Alles in allem enttäuschend: einen »Leserbeitrag« auf zeit.de zu posten. Man siehe hier.
Sicher, der Beitrag ist lang. Und das Thema des Mehrheitswahlrechts scheinbar langweilig (obwohl es in Österreich im vergangenen Jahr diskutiert wurde); unattraktiv. Und es ist als FDP‑, Grünen- oder Linke-Anhänger ein Affront. Vielleicht auch, weil man vom Gewohnten nicht abweichen will. Im Prinzip hat es mit mangelndem Selbstbewusstsein der eigenen politischen Kraft zu tun. Auch das: verzeihlich.
Aber die Leser dieses Forums machen sich offensichtlich keine grosse Mühe. Verallgemeinern. Lesen nicht. Pauschalisieren. Dann ganz schnell – natürlich! – der Hitler-Vergleich. Wo ist die politische Bildung dieser Menschen dahin? Kein einziges sachliches Gegenargument (es gäbe ja welche, so ist das ja nicht). Stattdessen: Schlechte Bewertungen. Soviel Langeweile war nie.
Web 0.0 in Reinkultur. Macht wenig Lust auf weiteres. Genauer gesagt: gar keine.
Wer will den Beitrag hier lesen und kommentieren?
In einer Zeit und einem Medium, in dem es um schnelle Information geht, welche Personen nehmen sich da die Zeit, um sich eine halbe Stunde oder länger mit dem Thema Wahlrecht auseinander zu setzen?
Ich denke, der Beitrag ist auf einem hohen Niveau geschrieben, von dem sich eine relativ kleine Gruppe der InternetbenutzerInnen angesprochen fühlt.
Mich würde es auch nicht wundern, wenn die Wähler und Wählerinnen müde geworden sind. Was können StaatspolitikerInnen (egal wechler Coleur bewirken), wo die EU Politk sich gänzlich dem Kniefall vor der WTO hingegeben hat? Was in den europäischen Ländern geschieht, wird längst nicht mehr in den Ländern entschieden. Der weltweite Mobilsierung des Freihandels (ohne verpflichtenden Umweltschutz in der Industrie, Sozialstandards und Ressorcenschutz) untergräbt die Staatspolitik in mehrfacher Hinsicht, sei es auf dem Dienstleistungssektor oder in der Agrarpolitik.
Aber ja!
Kann nur in den nächsten Tagen nicht kommentieren, da ich offline bin.
Ich!
Ich kann mir schon vorstellen wie frustrierend es ist, wenn man merkt, dass der erste Kommentierende den Beitrag schon nicht gelesen hat, nur seinen Standpunkt absondert.
Jeder hat wohl mittlerweile gemerkt, dass das System, dass bisher (naja) stabile Politik in Deutschland ermöglichte, nicht mehr funktioniert. Das Thema ist auf jeden Fall heiß.
So ist’s
Über die Motive und das Verhalten von Kommentierern könnte man ganze Doktorarbeiten schreiben. Ich muss aber auch dem ersten Kommentator hier recht geben. Es wird einfach zu viel gepostet, als dass man das noch aufmerksam lesen könnte. Gerade wenn es etwas tiefer Gehendes ist.
@Jay Walker – Das ist natürlich richtig.
Der Glaube, dass die ganze Welt ausgerechnet auf meinen Artikel gewartet hat, ist allerdings immanent was das Bloggen angeht. Ansonsten sind Blogs und auch Internetforen ja gar nicht denkbar. Jeder meint, was besonderes mitteilen zu müssen – wir alle wissen: es ist oft das Gegenteil der Fall.
Und um nicht eventuelle »Rohdiamanten« an die Blogosphäre zu »verschenken«, hat die ZEIT wohl diese Leserbeiträge erfunden: Es dient als Rekrutierungspotential für »neue« Schreiber. Ein weiteres, bekanntes Beispiel ist die Readers Edition.
Das, was da gesucht wird, ist allerdings meistens an bestimmten Kriterien angedockt, dass es letztlich nur zu einer weiteren Trivialisierung führen wird. Grob gesagt: Fasse Dich kurz. Komplizierte Sachverhalte werden in der Politikberichterstattung entweder personalisiert oder einfach banalisiert (diese aktuelle »Farbendiskussion« ist ein gutes Beispiel dafür).
Die zweite Möglichkeit (bezogen auf meinen Beitrag): Er ist einfach schlecht.
#1 Rose – Es gibt
zur »Mobilisierung des Freihandels« gar keine Alternative (aber diese Mobilisierung existiert in dieser Form ja gar nicht). Sie muss nur in bestimmten Rahmenbedingungen ablaufen. Warum das nicht geschieht, hat viele Gründe – u. a. auch nationale Egoismen. Stattdessen werden Unsummen in die Subventionierung der eigenen Märkte angelegt, die einen tatsächlichen Freihandel gar nicht ermöglichen.
#6
Genau, es braucht passende Rahmenbedingungen für die Menschen, nicht einzig nur für die Marktinteressen die weltgrößten Chemie- und Saatgutkonzerne.
Es ist beschämend für uns Europäer: zwei Drittel (!) des europäischen Gemüsebedarfs wird aus Spanien (Region Almeria) importiert. Dort werden die Arbeiter und Arbeiterinnen als Skaven gehalten – unter katastrophalen, menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitbedingungen. So entstehen die schönen roten Paprika, die lechtenden Tomaten und die Babymöhrchen in unseren Supermarktregalen!
Die Subventionsförderungen sind nur ein winziger Teil der Misere in der Agrarpolitik. Die würden sich bald erübrigen, wenn wir als einkaufende Menschen bevorzugt zu den regionalen und saisonalen Produkte greifen, anstatt die Menschen in Billiglohnländern für unser tägliches Brot auszubeuten. Was für ein Unsinn, sich auf Biosprit einzuschießen, als Lösung des Klimaproblems einzuschießen, wo dabei in Asien und Brasilien unvorstellbar riesige Rodungen von Regenwald gemacht werden, um Ölplantagen in Monolutur anzulegen, auf denen intensivst mit Handelsdünger und Pestiziden gearbeitet wird für den Hunger europäischer Autos.
Von den Machenschaften der Gentechnik-Industrie ganz zu schweigen: Percy Schmeiser Saatgutzüchter aus Kanada kämpft seit über 10 Jahren gegen Gentechnikmulti Monsanto.
Die Nachbarn von Schmeiser bauten gentechnisch veränderten Raps an, bei der Ernte im Herbst wehte der Wind Saatkörner über die Grundstücksgrenzen. Von den Erntefahrzeugen und Transportfahrzeugen fiel Erntegut herab, landete im Straßengraben und an den Feldrändern. Im Jahr darauf keimte dieses gentechnisch veränderte Saatgut auf Schmeisers Feldern, seine Ernte war zu einem geringen Prozentsatz mit diesen Genpflanzen kontaminiert. Monsanto unterstellte Percy Schmeiser, er würde illegal GVO Saatgut anbauen und damit das Patentrecht verletzen. Monsanto klagte Percy Schmeiser auf 1 Mio Dollar Schadenersatz. Und so begann der lange Weg durch alle Instanzen bis zum Obersten kanadischen Gerichtshof. Das unglaubliche geschah: Monsanto erhielt Recht, Schmeiser habe die Patentansprüche Monsantos verletzt, lediglich die Schadenersatzzahlung an Monsanto wurde ihm erlassen. Die Gerichtskosten von immerhin € 250.000,- musste Percy Schmeiser selber tragen. Doch er gibt nicht auf und klagt demnächst Monsanto auf Schadenersatz.
Die Folgen des Gentechnikeinsatzes in Kanada:
Durch Verkreuzung mehrerer gentechnisch veränderter Rapssorten entwickelte sich ein sogenanntes Superunkraut, das die Chemieindustrie noch nicht in den Griff bekommen hat. Das heißt, der Chemieeinsatz hat sich massiv erhöht. Weiters sind die Erträge, wie ursprünglich von Monsanto versprochen nicht gestiegen, sondern bei Raps um 10% und bei Soja um 15% gesunken. Percy Schmeiser berichtet auch davon, dass es in Kanada derzeit nicht mehr möglich ist, Bio-Raps bzw. Bio-Soja anzubauen, da die gentechnische Verunreinigung derart hoch angestiegen ist.
Appell von Schmeiser an die europäischen Bauern:
Lasst euch die Gentechnik nicht aufzwingen. Ein Nebeneinander (Koexistenz) von gentechnisch verändertem Saatgut ist nicht mit Bio-Bauern und konventionell gentechnikfreier Landwirtschaft möglich.
Knebelverträge mit Monsanto:
Verwendet ein Bauer gentechnisch verändertes Saatgut der Fa. Monsanto hat er folgende Auflagen:
1. Kein eigenes Saatgut darf verwendet werden
2. Ausschließlich chemische Pflanzenschutzmittel der Fa. Monsanto kommen zum Einsatz
3. Auch noch 3 Jahre nach Beendigung eines Vertragsanbaues dürfen die Kontrolleure von Monsanto den gesamten Hof durchsuchen
4. Die Lizenzgebühren betragen Dollar 40,- pro Hektar und Jahr
5. Bei Problemen mit Monsanto darf öffentlich nicht darüber geredet werden und auch nicht gerichtlich gegen Monsanto vorgegangen werden
Kontrollmethoden der
Fa. Monsanto:
Percy Schmeiser berichtet davon, dass Sprühbomben per Helikopter abgeworfen werden. Die Sprühbomben enthalten Pflanzenschutzmittel, deren Wirkung nur gentechnisch verändertes Saatgut übersteht. Das heißt, wenn z.B. die Sojapflanze den Sprühbombeneinsatz gesund überlebt hat, ist der Fa. Monsanto der Nachweis gelungen, dass GVO Saatgut verwendet worden ist und der Betrieb wird angezeigt. Weiters wird das sogenannte Terminatorgen eingesetzt, das einen Nachbau von Saatgut sowieso verhindert, da die Keimfähigkeit des Samens zerstört wird. Neuerdings gibt es laut Percy Schmeiser auch das sogenannte Schummelgen. Die Wirkung: Wenn keine chemischen Pflanzenschutzmittel der Fa. Monsanto eingesetzt werden, trägt die Kultur keine Frucht bzw. hat keine Samenentwicklung. Dies alles liest sich wie ein Krimi und sollte den Österreichern und auch der EU zu denken geben.
Resümee von Percy Schmeiser:
Die Koexistenz von Gentechnikanbau und Gentechnikverzicht ist selbst in Kanada, in einem so großen Land unmöglich, das heißt sobald Gentechnikanbau genehmigt wird, ist die Verseuchung garantiert. Der Einsatz der Gentechnik in Kanada hatte auch wirtschaftlich verheerende Folgen: So z.B. ist die gesamte Honigernte in Kanada mit Gentechnik kontaminiert und kaum absetzbar. Diese multinationalen Konzerne wollen zu 100% die Kontrolle über das Saatgut und somit über die Welternährung erlangen. Europa hat noch die Chance zur Gentechnik großteils Nein zu sagen.
Percy Schmeiser meint abschließend, wenn diesen Saatgutkonzernen Patente für Saatgut zugesprochen werden, dann müssen sie zwingend auch die Haftung für sämtliche Folgeschäden übernehmen.
Wer hat die Definationsmacht darüber, einen Artikel als schlecht zu bewerten?
@Rosenherz (#8)
Definitionsmacht braucht man keine, Kritik und Argument reichen aus.
@rosenherz
Wenn es um »Definitionsmacht« geht, dann bedarf es vor der Kritik an einen Artikel, ein Buch, eine Rezension eines irgendwie gearteten Ausweises. Das ist genau das, was die Bloggerei ad absurdum führen wollte.
Wenn ich Kritik an etwas übe, dann ist damit noch lange nicht gesagt, dass ich das, was ich kritisiere, besser machen muss. Was ich aber in jedem Fall zu tun habe, ist eine substantielle Kritik zu üben. Aussagen wie »das ist Mist« oder »falsch« oder ein gewisses Wortgeklingel ist letztlich keine Kritik, sondern nur Abwehrverhalten. Das kann ich an jedem Stammtisch erleben.
Qualität entscheidet sich letztlich – hiervon bin ich ziemlich überzeugt – auf dem »Markt«. Zu berücksichtigen wäre was man bei Fernseheinschaltquoten als »Marktanteil« nimmt. Dies, um die Zahlen in eine vernünftige Relation zu setzen. Daher sind irgendwelche »Charts« meistens verzerrend – sie vermischen die Genres und liefern ein falsches Bild.
Im Gegensatz zu anderen glaube ich, dass sich auf Dauer Qualität immer auf dem Bereich auch »durchsetzt«, den sie anspricht. Ist das nicht der Fall, tritt bei einigen der Geisterfahrereffekt auf: Man glaubt nicht, dass man selber derjenige ist, der in der falschen Richtung fährt, sondern meint, es seien alle.
Ich habe gestern oder vorgestern einen Beitrag gelesen, in dem das Wahlrecht in den USA mit dem in Deutschland verglichen wurde. (Da gab es auch einen Bezug auf einen Vergleichenden vor 160 Jahren.) Leider finde ich den Artikel jetzt nicht mehr.
Ich habe keine richtige Meinung, ob man mit einem Mehrheitswahlrecht wirklich besser fahren würde. Es ändern sich einfach zu viele Parameter, als das man einfach vergleichen kann.
Aber einen anderen interessanten Vorschlag habe ich hier gefunden. Grundidee: Die Partei mit den meisten Stimmen erhält N/2+1 Sitze im Parlament, wenn N die Gesamtzahl der Sitze ist. Die verbleibenden N/2–1 Sitze werden proportional zu den Wählerstimmen an die anderen Parteien verteilt. Fazit: Es hat immer genau eine Partei eine knappe absolute Mehrheit, kann also theoretisch allein regieren. Um sich aber gegen praktische Probleme zu wappnen, ist das Eingehen auf Bündnispartner sinnvoll.
Aber: Eine Änderung des Wahlrechts erfordert doch eine Grundgesetzänderung, oder? Welchen Grund sollten die kleineren Parteien haben, die man dafür benötigt, dem zuzustimmen?
Danke für den Hinweis
Das habe ich glatt in meinen Artikel noch eingebaut; siehe hier
Immerhin zeigt sich, dass der kommentierende Teil der zeit.de-Leserschaft bestimmt nicht qualifizierter ist als die schreibenden Blogleser hier.
Qualität entscheidet sich letztlich – hiervon bin ich ziemlich überzeugt – auf dem »Markt«.
Das glaubst Du doch wohl selber nicht. VHS hat sich bestimmt nicht durch Qualität durchgesetzt.
Mehr denken, weniger kommentieren
Sie sollten nicht aus einzelnen Kommentaren auf »die Leser« schließen. Es gibt viele Gründe, nicht zu kommentieren. Z.B. weil man das Problem so völlig anders sieht, dass sich kein Diskussionsanfang bietet. Z.B. weil es zum Thema gute, ausführliche Bücher gibt (aktuell etwa der Weyh). Z.B. weil man sich (durch den Beitrag) gut informiert fühlt und keinen Senf abzugeben hat. Ob in Blogs oder Versammlungen, aus der Tageszeitungsleserschaft oder sonstwo: es ergreifen immer nur einige wenige das Wort.
Sie sollten nicht aus einzelnen Kommentaren auf »die Leser« schließen.
Sie haben recht.
weil man das Problem so völlig anders sieht, dass sich kein Diskussionsanfang bietet
Die Mehrzahl der Kommentierer sah es ja anders und hat das artikuliert – was nicht schlimm ist. Aber nur artikuliert – und nicht argumentiert.
weil es zum Thema gute, ausführliche Bücher gibt
Dann braucht man das auch nicht lesen; stimmt.
Eines ist aber sicherlich richtig: Meine Ereartungshaltung ist zu hoch. Als könne ein solches Pamphlet »die Welt verändern«.