Von Quants und an­de­ren Mon­stern

Frank Schirr­ma­chers »Ego – Das Spiel des Le­bens« ist ei­ne wil­de Alarm­ma­schi­ne und ka­pi­tu­liert all­zu vor­ei­lig

Frank Schirrmacher: Ego - Das Spiel des Lebens
Frank Schirr­ma­cher: Ego – Das Spiel des Le­bens
Cover - Mario Puzo: Der Pate
Co­ver – Ma­rio Pu­zo: Der Pa­te

Das Co­ver von »Ego – Das Spiel des Le­bens« weckt As­so­zia­tio­nen an Ma­rio Pu­zos Buch (und auch dem Film) »Der Pa­te«. Hier wie dort das Sym­bol der Ma­ni­pu­la­ti­on: die Ma­rio­net­te. Am En­de zi­tiert Schirr­ma­cher den fran­zö­si­schen Schrift­steller Paul Va­lé­ry, des­sen Fi­gur Mon­sieur Te­ste die »Ma­rio­net­te« ge­tö­tet hat­te. Man muss ge­nau le­sen: Hier soll nicht die Ma­rio­net­te eman­zi­piert und von ih­ren Fä­den be­freit wer­den. Hier geht es um den Tod der Fi­gur. Erst wenn die­se tot ist, hat der Ma­rio­net­ten­spie­ler kei­ne Macht mehr. Das be­mer­kens­wer­te ist: Die Ma­rio­net­te sind wir sel­ber bzw. das, was im Lau­fe der Zeit Be­sitz von uns ge­nom­men hat. Der Tod der Ma­rio­net­te ist, so kann man das in­ter­pre­tie­ren, die Ex­or­zie­rung des Bö­sen in uns. Ob da der Satz Die Ant­wort war falsch als Slo­gan der Aus­trei­bung aus­reicht?

Wor­um geht es? Schon früh das Be­kennt­nis, das Buch be­stehe letzt­lich nur aus ei­ner einzige[n] The­se, die des »ökonomische[n] Im­pe­ria­lis­mus«: Da­mit ist ge­meint, dass die Ge­dan­ken­mo­del­le der Öko­no­mie prak­tisch al­le an­de­ren So­zi­al­wis­sen­schaf­ten er­obert ha­ben und sie be­herr­schen. Den Keim für die­se Ent­wick­lung zum »Öko­no­mis­mus« (das ist mei­ne For­mu­lie­rung, die wo­mög­lich un­ge­nau ist, aber viel­leicht ge­ra­de in ih­rer Verein­fachung vor­über­ge­hen­de Hil­fe­stel­lung bie­tet) fin­det Schirr­ma­cher im Er­folg der Spiel­theorie, die, so die The­se, den Kal­ten Krieg so­zu­sa­gen ge­won­nen ha­be. Als das planwirt­schaftliche Sy­stem ob­so­let wur­de, ahn­te nie­mand, wel­che Aus­wir­kun­gen dies ha­ben wür­de. Die Phy­si­ker wech­sel­ten an die Wall Street und im­ple­men­tier­ten die Lo­gik des Kal­ten Krie­ges in die Ma­schi­nen, die dann ab den 1990er Jah­re im­mer mehr den Pri­vat­raum der Men­schen er­ober­ten.

Der neue Kal­te Krieg

Im Kal­ten Krieg galt das »Gleich­ge­wicht des Schreckens«. Wer den ato­ma­ren Erst­schlag aus­lö­ste, muss­te da­mit rech­nen, eben­falls ver­nich­tet zu wer­den. Zu­erst zu­schla­gen hieß, als Zwei­ter ver­nich­tet zu wer­den. Der Erst­schlag bot kei­nen Ge­winn­an­reiz. Die­ses Sze­na­rio muss­te im­mer wie­der neu an­ge­strebt und als Prä­mis­se eta­bliert blei­ben bzw. wer­den. Da­mit war klar: Kei­ner wür­de ris­kie­ren, die Welt un­ter­ge­hen zu las­sen, wenn er selbst da­bei drauf­gin­ge. Und das ist dar­aus nach 1990 ge­wor­den: Kei­ner wird ris­kie­ren, uns un­ter­ge­hen zu las­sen, wenn wir da­für ei­ne gan­ze Welt in den Ab­grund stür­zen, war 50 Jah­re spä­ter nach­weis­lich die Lo­gik der Too-big-to-fail-Stra­te­gen von Leh­man bis AIG.

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Sahra Wa­gen­knecht: Frei­heit statt Ka­pi­ta­lis­mus

Ist es nicht merk­wür­dig, dass bis heu­te ei­ni­ge der schlimm­sten Dik­ta­tu­ren ein »de­mo­kra­tisch« in ih­ren Staa­ten­be­zeich­nun­gen füh­ren? Und/oder als »Volks­republik« so et­was wie Plu­ra­lis­mus sug­ge­rie­ren? War­um wer­den so häu­fig be­stimm­te Ter­mi­ni aus­ge­rech­net dann ver­wen­det, wenn sie ex­akt das Ge­gen­teil des­sen be­deuten, was man ge­mein­hin da­mit ver­bin­det? Und was hat das dau­er­haft für Aus­wir­kun­gen auf das ...

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Ul­ri­ke Acker­mann: Eros der Frei­heit

Ulrike Ackermann: Eros der Freiheit
Ul­ri­ke Acker­mann: Eros der Frei­heit

Da sind die er­sten 70 Sei­ten. Jam­mer­or­gi­en über die Frei­heits­mü­dig­keit der säkular[n] Mo­der­ne, wi­der den pa­ter­na­li­sti­schen Staat und der Nei­gung sei­ner Bür­ger, die ein kru­des Ver­ständ­nis vom glo­ba­li­sier­ten Markt an den Tag le­gen, sich ge­gen die Frei­heit zu ent­schei­den um statt­des­sen ei­ne rund­um ver­sorgt zu wer­den. Da wird der Staat zum Gott-Er­satz ge­macht und der Markt, die­ser Hort der Frei­heit, der au­to­ri­tä­re Sy­ste­me à la longue de­sta­bi­li­siert, ver­schmäht. Das Ho­he­lied auf den Staat re­sul­tiert aus dem bür­ger­li­chen Selbst­haß (un­ter an­de­rem in der Frank­fur­ter Schu­le ver­ba­li­siert), ei­nem Er­be des Fa­schis­mus, Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und Kom­mu­nis­mus, je­ner sä­ku­la­ren Re­li­gio­nen, die das Er­be der Auf­klä­rung und vor al­lem der Ro­man­tik per­ver­tiert ha­ben.

Mit dem En­de des re­al exi­stie­ren­den So­zia­lis­mus der al­ten DDR ist auch, so Acker­mann, das al­te BRD-Mo­dell des rhei­ni­schen Kapitalismus…untergegangen. An des­sen Stel­le tritt jetzt der glo­ba­li­sier­te Markt und der Wett­be­werb, je­nes Ent­deckungs­ver­fah­ren und Ent­mach­tungs­in­stru­ment. Je­der ist dar­in sei­nes Glückes Schmied und nur der die Bür­ger in­fan­ti­li­sie­ren­de Staat, die­se sä­ku­la­re Um­ma, stellt sich mit neu­en Schi­ka­nen der Frei­heit der Markt­teil­neh­mer ent­ge­gen.

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Nai­vi­tät, Dumm­heit oder Faul­heit?

Wenn man in den letz­ten Wo­chen die Be­richt­erstat­tung ver­folgt hat, dann kann man nur noch mit dem Kopf schüt­teln. Da ist von ei­ner Kri­se der Au­to­mo­bil­in­du­strie die Re­de, die an­geb­lich al­les bis­her Ge­se­he­ne in den Schat­ten stellt. Ein ähn­li­ches Vo­ka­bu­lar hat­te man zwar im ver­gan­ge­nen Jahr schon an­ge­stimmt – frei­lich aus an­de­ren Grün­den (da­mals war es die Mehr­wert­steu­er­erhö­hung in Deutsch­land). Ein »Re­kord­jahr« war es dann doch ir­gend­wie.

Merk­mal solch alar­mi­sti­scher Pro­sa ist in der Re­gel, dass die Be­stä­ti­gung mit Fak­ten bzw. ei­ne halb­wegs neu­tra­le Ein­ord­nung des Phä­no­mens un­ter­bleibt. Wenn be­haup­tet wird, die Nach­fra­ge nach Au­to­mo­bi­len bre­che dra­stisch ein, bleibt un­be­rück­sich­tigt, auf­grund wel­cher (fal­scher) Pro­gno­sen über die Ab­nah­me die Pro­duk­ti­on be­ruh­te und wel­ches Ni­veau als Ba­sis für den »Ein­bruch« gilt. Tat­säch­lich war man An­fang des Jah­res von ei­nem un­ver­än­der­ten Nach­fra­ge­boom in Eu­ro­pa aus­ge­gan­gen. Das hat zu teil­wei­se aber­wit­zi­gen Über­ka­pa­zi­tä­ten ge­führt.

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