Blick ins No­bel-Ar­chiv

Die teil­wei­se hef­ti­gen Dis­kus­sio­nen um die jüng­ste Ver­ga­be des Li­te­ra­tur­no­bel­prei­ses an Bob Dy­lan zei­gen, dass der Preis im­mer noch ei­ne ge­wis­se Strahl­kraft hat. An­son­sten wür­den sich die Emo­tio­nen nicht der­art hoch­schau­keln. We­nig Be­ach­tung fin­det da­bei, dass die Schwe­dische Aka­de­mie je­des Jahr ein klei­nes biss­chen ihr Ar­chiv öff­net. Mit dem je nach Tem­pe­ra­ment wohl­tu­en­den oder ob­so­let-hin­hal­ten­den Ab­stand von 50 Jah­ren wer­den die No­mi­nie­run­gen zu den No­bel­prei­sen ver­öf­fent­licht. Das Fin­den auf der Web­sei­te ist et­was kom­pli­ziert. Hat man sich aber erst ein­mal ein­ge­groovt, wird man mit in­ter­es­san­ten Er­kennt­nis­sen be­lohnt.

Der­zeit gibt es Zu­griff auf die No­mi­nie­rungs­li­sten zu den No­bel­prei­sen von 1901 bis 1965. Die Su­che kann leicht so­wohl über den Na­men als auch über das Ver­ga­be­jahr durch­geführt wer­den. Ins­ge­samt wa­ren bis da­hin 3005 No­mi­nie­run­gen für den Literaturnobel­preis ein­ge­gan­gen. 1901 la­gen 37 No­mi­nie­run­gen vor, 1965 wa­ren es be­reits 90. (Die Zahl ist in­zwi­schen deut­lich hö­her.) Ein Blick auf die Li­sten zeigt, dass ne­ben Ein­zel­vor­schlä­gen auch Sam­mel­no­mi­nie­run­gen meh­re­rer Per­sön­lich­kei­ten für ei­nen Kan­di­da­ten gab, die al­ler­dings nur ein­mal ge­zählt wur­den. Stu­diert man die Li­sten ge­nau, so gab es kei­ne Ga­ran­tie für den »Un­ter­le­ge­nen« bei ei­ner der näch­sten Preis­ver­ga­ben be­rück­sich­tigt zu wer­den.

Wei­ter­le­sen ...

Bar­ba­ra Hoff­mei­ster: S. Fi­scher, der Ver­le­ger

Barbara Hoffmeister: S. Fischer - Der Verleger
Bar­ba­ra Hoff­mei­ster: S. Fi­scher – Der Ver­le­ger
In den 70er Jah­ren gab es im deut­schen Fern­se­hen ei­ne Sen­dung mit dem Ti­tel »Das ist ihr Le­ben«. Pro­mi­nen­te wur­de un­ter ei­nem Vor­wand in ein Stu­dio ge­lockt. Dort war­te­te ein auf­ge­kratz­ter Mo­de­ra­tor mit ei­nem Mäpp­chen auf sie, ging die ein­zel­nen Sta­tio­nen des Le­bens die­ses Pro­mi­nen­ten durch, lud ehe­ma­li­ge Freun­de und so­ge­nann­te Weg­ge­fähr­ten des Ga­stes ein (ty­pi­sche Kör­per­be­we­gung: die Um­ar­mung des seit Jah­ren nicht mehr Ge­se­he­nen) und frisch­te die Kar­rie­re­hö­he­punk­te auf (sel­te­ner die Rück­schlä­ge). Das hat­te ir­gend­wie den Charme von Klas­sen­tref­fen, Stamm­tisch und vor­weg­ge­nom­me­ner Grab­pre­digt. Un­ver­ges­sen die Per­si­fla­ge von Lo­ri­ot auf die­se Sen­dung, in der der Mo­de­ra­tor dem fik­ti­ven Schau­spie­ler »Ted Brown« man­gels Ver­füg­bar­keit kei­nen Schul­ka­me­ra­den aus der ei­ge­nen Klas­se prä­sen­tie­ren konn­te, son­dern nur je­man­den, der zur glei­chen Zeit in ei­ner an­de­ren Stadt zur Schu­le ging. »Er ist Ih­nen al­so völ­lig un­be­kannt« – und trotz­dem heu­te im Stu­dio. »Kön­nen wir jetzt ge­hen« fragt dann ir­gend­wann Ted Brown, als die Re­kon­struk­tio­nen im­mer ab­stru­ser wur­den.

Ein biss­chen er­in­nert Bar­ba­ra Hoff­mei­sters Buch »S. Fi­scher, der Ver­le­ger« an die­se Si­tua­ti­on. Da wer­den Zi­ta­te von Im­re Kér­tesz und Sieg­fried Un­seld in ei­ne Le­bens­ge­schich­te des aus­ge­hen­den 19. Jahr­hun­derts ein­ge­streut und man fragt sich wo­zu. Zwar ver­mei­det Hoff­mei­ster die Gat­tungs­be­zeich­nung »Bio­gra­fie« und ver­wen­det statt­des­sen den Be­griff der »Le­bens­be­schrei­bung«, aber so ganz ver­mag sie den bio­gra­fi­schen An­spruch nicht auf­zu­ge­ben. Die di­rek­te Quel­len­la­ge scheint al­ler­dings min­de­stens zu be­stimm­ten Le­bens­pha­sen Fi­schers eher dürf­tig. Hin­zu kommt ei­ne ver­tief­te Ver­schwie­gen­heit Fi­schers. Er hat­te we­der Ta­ge­buch ge­schrie­ben, noch äu­ßer­te er sich re­gel­mä­ßig in der Öf­fent­lich­keit. Da­her übt sich die Au­torin in Spe­ku­la­tio­nen, die sie je­doch im­mer­hin als sol­che kenn­zeich­net. Den­noch be­frem­den ir­gend­wann die zahl­los er­schei­nen­den Kon­junk­ti­ve. Na­tür­lich könn­te sich Fi­scher auf der Welt­aus­stel­lung am Stand der »Fir­ma S. Reich & Co.« be­fun­den ha­ben. Oder wo­mög­lich un­ter den Schau­lu­sti­gen ir­gend­ei­ner Ver­an­stal­tung ge­we­sen sein. Wahr­schein­lich war Fi­scher am 29. Ju­li 1890 bei der Grün­dungs­ver­samm­lung der »Frei­en Büh­ne« da­bei und wenn ja, so weiß Hoff­mei­ster zu­ver­läs­sig, dürf­te ihm die Mas­sen­ver­an­stal­tung nicht be­hagt ha­ben. Aber was wür­de dies be­deu­ten? Und war­um ver­stei­fen sich die­se Ver­mu­tun­gen ab und an fast zu Un­ter­stel­lun­gen?

Wei­ter­le­sen ...