Seriöse Fernsehkritik sei nicht mehr möglich meint Jan-Philipp Hein in seinem Artikel »Der TV-Untergang im Internet« auf »Spiegel Online«. Aber was so ein richtiger »Spiegel«-Reporter ist, der hat dann doch immer noch »einen« und das gallische Dorf des Herrn Hein ist David Harnasch und seine Webseite »Der Bildschirmarbeiter«. Hein verfasst eine Hommage auf Harnasch, offensichtlich der Fels in der Brandung der mediokren Kritikerzunft.
Harnasch ist einem breiteren Publikum bekannt als leichtfertiger Denunziant von Murat Kurnaz. Als ein mutmasslicher Blog von Murat Kurnaz im September vergangenen Jahres im Netz auftauchte, war es Harnasch, der dies hämisch kommentierte (zitiert nach Stefan Niggemeier):
Welcome to the Blogosphere, Murat!
Wenn ich kurz nach dem 11.9. 2001 zur Kur nach Pakistan gereist wäre (ohne meiner Familie davon zu erzählen), man mich dann nach Afghanistan und Guantanamo verschleppt und dort gefoltert hätte, dann wäre ich auch paranoid. (…)
Zwei Tipps:
1. Weniger koksen, das macht nämlich paranoid.
2. Weniger im Blog drüber schreiben, dass man kokst und das Zeug auch noch käuflich erwirbt, denn zumindest zweiteres ist strafbar und führt, wenn man sich derart sackblöde anstellt, recht zuverlässig tatsächlich zur Strafverfolgung.
Als sich einige Tage später der »Kurnaz-Blog« als Fälschung herausstellte, meinte Harnasch lapidar, ihm habe schlicht die Zeit für eine Recherche gefehlt.
Und ist es nur ein Zufall oder geschicktes Marketing, dass Harnasch als Autor auf des »Spiegel«-Autor Henryk M. Broders »Achse des Guten«-Seite agiert?
Die gepriesene Kritikerseite von Herrn H. ist übrigens kaum TV-Kritik, sondern allenfalls Themen- bzw. Gesinnungskritik mit vielen eitlen Videodarstellungen. Das Herr Hein das nicht bemerkt oder nicht bemerken will und dieses Grossmaul (Weil das ZDF keine Journalisten beschäftigt...) als TV-Kritiker »verkauft«, macht ihn für mich zur Journalistenattrappe.
Harnasch ist alles andere als ein Kritiker. Harnasch ist ein Scharfmacher mit etwas angespitzter Feder, ein eitler Geck, der seinem Idol ‑Broder- nacheifert, ohne dessen Sprachwitz, wenn man denn davon sprechen kann, auch nur zu berühren.
Dass der Spiegel sich über Umwege selbst lobt ist für mich ein weiteres Argument für die zunehmende Bedeutungslosigkeit, die das Blatt mindestens für mich hat.
Wann habe ich das letzte mal den Spiegel gelesen?
Hatte ich den Eindruck Informiert zu werden?
War es nicht eher Infotainment?
Hatte ich überhaupt den Eindruck fundiert und mit Hintergrundinformation versorgt zu sein?
Und das mediokre Journalisten mediokre, mainstreamende Blogger hypen – nun was soll’s: Gibt noch andere Medien...
Aber der zentralen Aussage des Autor des Artikels , Herrn Hein, kann ich durchaus recht geben:
»Nimmt die Online-Welt das Fernsehen nicht mehr zur Kenntnis, weil fast nur noch Schwachsinn über die Mattscheibe geht? Sehen Blogger womöglich gar nicht fern? Medientheoretiker Norbert Bolz von der TU Berlin hält das für plausibel: »Kritik impliziert ein positives Werturteil.« Im Klartext: »Fernsehen ist nicht mehr kritikwürdig.««
Oder?
Naja,
das Fernsehbashing mag angesagt sein (ich kenne es seit Jahrzehnten; immer ist es noch schlimmer als vorher) – aber es geht (wie im Internet auch) darum, die »Perlen« zu finden, was – zugegebenermassen – anstrengend und schwierig ist.
Bei Harnasch schwingt ja auch mit: Fernsehen = öffentlich-rechtlich = bäh. Aber wo ist die Alternative? Das Privatfernsehen etwa?
Kann sein, dass ich ein bescheidener Mensch bin, aber die ein oder andere Dokumentationen oder Fernsehspiel oder Reisebericht oder auch der ein oder andere »Kulturzeit«-Beitrag – ist der es nicht wert?
Was ich schlimm finde (aber ausserhalb der Wahrnehmung von Figuren wie Harnasch) ist die schleichende Trivialisierung und Banalsierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens. Das kann man festmachen – aber man macht nichts dagegen, weil man sich zu stark an einer Quote orientiert und zu wenig »riskiert«.
Vollständiges Zitat Niggemeiers
Niggemeier selbst leitet das Zitat ein mit der hier unterschlagenen Zeile:
»David Harnasch hält sich nur eine Klammer lang mit der Möglichkeit einer Fälschung auf (’so er [Kurnaz] seinen Blog wirklich selbst schreibt und das hier keine Persiflage ist’), um sie im übrigen zu ignorieren:«
Das ändert natürlich nichts an meiner uneingeschränkten moralischen Verkommenheit, wenn es Niggemeier aber wichtig war, geben wir dieser Zusatzinformation doch auch hier die Ehre.
Diese Zusatzinformation ist in meinem Beitrag in der Verlinkung des Niggemeier-Artikels einzusehen. Im übrigen hat Sie dieser leise Zweifel (der Residuen journalistischen Arbeitens verrät) nicht davon abhalten, den vermeintlichen Kurnaz zu verleumden.
Ebenso unterschlagen:
»Apropos „sackblöde”: Das sind die Leute, die sich damit brüsten, „unkonventionell” zu „denken”? Jede Wette: Wenn auf dem kleinen Foto im Blog Murat Kurnaz mit roter Karnevalsnase abgebildet gewesen wäre, Harnasch und seine Achsenfreunde hätten es immer noch nicht gemerkt und auch das gegen den echten Kurnaz ausgelegt.« – Stefan Niggemeier.
Aus Liebe zur Vollständigkeit!