Der Schwarm ist nicht nur di­gi­tal. Ei­ne Re­plik.

Das Netz und al­le da­mit ver­bun­de­nen Phä­no­me­ne las­sen sich nicht nur un­auf­ge­reg­ter, son­dern auch bes­ser ver­ste­hen, wenn man zwei (an­son­sten ei­gent­lich üb­li­che) An­nah­men trifft: Er­stens: Das Netz gibt es nicht, al­len­falls als Ver­ein­fa­chung und Ab­strak­ti­on, es ist ein Me­di­um über das In­di­vi­du­en mit­ein­an­der in­ter­agie­ren und kom­mu­ni­zie­ren, und da­mit viel­fäl­tig, wie die Welt selbst, auch wenn es nur ei­nen Teil der­sel­ben dar­stellt oder re­prä­sen­tiert. Zwei­tens: Al­le die dar­an teil­ha­ben, es ge­stal­ten oder kon­su­mie­ren, sind Men­schen und brin­gen grund­sätz­lich je­ne Mo­ti­ve, Hand­lun­gen oder Ver­hal­tens­wei­sen mit, die sie aus ih­rem All­tag ge­wohnt sind; des­halb soll­ten al­le Phä­no­me­ne des Net­zes zu­nächst ein­mal da­hin­ge­hend be­trach­tet wer­den, ob sie auch in der Welt au­ßer­halb des Net­zes be­ob­acht­bar sind. Das schließt nicht aus, dass die­ses Me­di­um spe­zi­fi­sche Pro­ble­me oder Phä­no­me­ne her­vor­bringt, för­dert oder fil­tert: Ge­nü­gen die be­kann­ten Er­klä­run­gen nicht mehr, dann müs­sen neue ge­fun­den und be­grün­det wer­den, die dann mit dem Me­di­um selbst zu­sam­men­hän­gen, es kenn­zeich­nen und als ty­pisch an­zu­se­hen wä­ren.

Wei­ter­le­sen ...

Se­lek­ti­ve Wahr­neh­mung

»Das gro­ße Schwei­gen der Au­toren« lau­tet die Über­schrift ei­nes Ar­ti­kels von Da­ni­el Lenz bei »Buch­re­port«. Er be­klagt dar­in, dass die »Hoch­ka­rä­ter« der deut­schen (!) Li­te­ra­tur nichts zur »di­gi­ta­len Re­vo­lu­ti­on« und dem Ver­lags- und Buch­han­dels­ster­ben sa­gen.

Wer wä­ren denn die »Hoch­ka­rä­ter«? Drei Bei­spie­le nennt er da: Rai­nald Goetz, Tho­mas Hett­che und Mat­thi­as Po­ly­ticki, die schnell als Pio­nie­re (oder ir­gend et­was in die­ser Rich­tung) apo­stro­phiert wer­den. El­frie­de Je­lin­eks »Neid«-Roman, der aus­schließ­lich und voll­stän­dig im Netz steht, nennt Lenz nicht. Ver­mut­lich, weil es kei­ne »deut­sche« Schrift­stel­le­rin ist. (Zu­ge­ge­ben: Der­zeit hat die HP Je­lin­eks tech­ni­sche Pro­ble­me, aber über über die­se Sei­te geht’s.)

Wei­ter­le­sen ...

Ver­fäng­li­che Ka­thar­sis

Dass Gui­do Knopp beim ZDF in Ren­te geht, hält Fern­seh­ver­ant­wort­li­che nicht von der wei­te­ren Na­zi-Fik­tio­na­li­sie­rung ab. Ge­stern al­so wie­der ein­mal zur be­sten Sen­de­zeit im Fern­se­hen ein Film über den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus. Dies­mal ging es um Er­win Rom­mel (ARD, 20:15 Uhr) (lä­cher­lich, wie die ARD in der Me­dia­thek den Film nur zwi­schen 20 und 6 Uhr zeigt und be­tont, er sei für »Ju­gend­li­che un­ter 12 Jah­ren« nicht ge­eig­net; ein ent­spre­chen­der Hin­weis un­ter­blieb ge­stern). Man fand ei­ne leid­lich il­lu­stre Be­set­zung vor; Ul­rich Tu­kur gab Er­win Rom­mel und wenn Tu­kur zur Re­de an­setz­te, ver­such­te er den Duk­tus Rom­mels zu er­rei­chen. Am Sonn­tag gibt es auf SWR2 im Rund­funk noch Hör­spiel ba­sie­rend auf Ni­ki Steins Film. War­um ei­gent­lich? Es gibt kei­nen An­lass. Da war wohl ein­fach ein Film fer­tig. Oder soll­te man bis 2014 war­ten – zum 70. To­des­tag des »Wü­sten­fuchs«? So­viel Eh­re dann doch nicht. Gut so.

Wei­ter­le­sen ...

Der neue Dä­mo­ni­sie­rungs­jour­na­lis­mus

Man stel­le sich vor: Ein pro­mi­nen­ter, äl­te­rer Hol­ly­wood-Schau­spie­ler (oder auch Schau­spielerin) tritt bei ei­ner Ver­an­stal­tung für Ba­rack Oba­ma auf, ima­gi­niert sich Oba­mas Her­aus­for­de­rer auf ei­nem lee­ren Stuhl und tritt in ei­nen Pseu­do-Dia­log mit ihm, in dem er des­sen Ver­spre­chun­gen und Hand­lun­gen lä­cher­lich macht. Das wä­re nicht be­son­ders ge­schmack­voll ge­we­sen, aber die De­le­gier­ten hät­ten es toll ge­fun­den, hät­ten ge­ju­belt. Und in den deut­schen Me­di­en hät­te man den Schau­spie­ler oder die Schau­spie­le­rin ge­lobt für den Kniff mit dem lee­ren Stuhl. Die Welt wä­re in Ord­nung, Gut und Bö­se wie­der ein­mal ein­deu­tig.

Wei­ter­le­sen ...

Der Rück­gang, der kei­ner ist

Die Weis­hei­ten der werk­täg­li­chen Bör­sen­sen­dung in der ARD sind zu­meist eh nur von be­schei­de­nem Rang. Da wird mit Zah­len jon­gliert und auch schon mal Sta­ti­sti­ken falsch aus­ge­wer­tet. Haupt­sa­che, die ge­ra­de gän­gi­ge Mei­nung (es sei al­les »grau und trost­los«) in den »Er­war­tungs­ba­ro­me­tern« wird ent­spre­chend be­bil­dert.

So ging es auch am 17.07., als das der­zeit sin­ken­de Wachs­tum Chi­nas halb tri­um­phal, halb re­si­gna­tiv ver­mel­det wur­de. Im zwei­ten Quar­tal wach­se die Wirt­schaft dort »nur« noch um 7,6% (was zwar im Ver­hält­nis zu Eu­ro­pa »mär­chen­haf­te« Zu­stän­de sei­en, aber im Ver­gleich zum durch­schnitt­li­chen Wachs­tum Chi­nas im Jahr 2007 mit 14% ein Rück­gang vom 46%. Die­se Aus­sa­ge wird mit ei­ner Gra­phik un­ter­stützt und wört­lich sagt der Be­richt­erstat­ter Mar­kus Gür­ne: »Bin­nen fünf Jah­ren ging es al­so um 46% berg­ab.«

Wei­ter­le­sen ...

Nicht be­müht

Gro­ße Em­pö­rung bei Po­li­ti­kern von CDU und FDP – und auch in der Schweiz: Das Land Nord­rhein-West­fa­len hat wie­der ein­mal ei­ne CD mit ge­stoh­le­nen Da­ten von deut­schen Steu­er­sün­dern auf­ge­kauft. Sol­che Vor­gän­ge sind um­strit­ten, da der Staat wi­der­recht­lich an­ge­eig­ne­te Da­ten aus­wer­tet. Aber dar­um geht es schon lan­ge mehr: Es geht um’s Geld und Lan­des­re­gie­run­gen un­ter­schied­li­cher po­li­ti­scher Cou­leur hat­ten in der Ver­gan­gen­heit Lö­se­gel­der für der­ar­ti­gen Da­ten­trä­ger be­zahlt (die sich dann sehr schnell amor­ti­sier­ten).

Die Em­pö­rung rich­tet sich da­hin­ge­hend, dass die SPD/­Grü­nen-Lan­des­re­gie­rung in NRW ei­nen Auf­kauf ei­ner sol­chen CD vor­ge­nom­men hat, wäh­rend­des­sen das so­ge­nann­te Steu­er­ab­kom­men zwi­schen der Schweiz und Deutsch­land im Bun­des­rat von eben die­sen Par­tei­en blockiert wird. Der NRW-Fi­nanz­mi­ni­ster be­grün­det den Auf­kauf da­mit, dass das Ab­kom­men noch nicht in Kraft sei und man sich da­her nicht so ver­hal­ten brau­che. Der FDP-Ge­ne­ral­se­kre­tär be­klag­te sich, die rot-grü­ne Re­gie­rung »ma­che mit dem An­kauf deut­lich, dass sie sich nicht an das ge­plan­te Steu­er­ab­kom­men mit der Schweiz hal­ten wol­le«.

Wei­ter­le­sen ...

Igno­ranz als Prin­zip

Am Don­ners­tag be­gin­nen die Bach­mann­preis­le­sun­gen – zwi­schen Fuß­ball-EM und Olym­pi­schen Spie­len. Nicht, dass die Ver­an­stal­tun­gen ir­gend­wie zu ver­glei­chen wä­ren, aber ich möch­te dann doch für je­de me­dia­le Ver­wen­dung der Flos­kel »Wett­le­sen« – des blöd­sin­nig­sten Be­grif­fes, den es für die­se Ver­an­stal­tung gibt – nur 10 Cent be­kom­men. Da­nach könn­te ich wohl ein oppu­len­tes Abend­essen mit Freun­den ab­hal­ten.

Man ist ja ge­neigt, je­de Prä­senz in den Me­di­en zu ei­ner sol­chen Ver­an­stal­tung (be­son­ders im Vor­feld) zu be­grü­ßen. Aber da man sich lei­der ein biss­chen aus­kennt, ist die Freu­de eher ge­ring. Da wird am 1. Ju­li in ei­ner Li­te­ra­tur­grup­pe auf Face­book lau­nig ge­fragt, wer denn den Preis ge­win­nen »soll«. Die Ant­wor­ten sind na­tur­ge­mäß eher fra­gend. Auf den Hin­weis, man ken­ne die Tex­te nicht, wer­den die Links zu den Vi­deo­por­traits der Le­sen­den ge­setzt. Als wür­de dies al­lei­ne schon et­was über die Qua­li­tät der Tex­te aus­sa­gen. Ei­nen Hin­weis dar­auf kon­tert man pat­zig, die Re­gu­la­ri­en wür­den nun nicht un­se­ret­we­gen ge­ändert – und nun be­ginnt man, die­se Re­gu­la­ri­en zu zi­tie­ren. Da­bei hät­te man bei vor­heriger Lek­tü­re ge­merkt, wie dumm die­se Fra­ge nach dem »ver­dien­ten« Preis ist, es sei denn, man fällt ein Ur­teil auf­grund der (zu­meist nichts­sa­gen­den) Por­trait­film­chen. (Nur als Hin­weis: Die Bei­trags­tex­te sind für die Öf­fent­lich­keit bis zum Zeit­punkt der Le­sung nicht zu­gäng­lich.) Wo­bei die Ver­wun­de­rung über die­se Form des Um­gangs mit Li­te­ra­tur auch nicht mehr so ganz neu­ar­tig ist. Igno­ranz als Prin­zip. Oder: Wer ist denn heu­te noch so klein­lich und ur­teilt auf­grund ei­nes vor­lie­gen­den Tex­tes?

Wei­ter­le­sen ...