Eigentlich eine Provinzposse, der sich u. a. Stefan Niggemeier in der letzten Woche da angenommen hat: Da druckt die »Torgauer Zeitung« eine Presseerklärung der NPD ab. Wörtlich und ohne Kommentierung. Ohne redaktionelle, sprich journalistische Bearbeitung oder Einbettung. Und ohne Not.
Nachlesen kann man das hier und hier. Die Kommentare bei Niggemeier sind allerdings interessant. Die Tatsache, dass sich da eine Redaktion zum Verlautbarungsorgan einer Partei im allgemeinen und der NPD im besonderen macht, empfinden etliche gar nicht mehr als so ungewöhnlich.
Nein, ich rede hier nicht einem Salonalarmismus und einer Betroffenheitsrhetorik à la Claudia Roth das Wort. Ich frage mich nur, warum auch auf Nachfrage der Chefredakteur Thomas Stöber den Fehler zwar einsieht, in dem er durchaus konstatiert, der Kollege habe »nicht ordentlioch« gearbeitet, aber diesen Fehler nicht wenigstens korrigiert, und stattdessen ins Lamentieren über zu wenig Geld für eine entsprechende Redaktion flüchtet (was indirekt natürlich auch etwas über seine Meinung über seine Redaktion aussagt).
Jetzt war ein Korrespondent der FAZ, Olaf Sundermeyer, dort. Er versucht, mindestens Verständnis für Stöbers Situation aufzubringen. Der meint, man könne die NPD nicht totschweigen. Das hat zwar niemand gesagt, aber Sundermeyer verrät ihm wohl auch nicht den Unterschied zwischen Journalismus und Verlautbarung. Sundermeyer hat auch wohl der Redaktion der FAZ vergessen zu sagen, dass die Partei NPD und nicht »NDP« heisst. Aber das passiert in einem Qualitätsmedium sicherlich einmal.
Zurück zur Torgauer Zeitung: Stöber macht aus der Presseerklärung einen »Leserbrief«. Er suggeriert damit, dass man Leserbriefe abdrucken müsse, das man Leserbriefe nicht gegebenenfalls kommentieren müsste.
Den vorläufigen Höhepunkt der Verdummungsstrategie von Herrn Stöber ist das Argument, man vertiefe mit solchen Diskussionen die Differenzen zwischen Ost und West. Ich weiss nur noch nicht, ob Sundermeyers Artikel Stöbers Verhalten schon genug desavouiert. Oder ob man – sozusagen unter Journalisten – Mitleid oder gar Solidarität für Herrn Stöber empfindet. Das wäre vollkommen unangebracht. Stöber versagt auf der ganzen Linie.
Ergänzung: Die FAZ hat »NDP« durch »NPD« ersetzt.
Es gibt ja doch eine Verwandschaft zwischen Deutschen und Österreicher!
WIR KÖNNEN AUCH SO:))))
Die kleine treffliche und zutreffende Spitze gegen Claudia Roth hat mir auch gefallen. Ansonsten natürlich: d’accord
Was für eine Mischpoke die Journalisten doch (mittlerweile) sind! Erschreckend, dass beispielhaft vorgeführt wird wie die Unterschiede mehr & mehr verwischen. Und da soll die ‘Aufklärung’ per Netz keine Rolle spielen...? Ich lach mich tot! Die ‘Tagesschau’ und der ‘Torgauer Bote’, wo, bitte, ist da ein Unterschied auszumachen? Unabhängiger Journalismus ist in der alten Medienlandschaft zu einem bitteren Witz verkommen. Die ‘öffentlich-rechtliche Verblödung’ schreitet unaufhaltsam voran und genau das ebnet den Weg für Stöber und seinesgleichen...Ekelhaft!!!
[EDIT: 2008-09-02 12:28]
Jetzt muss ich...
ein bisschen den Optimisten spielen: Es gibt sie doch auch noch, die Ausnahmen. Und – erstaunlich: Man hat auf Seiten der tagesschau reagiert. Man muss vielleicht berücksichtigen, dass da ein Wochenende dazwischen war. Und wie hier der Kommentator schon sagt: Die »Gegenöffentlichkeit« lässt sich nicht mehr mit Schwarz-Weiss-Mustern abspeisen. Das sollte doch ein bisschen Mut machen.
Ich bin überrascht über mich selber.