Seriöse Fernsehkritik sei nicht mehr möglich meint Jan-Philipp Hein in seinem Artikel »Der TV-Untergang im Internet« auf »Spiegel Online«. Aber was so ein richtiger »Spiegel«-Reporter ist, der hat dann doch immer noch »einen« und das gallische Dorf des Herrn Hein ist David Harnasch und seine Webseite »Der Bildschirmarbeiter«. Hein verfasst eine Hommage auf Harnasch, offensichtlich der Fels in der Brandung der mediokren Kritikerzunft.
Journalistenattrappen
Eigentlich eine Provinzposse, der sich u. a. Stefan Niggemeier in der letzten Woche da angenommen hat: Da druckt die »Torgauer Zeitung« eine Presseerklärung der NPD ab. Wörtlich und ohne Kommentierung. Ohne redaktionelle, sprich journalistische Bearbeitung oder Einbettung. Und ohne Not.
Nachlesen kann man das hier und hier. Die Kommentare bei Niggemeier sind allerdings interessant.
Der andere Fokus der ARD – Objektivität adé
Wie so oft wollte man sich im tagesschau-Blog ein bisschen selber feiern. Thomas Roth schilderte seine Mühen um das Interview mit Wladimir Putin. Als Sensation angepriesen (als einzigem europäischen Sender ein Interview gewährt), wurde am Freitag das Programm noch ergänzt. Von 23.30 Uhr an wurden zehn Minuten ausgestrahlt. Roth schreibt aber im Blogbeitrag, dass das Interview 60 Minuten dauerte. Wo war denn aber eigentlich der Rest?
Auf dem tagesschau-Blog trat nun – trotz des Wochenendes – eine Dynamik ein, die wohl die Redaktion überraschte. Im russischen Fernsehen war das Interview nämlich entweder ganz oder mindestens in einer Fassung von rund 27 Minuten zu sehen. Und im Laufe der Zeit verdichtete sich der Verdacht, dass die Kürzungen, die in der ARD vorgenommen wurden, den Tenor des Gespräches stark entstellt wiedergaben. Alle Passagen, in denen Putin (und auch Roth) auf die Fehler der georgischen Machthaber eingingen, fielen der Schere zum Opfer. Und auch Putins Ausführungen über die Verstrickungen der USA in den Konflikt, wie er sie beurteilt, wurden nicht gesendet.
Notizen aus der Provinz (2)
Angela Merkel kommt nach Düsseldorf! Eine OB-Wahl mit Bundeskanzler-Beteiligung. Die CDU möchte den durch den Tod von Joachim Erwin vakanten, strategisch wichtigen Posten des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Düsseldorf unbedingt halten. Anders kann man sich dieses Engagement nicht erklären. Aber ein anderer Termin als 13 Uhr ging wahrscheinlich nicht. Und aus Anlass des 350. Geburtstages von Jan Wellem findet seit heute auf dem Marktplatz ein »historischer Markt« statt; eine Art Mittelaltermaschine mit Ständen mit Met, Lederbeuteln, Amuletten, seltsamen Essgerichten und auch gelegentlich ganz viel Rauch, der dann später in Richtung auf das Podium wehte.
Handke, Rattentöten und Katholizismus
Josef Winkler, Büchnerpreisträger 2008, in Neuss
Nach der Lesung aus einem Buch »Roppongi« wurde Josef Winkler aus dem Publikum gefragt, ob er einen Grund nennen könne, warum so viele, eigentlich die meisten wortmächtigsten, zeitgenössischen Schriftsteller deutscher Sprache aus Österreich kommen würden (Handke, Jelinek, Thomas Bernhard und natürlich auch Winkler).
Winkler überlegte kaum, antwortete sehr schnell, anfangs mit einer Art Stottern oder, besser, Stammeln, als hätte er die Frage schon Wochen vorher gewusst. Naja, sagte er, es gäbe doch auch einige sehr gute Schriftsteller aus der Schweiz. Gelächter im Publikum. Dann hatte Winkler seine Gedanken sortiert. Handke, Jelinek, Bernhard – das seien europäische Ausnahmeerscheinungen. Insbesondere Handke.
Die »Wie-es-uns-gefällt«-Aussenpolitik
In seiner Dissertation »Sprache und Außenpolitik – Der deutsche und US-amerikanische Diskurs zur Anerkennung Kroatiens« schreibt Ralf Piotrowski:
Anfang November 1991 wurde die diplomatische Anerkennung Sloweniens und Kroatiens erklärtes Ziel deutscher Außenpolitik. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Deutschland seine Politik der Anerkennung als nationale Position angesehen, die im EG-Rahmen nicht ausreichende Unterstützung fand. Von nun an konzentrierten sich die diplomatischen Bemühungen darauf, die Partnerstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf dem eingeschlagenen Weg zu halten. Falls sich dies als nicht möglich erweisen sollte, sollte die Anerkennung notfalls im Alleingang vollzogen werden. Am 8. November 1991, während des NATO-Gipfels in Rom, richtete US-Präsident Bush an Bundeskanzler Kohl eine Demarche. Washington beschuldigte Deutschland, die internationalen Bemühungen zu unterwandern, indem es die Republiken dazu ermutige, ihre Unabhängigkeit durchzusetzen. Die deutsche Regierung fuhr dessenungeachtet mit ihrer Anerkennungspolitik fort. Mitte November informierte Bundeskanzler Kohl Präsident Mitterand offiziell über die deutschen Pläne, Kroatien anerkennen zu wollen. Mitterand gegenüber rechtfertigte Kohl dieses Vorgehen mit Verweis auf innenpolitischen Druck aus verschiedenen Richtungen. Ende November waren Kohl und Genscher zu der Überzeugung gelangt, Deutschland könne die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens notfalls ohne einen EG-Konsens vollziehen, ohne damit die Vereinbarungen mit den EG-Partnern zu verletzen. Bundeskanzler Kohl kündigte am 27. November während einer Haushaltsdebatte die diplomatische Anerkennung „noch vor dem Weihnachtsfest“ an.
»Du hast eine gute Stimme« oder: Versuch wider die Hochmütigen
Plädoyer für den Leserkritiker
1968 schreibt der damals 25jährige Schriftsteller Peter Handke über Marcel Reich-Ranicki (#1):
- Reich-Ranicki kann man mit Einwänden nicht kommen: er kennt die alte List, sich dumm zu stellen, weil er nicht argumentieren kann (und er ist nie fähig zu argumentieren, er äußert sich nur mit kräftigem rhetorischem Gestus). »Ich gestehe«, leitet er dann in der Regel seine Sätze ein. Nachdem er aber seine Verständnislosigkeit eingestanden hat, zieht er über das Nichtverstandene her.
Schliesslich bilanziert er:
Hanns-Josef Ortheil / Klaus Siblewski: Wie Romane entstehen
