An­dre­as El­ter: Pro­pa­gan­da der Tat

Andreas Elter: Propaganda der Tat

An­dre­as El­ter: Pro­pa­gan­da der Tat

An­dre­as El­ter, seit Ok­to­ber 2007 Pro­fes­sor für Jour­na­li­stik an der Uni­ver­si­tät zu Köln, ent­wirft in sei­nem Buch »Pro­pa­gan­da der Tat – Die RAF und die Me­di­en« zu­nächst ei­ne Art Psy­cho­gramm ter­ro­ri­sti­scher Grup­pen, wo­bei er es merk­wür­di­ger­wei­se ver­mei­det, ei­ne De­fi­ni­ti­on des Ter­ro­ris­mus an sich vor­zu­neh­men und die grup­pen­dy­na­mi­schen Pro­zes­se in­ner­halb der Gruppe(n) mit auf­führt. Das zeigt sich im Lau­fe des Bu­ches manch­mal als klei­ne Schwä­che und wenn er am En­de meint, der Ter­ro­ris­mus ha­be sich in den letz­ten drei­ssig Jah­ren ver­än­dert, weil jetzt nicht nur un­be­tei­lig­te Per­so­nen so­zu­sa­gen »zu­fäl­lig« Op­fer von An­schlä­gen wer­den, son­dern die­se Zi­vi­li­sten in­zwi­schen mit Vor­satz um­ge­bracht wer­den, so spricht El­ter ei­nen we­sent­li­chen Punkt an, der – das zeigt er auch im Buch – der RAF im Lau­fe ih­rer »Ak­ti­vi­tä­ten« enor­me Sym­pa­thien ge­ko­stet hat. Das stellt er zwar durch­aus an­hand der ein­zel­nen An­schlä­ge auch fest, den­noch ver­mei­det er ei­ne di­rek­te De­kon­struk­ti­on der Selbst­ein­schät­zung der RAF als Gue­ril­la. Dies ver­mut­lich des­halb, weil er zu­min­dest den An­fän­gen der RAF, die­sem Zer­falls­pro­dukt der Stu­den­ten­be­we­gung, ei­ne ge­wis­se mo­ra­li­sche Le­gi­ti­ma­ti­on (und Au­to­ri­tät) nicht per se ab­spricht.

Ver­gleicht man El­ters Punk­te mit den Merk­ma­len des Ter­ro­ris­mus, wie sie Loui­se Ri­chard­son in »Was Ter­ro­ri­sten wol­len« for­mu­liert hat, er­ge­ben sich im für die­ses Buch ent­schei­den­den Punkt – der me­dia­len »Ver­mark­tung« des Ter­rors – deut­li­che Par­al­le­len. Über­ra­schend hier­bei ist dann, dass Ri­chard­sons Cha­rak­te­ri­sti­kum der me­dia­len Kom­po­nen­te deut­li­cher for­mu­liert ist als bei El­ter. Sie schreibt: »Zweck von Ter­ro­ris­mus ist nicht, den Feind zu be­sie­gen, son­dern ei­ne Bot­schaft zu ver­kün­den.« Bei El­ter klingt das ein biss­chen ne­bu­lö­ser: Ter­ro­ri­sti­sche Grup­pen set­zen pri­mär auf phy­si­sche Ge­walt (die aber gleich­zei­tig psy­chi­sche Wir­kun­gen in­ten­diert) und spek­ta­ku­lä­re Ak­tio­nen, wel­che die mas­sen­me­dia­le Ver­brei­tung si­cher­stel­len, die Öf­fent­lich­keit er­rei­chen und ei­nen lang­fri­sti­gen Schock­ef­fekt her­bei­füh­ren sol­len.

Dy­na­mit und Ro­ta­ti­ons­druck

Wei­ter kon­sta­tiert El­ter, dass Ter­ro­ri­sten sich so­wohl der »Pro­pa­gan­da der Tat« als auch der »Pro­pa­gan­da des Worts« be­die­nen und sich zu ge­walt­sa­men Ak­tio­nen be­ken­nen. Sie ver­fol­gen so­mit das Ziel, ei­ne Es­ka­la­ti­ons­spi­ra­le in Gang zu set­zen und Mei­nun­gen und Hand­lun­gen zu be­ein­flus­sen. Das ist je­ner Me­cha­nis­mus, den Ri­chard­son als ei­ne der »drei Rs« aus­macht – die »Re­ak­ti­on«. Auch sie ver­wen­det den Be­griff der »Pro­pa­gan­da durch die Tat« und stellt fest: »Das, wenn man so will, Ge­nia­le am Ter­ro­ris­mus ist […], dass er Re­ak­tio­nen her­vor­ruft, die öf­ter im In­ter­es­se der Ter­ro­ri­sten sind als in dem der Op­fer.«

El­ter kommt in sei­ner Stu­die über die mas­sen­me­dia­le Wir­kung der RAF zum glei­chen Ur­teil und be­legt dies an vie­len Bei­spie­len. Sei­ne De­fi­ni­ti­on der »Pro­pa­gan­da der Tat« ent­lehnt er bei dem deut­schen An­ar­chi­sten Jo­han­nes Most (nach ei­nem in­ter­es­san­ten Ex­kurs in die An­ar­chi­sten­sze­ne des aus­ge­hen­den 19./beginnenden 20. Jahr­hun­derts; auch die Ge­schich­te des Ter­ro­ris­mus ins­ge­samt von den po­li­ti­schen Mor­den in der An­ti­ke über die Ass­as­si­nen bis zu dem Staats­ter­ro­ris­mus in der fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on wird kur­so­risch ge­streift).

Als wich­tig­ste »In­no­va­tio­nen« für ei­ne »Pro­pa­gan­da der Tat« macht El­ter zwei neue Er­fin­dun­gen aus der da­ma­li­gen Zeit aus: das Dy­na­mit und der Ro­ta­ti­ons­druck. Ter­ro­ri­sti­sche Or­ga­ni­sa­tio­nen des 20. und 21. Jahr­hun­derts ha­ben – un­be­wusst oder be­wusst – dies in­zwi­schen wei­ter­ent­wickelt. Fol­gen­de Punk­te sind da­bei für El­ter es­sen­ti­ell:

  • Die Tat als sol­che stellt be­reits ei­ne Form der Kom­mu­ni­ka­ti­on dar; mit ihr soll die Auf­merk­sam­keit der Öf­fent­lich­keit er­reicht wer­den.
  • Die ter­ro­ri­sti­sche Grup­pe muss deut­lich ma­chen, dass sie die Tat ver­übt hat. Sie macht mit ei­nem Be­ken­ner­schrei­ben oder auf ei­nem an­de­ren Weg (zum Bei­spiel durch Pam­phle­te oder durch In­ter­net­vi­deo­bot­schaf­ten) klar, was sie mit der Tat be­ab­sich­tigt hat.
  • Die Tat muss so spek­ta­ku­lär sein, dass die Me­di­en sie nicht igno­rie­ren kön­nen.


El­ter fä­chert die Ge­schich­te der RAF chro­no­lo­gisch auf. Von den Stu­den­ten­un­ru­hen 1967, dem Tod Ben­no Oh­nes­orgs bis zu den er­sten An­schlä­gen An­fang der 70er Jah­re über Baa­der-Be­frei­ung, die ja in­zwi­schen fast ein­hel­lig als die »Ge­burt der RAF« be­zeich­net wird, über die Ge­fan­gen­nah­me von Baa­der, Mein­hof, Ras­pe und Meins, den Hun­ger­streiks (spe­zi­ell 1974; hier­über wird noch zu re­den sein), den mi­li­tan­ten Ak­tio­nen und An­schlä­gen, die fast aus­schliess­lich der Be­frei­ung von Ge­fan­ge­nen dien­ten und in den »deut­schen Herbst« 1977 mün­de­ten. Das Ka­pi­tel über die drit­te Ge­ne­ra­ti­on der RAF bis zur Selbst­auf­lö­sung 1998 fällt so­wohl in Quan­ti­tät als auch in Qua­li­tät ein biss­chen ab, was u. a. dar­an lie­gen dürf­te, dass die Ta­ten gröss­ten­teils we­der auf­ge­klärt, ge­schwei­ge denn die Ver­däch­ti­gen in­haf­tiert sind und si­che­re Aus­sa­gen und Be­wer­tun­gen hier­über nicht mög­lich sind. (Die Ka­pi­tel über die RAF in Kunst und Li­te­ra­tur hät­te man bes­ser weg­ge­las­sen, da sie un­voll­stän­dig und so­mit arg se­lek­tiv er­schei­nen.)

Die RAF do­mi­niert in den Me­di­en

Trotz un­ter­schied­li­cher äu­sse­rer Be­din­gun­gen und ge­le­gent­lich ver­än­der­ter La­ge er­kennt El­ter im Han­deln der RAF sehr wohl die Be­din­gun­gen der »Pro­pa­gan­da der Tat«. Er zeigt da­bei auch, wie die RAF ganz schnell Ak­tio­nen von an­de­ren links­extre­mi­sti­schen bzw. links­ter­ro­ri­sti­schen Ver­ei­ni­gun­gen wie den »Re­vo­lu­tio­nä­ren Zel­len« und der »Be­we­gung 2. Ju­ni« (die sich so­gar als an­ar­chi­sti­sches Kor­re­la­tiv zur RAF ver­stand) für sich »ver­ein­nahm­te« und sich so­mit me­di­al in den Hin­ter­grund schob. So ist bei­spiels­wei­se we­nig be­kannt, dass die »Re­vo­lu­tio­nä­ren Zel­len« weit mehr An­schlä­ge aus­führ­ten als die RAF. Die RAF hat­te al­ler­dings die weit­aus spek­ta­ku­lä­re­ren At­ten­ta­te ver­übt. Und in der all­ge­mei­nen Auf­merk­sam­keit wur­de bei­spiels­wei­se die Ent­füh­rung des CDU-Vor­sit­zen­den Pe­ter Lo­renz, von der »Be­we­gung 2. Ju­ni« be­gan­gen, spä­ter der RAF zu­ge­ord­net. Auch der Mord an dem Ber­li­ner Kam­mer­ge­richts­prä­si­den­ten Gün­ter von Drenk­mann wur­de vom »2. Ju­ni« ver­übt (ur­sprüng­lich als Ent­füh­rung ge­plant). El­ter sieht dar­in den Drang zur Sim­pli­fi­zie­rung in den Me­di­en und macht Par­al­le­len zur Re­zep­ti­on der ak­tu­el­len Ter­ror­an­schlä­ge aus, die fast im­mer – so­fern sie ei­nen is­la­mi­sti­schen Hin­ter­grund ha­ben, al-Qai­da als Ver­ur­sa­cher nen­nen.

Die Do­mi­nanz der RAF als Ur­he­ber des Ter­rors rührt vor al­lem da­her, dass spä­te­stens nach In­haf­tie­rung des »har­ten Kerns« (der er­sten Ge­ne­ra­ti­on, al­so Baa­der, Mein­hof, Ens­slin et al.) ver­stärkt und noch ef­fi­zi­en­ter agi­tiert wer­den konn­te. Das klingt zu­nächst pa­ra­dox, aber da die An­füh­rer nicht mehr im Un­ter­grund wa­ren, und man sehr schnell ein kon­spi­ra­ti­ves und vor al­lem ef­fi­zi­en­tes (üb­ri­gens stark hier­ar­chi­sches) In­for­ma­ti­ons­sy­stem im­ple­men­tiert hat­te (»RAF-in­fo«), war ei­ne um­fas­sen­de­re und zeit­na­he Agi­ta­ti­on und Ver­brei­tung von Kom­mu­ni­ques und Bot­schaf­ten an die Sym­pa­thi­san­ten­sze­ne und – wenn not­wen­dig – die Öf­fent­lich­keit mög­lich. Und auch das ge­fan­ge­nen­in­ter­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­netz funk­tio­nier­te präch­tig – so­wohl auf le­ga­lem als auch auf il­le­ga­lem Weg. In bei­den Fäl­len spiel­ten ei­ni­ge An­wäl­te ei­ne wich­ti­ge Rol­le. El­ter be­müht – lei­der!- haupt­säch­lich (den in­zwi­schen ver­stor­be­nen) Klaus Crois­sant, der spä­ter straf­recht­lich we­gen Un­ter­stüt­zung ei­ner ter­ro­ri­sti­schen Ver­ei­ni­gung ver­ur­teilt wur­de; an­de­re, heu­te pro­mi­nen­te ehe­ma­li­ge An­wäl­te wie Strö­be­le und Schi­ly wer­den nur sehr kur­so­risch be­han­delt.

Selbst­vik­ti­mi­sie­rung

Hin­zu kam – das ist nicht un­wich­tig – der eli­tä­re und über­heb­li­che Ton, den die RAF an­schlug. Die RAF usur­pier­te hier­durch die Füh­rer­rol­le in­ner­halb der lin­ken Sze­ne, ver­such­te auch an die le­ga­le Lin­ke an­zu­docken (ein gra­vie­ren­der Feh­ler – auch in der Selbst­re­fle­xi­on der RAF von 1998 – liegt wohl dar­in, kei­nen »le­ga­len Ab­le­ger« ge­grün­det zu ha­ben, der in­sti­tu­tio­nell ver­an­kert ge­we­sen wä­re). Sie be­trach­te­te sich als Speer­spit­ze und ih­re Pam­phle­te spie­gel­ten dies in oft rü­dem Be­fehls­ton wie­der. El­ter ver­mu­tet, dass vie­le po­ten­ti­el­le Sym­pa­thi­san­ten auf Dau­er we­der den Ton noch die­sen avant­gar­di­sti­sche An­spruch ak­zep­tier­te und das die RAF des­halb suk­zes­si­ve an Zu­stim­mung ver­lor, was sich zu­neh­mend als Pro­blem her­aus­stell­te.

Ge­stoppt wur­de die­ser Ex­itus al­ler­dings zu­nächst durch den Tod des hun­ger­strei­ken­den Hol­ger Meins. El­ter wid­met die­ser Cau­sa viel Raum. Er­hel­lend da­bei, wie er vor­führt, dass ter­ro­ri­sti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie oh­ne jeg­li­che Ma­ni­pu­la­ti­on oder Be­ein­flus­sung al­lein durch Be­richt­erstat­tung über ei­nen be­stimm­ten Sach­ver­halt auf­ge­hen kann. In­dem se­riö­se Pres­se­or­ga­ne wie bei­spiels­wei­se die »FAZ« oder die »Süd­deut­sche Zei­tung« ne­ben der gän­gi­gen, of­fi­zi­el­len Er­klä­rung für den Hun­ger­tod von Meins eben auch über die Vor­wür­fe, die in Pres­se- oder Hun­ger­strei­ker­klä­run­gen der RAF er­ho­ben wur­den und durch An­wäl­te pu­bli­ziert wur­den, und kol­por­tier­ten, man ha­be Meins ab­sicht­lich ver­hun­gern las­sen, wur­den die­se Äu­sse­run­gen – un­ab­hän­gig von ih­rem Wahr­heits­ge­halt – ein sehr ef­fek­ti­ves Mit­tel in der Au­ssen­kom­mu­ni­ka­ti­on der RAF. Die Me­di­en wur­den da­bei zu den Trans­por­teu­ren der Sicht­wei­se der RAF, ob­wohl sie le­dig­lich ih­re Pflicht zur neu­tra­len Be­richt­erstat­tung er­füll­ten, zu der es na­tür­lich kei­ne Al­ter­na­ti­ve gab. Aus dem blo­ssen Über­mitt­ler wur­de – un­ge­wollt – ein Ak­teur. Der Aus­weg aus die­sem Di­lem­ma wä­re ge­we­sen, wenn die Jour­na­li­sten die tat­säch­li­chen Be­ge­ben­hei­ten auf­ge­deckt und so die Ver­si­on der RAF ent­kräf­tet hät­ten, wie dies bei­spiels­wei­se der »Spie­gel« ver­such­te, der ei­nen Ge­fäng­nis­arzt in­ter­view­te.

Mit dem Tod von Hol­ger Meins hat­te die RAF erst­mals die Mög­lich­keit ei­nen der ih­ren als Op­fer zu sti­li­sie­ren und ih­re The­se von den »un­mensch­li­chen Haft­be­din­gun­gen« zu un­ter­füt­tern (schö­ner Kon­trast: die Bü­cher­li­sten von Ul­ri­ke Mein­hof [PDF; 2,11 MB]). Die­ser Punkt der Selbst­vik­ti­mi­sie­rung spielt, das be­weist El­ter ein­drucks­voll, ei­ne nicht un­we­sent­li­che Rol­le in der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie der RAF, ob­wohl sie sich hier­mit von der »Pro­pa­gan­da der Tat« ab­wen­de­te. In­dem die Ge­fan­ge­nen sich sel­ber stets als Op­fer dar­stell­ten, hat­te die Be­frei­ung der ein­sit­zen­den Häft­lin­ge für die im Un­ter­grund le­ben­den Ak­ti­vi­sten ober­ste Prio­ri­tät. Ei­ne even­tu­ell an­de­re »Tak­tik«, d. h. an­de­re Zie­le oder Stra­te­gien ka­men gar nicht mehr in­fra­ge (zu­mal es an »Per­so­nal« man­gel­te). Die RAF wur­de nur noch selbst­re­fe­ren­ti­ell, was sie je­doch sehr gut ver­barg.

Ei­ni­ge Me­di­en for­cier­ten in der oh­ne­hin schon auf­ge­heiz­ten Stim­mung die Ton­la­ge noch. In dem die Bou­le­ve­ard­zei­tun­gen »BZ« und »Bild«…auf ih­re Wei­se ei­ni­ges da­für ta­ten, dass das The­ma ak­tu­ell blieb, al­so »Bild« vom »sü­ssen Le­ben hin­ter Git­tern« [sprach], … die »BZ«… schon ei­ni­ge Wo­chen Ar­ti­kel mit For­mu­lie­run­gen wie »Hun­gern als Hob­by« ver­öf­fent­licht und die »Bild« mit dem Ti­tel »Ra­che« auf­mach­te, der in An­leh­nung an Äu­sse­run­gen von Be­er­di­gungs­teil­neh­mern nahm, sti­mu­lier­te »Bild« die Sym­pa­thi­san­ten­sze­ne zu­sätz­lich und lei­ste­te da­mit der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie der RAF Vor­schub. Denn ge­nau die­ses Ge­fühl der Ra­che oder – bei we­ni­ger ag­gres­si­ven Ziel­grup­pen – des Mit­leids soll­te durch die Re­de von der »Ver­nich­tungs­haft« her­vor­ge­ru­fen wer­den. El­ter spricht nicht nur hier vom sym­bio­ti­schen Ver­hält­nis zwi­schen der RAF und ih­rem Geg­ner »Bild«.

Sym­bio­se zwi­schen »Bild« und RAF?

Die­se The­se von der (be­son­ders en­gen) Sym­bio­se ist ei­ne wich­ti­ge Klam­mer in die­sem Buch, die in ei­nem in­ter­es­san­ten Ex­kurs über das Ver­hält­nis APO bzw. spä­ter dann RAF und Sprin­ger mün­det und auf die El­ter im Buch im­mer wie­der zu­rück­kommt. El­ter be­haup­tet, dass APO bzw. RAF ih­rem gröss­ten Feind in der Me­di­en­land­schaft so­mit un­ge­wollt zu wirt­schaft­li­chem Er­folg [ver­half], die­ser si­cher­te der RAF je­doch wie­der­um höch­ste Po­pu­la­ri­tät. Er führt Be­le­ge da­für auf, in dem er die Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen der dem­ago­gi­schen Pa­nik­ma­che ins­be­son­de­re durch die »Bild«-Zeitung auf­zeigt, die aber da­mit Be­stand­teil der Pro­pa­gan­da der RAF wird.

Den­noch ist der Be­griff der Sym­bio­se pro­ble­ma­tisch; viel­leicht wä­re es bes­ser ge­we­sen, von ei­ner In­ter­de­pen­denz (bzw. Kon­ter­de­pen­denz) zu spre­chen. Ei­ne Sym­bio­se im­pli­ziert ein ir­gend­wie be­stehen­des Ver­hält­nis, gar so et­was wie ein still­schwei­gen­des Über­ein­kom­men. Es ist schon des­halb et­was un­ge­nau, weil die Ab­hän­gig­kei­ten auf bei­den Sei­ten doch un­ter­schied­lich wa­ren. Wäh­rend die »Bild«-Zeitung die Be­richt­erstat­tung über den Ter­ro­ris­mus nicht zwin­gend brauch­te (sie hät­te leicht an­de­re The­men fin­den kön­nen bzw. hat sie ja auch ge­fun­den, wenn es ent­spre­chend we­nig über die RAF zu be­rich­ten gab), war die RAF da­ge­gen stark auf ei­ne ent­spre­chen­de Be­richt­erstat­tung – und sei sie auch noch so po­la­ri­sie­rend oder ne­ga­tiv – an­ge­wie­sen. Da­her war die RAF sehr viel stär­ker von »Bild« ab­hän­gig als um­ge­kehrt.

Das Di­lem­ma der RAF be­stand dar­in, dass die Me­di­en (und nicht nur die Sprin­ger-Me­di­en) Teil des »Estab­lish­ments« war, was man ja be­kämpf­te. Der Be­griff Sym­bio­se ist auch un­ge­nau, weil der Sprin­ger-Kon­zern di­rekt selbst zum Ge­gen­stand der in­tel­lek­tu­el­len Aus­ein­an­der­set­zung und auch des RAF-Ter­ro­ris­mus wur­de, al­so »Par­tei« war.

Im­mer­hin streift El­ter die un­um­stöss­li­che Tat­sa­che, dass – auch hier wie­der ins­be­son­de­re die Sprin­ger-Preis­se – der RAF-Ter­ro­ris­mus als He­bel ver­wen­det wur­de, um die un­ge­lieb­te so­zi­al-li­be­ra­le Re­gie­rung im Bund zu des­avou­ie­ren. Das RAF-Phä­no­men [sei] von ei­ni­gen de­mo­kra­ti­schen Po­li­ti­kern in un­ver­ant­wort­li­cher Form zu po­li­ti­schen Zwecken in­stru­men­ta­li­siert wor­den (na­ment­lich nennt El­ter nur den spä­te­ren In­nen­mi­ni­ster Fried­rich Zim­mer­mann). Durch ei­ne hy­ste­ri­sche Dar­stel­lung der Be­dro­hungs­la­ge sah sich die Re­gie­rung zu Mass­nah­men ver­an­lasst, die ih­rer In­ten­ti­on (»Mehr De­mo­kra­tie wa­gen« – Wil­ly Brandt) ei­gent­lich wi­der­sprach. Dies nur, um nicht als »schwach« oder auf dem »lin­ken Au­ge« blind dis­kre­di­tiert zu wer­den.

In dem der »Spie­gel« den letz­ten Brief von Hol­ger Meins ab­druck­te, trug er be­deu­tend zur Mär­ty­ri­sie­rung Meins’ ge­ra­de in ei­ner be­stimm­ten Mas­se der Un­ent­schlos­se­nen bei. El­ter zi­tiert aus ei­nem (erst nach Meins’ Tod be­kannt­ge­wor­de­nen) Brief Baa­ders [PDF; 1,58 MB] »Es wer­den Ty­pen da­bei [bei den Hun­ger­streiks] ka­putt­ge­hen«. Ei­ne Stra­te­gie der Füh­rungs­rie­ge der RAF wird al­ler­dings ne­giert: Dass die RAF wäh­rend des Hun­ger­streiks be­wusst auf den Tod von Mit­glie­dern setz­te, um da­mit ei­nen Mit­leids- oder So­li­da­ri­sie­rungs­ef­fekt zu er­zie­len, lässt sich dar­aus aber nicht di­rekt ab­lei­ten. Be­wei­se für ei­nen Be­fehl, »sich zu To­de zu hun­gern«, exi­stie­ren nicht.

Und es gibt den Be­weis

Wenn El­ter ei­nen di­rek­ten Be­fehl in die­ser Hin­sicht meint, hat er recht. Aber das hät­te sich selbst Baa­der & Co. wohl nicht her­aus­ge­nom­men. Er irrt den­noch, wenn er von ei­nem eher zu­fäl­li­gen Hun­ger­tod aus­geht. Denn we­ni­ge Ta­ge vor dem Tod Meins’ schrieb Gud­run Ens­slin an ihn: hm. oh­ne zu trau­ern. das – das ziel. du be­stimmst wann du stirbst. frei­heit oder tod.« [PDF; 175 kb] Ei­ne sub­ti­le, aber deut­li­che Auf­for­de­rung; da brauch­te es kei­nes Im­pe­ra­tivs mehr. Die RAF brauch­te ei­nen Mär­ty­rer – brauch­te neue Dy­na­mik; Zu­lauf – und ein »Op­fer«, der den an­de­ren­orts von den Ge­fan­ge­nen lasch ge­hand­hab­ten Hun­ger­streik (Baa­der brach ihn mehr­fach mit durch An­wäl­te mit­ge­brach­te Spei­sen) durch­zog. Meins’ Be­richt, wie er sich der Zwangs­er­näh­rung mit al­len Mit­teln wi­der­setz­te [PDF; 246 kb], ist ein zu­sätz­li­ches, in­di­rek­tes Do­ku­ment in die­ser Rich­tung: Er woll­te sich ei­ner­seits als treu­en »Ge­nos­sen« zei­gen – und an­de­rer­seits sei­ne Aus­weg­lo­sig­keit ob der dann doch »ge­glück­ten« Zwangs­er­näh­rung do­ku­men­tie­ren.

El­ter in­si­nu­iert, dass die Be­hör­den Meins’ Tod nicht mit al­len Mit­teln ver­hin­dert hät­ten. Viel­leicht gab und gibt es hier­für tat­säch­lich In­di­zi­en [PDF; 291 kb], aber wenn bei­spiels­wei­se an­de­re Ge­fan­ge­ne, die zwangs­er­nährt wur­den, ge­gen das Per­so­nal Straf­an­zei­gen ob die­ser Mass­nah­men er­stat­te­ten [PDF; 655 kb], kann man viel­leicht ver­ste­hen, war­um aus der Si­tua­ti­on her­aus Pflich­ten la­xer ge­hand­habt wur­den.

Der Tod Meins’ und die me­dia­le Dar­stel­lung die­ses Er­eig­nis­ses wur­de von den Be­hör­den und der Po­li­tik hin­sicht­lich der Dy­na­mik auf die Sym­pa­thi­san­ten­sze­ne völ­lig un­ter­schätzt. In der Be­trach­tung der nach­fol­gen­den Er­eig­nis­se, die El­ter ver­steht, packend zu re­ka­pi­tu­lie­ren, wird deut­lich, wie die Me­di­en (bzw. die po­li­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­ger) aus ih­ren Feh­lern lern­ten.

So wei­ger­te man sich bei­spiels­wei­se bei der Be­set­zung der deut­schen Bot­schaft in Stock­holm, die For­de­rung der Ter­ro­ri­sten zu er­fül­len, die Live­bil­der von der Bot­schaft per­ma­nent zu sen­den. Im Fall des ent­führ­ten Hanns-Mar­tin Schley­er strahl­te man das er­ste Ent­füh­rer­vi­deo nicht aus. Auch die wei­te­ren Vi­de­os und Bil­der wur­den nur sehr se­lek­tiv in der Öf­fent­lich­keit ge­zeigt. El­ter zeigt hier ex­em­pla­risch, wie die RAF ge­le­gent­lich in der Ein­schät­zung ih­rer In­sze­nie­run­gen auch schei­ter­te bzw. ei­nen für sie kon­tra­pro­duk­ti­ven Ef­fekt er­ziel­te. Aus dem me­dia­len »Volks­ge­richts­hof«, mit dem man Schley­er den »Pro­zess« ma­chen woll­te, wur­de nichts, weil der rhe­to­risch über­le­ge­ne Schley­er sich nicht zu ver­rä­te­ri­schen Aus­sa­gen hin­rei­ssen liess, im Ge­gen­teil: In sei­nen Äu­sse­run­gen ent­larv­te er viel­mehr die Stra­te­gie der Ter­ro­ri­sten als un­mensch­lich und sinn­los (Kron­zeu­ge hier­für ist ne­ben – dem auch von El­ter als un­zu­ver­läs­sig ein­ge­stuf­ten – Pe­ter-Jür­gen Boock vor al­lem Sil­ke Mai­er-Witt).

Das Ver­schwin­den der Deu­tungs­ho­heit: Schley­er – der ge­schun­de­ne Mensch

Im Fall Schley­er gibt es auch ein für al­le sicht­ba­res Bei­spiel für ein Schei­tern der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie der RAF. Auf dem er­sten Vi­deo ist er in Un­ter­hemd und Trai­nings­jacke zu se­hen. Die Sym­bo­lik die­ser Klei­dung war al­ler­dings am­bi­va­lent: Die RAF hat­te durch die me­dia­le Ver­brei­tung der Vi­de­os zwar den ent­mach­te­ten Schley­er ex­po­niert, al­ler­dings ver­lor sie mit der Ver­öf­fent­li­chung der Auf­nah­men die Deu­tungs­ho­heit über die Bil­der. An­stel­le des be­ab­sich­tig­ten So­li­da­ri­sie­rungs­ef­fekts und die Vor­füh­rung ei­ner »Be­stie des Kapitals«…trat in der Öf­fent­lich­keit das ge­naue Ge­gen­teil da­von ein. Schley­er wur­de nun als ge­schun­de­ner Mensch wahr­ge­nom­men und ver­stärkt wur­de dies noch durch die »Bild« vom 10. Sep­tem­ber 1977, die auf der Ti­tel­sei­te das RAF-Fo­to von Schley­er im Un­ter­hemd und ein al­tes Bild von ihm in sei­ner üb­li­chen »Ar­beits­klei­dung«, al­so mit Hemd, Jackett und Kra­wat­te ne­ben­ein­an­der ab­druck­te. Ei­gent­lich ent­sprach die­se Kon­tra­stie­rung ge­nau der Über­le­gung der RAF, so El­ter. Aber der Text da­zu – und das ist das Ent­schei­den­de – lau­te­te: »Schley­er – Ein Bild, bei dem man wei­nen möch­te«. Bil­der sa­gen al­so nicht im­mer mehr als tau­send Wor­te – in die­sem Fall reich­ten ge­nau acht Wor­te und ein wei­te­res Fo­to, um die In­ter­pre­ta­ti­on in ei­ne voll­kom­men an­de­re Rich­tung zu len­ken als von den Ter­ro­ri­sten ge­wünscht.

Es wä­re über­haupt ein fal­scher Ein­druck zu sug­ge­rie­ren, dass El­ter die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gien der RAF als Er­folgs­ge­schich­te dar­stel­len woll­te. Das ist ganz und gar nicht der Fall. Er zeigt aber akri­bisch und an­schau­lich, wie die RAF die me­dia­le »Ver­mark­tung« ih­rer »Ak­tio­nen« nicht nur statt­fin­den las­sen woll­te, son­dern ak­tiv ver­sucht hat, ih­re Dar­stel­lung zu be­ein­flus­sen und für sich zu nut­zen.

Das Buch strotzt nur vor De­tails. Et­wa aus der An­fangs­pha­se, die Be­ken­ner­schrei­ben zu den An­schlä­gen im­mer erst ei­ni­ge Ta­ge spä­ter zu ver­öf­fent­li­chen (El­ter gibt ei­nen ge­nau­en Ein­blick, wann wer war­um über die Ak­tio­nen in­for­miert wur­de; mal wur­den die Nach­rich­ten­agen­tu­ren di­rekt in­for­miert – mal zog man die in­di­rek­te Kom­mu­ni­ka­ti­on vor). Zu­nächst war so­mit der An­schlag in den Me­di­en, wur­de aus­gie­big dis­ku­tiert und als dann das In­ter­es­se nach­zu­las­sen droh­te, wur­de die Selbst­be­zich­ti­gung »nach­ge­scho­ben« – und schon war die RAF wie­der im Fo­kus der Öf­fent­lich­keit.

Oder die ver­meind­li­che In­ter­na­tio­na­li­sie­rung, mit an­de­ren Ter­ror­grup­pen in Eu­ro­pa und auch im Na­hen Osten, mit der die RAF sich schmück­te, die letzt­lich aber nur mehr oder we­ni­ger be­haup­tet wur­de, um ei­ne Ver­net­zung vor­zu­täu­schen, die es so nicht gab (und nur ein­mal gab es dann tat­säch­lich die­se »Glo­ba­li­sie­rung« – als 1977 der Fe­ri­en­flie­ger »Lands­hut« von pa­lä­sti­nen­si­schen Ter­ro­ri­sten als flan­kie­ren­de Mass­nah­me zur Schley­er Ent­füh­rung ent­führt wur­de).

Vie­le Ex­kur­se

»Pro­pa­gan­da der Tat« lie­fert da­ne­ben noch ei­ne Ana­ly­se über die Mu­ster der Be­ken­ner­schrei­ben und do­ku­men­tiert den ideo­lo­gi­schen Leer­lauf in­ner­halb der RAF, als zwi­schen 1972 und 1982 kei­ne ein­zi­ge dog­ma­tisch-po­li­ti­sche Schrift der RAF mehr er­schien. Aspek­te der My­then­bil­dung durch die RAF (Be­nen­nung der Kom­man­dos nach Per­so­nen oder Da­ten), Ana­ly­se von Spra­che und Aus­sa­gen der ins­ge­samt fünf »Kampf­schrif­ten«, ins­be­son­de­re von »Dem Vol­ke die­nen« von 1972 und dem so­ge­nann­ten »Mai-Pa­pier« 1982 (der be­reits ei­ne Selbst­hi­sto­ri­sie­rung vor­nimmt), ein lu­zi­der Ex­kurs über das At­ten­tat bei den olym­pi­schen Spie­len von Mün­chen 1972 und die pro­pa­gan­di­sti­sche Wir­kung für die »Sa­che« der Pa­lä­sti­nen­ser hier­aus, ein kur­zer Ex­kurs über den stets ak­tu­el­len Stand der Tech­nik, mit dem sich die RAF um­gab (Po­la­roid-Bil­der we­ni­ge Jah­re nach der Ein­füh­rung in Deutsch­land und auch hin­sicht­lich des VHS-Vi­deo­sy­stems, wel­ches bei der Schley­er-Ent­füh­rung be­nutzt wur­de, han­del­te es sich um ei­ne erst kurz vor­her ver­füg­ba­re tech­ni­sche Neue­rung) – um nur ei­ni­ges zu er­wäh­nen.

El­ter zeigt, dass es in dem Alar­mis­mus von da­mals und heu­te durch­aus Par­al­le­len gibt und warnt aus­drück­lich da­vor. Er lehnt die auch be­reits da­mals von füh­ren­den Po­li­ti­kern häu­fig be­nutz­te Kriegs­me­ta­pho­rik de­fi­ni­tiv ab, da sie die Ter­ro­ri­sten in po­li­ti­sche Ka­te­go­rien ka­ta­pul­tiert. War­um er al­ler­dings dann trotz­dem sel­ber Mün­k­lers Mo­dell des »asym­me­tri­schen Krie­ges« bei der Cha­rak­te­ri­sie­rung u. a. des ak­tu­el­len Ter­ro­ris­mus her­bei­zi­tiert, bleib un­klar und ist lei­der in­kon­se­quent. Auch das es am En­de ein biss­chen Be­griffs­ver­wir­rung zwi­schen Er­klä­rungs­ter­ro­ris­mus und Hand­lungs­ter­ro­ris­mus gibt, ver­mag den ins­ge­samt sehr po­si­ti­ven Ein­druck des Bu­ches nicht zu trü­ben.

Da­her soll es hier dar­um ge­hen, den »My­thos RAF«…weiter zu de­kon­stru­ie­ren und den Aspekt ih­rer Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gien und da­mit letzt­lich auch ih­re me­dia­le Wir­kung zu the­ma­ti­sie­ren. Die­sem An­spruch wird An­dre­as El­ter was die Dar­stel­lung der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gien der RAF (min­de­stens der er­sten und zwei­ten »Ge­ne­ra­ti­on«) an­geht, sehr gut ge­recht. Und na­tür­lich wird da­durch in­di­rekt ein »My­thos« ent­zau­bert, der ja im­mer dann ger­ne ent­steht, wenn sich Halb­wis­sen und Wunsch­den­ken ver­men­gen und die Fak­ten leid­lich igno­riert wer­den. Ob­wohl es nicht das Ziel der Stu­die war, hät­te man sich mehr Wid­mung zur Ent­wick­lung ei­ner »me­dia­len De­es­ka­la­ti­ons­stra­te­gie« ge­wünscht – und zwar von al­len Dis­kurs­teil­neh­mern, um nicht letzt­lich di­rekt oder in­di­rekt das Ge­schäft der Ter­ro­ri­sten zu be­trei­ben. Trotz­dem ist »Pro­pa­gan­da der Tat« ein auf­klä­re­ri­sches Buch und hilft, Struk­tu­ren zu er­ken­nen und zu durch­schau­en.


Al­le kur­siv ge­druck­ten Pas­sa­gen sind Zi­ta­te aus dem be­spro­che­nen Buch.


8 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Kri­tik: »Pro­pa­gan­da der Tat« Re­plik des Au­toren
    Ei­ne ins­ge­samt aus­ge­wo­ge­ne und fai­re Kri­tik – auch und ge­ra­de an den kri­ti­schen Punk­ten. Zwei Rich­tig­stel­lun­gen: A) Der Au­tor ist nicht Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät zu Köln, son­dern an der macro­me­dia-fach­hoch­schu­le. B) Ei­ne De­fi­ni­ti­on von Ter­ro­ri­mus wird durch­aus ge­ge­ben, auf den Sei­ten 17–31. An­son­sten gilt oben er­wähn­te Ein­schät­zung. Be­stimm­te Punk­te hät­ten si­cher­lich noch aus­führ­li­cher und de­tail­lier­ter be­schrie­ben, bzw. ab­grenzt wer­den kön­nen. Das sieht auch der Au­tor so. Al­ler­dings zwang ihn ei­ne Sei­ten­be­gren­zung zur Re­duk­ti­on.
    A.E.

  2. Lie­ber Herr El­ter,
    vie­len Dank für Ih­re An­mer­kun­gen. Die Pro­fes­sur ha­be ich aus dem »Wasch­zet­tel« aus dem Buch ab­ge­schrie­ben; dan­ke für die Klar­stel­lung, ich ha­be da nicht ex­akt ge­nug ge­ar­bei­tet bzw. mir war der Un­ter­schied nicht klar.

    Na­tür­lich ha­be ich Ih­re De­fi­ni­ti­on des Ter­ro­ris­mus ge­le­sen; ich fand sie nicht hin­rei­chend ab­gren­zend (wie ich es auch er­wähnt hat­te).

  3. Es ist nicht
    pri­mär ein Buch über die RAF, ob­wohl na­tür­lich die Ge­schich­te auf­ge­fä­chert wird. Der ideo­lo­gi­sche Hin­ter­grund und die grup­pen­dy­na­mi­schen Pro­zes­se spie­len aber – na­tür­ge­mäss – nur am Ran­de ei­ne Rol­le bzw. nur, in­so­fern sie die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie tan­gie­ren. Das »Stan­dard­werk« über die RAF ist das Buch von Ste­fan Aust »Der Baa­der Mein­hof Kom­plex«. Das ist al­ler­dings auch ein biss­chen um­strit­ten in­zwi­schen. Ins­be­son­de­re, was Aus­ts Quel­len an­geht (er ver­lässt sich z. B. sehr stark auf Aus­sa­gen von Boock).

  4. Le­ga­le Ab­le­ger?
    Nach al­lem was ich ge­le­sen ha­be, hät­te es nie ei­ne le­ga­len Ab­le­ger der RAF ge­ben kön­nen, da­zu war ih­re po­li­ti­sche, re­li­giö­se, eth­ni­sche oder ideo­lo­gi­sche Ver­an­ke­rung in der BRD viel zu ge­ring. Da­durch un­ter­schei­det sie sich auch von an­de­ren Be­frei­ungs- oder Ter­ror­or­ga­ni­sa­tio­nen, die mei­stens auch po­li­tisch oder so­zi­al für be­stimm­te Be­völ­ke­rungs­grup­pen in­itia­tiv wa­ren. Al­so mei­ner Mei­nung nach war es nicht ein Feh­ler der RAF, kei­nen Ab­le­ger ge­grün­det zu ha­ben, son­dern ih­re Aus­rich­tung schloss ei­nen sol­chen von vorn­her­ein aus.

  5. Nicht un­be­dingt
    Zwar ist es rich­tig, dass die RAF kei­ne dau­er­haf­te Ver­an­ke­rung in der Ge­sell­schaft hat­te, und sich da­mit bei­spiels­wei­se von der IRA (le­ga­ler Ab­le­ger: Sinn Fé­in) oder der ETA (Her­ri Ba­tasuna bzw. Ba­tasuna) un­ter­schied. Den­noch gab es En­de der 60er und wohl auch noch An­fang der 70er Jah­re ei­ne recht »un­ent­schlos­se­ne Mas­se« (El­ter) und et­li­che der po­li­ti­schen The­sen, die dann spä­ter von der RAF for­mu­liert wur­den, grün­de­ten ja in der APO und hat­ten min­de­stens ein ge­wis­ses Ver­ständ­nis (bspw. die An­ti-Sprin­ger Kam­pa­gnen).

    Die Mög­lich­keit, ei­nen »le­ga­len Ab­le­ger« zu grün­den, hät­te nach der Fest­nah­me der er­sten Ge­ne­ra­ti­on (1972) be­stan­den. Meins starb 1974 – und da hät­te man mit ei­ner ge­wis­sen Sym­pa­thie mit ei­nem »Marsch durch die In­sti­tu­tio­nen« be­gin­nen kön­nen. Spä­te­stens nach der Es­ka­la­ti­on der Ge­walt der zwei­ten Ge­ne­ra­ti­on (be­gin­nend mit der Stock­holm-Gei­sel­nah­me April 1975) war der Zug dann wie­der ab­ge­fah­ren, da der Rück­halt auch in der Sym­pa­thi­san­ten­sze­ne zu­rück­ging.

    Liest man die Po­stil­len von Baa­der, Ens­slin aber auch Mein­hof (ich ha­be längst nicht al­les ge­le­sen), dann wird schnell klar, dass das mit die­sen Prot­ago­ni­sten gar nicht mög­lich ge­we­sen wä­re. Ei­nen ir­gend­wie ge­ar­te­ter le­ga­ler Ab­le­ger setzt ja im­pli­zit schon ei­ne ge­wis­se Ak­zep­tenz des Be­stehen­den vor­aus. Hier war man aber mei­len­weit ent­fernt, wie die­se Schrif­ten zei­gen (stän­dig ist vom »Schwei­ne­sy­stem« die Re­de, usw).

  6. @Gregor
    Vom »Baa­der Mein­hof Kom­plex« ha­be ich schon ge­hört (oder sa­gen wir: Ich er­in­ne­re mich dar­an, da Du das Buch er­wähnt hast).

    Ist die vor­ge­brach­te Kri­tik es­sen­ti­ell?

  7. @Metepsilonema
    Schwer zu sa­gen. Ich ha­be das Buch ir­gend­wann ’89 oder so ge­le­sen. Es hat mass­geb­lich die Re­zep­ti­on der RAF und des RAF-Ter­ro­ris­mus in Deutsch­land ge­prägt, viel­leicht so­gar be­stimmt. Aus­ts Do­ku­men­ta­ti­on in der ARD vom Ok­to­ber ’07 hat ei­ni­ge neue Aspek­te hin­zu­ge­fügt, die teil­wei­se je­doch durch­aus um­strit­ten sind.

    El­ter macht an ei­ner Stel­le im Buch ei­nen klei­nen Sei­ten­hieb auf Aus­ts Deu­tungs­ma­schi­ne­rie...

    Mein Ein­druck war, dass Aust durch­aus auch Sym­pa­thie oder min­de­stens Ver­ständ­nis für die APO-Zie­le heg­te (wie das bei El­ter auch zu sein scheint), dann je­doch mit der zu­neh­men­den Ra­di­ka­li­se­rung nicht klar kam. Koe­nens »Ves­per, Ens­slin, Baa­der« ha­be ich nicht ge­le­sen. Er soll aber stren­ger ins Ge­richt ge­gan­gen sein.

    El­ter schreibt an ei­ner Stel­le, dass es u. U. ein Nach­teil sein kann, dass die­je­ni­gen die Ge­schich­te der RAF schrei­ben, die sei­ner­zeit »mit­ten­drin« wa­ren, d. h. al­so Zeit­ge­nos­sen wa­ren. Das ist ein in­ter­es­san­ter Aspekt, da es m. E. im­mer als Vor­teil galt, in hi­sto­ri­schen Pro­zes­sen Zeit­ge­nos­se ge­we­sen zu sein. Al­ler­dings ist das Ar­gu­ment zu gro­sser auch emo­tio­na­ler Nä­he zum For­schungs­ge­gen­stand nicht ganz von der Hand zu wei­sen. El­ter ist 1968 ge­bo­ren, war al­so zur Hoch­zeit der RAF-Hy­ste­rie 1977 ge­ra­de mal 9 Jah­re alt. Aust ist 1946 ge­bo­ren, Koe­nen 1944 – bei­des al­so (so­zu­sa­gen) »68er«.