Mi­cha­el Götschen­berg: Der bö­se Wulff?

michael-goetschenberg-der-boese-wulffVor ei­nem Jahr trat Chri­sti­an Wulff vom Amt des Bundes­präsidenten zu­rück. Über mehr als zwei Mo­na­te pras­sel­te da­mals das me­dia­le Dau­er­feu­er auf ei­nen am­tie­ren­den Bun­des­prä­si­den­ten ein. Mi­cha­el Götschen­berg, Lei­ter des Haupt­stadt­bü­ros von RBB, MDR, Ra­dio Bre­men und des Saar­län­di­schen Rund­funks, be­müht sich in sei­nem Buch »Der bö­se Wulff?« aber nicht nur um die Auf­ar­bei­tung der di­ver­sen Wulff-Af­fä­ren (die ge­le­gent­lich auch nur lä­cher­li­che Af­fär­chen wa­ren), son­dern un­ter­sucht die Um­stän­de vor bzw. bei der Wahl Wulffs und gibt ei­nen Über­blick über die 598 Ta­ge der Prä­si­dent­schaft. Da­bei zieht er was die Amts­zeit an­geht ein über­aus po­si­ti­ves Fa­zit und mag so gar nicht in die ne­ga­ti­ven Stim­men der Jour­na­li­stik ein­stim­men, die, wie man heu­te nach­le­sen kann und Götschen­berg auch zeigt, durch die Dy­na­mik der Um­stän­de ein­ge­färbt wa­ren (und im­mer noch sind).

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Rü­di­ger Din­ge­mann: »Tatort«-Lexikon (E‑Book)

Rüdiger Dingemann: Tatort Lexikon (E-Book)
Rü­di­ger Din­ge­mann: Tat­ort Le­xi­kon (E‑Book)
Rü­di­ger Din­ge­mann hat sein »Tatort«-Lexikon von 2010 für die E‑­Book-Aus­ga­be er­gänzt und er­wei­tert. Es sind jetzt al­le Fol­gen bis 11. No­vem­ber 2012 er­fasst. Das sind ins­ge­samt 849 (im Print-Buch wa­ren es 765). Nicht nur je­de ein­zel­ne Fol­ge ist dort chro­no­lo­gisch mit ei­ner klei­nen In­halts­an­ga­be auf­ge­führt (der Sortierungs­schlüssel ist ein­fach: fort­lau­fen­de Fol­ge und nach dem Schräg­strich das Erst­aus­strah­lungs­jahr). Man fin­det auch An­ga­ben zur Quo­te bzw. zum Markt­an­teil, den Dreh­buch­au­tor, Re­gis­seur, die Haupt­dar­stel­ler und ei­ne kur­ze In­halts­an­ga­be.

Der Es­say aus dem Print­buch wur­de ein biss­chen ver­än­dert, klei­ne­re Kor­rek­tu­ren an­ge­bracht und die Zwi­schen­über­schrif­ten wur­den zu ei­ge­nen Ka­pi­teln. Es gibt im­mer noch ei­ne Zeit­rei­se in die »Tatort«-Geschichte mit zahl­rei­chen Ku­rio­si­tä­ten. Hervorge­gangen aus der »Stahlnetz«-Reihe, die sich, im Ge­gen­satz zu den »Tatort«-Folgen, an Ori­gi­nal­fäl­len ori­en­tier­te, soll­te ei­ne Art Ge­gen­ge­wicht zur seit 1968 im ZDF er­folg­rei­chen Kri­mi­rei­he »Der Kom­mis­sar« ge­schaf­fen wer­den. Der Ge­dan­ke, den Fö­de­ra­lis­mus an di­ver­sen Schau­plät­zen mit un­ter­schied­li­chen Er­mitt­lern zu spie­geln, er­wies sich, so Din­ge­mann, als Glücks­griff.

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Pe­ter Slo­ter­di­jk: Zei­len und Ta­ge

Peter Sloterdijk: Zeilen und Tage
Pe­ter Slo­ter­di­jk: Zei­len und Ta­ge

In den Vor­be­mer­kun­gen zu die­sem Buch heißt es, dass es der Über­re­dungs­kün­ste von Rai­mund Fellin­ger und Ul­rich Raulff be­durft ha­be, um die zwölf ta­ge­buch­ar­ti­gen »Hef­te« von Pe­ter Slo­ter­di­jk, die zwi­schen dem 8. Mai 2008 und dem 8. Mai 2011 (!) ent­stan­den sind, zu ver­öf­fent­li­chen. Die­ses ge­spreiz­te Un­der­state­ment un­ter­stützt Slo­ter­di­jk in dem er für ei­nen kur­zen Mo­ment so­gar von sich in der drit­ten Per­son spricht. Schließ­lich wur­de dem Drän­gen nach­ge­ge­ben, die Hef­te 100 bis 111 wur­den tran­skri­biert und si­cher­lich auch lek­to­riert (al­te Recht­schrei­bung!). Lei­der hat man da­bei das Inhalts­verzeichnis ver­ges­sen, denn dort wer­den für Heft 105 und Heft 106 fal­sche Da­ten ge­nannt; ei­ne Pe­ti­tes­se zwar, aber är­ger­lich.

Vor­ab sei ge­sagt: »Zei­len und Ta­ge« ist kein Stein­bruch, son­dern ein weit­ver­zweig­tes, zu­wei­len la­by­rin­thisch an­mu­ten­des Stol­len­sy­stem mit vie­len ver­schie­de­nen Ein- und Aus­gän­gen und ge­le­gent­li­chen Sack­gas­sen. Mit der er­sten Lek­tü­re die­ses Bu­ches soll­te der Le­ser sei­ne ei­ge­ne Kar­to­gra­phie die­ses Kon­vo­luts an­fer­ti­gen um dann, je nach Zeit und Ge­le­gen­heit, die Gold­pfan­nen ziel­ge­rich­tet krei­sen las­sen zu kön­nen. So man­ches Körn­chen wird bei der zwei­ten oder drit­ten Lek­tü­re um­so hel­ler auf­leuch­ten.

Da wird do­ziert, re­flek­tiert, brüs­kiert, iro­ni­siert, rä­so­niert, bram­ar­ba­siert und, vor al­lem, phi­lo­so­phiert.

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Frank Bra­dy: End­spiel

Frank Brady: Endspiel
Frank Bra­dy: End­spiel
Es ist fast auf den Tag ge­nau 40 Jah­re her, dass der Ame­ri­ka­ner Bob­by Fi­scher in Reykja­vik Bo­ris Spasski be­sieg­te und Schach­welt­mei­ster wur­de. Die schier über­mäch­ti­ge Do­mi­nanz der so­wje­ti­schen Schach­spieler war ge­bro­chen. Über­la­gert wur­den die letz­ten Ta­ge des Fi­na­les die­ses heu­te noch als denk­würdig gel­ten­den Zwei­kamp­fes von den be­gin­nen­den Olym­pi­schen Spie­len in Mün­chen (und spä­ter dem Ter­ror­an­schlag eben­da). Schon da­mals war man un­ge­dul­dig und in­ter­es­sier­te sich mehr für die un­über­wind­lich schei­nen­den Pro­ble­me zwei Mo­na­te vor­her, die den Schach­wett­kampf fast zum Plat­zen ge­bracht hät­ten. Bob­by Fi­scher galt – freund­lich for­mu­liert – als ex­zen­trisch, stell­te Be­din­gun­gen, die bis ins klein­ste De­tail gin­gen und droh­te stän­dig, den Wett­kampf­ort zu ver­las­sen. Mehr­mals wa­ren die Rück­flü­ge schon ge­bucht. Die er­ste Par­tie hat­te er ver­lo­ren und fühl­te sich durch ei­ne Ka­me­ra ge­stört. Zur zwei­ten Par­tie trat er nicht an, da sei­ne For­de­rung, al­le Ka­me­ras aus dem Spiel­saal zu ent­fer­nen, nicht um­ge­setzt wur­de. Nun droh­ten die So­wjets ih­rer­seits, Spasski wer­de Reykja­vik ver­las­sen soll­te Fi­scher nicht an­tre­ten. Fi­scher kam nicht zur Par­tie, Spasski ge­wann die­se kampf­los und lag nun mit 2:0 in Füh­rung. Der Weltschach­verband FIDE, da­mals Mo­no­po­list, te­le­gra­phier­te an den Schieds­rich­ter Lo­thar Schmid, dass Fi­scher dis­qua­li­fi­ziert wer­den soll­te, wenn er wei­ter­hin nicht zu den Par­tien er­schei­nen soll­te. Die ame­ri­ka­ni­sche Pu­bli­zi­stik fleh­te Fi­scher an. Vor­her hat­te schon Hen­ry Kis­sin­ger in ei­nem per­sön­li­chen Te­le­fo­nat an Fi­schers Pa­trio­tis­mus ap­pel­liert. Schließ­lich hat­te Fi­scher dann durch­ge­setzt, dass ihm (und Spasski) ein Teil der Ein­trittsgelder eben­falls zu­kom­men soll­ten. Da­mit hät­te er selbst bei ei­nem Ver­lust rund 120.000 Dol­lar er­hal­ten; ei­ne für da­ma­li­ge Zei­ten in Ver­bin­dung mit Schach un­fass­bar ho­he Sum­me. End­lich kam der di­plo­ma­tisch-klu­ge Lo­thar Schmid auf ei­ne ret­ten­de Idee, das Match ging wei­ter, Fi­scher ge­wann mit bril­lan­ten Spiel – und die­ser Wett­kampf wird heu­te in der Tra­di­ti­on von Mu­ham­mad Alis »Rum­ble in the Jungle« als Jahrhundert­event ein­ge­ord­net.

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Mark Greif: Blue­screen

Sechs qua­li­ta­tiv un­ter­schied­li­che Es­says von Mark Greif sind im Band »Blue­screen« ver­sam­melt. »Ein Ar­gu­ment vor sechs Hin­ter­grün­den« heißt es ein biss­chen mon­strös im Un­ter­ti­tel, wo­bei man sich am En­de der Lek­tü­re fragt, wel­ches Argu­ment denn wohl ge­meint ist, au­ßer viel­leicht je­nes, dass al­les ir­gend­wie was mit Me­di­en zu tun hat und das Blue­­screen-Ver­fah­ren des Fern­se­hens As­so­zia­tio­nen mit dem Him­mel wecken könn­te (da­her ver­mut­lich auch der pro­gressive Ge­dan­ke, dem Büch­lein ei­ne gelb-oran­ges Co­ver zu ver­passen). Greifs Stär­ke ist ein­deu­tig nicht die Ana­ly­tik, was er je­doch – an­ders als so manch an­de­rer Es­say­ist – lei­der nicht mit ei­ner ge­wis­sen Sprach­mäch­tig­keit zu kom­pen­sie­ren ver­mag. Auch die As­so­zia­tio­nen, die er ent­wickelt, sind be­dau­er­li­cher­wei­se nur be­grenzt geist­voll.

Aber der Rei­he nach. Zwei Es­says fal­len deut­lich ab und sind letzt­lich nur argumen­tationsfreie The­sen­auf­sät­ze. In »Ge­setz­ge­bung aus dem Bauch her­aus oder: Umver­teilung« greift der Au­tor zu­nächst das ri­tua­li­sier­te Ven­ti­lie­ren von An­sich­ten zu al­lem und je­dem als Mei­nungs­hu­be­rei an, um dann sel­ber in sol­che zu ver­fal­len und mit ei­ner als sur­re­al be­zeich­ne­ten Ge­setz­ge­bung dem In­di­vi­dua­lis­mus das Wort zu re­den, ein be­din­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men zu for­dern (10.000 Dollar/Jahr) und al­le Ein­kom­men über 100.000 Dol­lar im Jahr zu 100% zu be­steu­ern. Da­bei nennt er au­ßer sei­nem Ge­rech­tig­keits­emp­fin­den lei­der kei­ne Grün­de und so bleibt nur ein im­mer­hin gut ge­mein­ter Text. Und in sei­nem Auf­satz über You­tube spielt er mit der The­se, dass das Le­ben oh­ne In­ter­net frü­her an­ge­neh­mer ge­we­sen sei und mo­niert am En­de, dass You­tube kein sau­ber ver­wal­te­tes chro­no­lo­gi­sches Ar­chiv vor­wei­sen kann und da­mit ge­nau so ge­dächt­nis­los sei wie das Fern­se­hen.

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Jörn Kla­re: Was bin ich wert?

Jörn Klare: Was bin ich wert?
Jörn Kla­re: Was bin ich wert?

Ei­ne Re­por­ta­ge aus Al­ba­ni­en und ein mit­ge­hör­tes Ge­spräch in der U‑Bahn über ei­nen Raub­mord mit ei­ner »Beu­te« von 100 Eu­ro – ir­gend­wann be­ginnt die Fra­ge Was ist ein Le­ben wert? Ge­nau­er: Wie­viel ist ein Le­ben wert? Jörn Kla­re zu be­schäf­ti­gen. Er be­schließt, zu re­cher­chie­ren. Das Pro­dukt die­ser Nach­for­schun­gen liegt nun vor. Der et­was pla­ka­ti­ve Un­ter­ti­tel ver­heißt so­gar »Ei­ne Preis­er­mitt­lung«.

Ei­nes muss man kon­ze­die­ren: Um­trie­big ist Kla­re durch­aus. In sei­nen 47 Ka­pi­teln durch­leuch­tet er sehr vie­le Fa­cet­ten der Mo­ne­ta­ri­sie­rung des Men­schen. Er be­fragt sei­ne Lieb­ste, den Schwa­ger, der ihn über das Headhunter(un)wesen auf­klärt, be­fasst sich aus­führ­lich mit der Ver­si­che­rungs­wirt­schaft, der Schmer­zens­geld­fest­stel­lung, fragt, was ein (to­ter) Sol­dat wert ist, er­läu­tert die Ab­wick­lung der Scha­den­er­satz­for­de­run­gen in den USA zum Ter­ror­an­schlag des 11. Sep­tem­ber 2001, möch­te mal sei­nen Na­men, mal sein Sper­ma ver­mark­ten (für letz­te­res ist er schon zu alt), un­ter­sucht das deut­sche Ge­sund­heits­we­sen, streift da­bei das Feld der Ge­sund­heits­öko­no­mie, sin­niert über den Or­gan­han­del und be­gibt sich un­ter po­ten­ti­el­le Me­di­ka­men­ten­te­ster (aus­ge­rech­net die Al­ten­hei­me klam­mert er aus, ob­wohl stän­dig von äl­te­ren Men­schen die Re­de ist).

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Die­ter We­del: Gier / ARD

Die­ter We­del hat ei­nen Film über die »Gier« ge­macht. Über Fi­nanz­jon­gleu­re, die An­le­gern sa­gen­haf­te Ren­di­ten ver­spre­chen. Wo­bei die mei­sten die­ser An­le­ger den Un­ter­schied zwi­schen Ren­di­te und Ge­winn noch nicht ein­mal so ge­nau ken­nen, wes­halb man die ver­ein­fa­chen­de For­mu­lie­rung »Fak­tor« ver­wen­det. »Fak­tor 13« be­deu­tet, dass man das 13fache des »ein­ge­setz­ten« Gel­des zu­rück­be­kom­men soll. Bei die­ser Art Ver­spre­chen fragt of­fen­sicht­lich nie­mand, wie dies ge­sche­hen soll. Die An­ti­zi­pa­ti­on des er­war­ten­den Ge­winns ge­nügt zu­erst ein­mal.

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Mat­thi­as Horx: Das Buch des Wan­dels

Matthias Horx: Das Buch des Wandels
Mat­thi­as Horx: Das Buch des Wan­dels

Das Pseud­onym von Mat­thi­as Horx in »World of War­craft« lau­tet Heil­prie­ster Pla­ne­ta­ri­us. Als man das un­ge­fähr in der Mit­te des Bu­ches er­fährt, ist man nicht mehr son­der­lich über­rascht. Hier ist je­mand, der nach lan­ger (und sug­ge­sti­ver) Re­de mit for­schem Ge­stus und an­gel­säch­sisch an­ge­hauch­tem Op­ti­mis­mus sei­nem Le­ser auf die Schul­ter klopft und »al­les Gu­te« wünscht. Lässt man sich auf sein »Buch des Wan­dels« ein, bleibt man zu­ver­läs­sig von den gro­ßen Ka­ta­stro­phen ver­schont. Fast ne­ben­bei soll sich beim Le­ser das woh­li­ge Ge­fühl ein­stel­len, Zig­tau­sen­de Sei­ten Lek­tü­re ge­spart zu ha­ben. Nach­fra­ger, Ab­wä­ger, Skep­ti­ker, Kri­ti­ker – sie ge­hören al­le­samt der Grup­pe der Alar­mi­sten an. Das hat man end­lich schwarz auf weiß. Da­ne­ben gibt es noch die mehr oder we­ni­ger gleich­gül­ti­gen Stoi­ker und, nach­dem die­se Zweiklas­sengesellschaft wi­der Er­war­ten doch nicht aus­reicht, kom­men noch die Wan­del­hek­ti­ker à la Slo­ter­di­jk da­zu, die nur mit Im­pe­ra­ti­ven agie­ren und re­gle­men­tie­ren kön­nen. Ein schö­ner Be­leg da­für, dass Horx Slo­ter­di­jks Buch nicht ver­stan­den hat. Aber wenn es nur das wä­re…

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