Igno­ranz als Prin­zip

Am Don­ners­tag be­gin­nen die Bach­mann­preis­le­sun­gen – zwi­schen Fuß­ball-EM und Olym­pi­schen Spie­len. Nicht, dass die Ver­an­stal­tun­gen ir­gend­wie zu ver­glei­chen wä­ren, aber ich möch­te dann doch für je­de me­dia­le Ver­wen­dung der Flos­kel »Wett­le­sen« – des blöd­sin­nig­sten Be­grif­fes, den es für die­se Ver­an­stal­tung gibt – nur 10 Cent be­kom­men. Da­nach könn­te ich wohl ein oppu­len­tes Abend­essen mit Freun­den ab­hal­ten.

Man ist ja ge­neigt, je­de Prä­senz in den Me­di­en zu ei­ner sol­chen Ver­an­stal­tung (be­son­ders im Vor­feld) zu be­grü­ßen. Aber da man sich lei­der ein biss­chen aus­kennt, ist die Freu­de eher ge­ring. Da wird am 1. Ju­li in ei­ner Li­te­ra­tur­grup­pe auf Face­book lau­nig ge­fragt, wer denn den Preis ge­win­nen »soll«. Die Ant­wor­ten sind na­tur­ge­mäß eher fra­gend. Auf den Hin­weis, man ken­ne die Tex­te nicht, wer­den die Links zu den Vi­deo­por­traits der Le­sen­den ge­setzt. Als wür­de dies al­lei­ne schon et­was über die Qua­li­tät der Tex­te aus­sa­gen. Ei­nen Hin­weis dar­auf kon­tert man pat­zig, die Re­gu­la­ri­en wür­den nun nicht un­se­ret­we­gen ge­ändert – und nun be­ginnt man, die­se Re­gu­la­ri­en zu zi­tie­ren. Da­bei hät­te man bei vor­heriger Lek­tü­re ge­merkt, wie dumm die­se Fra­ge nach dem »ver­dien­ten« Preis ist, es sei denn, man fällt ein Ur­teil auf­grund der (zu­meist nichts­sa­gen­den) Por­trait­film­chen. (Nur als Hin­weis: Die Bei­trags­tex­te sind für die Öf­fent­lich­keit bis zum Zeit­punkt der Le­sung nicht zu­gäng­lich.) Wo­bei die Ver­wun­de­rung über die­se Form des Um­gangs mit Li­te­ra­tur auch nicht mehr so ganz neu­ar­tig ist. Igno­ranz als Prin­zip. Oder: Wer ist denn heu­te noch so klein­lich und ur­teilt auf­grund ei­nes vor­lie­gen­den Tex­tes?

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Das »Schwarz­buch WWF« – und zwei Dé­jà-vu-Er­leb­nis­se

Wilfried Huismann: Schwarzbuch WWF
Wil­fried Hu­is­mann: Schwarz­buch WWF
Schwarz­bü­cher ha­ben ih­re ei­ge­ne Dy­na­mik; ihr Ti­tel ist Pro­gramm. Sie sind von vorn­her­ein par­tei­isch, blen­den Ent­la­sten­des in ih­ren Be­trach­tun­gen non­chalant aus, in­ter­pre­tie­ren Fak­ten, zie­hen groß­zügige Schlüs­se und po­le­mi­sie­ren da­bei wie ent­täuschte Lieb­ha­ber ge­gen Per­so­nen und In­sti­tu­tio­nen. Da­bei neh­men sie durch­aus recht­li­che Ausein­andersetzungen in Kauf und stei­gern da­mit ih­ren Be­kannt­heits­grad. (Das Schwarz­buch ge­gen ei­ne gan­ze Ideo­lo­gie – den Kom­mu­nis­mus – brauch­te zum Er­schei­nungs­zeit­punkt kei­ner­lei Rechts­streit zu be­fürch­ten; nie­mand moch­te sich hier zum An­walt ma­chen.) Neu­es er­fährt man aus ih­nen sel­ten; zu­meist wird nur das Be­kann­te auf poin­tier­te Art und Wei­se ge­bün­delt. Schwarz­bü­cher ver­stär­ken Af­fek­te. Da­bei ren­nen sie oft ge­nug be­reits halb­of­fe­ne Tü­ren ein. Das Ziel ist we­ni­ger Be­keh­rung als Mu­ni­tio­nie­rung. In Zei­ten des In­ter­net er­schei­nen sie ei­gent­lich über­holt. Mit we­nig Auf­wand kann man heu­te ent­spre­chen­de Web­sei­ten be­trei­ben und lau­fend ak­tua­li­sie­ren.

Den­noch: Was zwi­schen zwei Deckeln steht, ge­nießt ei­nen hö­he­ren Ruf als ei­ne im­mer noch als eher »schnö­de« ein­ge­schätz­te In­ter­net­prä­senz. Wil­fried Hu­is­mann ist noch ei­nen an­de­ren Weg ge­gan­gen: zu­nächst war da ein Film, »Der Pakt mit dem Pan­da«, der die Prak­ti­ken des all­seits be­kann­ten und be­lieb­ten WWF (»World Wi­de Fund For Na­tu­re«) kri­tisch be­frag­te. Im Som­mer 2011 erst­mals aus­ge­strahlt er­zeug­te er be­trächt­li­ches Auf­se­hen (ei­ne Ver­lin­kung auf den Film un­ter­las­se ich; je­der mö­ge ent­spre­chen­de Such­ma­schi­nen kon­sul­tie­ren). Die Wie­der­ho­lun­gen ei­ni­ge Mo­na­te spä­ter in Drit­ten Pro­gram­men der ARD sorg­ten für zu­sätz­li­che Fu­ro­re. Der WWF re­agier­te mit ei­nem »Fak­ten­check« (s. auch hier, hier und hier), um dem Au­tor Feh­ler nach­zu­wei­sen. Hu­is­mann ant­wor­te­te im Ja­nu­ar 2012 auf die bis da­hin ge­äu­ßer­ten Vor­wür­fe auf sei­ner Web­sei­te. Zum Film er­wirk­te der WWF meh­re­re Einst­wei­li­ge Ver­fü­gun­gen (hier Nr. 1, hier Nr. 2 und hier Nr. 3).

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Der heim­li­che Prä­si­dent

Ge­set­ze auf ih­re Ver­fas­sungs­taug­lich­keit zu über­prü­fen, ist seit vie­len Jah­ren fast zur Rou­ti­ne ge­wor­den. Längst gilt das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt als die letzt­be­grün­den­de In­stanz un­ter an­de­rem für Da­ten­schüt­zer, Bür­ger­recht­ler, Ver­fas­sungs­in­ter­pre­ten und Par­la­men­ta­ri­er. Ins­be­son­de­re Ge­set­ze und Richt­li­ni­en, die mit­tel- oder un­mit­tel­bar mit der EU zu tun ha­ben, lan­den re­gel­mä­ßig in Karls­ru­he (man fragt sich zu­wei­len, wann ei­gent­lich Pe­ter Gau­wei­ler mal nicht ge­klagt hat). Fast im­mer en­den die Ver­hand­lun­gen in mehr oder min­der star­ke Rüf­fel für die Ge­setz­ge­bung. Schlam­pig ge­ar­bei­tet, Fri­sten ver­strei­chen las­sen, un­ge­nau for­mu­liert, In­sti­tu­tio­nen über­gan­gen – die Li­ste lie­ße sich noch be­lie­big er­wei­tern. Die Ur­tei­le sind in der Re­gel po­pu­lär, weil sie dem Emp­fin­den vie­ler Bür­ger ent­spre­chen.

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El Gre­co in Düs­sel­dorf

»El Gre­co und die Mo­der­ne« – so heißt die Aus­stel­lung im Düs­sel­dor­fer »Mu­se­um Kunst­pa­last« (noch bis 12. Au­gust). Rund 3 Mil­lio­nen Eu­ro ko­stet die­ses Spek­ta­kel. Kein Wun­der, dass auch am ob­li­ga­to­ri­schen Frei­tag, dem Mon­tag, die Aus­stel­lung ge­öff­net ist. Am Wo­chen­en­de dür­fen die Mas­sen als Aus­gleich da­für, dass es vol­ler ist auch 14 Eu­ro (statt 12) be­zah­len (Er­mä­ßi­gun­gen ent­spre­chend).

Leer war es auch an die­sem Mitt­woch Nach­mit­tag nicht. Man sah min­de­stens zwei kopf­hö­rer­be­waff­ne­te Schau­er, die ih­ren in Mi­kro­pho­ne spre­chen­den Füh­rern folg­ten (die In­ter­pre­ta­ti­ons-Be­schal­lun­gen ge­hö­ren wohl der Ver­gan­gen­heit an). An­de­re fuch­tel­ten mit Ge­rä­ten her­um, die wie et­was zu groß ge­ra­te­ne Mo­bil­te­le­fo­ne aus­sa­hen. Für 3 oder 4 Eu­ro Miet­ge­bühr kann man sich hier aus­ge­wähl­te Bil­der er­klä­ren las­sen. Wie im­mer wa­ren die­je­ni­gen, die mir am be­sten ge­fal­len ha­ben, nicht da­bei. Die groß avi­sier­te ko­sten­lo­se App (»mit Au­dio­gui­de«) konn­te im Mu­se­um man­gels Emp­fang nicht ge­la­den wer­den. Drau­ßen brach sie dann zu­sam­men. Auch noch ein Ver­such zu Hau­se miss­lang; die fast 90% schlech­ten Be­wer­tun­gen sind be­rech­tigt.

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Holm Sund­haussen: Ju­go­sla­wi­en und sei­ne Nach­fol­ge­staa­ten 1943–2011

Am En­de sei­nes Bu­ches über »Ju­go­sla­wi­en und sei­ne Nach­fol­ge­staa­ten 1943–2011« knüpft Holm Sund­haussen, Pro­fes­sor für Süd­ost­eu­ro­päi­sche Ge­schich­te an der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin und Co-Di­­rek­tor des Ber­li­ner Kol­legs für ver­glei­chen­de Ge­schich­te Eu­ro­pas, an sei­ne Be­mer­kung vom An­fang an: Nicht »die Ge­schich­te« ist es, die sich wie­der­holt. Der Mensch wie­der­holt sich. Dies sei die wich­tig­ste Leh­re, die ...

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Ein biss­chen Han­dels­blatt, ein biss­chen Bun­des­bank – und ganz viel FAZ und FAS

Thilo Sarrazin: Deutschland braucht den Euro nicht
Thi­lo Sar­ra­zin: Deutsch­land braucht den Eu­ro nicht
Thi­lo Sar­ra­zins An­ti-Eu­ro-Buch »Eu­ro­pa braucht den Eu­ro nicht« zeigt die öko­no­mi­schen Dilem­mata der Ge­mein­schafts­wäh­rung. Und es zeigt, wo­hin ein un­ter­las­se­ner Dis­kurs füh­ren kann.

Wie wä­re das ei­gent­lich: Ein Buch von Thi­lo Sar­ra­zin er­scheint – und nie­mand regt sich dar­über auf, be­vor er es nicht min­de­stens ge­le­sen hat?

Schwie­rig wohl, denn die Wel­len zu »Deutsch­land schafft sich ab« schla­gen heu­te noch hoch. Da­bei war es nicht da­mit ge­tan, Sar­ra­zin an ei­ni­gen Stel­len sei­nen bio­logistischen Un­sinn vor­zu­hal­ten und ab­zu­ar­bei­ten. Man be­nutz­te die­se Stel­len, um das, was in dem Buch an­sonsten an­ge­spro­chen wur­de, per se zu dis­kre­di­tie­ren. Bei ei­nem zwei­ten Buch – zu ei­nem ver­meint­lich an­de­ren The­ma – soll nun die­se Vor­ge­hens­wei­se per­fek­tio­niert wer­den. »Halt’s [sic!] Maul« pro­te­stiert man dann auch schon vor­her – und be­weist ei­ne be­mer­kens­wer­te Diskussions­kultur. Als die Pro­test­ler am 20.05. vor der Fern­seh­sen­dung »Gün­ther Jauch« ent­sprechend de­mon­strier­ten (Sar­ra­zin war dort zum Ge­spräch mit Peer Stein­brück ge­laden), dürf­ten sie un­mög­lich das Buch ge­le­sen ha­ben, um das es in der Sen­dung ging. Ih­nen und auch den Be­ob­ach­tern der »Nach­denk­sei­ten« stört so et­was nicht: Im Zwei­fel ha­ben sie sich schon ei­ne Mei­nung ge­bil­det be­vor das, was sie das, was sie kri­ti­sie­ren, über­haupt ken­nen. Denn sie wis­sen es ja: Ein »Ras­sist« und ein »rech­ter So­zi­al­de­mo­krat« im Ge­spräch – da kann nichts raus­kom­men. Da­bei re­agie­ren sie wie Paw­low­sche Hun­de und er­set­zen In­tel­lekt be­reit- und frei­wil­lig mit Af­fekt.

Ich hat­te am Mitt­woch (16.05.) ein Le­se­ex­em­plar vom Ver­lag zu­ge­schickt be­kom­men. Es ist kaum mög­lich, in­ner­halb von vier Ta­gen das Buch ver­nünf­tig zu le­sen, durch­zu­ar­bei­ten und ein kon­zi­ses Ur­teil zu fäl­len. Und ob­wohl ich da­von aus­ge­he, dass Leu­te wie Stein­brück ei­ne et­was län­ge­re Zeit zur Ver­fü­gung hat­ten, merk­te man dem Ge­spräch an, dass der Con­tra-An­walt er­heb­li­che Lücken of­fen­bar­te, was Sar­ra­zins Buch an­ging und der Au­tor mit sei­nen Ent­geg­nun­gen ent­spre­chend kon­tern konn­te.

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Hand­streich in Düs­sel­dorf

So macht man das in Düs­sel­dorf: Un­lieb­sa­me und un­pas­sen­de An­schau­un­gen wer­den ein­fach je nach Be­darf ent­fernt. Wie­der ein­mal geht es um den Hein­rich-Hei­ne-Preis, den die Stadt Düs­sel­dorf al­le zwei Jah­re ver­gibt. Die un­wür­di­gen und lä­cher­li­chen Ver­su­che, mit der die Stadt­po­li­tik 2006 die Um­set­zung ei­ner au­to­no­me Ju­ry-Ent­schei­dung für Pe­ter Hand­ke ver­hin­dern woll­te, sind noch all­seits nach­zu­schla­gen (bei­spiels­wei­se hier, hier und hier). Hand­ke be­en­de­te das un­wür­di­ge Spiel, mit ei­nem lau­ni­gen Text, der den Ver­zicht sug­ge­rier­te.

Sechs Jah­re spä­ter geht es um die Be­set­zung der Ju­ry für den Hei­ne-Preis. Nach dem Fi­as­ko 2006 war die Ju­ry­be­set­zung in ei­ner Sat­zungs­än­de­rung der­art ver­än­dert wor­den, dass 15 von 17 Ju­ro­ren di­rekt oder in­di­rekt von der Po­li­tik be­stimmt sind bzw. po­li­ti­sche Funk­tio­nen aus­üben. Die Re­ge­lung, dass die Stim­men der Fach­ju­ro­ren ei­ne hö­he­re Wer­tig­keit ha­ben, wur­de eben­falls ab­ge­schafft. Zum ak­tu­el­len Preis setz­te die re­gie­ren­de CDU/FDP-Ko­ali­ti­on ei­ne Sat­zungs­än­de­rung durch, in der auch die »Frei­en Wäh­ler«, die mit nach dem Über­tritt ei­nes »Re­pu­bli­ka­ners« mit drei Mit­glie­dern im Rat der Stadt sit­zen, ein Recht auf ei­nen Ju­ry­platz be­an­spru­chen durf­ten. SPD, Grü­ne und Lin­ke stimm­ten da­ge­gen – sie be­fürch­te­ten of­fen­bar, mit dem »bür­ger­li­chen« Über­ge­wicht nicht ge­nü­gend Ein­fluss zu ha­ben.

Jetzt ging der Är­ger rich­tig los.

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Ur­he­ber­recht und gei­sti­ges Ei­gen­tum. Ver­such ei­ner knap­pen und grund­sätz­li­chen Nä­he­rung.*

Bei­de Be­grif­fe, Ur­he­ber­recht und gei­sti­ges Ei­gen­tum, sind nicht als zeit­los gül­ti­ge Fest­schreibungen zu klä­ren, son­dern in­ner­halb ei­ner kon­kre­ten Ge­sell­schaft, ih­rem »Welt­bild«, ih­rer Kul­tur, ih­ren Wert­vor­stel­lun­gen, ih­ren öko­no­mi­schen Prak­ti­ken, ih­ren tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten und dem gel­ten Recht. Es ist nicht nur denk­bar, dass an­de­re Zei­ten oder Men­schen nach an­de­ren Lö­sun­gen ver­lan­gen oder sie na­he le­gen, das war ge­wiss so und wird wie­der der Fall sein. Das ist mei­ne er­ste An­nah­me.

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