mand muss so­fort sei­ne Po­si­ti­on set­zen. Das ver­hin­dert na­tür­lich jeg­li­che halb­wegs nüch­ter­ne Sicht auf die Din­ge. Ich möch­te ein­fach erst ein­mal er­fah­ren, war­um nach drei­ein­halb Jah­ren Trump mehr als viel­leicht 1 Mil­li­on Men­schen die­sen Prä­si­den­ten noch ein­mal ha­ben wol­len. Da­für braucht es Em­pa­thie.

  17. Könn­te sein, daß das Zeit­al­ter des Dis­kur­ses vor­bei ist. Das Zeit­al­ter der kom­mu­ni­ka­ti­ven Ver­nunft, der man sich in der Nach­kriegs­zeit (bis et­wa 1990 ver­stan­den) durch­aus an­nä­her­te, auch des­halb, weil die Mas­sen­me­di­en Fo­ren bo­ten, die wirk­lich ge­nutzt wur­den. Viel­leicht idea­li­sie­re ich das im Rück­blick, mag sein. Ich glau­be aber nicht, daß die heu­ti­gen Schwie­rig­kei­ten an der un­durch­schau­ba­ren Kom­ple­xi­tät der Ver­hält­nis­se lie­gen. Sie wa­ren im­mer kom­plex, je­den­falls seit dem 19. Jahr­hun­dert, und zu­min­dest ver­suchs- und an­nä­he­rungs­wei­se konn­te man sie er­hel­len, konn­te Theo­rien bil­den etc. Was nicht mehr so recht funk­tio­niert, ist die öf­fent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on, der Aus­tausch. Auch die pri­va­te Kom­mu­ni­ka­ti­on üb­ri­gens, die von Face­book und Kon­sor­ten ge­steu­ert wird. Oder es ist eben ei­ne an­de­re Art der Kom­mu­ni­ka­ti­on, kei­ne auf­ge­klärt-ver­nünf­ti­ge, ei­ne, die mir oft hy­ste­risch und leer er­scheint. Wie man sie be­nen­nen soll, weiß ich nicht, aber Selbst­dar­stel­lung spielt dar­in ei­ne gro­ße Rol­le, auch in die­ser Be­zie­hung kann Trump als Re­prä­sen­tant gel­ten.
    Wenn ich nicht ir­re, sind al­le, die in die­sem Blog dis­ku­tie­ren, al­so öf­fent­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on trei­ben, in ei­nem sehr be­schei­de­nen Rah­men zwar, An­ge­hö­ri­ge die­ser Nach­kriegs­ge­nera­ti­on (im wei­ten Sin­ne ver­stan­den). Auf be­stimm­te Ein­las­sun­gen be­kommt un­ser­eins von Jün­ge­ren manch­mal die Ant­wort: Du bist eben schon zu alt. Die­se Ant­wort scheint mir bei lang­fri­sti­gem Über­le­gen im­mer pas­sen­der. Die Fra­ge ist, wie­der für un­ser­eins, was tun? Ich für mei­nen Teil ha­be vor ei­ni­ger Zeit da­für op­tiert, die Wer­te und Tech­ni­ken – u. a. Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­ken – des über­lie­fer­ten Hu­ma­nis­mus gel­tend zu ma­chen und zu se­hen, ob und wie sie sich mit dem di­gi­ta­len Zeit­al­ter ver­ein­ba­ren las­sen. Bei­spiel Wi­ki­pe­dia, ei­ner der auf­klä­re­ri­schen Leucht­tür­me des 21. Jahr­hun­derts, bei al­ler Pro­ble­ma­tik.
    Ich bin mir al­ler­dings gar nicht si­cher, ob das neue Zeit­al­ter so neu ist. Ganz ähn­li­che hi­sto­ri­sche Ab­läu­fe gab es in der er­sten Nach­kriegs­zeit, nach 1918, nur lief al­les schnel­ler, fast möch­te ich sa­gen: ir­rer ab. Ich bin nicht der er­ste, der die Par­al­le­le be­ob­ach­tet. Die Ge­sell­schaft hat sich da­mals, Wei­ma­rer Re­pu­blik, mehr und mehr ge­spal­ten, bei stei­gen­der Ge­walt­be­reit­schaft der gro­ßen La­ger, bis der Dis­kurs über­haupt nicht mehr mit Ar­gu­men­ten, nicht ein­mal mit Wor­ten ge­führt wur­de, son­dern mit di­ver­sen For­men der Ge­walt, schließ­lich mit Waf­fen. Soll­ten die­se Be­ob­ach­tun­gen zu­tref­fen, möch­te ich spä­ter nicht zu de­nen ge­hö­ren, die sa­gen müs­sen, ich hab’s zwar kom­men ge­se­hen, aber es war mir egal.

  18. Ich bin ja ge­gen die pau­scha­le The­se, dass Kom­mu­ni­ka­ti­on von Face­book oder von mir aus Twit­ter ge­steu­ert wird. Sie wird ab­ge­bil­det bzw. sie wird ver­stärkt, das ja. Aber ge­steu­ert? Ist es nicht wirk­lich im­mer so ge­we­sen, dass man sich die Mei­nung her­aus­ge­sucht hat, die ei­nem ge­fal­len hat? Dies über­neh­men jetzt Al­go­rith­men, die in die­sen Punk­ten un­nach­sich­ti­ger sind. Aber was hin­dert ei­nen dar­an, sei­ne Freund­schaf­ten bei Face­book plu­ra­li­stisch zu ge­stal­ten? Klar, wenn ich im­mer die glei­chen Po­si­tio­nen »li­ke«, tre­ten die Ab­weich­ler in den Hin­ter­grund bzw. ver­schwin­den sie. Aber ei­nem Fo­rum die Al­lein­schuld zu ge­ben?

    Die ex­tre­men po­li­ti­schen Kräf­te ka­men in der Wei­ma­rer Re­pu­blik vor al­lem auf, als die »Mit­te« mehr oder we­ni­ger ver­sag­te. Was, wenn die­ses Ver­sa­gen heu­te in be­stimm­ten Po­li­tik­fel­dern wie­der emp­fun­den wird? An­zei­chen da­für se­he ich sehr wohl. Auch das stän­di­ge Be­ru­fen auf die »De­mo­kra­tie« zeigt ja nur, dass da et­was ins Wan­ken ge­rät. Das liegt nicht nur an den po­pu­li­sti­schen Be­we­gun­gen. Die­je­ni­gen, die die­se be­kämp­fen wol­len, ha­ben auch an­ti­de­mo­kra­ti­sche Re­zep­te zur Hand: Aus­schlie­ßen und äch­ten. Nicht die Pro­ble­me sol­len be­kämpft wer­den, son­dern die­je­ni­gen, die die­se Pro­ble­me für ei­ne wie auch im­mer falsch emp­fun­de­ne Wahl­ent­schei­dung nut­zen. Das war am En­de der Un­ter­gang der Wei­ma­rer Re­pu­blik: Lin­ke und Rech­te hat­ten die Mehr­heit. Sie wa­ren na­tür­lich nicht un­ter­ein­an­der ko­ali­ti­ons­fä­hig. Aber die de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en wa­ren es auch nicht mehr. Und sie wa­ren nicht in der La­ge, Mehr­hei­ten zu or­ga­ni­sie­ren. Ber­lin war An­fang der 1930er Jah­re prak­tisch im Bür­ger­krieg zwi­schen Kom­mu­ni­sten und Na­zis.

    So weit sind wir noch nicht. Mehr­hei­ten wer­den in Deutsch­land prag­ma­tisch or­ga­ni­siert. Wir ha­ben in den Bun­des­län­dern teil­wei­se Drei­er­ko­ali­tio­nen, in Thü­rin­gen ei­ne Min­der­hei­ten­re­gie­rung (be­fri­stet). Re­giert wird da aber kaum noch, es wird nur ver­wal­tet. Ein Hoch auf die In­sti­tu­tio­nen, die noch funk­tio­nie­ren.

    Die po­li­ti­schen La­ger spal­ten sich un­ter­des­sen zwi­schen Mo­ra­li­sten und Po­pu­li­sten. Bei­de ver­gif­ten auf ih­re Art den Dis­kurs.

    Viel­leicht sind wir aber an die Gren­zen des­sen ge­sto­ssen, was wir »De­mo­kra­tie« nen­nen. Nicht nur Rech­te, auch ei­ni­ge Lin­ke spre­chen ja in­zwi­schen un­ver­hoh­len von Se­lek­ti­ons­me­cha­nis­men für po­li­ti­sche Be­tei­li­gun­gen. Wie kann man ver­hin­dern, dass in Par­la­men­te Par­tei­en ge­wählt wer­den, die die­ses Par­la­ment ab­schaf­fen bzw. be­deu­tungs­los ma­chen wol­len?

    Wir se­hen in den USA der­zeit schmerz­haft: Trump ist furcht­bar. Aber die Al­ter­na­ti­ven zu Trump? Ei­ner, der Ge­dächt­nis­lücken auf­weist und ei­ner, der letz­tes Jahr ei­nen Herz­in­farkt hat­te. Ei­ner, der für das Estab­lish­ment steht und ein Mi­ni-Re­vo­luz­zer, der an den In­sti­tu­tio­nen schei­tern wird. Bei­de bes­ser als Trump, ja. Aber auch mehr?

  19. So­ge­nann­te Po­pu­li­sten sind durch we­nig­stens drei Ei­gen­schaf­ten ge­kenn­zeich­net:

    1) Sie schaf­fen es, wie kein an­de­rer Ak­teur im je­wei­li­gen po­li­ti­schen Sy­stem, Un­zu­frie­de­ne an­zu­spre­chen, so­zu­sa­gen ein Ku­mu­la­ti­ons­ort für ne­ga­ti­ve Af­fek­te zu sein, was ei­ne Exi­stenz der­sel­ben vor­aus­setzt (Po­pu­li­sten ver­stär­ken Un­zu­frie­den­heit, aber sie schaf­fen die­se nicht).

    2) Sie in­sze­nie­ren sich als Geg­ner des Estab­lish­ments, der Eli­ten, was nur des­halb ge­lingt, weil sie die­sen tat­säch­lich in man­cher Hin­sicht wi­der­spre­chen und von die­sen be­kämpft wer­den.

    3) Sie grei­fen The­men auf, die brach lie­gen oder als mo­ra­lisch an­stö­ßig gel­ten, auch das ge­lingt nur des­halb, weil es die­se tat­säch­lich gibt.

    Kurz­um: Po­pu­li­sten und de­ren (re­la­ti­ver) Er­folg hat sehr viel mit dem Zu­stand und den Ge­pflo­gen­hei­ten der je­wei­li­gen Ge­sell­schaf­ten zu tun, man könn­te sa­gen: Mit de­ren Schief­la­gen. Es gilt sich mit ih­nen aus­ein­an­der­zu­set­zen.

    Weil das Wort Nach­kriegs­ge­nera­ti­on ge­fal­len ist: Ein we­sent­li­cher Un­ter­schied be­steht dar­in, ob man Com­pu­ter und neue Me­di­en erst im Al­ter, in sei­ner Ju­gend­zeit oder von Ge­burt an ken­nen­ge­lernt hat, al­so dar­in, ob man vor der Nut­zung der­sel­ben be­reits er­wach­sen oder sei­ne frü­hen »kri­ti­schen« Ent­wick­lungs­pha­sen schon hin­ter sich hat­te, al­so über ei­ni­ge Sta­bi­li­tät ver­füg­te (das Wort Er­zie­hung hat hier ei­nen Platz). Die Be­die­nungs­schwel­le ei­nes Smart­phones oder Ta­blets ist – ver­gli­chen mit der­je­ni­gen ei­nes her­kömm­li­chen Fern­se­hers – ge­ring, ja nach­ge­ra­de klein­kin­der­freund­lich, weil die­se Ge­rä­te ge­ra­de mit je­nen Wisch­be­we­gun­gen steu­er­bar sind, die schon Klein­kin­der be­herr­schen. Ein Aspekt, der mich ver­wun­dert, weil er kaum dis­ku­tiert wird, und das Schei­tern des­sen, was wir Bil­dung nen­nen, of­fen­kun­dig macht, ist, dass die Elterngeneration(en), die noch oh­ne die­se Me­di­en aufwuchs(en), an Er­zie­hung (und Bil­dung) ih­res Nach­wuchs ge­schei­tert sind. Schei­tern meint, dass ein er­wach­se­ner Mensch sich nicht von sei­nem Smart­phone ver­ein­nah­men las­sen soll­te und sich in den di­gi­ta­len Wei­ten auch grund­sätz­lich wie ein Er­wach­se­ner ver­hal­ten soll­te. Es geht al­so nicht dar­um, den Um­gang mit die­sen Me­di­en zu ler­nen. Das gilt auch für den Dis­kurs: Sei­ne Grund­la­ge ist ei­ne prä­di­gi­ta­le.

  20. @ me­tep­si­lo­n­e­ma

    Man kann Kin­der nicht er­zie­hen, sie ma­chen ei­nem so­wie­so al­les nach (Karl Va­len­tin).

  21. Es gibt ja die­sen Be­griff der di­gi­tal na­ti­ves. Wir ge­hö­ren nicht zu die­sen, aber die di­gi­ta­le Welt ist uns nicht ganz fremd (sonst wür­den wir uns nicht hier tref­fen). Me­tep­si­lo­n­e­ma stim­me ich zwar zu, und fü­ge hin­zu, daß jün­ge­re El­tern­ge­nera­tio­nen in­zwi­schen auch schon di­gi­tal na­ti­ves sind und so­gar jün­ge­re Leh­rer mit Bü­chern nicht mehr rich­tig um­ge­hen kön­nen. Aber – Gre­gor K. weist manch­mal dar­auf hin – die­ser Ver­fall dis­kur­si­ver Kul­tur hat be­gon­nen, be­vor das In­ter­net in den All­tag von al­len ein­ge­drun­gen ist. Ich bin über­zeugt, daß das In­ter­net, wie es der­zeit ge­stal­tet und ver­wen­det wird, den Ver­lust hu­ma­ni­sti­scher Kom­pe­tenz ver­stärkt. Be­gon­nen hat das aber vor­her, das In­ter­net könn­te man als Per­fek­tio­nie­rung und end­gül­ti­ge Rea­li­sie­rung der Spaß­kul­tur se­hen, die sich mit dem wirt­schaft­lich-po­li­ti­schen Sie­ges­zug des Neo­li­be­ra­lis­mus ent­fal­te­te und qua­si in­sti­tu­tio­na­li­sier­te. Der Um­gang mit dem In­ter­net soll­te m. E. schon ein päd­ago­gi­sches The­ma sein. Un­be­dingt. Nicht die Tech­ni­ken des Ge­brauchs, son­dern Vor­aus­set­zun­gen, Mög­lich­kei­ten, Ge­fah­ren.
    Mei­ne per­sön­li­che Il­lu­si­on: Daß sich di­gi­ta­le und prä­di­gi­ta­le Kom­pe­ten­zen bün­deln las­sen. Die Wen­dig­keit, die zu­min­dest po­ten­ti­ell den di­gi­tal na­ti­ves eig­net, mit al­ter Gründ­lich­keit (den Din­gen auf den Grund ge­hen) kom­bi­nie­ren.

    @Karl Va­len­tin: Stimmt, Kin­der ma­chen al­les nach, im Gu­ten wie im Schlech­ten. Er­zie­hen kann man höch­stens die El­tern. Und die Leh­rer.

  22. @Leopold Fe­der­mair
    Das mein­te ich eben, der Ver­fall be­gann schon in der ana­lo­gen Zeit. — Na­tür­lich sol­len die neu­en Me­di­en ein päd­ago­gi­sches The­ma sein, aber da­vor gibt es vie­le Din­ge zu ler­nen, zu er­fah­ren, zu ent­wickeln: Kon­zen­tra­ti­on z.B., die über­all – könn­te man pes­si­mi­stisch sa­gen – ver­sie­gen­de Quel­le al­ler Kul­tur. Oder ei­nen Um­gang mit sei­ner in­ne­ren Welt, ei­ne emo­tio­na­le Sta­bi­li­tät aus der die Ver­nunft wach­sen kann. Usw. Da­nach ger­ne ein päd­ago­gi­sches The­ma zu den neu­en Me­di­en, al­les zu sei­ner Zeit. Heu­te ten­die­ren wir da­zu Kin­der­gar­ten­kin­dern The­men na­he­zu­brin­gen und Ent­schei­dun­gen auf­zu­bür­den, die die­se noch gar nicht ver­ste­hen kön­nen, die De­mo­kra­tie­er­zie­hung ist da­für ein gu­tes Bei­spiel.

    @Dieter Kief
    Ein net­tes Bon­mot, das al­ler­dings nur gilt, wenn man den Sub­jek­ten ei­ne ei­ge­ne Lo­gik ab­spricht. In Be­zug auf Kin­der heißt das, das »Wie« im Hin­blick auf das »Was« zu über­se­hen.

  23. Karl Va­len­tin ist ge­ni­al. Sie er­läu­tern sei­nen Satz. Aber Sie ma­chen ihn nicht ding­fest, me­tep­si­lo­n­e­ma. Das geht auch gar nicht; weil Karl Va­len­tin ge­ni­al ist.

    Ein Ron­do, he­he.