Der Gro­sse Krieg

Er­spart prak­tisch al­les an­de­re zum 1.Weltkrieg: Her­fried Mün­k­ler http://t.co/B9PomlFXLI

— frank­schirr­ma­cher (@fr_schirrmacher) 28. Ja­nu­ar 2014

»Er­spart prak­tisch al­les an­de­re zum 1.Weltkrieg: Her­fried Mün­k­ler« twit­ter­te Frank Schirr­ma­cher am 28. Ja­nu­ar 2014 und ver­link­te auf ein In­ter­view mit dem Au­tor in der FAZ. Ich kann das nicht be­ur­tei­len. Ne­ben ei­ni­gen ober­fläch­li­chen, zu­wei­len effekt­hascherischen Ge­denk­sen­dun­gen in Ra­dio und Fern­se­hen ha­be ich ne­ben Her­fried Mün­k­lers Buch »Der Gro­sse Krieg – Die Welt 1914–1918« nur noch Ernst Pi­pers »Nacht über Eu­ro­pa« ge­le­sen.

Die Bü­cher sind kaum mit­ein­an­der ver­gleich­bar. Mün­k­ler lie­fert ei­ne Ge­samt­über­sicht des Krie­ges auf rund 780 Sei­ten mit 70 Sei­ten klein­ge­druck­ter An­mer­kun­gen. Die Biblio­graphie am En­de des Bu­ches – sat­te 40, eben­falls klein­ge­druck­te Sei­ten mit über 800 Li­te­ra­tur­ver­wei­sen – bie­tet für na­he­zu je­des The­ma zum Er­sten Welt­krieg – und sei es noch so spe­zi­ell – Ver­tie­fungs­mög­lich­kei­ten. Pi­per bie­tet mit Pro­log und Ex­kur­sen 15 Auf­sät­ze auf 485 Sei­ten mit mehr als 50 Sei­ten An­mer­kungs­teil. Da­bei stellt er ein­zel­ne Aspek­te des Krie­ges in den Vor­der­grund wie die Kriegs­lust der In­tel­lek­tu­el­len, die Rol­le der Schweiz und das Wü­ten der Deut­schen in Bel­gi­en. De­tail­lier­te mi­li­tä­ri­sche und geo­stra­te­gi­sche Er­läu­te­run­gen feh­len da­ge­gen.

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Die Mit­te Deutsch­lands im Wech­sel der Zei­ten

Ge­schich­te kennt kein letz­tes Wort. (Wil­ly Brandt)

 

Ein Riss ging durch deut­sche Lan­de – von Tra­ve­mün­de bis zum ein­sti­gen Drei­län­der­eck bei Hof. Über vier­zig Jah­re. Die­se po­li­ti­sche wie geo­gra­phi­sche Tei­lung trenn­te Men­schen und Re­gio­nen. Ent­stan­den war aber auch ein (fast) un­be­kann­ter Land­schafts-Längs­schnitt in bei­den Deutsch­lands.

Grenzübergänge - Info Tafel in Mödlareuth (Foto © R. Lüdde)
Grenz­über­gän­ge – In­fo Ta­fel in Möd­lareuth (Fo­to © R. Lüd­de)
Aus al­ten Kul­tur­land­schaf­ten wa­ren Grenz­ge­bie­te ge­wor­den und nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung 1990 aus dem ein­sti­gen To­des­strei­fen ein Le­bens­band: Ein über 1393 Ki­lo­me­ter lan­ges mit 17 Na­tur­räu­men ver­bundenes »Grü­nes Band« zieht sich in­zwi­schen durch die Mit­te Deutsch­lands: ge­schütz­te Land­stri­che, un­mit­tel­bar am ehe­ma­li­gen Grenz­ver­lauf.

Das Na­tur­schutz­pro­jekt »Grü­nes Band« be­wahrt ei­nen Grün­gür­tel, ei­nen Kor­ri­dor durch stark zer­stückelte Land­schaft. Da­bei han­delt es sich um den so ge­nann­ten Ko­lon­nen­weg auf der ehe­ma­li­gen »De­mar­ka­ti­ons­li­nie« in ei­ner Brei­te zwi­schen 50 und 200 Me­tern. Über Jahr­zehn­te hat­te hier nur die Na­tur »Be­we­gungs­frei­heit«. Es ent­stand ei­ne Art Wild­nis in ei­ner sonst so in­ten­siv ge­nutz­ten land­schaftlichen Um­ge­bung: Brach­flä­chen wech­seln sich mit ver­busch­ten Ab­schnit­ten ab, Altgras­fluren mit Wald, Flüs­se mit Feucht­ge­bie­ten und Moo­ren.

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Stö­rung der Ge­müt­lich­keit

Über Mal­te Her­wigs »Die Flak­hel­fer« Seit vie­len Jah­ren treibt Mal­te Her­wig ein The­ma um: Die Ver­strickun­gen der so­ge­nann­ten Flak­hel­­fer-Ge­­ne­ra­ti­on in das NS-Re­­gime. Ob im »Spie­gel«, dem »Zeit-Ma­­ga­­zin«, im »stern« oder in »Deutsch­land­ra­dio Kul­tur« – im­mer wie­der über­rasch­te Her­wig mit Fun­den aus Ar­chi­ven, die das schein­bar Un­denk­ba­re doch be­le­gen: Et­li­che der­jenigen, die man (voll­kom­men zu Recht) ...

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In­ge­borg Bach­mann: Kriegs­ta­ge­buch

Her­aus­ge­ge­ben und mit ei­nem Nach­wort von Hans Höl­ler

Ingeborg Bachmann: Kriegstagebuch
In­ge­borg Bach­mann: Kriegs­ta­ge­buch
In­ge­borg Bach­mann hat­te mit Schreib­ma­schi­ne auf »sechs eng­zei­lig be­schrie­be­nen DIN-A-4-Blätter[n]« ih­re Er­leb­nis­se von März bis Ju­ni 1945 auf­ge­schrie­ben, wo­bei al­ler­dings der er­ste Ein­trag aus dem Sep­tem­ber 1944 stam­men könn­te, als In­ge­borg Bach­mann in die »Leh­rer­bil­dungs­an­stalt« ein­trat und in den letz­ten Mo­na­ten des Krie­ges Hilfs-Leh­re­rin wur­de. Ver­mut­lich schrieb sie die­se Sei­ten aus ih­rem (nicht er­hal­te­nen) Ta­ge­buch ab. Sie wer­den nun mit dem leicht rei­ße­ri­schen Ti­tel »Kriegs­ta­ge­buch« »erst­mals« (Klap­pen­text) ver­öf­fent­licht. Es be­ginnt im Buch auf Sei­te 9 und en­det auf Sei­te 24. Ab Sei­te 16 ist der Krieg zu En­de; man er­fährt von der bri­ti­schen Be­sat­zung und de­ren Ad­mi­ni­stra­ti­on, von Ver­hö­ren, Bach­manns eher apa­thi­schen El­tern und dem eu­pho­ri­schen Ge­fühl für den Frie­den, wel­che die fast Neu­zehn­jäh­ri­ge emp­fand – ganz im Ge­gen­satz zu den mei­sten an­de­ren Er­wach­se­nen im Ort, de­ren Welt zu­sam­men­brach.

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Bar­ba­ra Hoff­mei­ster: S. Fi­scher, der Ver­le­ger

Barbara Hoffmeister: S. Fischer - Der Verleger
Bar­ba­ra Hoff­mei­ster: S. Fi­scher – Der Ver­le­ger
In den 70er Jah­ren gab es im deut­schen Fern­se­hen ei­ne Sen­dung mit dem Ti­tel »Das ist ihr Le­ben«. Pro­mi­nen­te wur­de un­ter ei­nem Vor­wand in ein Stu­dio ge­lockt. Dort war­te­te ein auf­ge­kratz­ter Mo­de­ra­tor mit ei­nem Mäpp­chen auf sie, ging die ein­zel­nen Sta­tio­nen des Le­bens die­ses Pro­mi­nen­ten durch, lud ehe­ma­li­ge Freun­de und so­ge­nann­te Weg­ge­fähr­ten des Ga­stes ein (ty­pi­sche Kör­per­be­we­gung: die Um­ar­mung des seit Jah­ren nicht mehr Ge­se­he­nen) und frisch­te die Kar­rie­re­hö­he­punk­te auf (sel­te­ner die Rück­schlä­ge). Das hat­te ir­gend­wie den Charme von Klas­sen­tref­fen, Stamm­tisch und vor­weg­ge­nom­me­ner Grab­pre­digt. Un­ver­ges­sen die Per­si­fla­ge von Lo­ri­ot auf die­se Sen­dung, in der der Mo­de­ra­tor dem fik­ti­ven Schau­spie­ler »Ted Brown« man­gels Ver­füg­bar­keit kei­nen Schul­ka­me­ra­den aus der ei­ge­nen Klas­se prä­sen­tie­ren konn­te, son­dern nur je­man­den, der zur glei­chen Zeit in ei­ner an­de­ren Stadt zur Schu­le ging. »Er ist Ih­nen al­so völ­lig un­be­kannt« – und trotz­dem heu­te im Stu­dio. »Kön­nen wir jetzt ge­hen« fragt dann ir­gend­wann Ted Brown, als die Re­kon­struk­tio­nen im­mer ab­stru­ser wur­den.

Ein biss­chen er­in­nert Bar­ba­ra Hoff­mei­sters Buch »S. Fi­scher, der Ver­le­ger« an die­se Si­tua­ti­on. Da wer­den Zi­ta­te von Im­re Kér­tesz und Sieg­fried Un­seld in ei­ne Le­bens­ge­schich­te des aus­ge­hen­den 19. Jahr­hun­derts ein­ge­streut und man fragt sich wo­zu. Zwar ver­mei­det Hoff­mei­ster die Gat­tungs­be­zeich­nung »Bio­gra­fie« und ver­wen­det statt­des­sen den Be­griff der »Le­bens­be­schrei­bung«, aber so ganz ver­mag sie den bio­gra­fi­schen An­spruch nicht auf­zu­ge­ben. Die di­rek­te Quel­len­la­ge scheint al­ler­dings min­de­stens zu be­stimm­ten Le­bens­pha­sen Fi­schers eher dürf­tig. Hin­zu kommt ei­ne ver­tief­te Ver­schwie­gen­heit Fi­schers. Er hat­te we­der Ta­ge­buch ge­schrie­ben, noch äu­ßer­te er sich re­gel­mä­ßig in der Öf­fent­lich­keit. Da­her übt sich die Au­torin in Spe­ku­la­tio­nen, die sie je­doch im­mer­hin als sol­che kenn­zeich­net. Den­noch be­frem­den ir­gend­wann die zahl­los er­schei­nen­den Kon­junk­ti­ve. Na­tür­lich könn­te sich Fi­scher auf der Welt­aus­stel­lung am Stand der »Fir­ma S. Reich & Co.« be­fun­den ha­ben. Oder wo­mög­lich un­ter den Schau­lu­sti­gen ir­gend­ei­ner Ver­an­stal­tung ge­we­sen sein. Wahr­schein­lich war Fi­scher am 29. Ju­li 1890 bei der Grün­dungs­ver­samm­lung der »Frei­en Büh­ne« da­bei und wenn ja, so weiß Hoff­mei­ster zu­ver­läs­sig, dürf­te ihm die Mas­sen­ver­an­stal­tung nicht be­hagt ha­ben. Aber was wür­de dies be­deu­ten? Und war­um ver­stei­fen sich die­se Ver­mu­tun­gen ab und an fast zu Un­ter­stel­lun­gen?

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Ta­riq Ra­ma­dan: Mu­ham­mad

Tariq Ramadan: Muhammad
Ta­riq Ra­ma­dan: Mu­ham­mad

‘O ihr, die den Glau­ben ab­lehnt, [de­ren Her­zen ver­schlei­ert sind!] Ich ver­eh­re nicht, was ihr ver­ehrt, noch ver­ehrt ihr, was ich ver­eh­re! Ich bin kein Ver­eh­rer des­sen was ihr ver­ehrt, noch seid ihr Ver­eh­rer des­sen, was ich ver­eh­re. Euch eu­re Re­li­gi­on, und mir mei­ne Re­li­gi­on.’

Als ich das er­ste Mal da­von hör­te, dass Pier Pao­lo Pa­so­li­ni ei­nen Film über das Mat­thä­us­evan­ge­li­um ge­macht hat­te, dach­te ich, dass die­ser Film wohl ein Rie­sen­skan­dal ge­we­sen sein muss. Schließ­lich war Pa­so­li­ni Kom­mu­nist, Non­kon­for­mist und vor al­lem: Athe­ist. Von sei­ner Ho­mo­se­xua­li­tät, die in vie­len eu­ro­päi­schen Län­dern da­mals noch ganz of­fi­zi­ell als Ver­bre­chen galt und noch heu­te von der ka­tho­li­schen Kir­che ver­teu­felt wird, ganz zu schwei­gen. Aber als ich dann zum er­sten Mal den Film sah, war ich über­rascht. Und ver­zau­bert.

Der Film ist von 1964. Ge­dreht mit Lai­en­schau­spie­lern und in schwarz-weiß. Nichts wur­de hier hin­zu­ge­fügt; es ging tat­säch­lich um »Werk­treue«. Sug­ge­sti­ve Bild­spra­che und Mu­sik er­zeug­ten ei­ne Stim­mung, die ei­nem plötz­lich die Chan­ce bot, all dies für wahr zu hal­ten. So auch das na­tur­ge­mäß schwer zu glau­ben­de En­de. Der in­tel­lek­tu­ell-kor­rek­te Aus­weg ei­ner nur me­ta­pho­risch zu ver­ste­hen­den Auf­er­ste­hung war plötz­lich ei­ne all­zu ba­na­le Aus­re­de, der den Zau­ber die­ses Films, die­ser Si­tua­ti­on, die­ser Kon­stel­la­ti­on mut­wil­lig zer­stört hät­te. Und so re­du­zier­te Pa­so­li­ni Je­sus von Na­za­reth nicht auf die Rol­le ei­nes So­zi­al­re­vo­lu­tio­närs (die­se Sicht gab es frei­lich auch), son­dern zeig­te des­sen Spi­ri­tua­li­tät als Ge­wiss­heit. Das brach­te ihm ei­ni­ges Un­ver­ständ­nis ein, weil sich vie­le von Pa­so­li­ni ei­ne »ra­di­ka­le­re« Sicht­wei­se wünsch­ten. Aber ra­di­ka­ler konn­te es gar nicht sein, es war nur nicht die »er­war­te­te« Ra­di­ka­li­tät (sprich: Geg­ner­schaft). Die Gret­chen­fra­ge lau­te­te: War Pa­so­li­ni wirk­lich ein Athe­ist? Die äs­the­ti­sche Ant­wort wä­re: Was spielt das für ei­ne Rol­le?

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Av­ra­ham Burg: Hit­ler be­sie­gen

Ein Buch wie ei­ne Hil­fe­schrei. Hier schreibt ei­ner, der ge­trie­ben ist von ei­ner bes­se­ren Welt. Ge­trie­ben von dem Auf­spren­gen ei­nes Teu­fels­rei­ses mit den Mit­teln der Ein­sicht, des Ar­gu­ments – und der Em­pa­thie. Der Au­tor ist Av­ra­ham Burg, 1955 ge­bo­ren, ehe­ma­li­ger Of­fi­zier in ei­ner Fall­schirm­jä­ger­ein­heit, ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der der »Je­wish Agen­cy« und ehe­ma­li­ger Knes­set-Spre­cher (ein viel­fach »Ehe­ma­li­ger« al­so). Burg ist Sohn ei­nes »Jeckes«, ei­nes Dresd­ner Uni­ver­si­täts­pro­fes­sors, der in Deutsch­land blieb so lan­ge es eben ging, für ei­ne Un­ter­or­ga­ni­sa­ti­on des Mos­sad in Pa­ris il­le­ga­le Ein­wan­de­rer her­aus­schmug­gel­te und da­für so­gar mit NS-Of­fi­zie­ren ver­han­del­te und spä­ter Mi­ni­ster in meh­re­ren is­rae­li­scher Re­gie­run­gen wur­de und ei­ner ara­bi­schen Jü­din, die als Kind nur mit Glück und Hil­fe (ih­res ara­bi­schen Ver­mie­ters) dem He­bron-Mas­sa­ker 1929 ent­kam. Die­ses Buch will er auch ver­stan­den wis­sen als Ge­spräch mit sei­nem (ver­stor­be­nen) Va­ter und als Dia­log­grund­la­ge für sei­ne Kin­der (uns es gibt be­rüh­ren­de Mo­men­te der An­nä­he­rung und der Be­wun­de­rung sei­nen El­tern ge­gen­über).

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Avraham Burg: Hitler besiegen
Av­ra­ham Burg: Hit­ler be­sie­gen
Von Jo­han­nes Rau stammt der Satz: »Ein Pa­tri­ot ist je­mand, der sein Va­ter­land liebt. Ein Na­tio­na­list ist je­mand, der die Va­ter­län­der der an­de­ren ver­ach­tet.« Ge­nau um die­se Dif­fe­renz geht es in dem Buch »Hit­ler be­sie­gen«: Burg ist ein Pa­tri­ot, der sich ge­gen das na­tio­na­li­stisch wer­den­de, sich iso­la­tio­ni­stisch ge­bär­den­de und da­bei mehr und mehr in Pa­ra­noia ver­fal­len­de Is­ra­el po­si­tio­niert und statt­des­sen sei­ne, die Wer­te sei­ner Fa­mi­lie, die Wer­te der Grün­der­vä­ter, die Wer­te ei­nes mo­der­nen, neu­en Ju­den­tums, set­zen möch­te.

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Da­lai La­ma (Ten­zin Gyat­so) / So­fia Stril-Re­ver: Mei­ne spi­ri­tu­el­le Au­to­bio­gra­phie

Dalai Lama: Meine spirituelle Biographie
Da­lai La­ma: Mei­ne spi­ri­tu­el­le Bio­gra­phie
Das freund­li­che Ge­sicht mit dem Lä­cheln, die et­was zu gro­ße Bril­le, das schein­bar im­mer­glei­che Mönchs­ge­wand. Ei­ne Mi­schung zwi­schen Kind­chen­sche­ma, wel­ches den Be­schüt­zer­geist mo­bi­li­siert und ei­ner uns in die­sem Aus­maß nicht mehr be­kann­ten Be­schei­den­heit, viel­leicht so­gar As­ke­se: Der Wie­der­erken­nungs­wert des Da­lai La­ma (Ten­zin Gyat­so) geht ein­her mit ei­nem er­staun­li­chen Zu­spruch, auch und ins­be­son­de­re in der west­li­chen Kul­tur. Es gibt Um­fra­gen, die ihm ei­ne hö­he­re Au­to­ri­tät zu­wei­sen als bei­spiels­wei­se dem Papst (von lo­ka­len Po­li­ti­kern oder In­tel­lek­tu­el­len erst gar nicht zu re­den). Und auch die hart­näckig­sten Zö­li­bats­kri­ti­ker spre­chen dem Da­lai La­ma nicht die Kom­pe­tenz ab, über Lie­be und Zu­nei­gung zu spre­chen, ob­wohl das Keusch­heits­ge­lüb­de es­sen­ti­ell für ei­nen Mönch ist, ge­hört es doch zu den vier grund­le­gen­den Ge­lüb­den – ne­ben dem Ver­bot zu tö­ten, zu ste­hen und zu lü­gen. So stellt er fest, dass die Be­frie­di­gung se­xu­el­ler Wün­sche nur vor­über­ge­hen­de Er­fül­lung brin­ge (was man für die Nah­rungs­auf­nah­me auch sa­gen könn­te) und plä­diert da­für die­ses Be­geh­ren ganz und gar als sol­ches wahr­zu­neh­men und es durch ei­nen Be­wusst­seins­pro­zess zu tran­szen­die­ren. Trot­zig und durch­aus hu­mor­voll zi­tiert er ei­nen in­di­schen Ge­lehr­ten mit den Wor­ten »Wenn es ei­nen juckt, dann kratzt man sich. Bes­ser, als sich zu krat­zen, ist aber, wenn es ei­nen gar nicht juckt.«

Es wä­re na­tür­lich ein Feh­ler, den Zu­spruch nur an Äu­ßer­lich­kei­ten fest­zu­ma­chen. So er­scheint die­ser Mann mit sei­ner na­tür­lich wir­ken­den Fröh­lich­keit und der im Kern (so schein­bar) ein­fa­chen Bot­schaft ge­paart mit ei­ner Nu­an­ce Exo­tis­mus, die ei­ne viel­leicht ernst­haf­te Be­schäf­ti­gung mit sei­nen The­sen wo­mög­lich eher be­hin­dert, wie ein fer­ner On­kel, dem man ab und zu ger­ne zu­hört und des­sen (me­dia­le) An­we­sen­heit ein woh­li­ges Ge­fühl des Ver­ständ­nis­ses er­zeugt. Zu­mal er sich auf die Er­stel­lung von Dia­gno­sen be­schränkt und kei­ne Im­pe­ra­ti­ve auf­stellt (was die Re­zep­ti­on ziem­lich be­quem macht).

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