…sprach der Rechtsanwalt und ehemalige Bürgermeister von New York Rudolph Giuliani, um möglichen Diskussionen über die Frage, ob sein Mandant Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, bei einer möglichen Gerichtsverhandlung die Wahrheit sagen werde oder nicht, zuvorzukommen. Bei Gericht muß man schwören; man darf nichts als die Wahrheit sagen. Dieser Grundsatz ist in den Rechtsstaaten immer noch weithin akzeptiert. Eine Definition, was Wahrheit eigentlich sei, scheint nicht vonnöten. Hinterfragungen, zu denen meine Ausführungen über den Willen zum Nichtwissen anregen, sind in diesem Kontext nicht üblich und bringen den Beteiligten auch nichts, am wenigsten dem Angeklagten.
In den Massenmedien wurde Giulianos Spruch sogleich mit den »alternativen Fakten«, die Trump oder seine Untergebenen gelegentlich anbieten, in Zusammenhang gebracht. Freilich ist ein Fakt, eine Tatsache, etwas anderes als »die Wahrheit«. Wahrheit – oder ein Näherungswert an die hypothetische Wahrheit – stellt sich in der Regel durch Prüfung von Fakten her; nicht nur, aber auch durch Treue gegenüber den Fakten. Erzielte Wahrheitswerte in Bezug auf dieselbe Fragestellung können selbstverständlich voneinander abweichen. Die Perspektiven und Interessen sind unterschiedlich, vielleicht auch die einem konkreten Erkenntnisbemühen zugrundeliegenden ethischen Werte. Werden eine gemeinsame Bezugsebene und eine gemeinsame Spreche geleugnet, lassen sich solche Diskussionen allerdings gar nicht mehr führen. Was dann obsiegt, ist nicht das bessere Argument oder der klarere Blick auf die Tatsachen, sondern die Macht und das Eigeninteresse der Sprecher, ihre Lautstärke und die Fähigkeit, Massenmedien zu kontrollieren oder zu manipulieren.