Vor einem Jahr trat Christian Wulff vom Amt des Bundespräsidenten zurück. Über mehr als zwei Monate prasselte damals das mediale Dauerfeuer auf einen amtierenden Bundespräsidenten ein. Michael Götschenberg, Leiter des Hauptstadtbüros von RBB, MDR, Radio Bremen und des Saarländischen Rundfunks, bemüht sich in seinem Buch »Der böse Wulff?« aber nicht nur um die Aufarbeitung der diversen Wulff-Affären (die gelegentlich auch nur lächerliche Affärchen waren), sondern untersucht die Umstände vor bzw. bei der Wahl Wulffs und gibt einen Überblick über die 598 Tage der Präsidentschaft. Dabei zieht er was die Amtszeit angeht ein überaus positives Fazit und mag so gar nicht in die negativen Stimmen der Journalistik einstimmen, die, wie man heute nachlesen kann und Götschenberg auch zeigt, durch die Dynamik der Umstände eingefärbt waren (und immer noch sind).
Kritik
Rüdiger Dingemann: »Tatort«-Lexikon (E‑Book)

Der Essay aus dem Printbuch wurde ein bisschen verändert, kleinere Korrekturen angebracht und die Zwischenüberschriften wurden zu eigenen Kapiteln. Es gibt immer noch eine Zeitreise in die »Tatort«-Geschichte mit zahlreichen Kuriositäten. Hervorgegangen aus der »Stahlnetz«-Reihe, die sich, im Gegensatz zu den »Tatort«-Folgen, an Originalfällen orientierte, sollte eine Art Gegengewicht zur seit 1968 im ZDF erfolgreichen Krimireihe »Der Kommissar« geschaffen werden. Der Gedanke, den Föderalismus an diversen Schauplätzen mit unterschiedlichen Ermittlern zu spiegeln, erwies sich, so Dingemann, als Glücksgriff.
Peter Sloterdijk: Zeilen und Tage

In den Vorbemerkungen zu diesem Buch heißt es, dass es der Überredungskünste von Raimund Fellinger und Ulrich Raulff bedurft habe, um die zwölf tagebuchartigen »Hefte« von Peter Sloterdijk, die zwischen dem 8. Mai 2008 und dem 8. Mai 2011 (!) entstanden sind, zu veröffentlichen. Dieses gespreizte Understatement unterstützt Sloterdijk in dem er für einen kurzen Moment sogar von sich in der dritten Person spricht. Schließlich wurde dem Drängen nachgegeben, die Hefte 100 bis 111 wurden transkribiert und sicherlich auch lektoriert (alte Rechtschreibung!). Leider hat man dabei das Inhaltsverzeichnis vergessen, denn dort werden für Heft 105 und Heft 106 falsche Daten genannt; eine Petitesse zwar, aber ärgerlich.
Vorab sei gesagt: »Zeilen und Tage« ist kein Steinbruch, sondern ein weitverzweigtes, zuweilen labyrinthisch anmutendes Stollensystem mit vielen verschiedenen Ein- und Ausgängen und gelegentlichen Sackgassen. Mit der ersten Lektüre dieses Buches sollte der Leser seine eigene Kartographie dieses Konvoluts anfertigen um dann, je nach Zeit und Gelegenheit, die Goldpfannen zielgerichtet kreisen lassen zu können. So manches Körnchen wird bei der zweiten oder dritten Lektüre umso heller aufleuchten.
Da wird doziert, reflektiert, brüskiert, ironisiert, räsoniert, bramarbasiert und, vor allem, philosophiert.
Frank Brady: Endspiel

Mark Greif: Bluescreen
Sechs qualitativ unterschiedliche Essays von Mark Greif sind im Band »Bluescreen« versammelt. »Ein Argument vor sechs Hintergründen« heißt es ein bisschen monströs im Untertitel, wobei man sich am Ende der Lektüre fragt, welches Argument denn wohl gemeint ist, außer vielleicht jenes, dass alles irgendwie was mit Medien zu tun hat und das Bluescreen-Verfahren des Fernsehens Assoziationen mit dem Himmel wecken könnte (daher vermutlich auch der progressive Gedanke, dem Büchlein eine gelb-oranges Cover zu verpassen). Greifs Stärke ist eindeutig nicht die Analytik, was er jedoch – anders als so manch anderer Essayist – leider nicht mit einer gewissen Sprachmächtigkeit zu kompensieren vermag. Auch die Assoziationen, die er entwickelt, sind bedauerlicherweise nur begrenzt geistvoll.
Aber der Reihe nach. Zwei Essays fallen deutlich ab und sind letztlich nur argumentationsfreie Thesenaufsätze. In »Gesetzgebung aus dem Bauch heraus oder: Umverteilung« greift der Autor zunächst das ritualisierte Ventilieren von Ansichten zu allem und jedem als Meinungshuberei an, um dann selber in solche zu verfallen und mit einer als surreal bezeichneten Gesetzgebung dem Individualismus das Wort zu reden, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu fordern (10.000 Dollar/Jahr) und alle Einkommen über 100.000 Dollar im Jahr zu 100% zu besteuern. Dabei nennt er außer seinem Gerechtigkeitsempfinden leider keine Gründe und so bleibt nur ein immerhin gut gemeinter Text. Und in seinem Aufsatz über Youtube spielt er mit der These, dass das Leben ohne Internet früher angenehmer gewesen sei und moniert am Ende, dass Youtube kein sauber verwaltetes chronologisches Archiv vorweisen kann und damit genau so gedächtnislos sei wie das Fernsehen.
Jörn Klare: Was bin ich wert?

Eine Reportage aus Albanien und ein mitgehörtes Gespräch in der U‑Bahn über einen Raubmord mit einer »Beute« von 100 Euro – irgendwann beginnt die Frage Was ist ein Leben wert? Genauer: Wieviel ist ein Leben wert? Jörn Klare zu beschäftigen. Er beschließt, zu recherchieren. Das Produkt dieser Nachforschungen liegt nun vor. Der etwas plakative Untertitel verheißt sogar »Eine Preisermittlung«.
Eines muss man konzedieren: Umtriebig ist Klare durchaus. In seinen 47 Kapiteln durchleuchtet er sehr viele Facetten der Monetarisierung des Menschen. Er befragt seine Liebste, den Schwager, der ihn über das Headhunter(un)wesen aufklärt, befasst sich ausführlich mit der Versicherungswirtschaft, der Schmerzensgeldfeststellung, fragt, was ein (toter) Soldat wert ist, erläutert die Abwicklung der Schadenersatzforderungen in den USA zum Terroranschlag des 11. September 2001, möchte mal seinen Namen, mal sein Sperma vermarkten (für letzteres ist er schon zu alt), untersucht das deutsche Gesundheitswesen, streift dabei das Feld der Gesundheitsökonomie, sinniert über den Organhandel und begibt sich unter potentielle Medikamententester (ausgerechnet die Altenheime klammert er aus, obwohl ständig von älteren Menschen die Rede ist).
Dieter Wedel: Gier / ARD
Dieter Wedel hat einen Film über die »Gier« gemacht. Über Finanzjongleure, die Anlegern sagenhafte Renditen versprechen. Wobei die meisten dieser Anleger den Unterschied zwischen Rendite und Gewinn noch nicht einmal so genau kennen, weshalb man die vereinfachende Formulierung »Faktor« verwendet. »Faktor 13« bedeutet, dass man das 13fache des »eingesetzten« Geldes zurückbekommen soll. Bei dieser Art Versprechen fragt offensichtlich niemand, wie dies geschehen soll. Die Antizipation des erwartenden Gewinns genügt zuerst einmal.
Matthias Horx: Das Buch des Wandels

Das Pseudonym von Matthias Horx in »World of Warcraft« lautet Heilpriester Planetarius. Als man das ungefähr in der Mitte des Buches erfährt, ist man nicht mehr sonderlich überrascht. Hier ist jemand, der nach langer (und suggestiver) Rede mit forschem Gestus und angelsächsisch angehauchtem Optimismus seinem Leser auf die Schulter klopft und »alles Gute« wünscht. Lässt man sich auf sein »Buch des Wandels« ein, bleibt man zuverlässig von den großen Katastrophen verschont. Fast nebenbei soll sich beim Leser das wohlige Gefühl einstellen, Zigtausende Seiten Lektüre gespart zu haben. Nachfrager, Abwäger, Skeptiker, Kritiker – sie gehören allesamt der Gruppe der Alarmisten an. Das hat man endlich schwarz auf weiß. Daneben gibt es noch die mehr oder weniger gleichgültigen Stoiker und, nachdem diese Zweiklassengesellschaft wider Erwarten doch nicht ausreicht, kommen noch die Wandelhektiker à la Sloterdijk dazu, die nur mit Imperativen agieren und reglementieren können. Ein schöner Beleg dafür, dass Horx Sloterdijks Buch nicht verstanden hat. Aber wenn es nur das wäre…