Durch Zufall vergangenen Samstag, den 1. März, auf »Wetten, dass…« gekommen und als Hintergrundberieselung angelassen. Irgendwann dann ein Italiener, der rückwärts über Hürden sprintete. Einmal stürzte er, aber er schaffte es.
Pflichtschuldigst danach Gottschalk zum Interview. So oft ich die Sendung sehe: Diese Interviews sind meist von oben herab; eine Peinlichkeit für den Interviewten. Gottschalk ist immer schon auf dem Sprung auf das Sofa. Dort ist sein Platz. Dort umgibt er sich mit den Schönen, Reichen und vor allem Prominenten. Diese haben auch immer ein Anliegen. Mal ist es ein Film, dann ein Buch oder eine CD oder DVD oder alles zusammen. Man duzt sich. Na klar, warum nicht. Distanz war gestern. Und mit den internationalen Stars und Sternchen gibt’s ein Bussi. Plaudereien für die Galerie. Wann kommt das Emblem »Dauerwerbesendung« eigentlich für »Wetten, dass...?«
Jerzy Jedlicki, Jahrgang 1930, Historiker an der Polnischen Akademie der Wissenschaften und spezialisiert auf Ideengeschichte, hat mit der Aufsatzsammlung »Die entartete Welt« ein aufschlussreiches Buch vorgelegt. Sein detailreicher, aber nie erdrückender Blick auf die Ideengeschichte des 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg, speziell auf die Degeneration d’anglaise, deren Schilderung mehr als die Hälfte des Buches ausfüllt, ist erfrischend unaufgeregt. Da wird nicht in jedem dritten Satz eine Kontinuität in das 20. Jahrhundert hinein konstruiert, behauptet oder nachgewiesen. Jedlicki baut auf die geschichtsbewusste Kompetenz des Lesers und dessen Fähigkeit, Fäden aufzunehmen und ggf. weiterzuspinnen oder zu verwerfen.
Und wenn er – wie im Vorwort – die Brücke zur Neuzeit schlägt und feststellt, dass der Begriff der »Krise« heute gnadenlos überstrapaziert wird und dadurch seine klaren semantischen Konturen verliert, kommt dies nie als primitives Zeitgeistbashing daher – eher im Gegenteil. Jedlicki zeigt speziell am Beispiel Englands und Frankreichs, dass ungefähr seit der industriellen Revolution parallel zu den enthusiasmierten, teilweise futuristisch oder anderswie ideologisch beeinflussten Fortschrittsgläubigen und –hörigen heterogene Gegenbewegungen hervortreten, die in einer Mischung zwischen historisch argumentierendem Geschichtspessimismus, verzweifelten Restaurationsbemühungen (insbesondere der Romantiker, die Jedlinki als Gegenaufklärer begreift und mit denen er vergleichsweise scharf ins Gericht geht) und nihilistischen Weltuntergangsprophezeiungen das mehr oder weniger baldige Ende der Zivilisation und/oder Kultur befürchten (gelegentlich auch herbei zu beschwören scheinen).
Der »Diskurs über die Krise« beginnt mit der Aufklärung
Zwar wird auf hohem Niveau die praktisch seit Existenz der Schriftkultur messbare Zivilisationskritik in vielen (westlichen) Kulturen erläutert, Jedlicki plädiert aber nachdrücklich für eine klare zeitliche Abgrenzung des Diskurses über die Krise. Von dem Zeitpunkt an, als die Menschen auf den Gedanken kommen und das Bewusstsein entwickeln selbst ihre Geschichte [zu] machen, also in dem Moment, als die Verantwortung des Menschengeschlechts oder zumindest seiner aufgeklärten Führer für diese Zivilisation und für Europa anerkannt wird, beginnt das, was er zusammengefasst Degeneration…der Fortschrittsidee nennt.
Diese beginnt also mit der Aufklärung (und dem damit verbundenen sukzessiven Zurückweichen der Religionen) Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts. Sie ist unweigerlich mit der zunehmenden, später rasant sich entwickelnden Industrialisierung verbunden, dem mechanischen Zeitalter, und wird durch sie befeuert. Einer der ersten, die im Menschen das »entartete Tier« sahen, war Rousseau. Auch für Schiller galt die »geistige Aufklärung« bereits als Verderbnis. Für andere war der Mensch des Fortschritts eine »moralisch recht primitive Spezies« mit »schier unglaublichem« – primär destruktiv empfundenen – »Potential«.
Der Grundzug der neuen Zeit ist nicht die Festigkeit der Überzeugungen – davon hatten wir immer mehr als genug -, sondern im Gegenteil eine Ungewissheit, die selbst jene Denker nicht verschont, die mit dem Absoluten auf vertrautem Fuss stehen, die aber wissen, dass heilige Gebote nur sehr verschwommene Hinweis geben, wie man in konfliktträchtigen und unübersichtlichen Situationen zu urteilen und zu handeln habe. Die Ethik der Erkenntnis heisst uns grösseren Respekt vor ehrlich eingestandenen Zweifeln als vor unzureichend begründeten Überzeugungen zu haben. So kann der Respekt vor der Wahrheit paradoxerweise zu einer Schwächung unserer moralischen Entschlossenheit im handeln führen.
1.1 Das personalisierte Verhältniswahlrecht
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein föderaler Bundesstaat. Alle vier Jahre wird der Bundestag gewählt, der wiederum den Bundeskanzler wählt.
Seit 1949 wird in der Bundesrepublik mit dem sogenannten personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt. Jeder Wähler hat bei der Bundestagswahl zwei Stimmen. Die Hälfte der Abgeordneten des Bundestages zieht über den jeweiligen Wahlkreis direkt ein. Dies wird über die Erststimme abgewickelt. Wer in »seinem« Wahlkreis die einfache Mehrheit der abgegebenen Erststimmen auf sich vereinigen kann, ist direkt gewählt.
Mit der Zweitstimme wählt der Wahlberechtigte die Landesliste einer Partei. Aufgrund der Ergebnisse der Zweitstimmen wird festgesetzt, wie viele Sitze im Parlament auf die jeweilige Partei entfallen. Von dieser Gesamtzahl werden die Direktmandate abgezogen und die restlichen Sitze aus den Landeslisten der jeweiligen Parteien besetzt. Bei grösseren Differenzen gibt es sogenannte Ausgleichs- bzw. Überhangmandate.
Alles in allem enttäuschend: einen »Leserbeitrag« auf zeit.de zu posten. Man siehe hier.
Sicher, der Beitrag ist lang. Und das Thema des Mehrheitswahlrechts scheinbar langweilig (obwohl es in Österreich im vergangenen Jahr diskutiert wurde); unattraktiv. Und es ist als FDP‑, Grünen- oder Linke-Anhänger ein Affront. Vielleicht auch, weil man vom Gewohnten nicht abweichen will. Im Prinzip hat es mit mangelndem Selbstbewusstsein der eigenen politischen Kraft zu tun. Auch das: verzeihlich.
Andreas Elter, seit Oktober 2007 Professor für Journalistik an der Universität zu Köln, entwirft in seinem Buch »Propaganda der Tat – Die RAF und die Medien« zunächst eine Art Psychogramm terroristischer Gruppen, wobei er es merkwürdigerweise vermeidet, eine Definition des Terrorismus an sich vorzunehmen und die gruppendynamischen Prozesse innerhalb der Gruppe(n) mit aufführt. Das zeigt sich im Laufe des Buches manchmal als kleine Schwäche und wenn er am Ende meint, der Terrorismus habe sich in den letzten dreissig Jahren verändert, weil jetzt nicht nur unbeteiligte Personen sozusagen »zufällig« Opfer von Anschlägen werden, sondern diese Zivilisten inzwischen mit Vorsatz umgebracht werden, so spricht Elter einen wesentlichen Punkt an, der – das zeigt er auch im Buch – der RAF im Laufe ihrer »Aktivitäten« enorme Sympathien gekostet hat. Das stellt er zwar durchaus anhand der einzelnen Anschläge auch fest, dennoch vermeidet er eine direkte Dekonstruktion der Selbsteinschätzung der RAF als Guerilla. Dies vermutlich deshalb, weil er zumindest den Anfängen der RAF, diesem Zerfallsprodukt der Studentenbewegung, eine gewisse moralische Legitimation (und Autorität) nicht per se abspricht.
Vergleicht man Elters Punkte mit den Merkmalen des Terrorismus, wie sie Louise Richardson in »Was Terroristen wollen« formuliert hat, ergeben sich im für dieses Buch entscheidenden Punkt – der medialen »Vermarktung« des Terrors – deutliche Parallelen. Überraschend hierbei ist dann, dass Richardsons Charakteristikum der medialen Komponente deutlicher formuliert ist als bei Elter. Sie schreibt: »Zweck von Terrorismus ist nicht, den Feind zu besiegen, sondern eine Botschaft zu verkünden.« Bei Elter klingt das ein bisschen nebulöser: Terroristische Gruppen setzen primär auf physische Gewalt (die aber gleichzeitig psychische Wirkungen intendiert) und spektakuläre Aktionen, welche die massenmediale Verbreitung sicherstellen, die Öffentlichkeit erreichen und einen langfristigen Schockeffekt herbeiführen sollen.
Da war wohl gestern das Aftershow-Party-Bier bei »Anne Will« nicht so gut. Denn was Henryk M. Broder in offensichtlich verkaterter Stimmung da auf seiner Achse des Blöden gegen Stefan Niggemeiers Beitrag aus der Feder geflossen ist (oder in die Tastatur ejakuliert hat), bestätigt die Diagnose »Broderline« als bedauernswerten Krankheitszustand; eine Art neumedialer Verwirrung und Wahrnehmungsstörung.
Über das Verschwinden der Vorurteile zu erzählen, das sei Epik – so heisst es an einer Stelle in der »Morawischen Nacht« von Peter Handke. So ganz sind diese Vorurteile (oder Urteile) bei den Damen und Herren Kritiker noch nicht verschwunden – es wird reichlich Buße festgestellt und manchmal kann es schlimmer sein, so hinterrücks, so ...