El Gre­co in Düs­sel­dorf

»El Gre­co und die Mo­der­ne« – so heißt die Aus­stel­lung im Düs­sel­dor­fer »Mu­se­um Kunst­pa­last« (noch bis 12. Au­gust). Rund 3 Mil­lio­nen Eu­ro ko­stet die­ses Spek­ta­kel. Kein Wun­der, dass auch am ob­li­ga­to­ri­schen Frei­tag, dem Mon­tag, die Aus­stel­lung ge­öff­net ist. Am Wo­chen­en­de dür­fen die Mas­sen als Aus­gleich da­für, dass es vol­ler ist auch 14 Eu­ro (statt 12) be­zah­len (Er­mä­ßi­gun­gen ent­spre­chend).

Leer war es auch an die­sem Mitt­woch Nach­mit­tag nicht. Man sah min­de­stens zwei kopf­hö­rer­be­waff­ne­te Schau­er, die ih­ren in Mi­kro­pho­ne spre­chen­den Füh­rern folg­ten (die In­ter­pre­ta­ti­ons-Be­schal­lun­gen ge­hö­ren wohl der Ver­gan­gen­heit an). An­de­re fuch­tel­ten mit Ge­rä­ten her­um, die wie et­was zu groß ge­ra­te­ne Mo­bil­te­le­fo­ne aus­sa­hen. Für 3 oder 4 Eu­ro Miet­ge­bühr kann man sich hier aus­ge­wähl­te Bil­der er­klä­ren las­sen. Wie im­mer wa­ren die­je­ni­gen, die mir am be­sten ge­fal­len ha­ben, nicht da­bei. Die groß avi­sier­te ko­sten­lo­se App (»mit Au­dio­gui­de«) konn­te im Mu­se­um man­gels Emp­fang nicht ge­la­den wer­den. Drau­ßen brach sie dann zu­sam­men. Auch noch ein Ver­such zu Hau­se miss­lang; die fast 90% schlech­ten Be­wer­tun­gen sind be­rech­tigt.

Der Film über El Gre­co fiel lei­der aus, so dass wir so­fort in die Aus­stel­lung gin­gen. Dort sind sie al­so, die »et­wa 40 be­deu­ten­den« Bil­der (Mu­se­ums­pro­spekt) von El Gre­co, der ei­gent­lich Domí­ni­kos Theo­to­kó­pou­los hieß, 1541 ge­bo­ren wur­de, nach Spa­ni­en ging und dort 1614 hoch an­ge­se­hen starb. Spä­ter er­kennt man, war­um es »et­wa« oder – (Web­sei­te) – »rund« heißt, denn ei­ni­ge Bil­der ent­stam­men der »Werk­statt« El Gre­cos, und ab und an gibt es ein »?« beim Ma­ler. Die El Gre­co zu­ge­schrie­be­nen Bil­der sind fast al­le in der Mit­te des Rau­mes an­ge­ord­net. Rechts und links da­von dann Wer­ke der Mo­der­ne, von Ko­kosch­ka, Op­pen­hei­mer, Max Beck­mann, De­laun­ay, Pi­cas­so, Macke, Schie­le, Lud­wig Meid­ner, Franz Marc, spä­ter, ei­ne Eta­ge hö­her dann noch mehr Ex­pres­sio­ni­sten wie Hein­rich Nau­en und Max Ernst (»Rhei­ni­sche Ex­pres­sio­ni­sten«). Es gibt so­gar Skulp­tu­ren des wun­der­ba­ren Wil­helm Lehm­bruck, die von Fer­ne an die lang­ge­streck­ten El-Gre­co-Prot­ago­ni­sten er­in­nern (sol­len), aber mehr wie Gia­co­metti-Vor­läu­fer wir­ken (die wohl zu teu­er ge­we­sen sein dürf­ten).

Zwi­schen­durch ent­deckt man auch zwei Cé­zan­ne. Da­bei soll sug­ge­riert wer­den: Cé­zan­ne hat sei­ne To­ten­köp­fe dem von El Gre­co ab­ge­schaut. Ein Buch von 1936 liegt in ei­ner Vi­tri­ne aus, in dem Cé­zan­nes Ko­pie ei­nes El Gre­co-Por­traits the­ma­ti­siert wird. Die bei­den Sei­ten, die auf­ge­schla­gen sind, wer­den nicht über­setzt; über evtl. Hin­ter­grün­de er­fährt man nichts.

Ge­ra­de­zu krampf­haft ver­sucht die Düs­sel­dor­fer Aus­stel­lung den El-Gre­co-Boom, der sich vor fast ein­hun­dert Jah­ren ins­be­son­de­re in Deutsch­land er­eig­ne­te, als ein ir­gend­wie be­son­de­res Epo­chen­si­gnal auf­zu­hüb­schen. Da­zu pas­sen die an die Wand ge­wor­fe­nen Tex­te mit Zi­ta­ten von mehr oder we­ni­ger be­kann­ten Künst­lern, die El Gre­co mal mit Cé­zan­ne (al­so ei­nem Im­pres­sio­ni­sten) und mal mit den Ex­pres­sio­ni­sten in Ver­bin­dung se­hen.

Na­tür­lich sind die zum Teil blas­sen, phy­sio­gno­misch merk­wür­di­gen Ge­stal­ten auf den Bil­dern El Gre­cos sehr un­ge­wöhn­lich für sei­ne Zeit. Und tat­säch­lich gab es durch­aus Schwie­rig­kei­ten bei den Zeit­ge­nos­sen mit die­sen Dar­stel­lun­gen. Aber El Gre­co blieb von den In­qui­si­to­ren der Ge­gen­re­for­ma­ti­on schein­bar un­be­hel­ligt. Be­son­ders »mo­dern« und fast my­ste­ri­ös wirkt da »Die Vi­si­on des Hei­li­gen Jo­han­nes« im »Fünf­ten Sie­gel der Apo­ka­lyp­se«. Die Deu­tun­gen zu die­sem Bild sind im­mer noch im Gan­ge. Aber ist die Tat­sa­che, dass er ei­ni­ge Künst­ler im 20. Jahr­hun­dert zu Mo­tiv-Va­ria­tio­nen in­spi­rier­te schon Grund ge­nug, El Gre­co als ei­nen Weg­be­rei­ter der Mo­der­ne zu se­hen? Beat Wis­mer, Ge­ne­ral­di­rek­tor des Mu­se­ums, macht ihn so­gar zum Vor­den­ker des Exi­sten­tia­lis­mus, wenn er schreibt, El Gre­co sei ei­ne »Schlüs­sel­fi­gur […], das In-die-Welt-Ge­wor­fen-Sein des mo­der­nen Men­schen dar­zu­stel­len.«

Si­cher­lich, Hei­li­ge wur­den von ihm (fast) pro­fa­ni­siert; es gab kaum Her­aus­stel­lungs­merk­ma­le (au­ßer bei Je­sus [der mal sal­bend, dann wie­der som­nam­bul wirkt; s. Bild]) und der Got­tes­mut­ter, die wie von hin­ten an­ge­strahlt wir­ken). Man könn­te El Gre­cos Dar­stel­lun­gen als »nüch­tern« be­zeich­nen; sie hat­ten kaum noch Er­ha­be­nes. Hier bleibt der Hei­li­ge Mensch (was er zu sei­nen Leb­zei­ten ja auch meist nur war); hier darf er’s sein. Sie blei­ben zu­meist nur durch Zei­chen zu­zu­ord­nen. So trägt der Hei­li­ge Ja­ko­bus im­mer den Pil­ger­stab in ei­ner Hand (wäh­rend die an­de­re gra­zil ver­bo­gen ist). Und Pe­trus ist mit dem Him­mels­schlüs­sel dar­ge­stellt. Aber ist das wirk­lich so re­vo­lu­tio­när? Man ver­glei­che El Gre­cos Pe­trus-Bild mit dem von Pe­ter Paul Ru­bens: El Gre­cos Fi­gur ist ha­ger und schlank, Ru­bens malt schon im Ba­rock­stil. Aber bei­de kom­men oh­ne den Hei­li­gen­schein aus. Und auf ei­nem an­de­ren Por­trait wirkt Pe­trus ähn­lich fra­gend wie bei Ru­bens. (Im viel ge­rühm­ten und eben­falls my­ste­riö­sen Lao­ko­on-Bild hat ei­ne der Fi­gu­ren ver­blüf­fen­de Ähn­lich­keit mit Pe­trus.)

Auf der drit­ten Eta­ge sind im Gang nur ei­ni­ge we­ni­ge ex­pres­sio­ni­sti­sche Gra­fi­ken aus dem An­fang des 20. Jahr­hun­derts zu se­hen. Hier kam mir dann – zu spät – die Ein­sicht, wie man sich die­ser Aus­stel­lung nä­hern müss­te (wo­mög­lich mit ei­nem der ko­sten­los zur Ver­fü­gung ge­stell­ten Klapp­stüh­le): Die Par­al­le­li­tä­ten, die uns der/die Ku­ra­to­ren ein­re­den wol­len, soll­te man igno­rie­ren. Statt­des­sen zu­nächst die El Gre­co zu­ge­schrie­be­nen Bil­der (die zum Teil ziem­li­che sti­li­sti­sche Brü­che of­fen­ba­ren, die ei­nem sonst ger­ne durch­ge­hen) an­schau­en und – ge­nie­ssen. So­dann die Ein­drücke bei ei­nem Kaf­fee ord­nen (das Ge­klap­per des In­nen­hof-Bi­stros ist zu­wei­len hör­bar). Da­nach dann die Aus­stel­lungs­stücke der Mo­der­ne auf sich wir­ken las­sen. Die an den Wän­den an­ge­brach­ten Er­läu­te­run­gen und zum Teil zwang­haf­ten Ver­knüp­fungs­ver­su­che kön­nen ge­trost igno­riert wer­den.

Wer sich wun­dert, dass es so we­nig Bil­der gibt – ich wur­de »er­wischt«, als ich ein wun­der­ba­res Bild von Max Beck­mann fo­to­gra­fier­te (das ich nur noch ver­schwom­men ha­be). Der ver­ka­bel­te Mu­se­ums­wäch­ter nö­tig­te mich – das Haus­recht zi­tie­rend – nicht nur das Fo­to­gra­fie­ren ein­zu­stel­len, son­dern die bei­den Bil­der, die er be­ob­ach­tet hat­te, auf mei­nem Smart­phone zu lö­schen. An­dern­falls droh­te er mit frei­heits­be­rau­ben­den Maß­nah­men. Ein deut­li­cher Hin­weis, dass das all­ge­mei­ne Fo­to­gra­fier­ver­bot rein gar nichts mit dem Schutz der Ob­jek­te zu tun hat (was hier für ei­ne in­ter­es­san­te Dis­kus­si­on sorg­te) – son­dern mit dem ir­gend­wel­chen Rech­ten auf das Bild. Wo­bei die­ses Bild (und noch zwei an­de­re) na­tür­lich gar nicht als Post­kar­te zu er­wer­ben war (wo­mög­lich je­doch im Ka­ta­log).


Kunst­hi­sto­risch wert­vol­le­re Er­läu­te­run­gen als mei­ne: Han­no Rau­ter­berg (»Die Zeit«; be­son­ders er­wäh­nens­wert: die Bil­der­ga­le­rie) und Ka­rin Hell­wig (»NZZ«). Die je­wei­li­gen Ti­tel nicht ver­wech­seln: »Ek­sta­se für im­mer« vs. »Ek­sta­se und Rausch«.

17 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Stimmt, wenn sich die Mu­se­ums­ver­wal­tung beim Fo­to­gra­fie­ren von Öl­ge­mäl­den zickig zeigt, dann geht’s nur ums Geld. Wo­bei das Bild­recht, auf das sich Mu­se­en in Deutsch­land ger­ne be­ru­fe, ziem­lich schwach ist: http://de.wikipedia.org/wiki/Bildrechte#Bildrechte_in_Museen.2C_Archiven_und_Bibliotheken
    Des­we­gen ru­dern da vie­le Mu­se­en lang­sam aber sich zu­rück: So darf man in Stutt­gart mitt­ler­wei­le als nor­ma­ler Be­su­cher fo­to­gra­fie­ren, nur Blitz und Sta­tiv darf man nicht be­nut­zen.
    Die­se Ver­wand­lung der Aus­stel­lungs­er­fah­rung in ein kom­plett durch­öko­no­mi­sier­tes Kon­su­me­vent, was bei die­sen »Blockbuster«-Ausstellungen fast zwangs­läu­fig ist, denn al­lein die Leih- und Ver­sich­eurngs­ko­sten sind ex­trem hoch, geht mitt­ler­wei­le schon so­weit, dass ich in ei­ni­gen Aus­stel­lun­gen schon Pro­ble­me be­kom­men ha­be, wenn ich für mei­ne Be­glei­tung ei­ne klei­ne im­promp­tu-Füh­rung ma­che. Of­fen­sicht­lich sind die Auf­sich­ten dar­auf ein­ge­schwo­ren, dass Füh­run­gen / In­for­ma­tio­nen In­stru­men­te zur Re­fi­nan­zie­rung (und für das »Bran­ding«, noch so ein öko­no­mi­sti­scher Un­sinn) sind, so dass Selbst-Den­ken oder gar sich als Pu­bli­kum im ge­mein­sa­men Rä­son­nie­ren über das, was man da sieht, zu er­ge­hen, nicht mehr er­wünscht ist. Vie­le bür­ger­li­che Mu­se­ums­grün­der und ‑stif­ter aus dem 19. und 20. Jahr­hun­dert wür­den sich über die ak­tu­el­len Ge­pflo­gen­hei­ten in ih­ren Mu­se­en sehr wun­dern.
    Sieht man El Gre­cos, wie zum Bei­spiel im Me­tro­po­li­tan oder in Ma­drid, zwi­schen sei­nen spa­ni­schen Zeit­ge­nos­sen hän­gen, er­kennt man ganz gut, dass wir es hier nicht mit ei­nem Bild­re­vo­lu­tio­när zu tun ha­ben, son­dern ei­nem sehr an­ge­se­he­nen Ma­ler des spa­ni­schen ge­gen­re­for­ma­to­ri­schen Estab­lish­ments, In­qui­si­to­ren in­klu­si­ve. Das macht die Be­gei­ste­rung für ihn un­ter den deut­schen Ex­pres­sio­ni­sten ganz be­son­ders amü­sant. Ganz be­son­ders wenn man sich klar macht, dass die mei­sten kein ein­zi­ges Ori­gi­nal ge­se­hen ha­ben, son­dern v.a. ex­trem auf Kon­tra­ste aus­ge­rich­te­te Schwar-Weiß-Re­pro­duk­tio­nen in Kunst­zeit­schrif­ten und ‑bü­chern.
    Wirk­lich in­ter­es­sant fän­de ich ei­ne Aus­stel­lung, die sich mit der selt­sa­men Rol­le der spa­ni­schen ge­gen­re­for­ma­to­ri­schen Ma­le­rei des 17. Jahr­hun­derts für die Selbst-Fin­dung und ‑De­fi­ni­ti­on der sich selbst als mo­dern ver­ste­hen­den Ma­ler um 1900 be­fass­te: Als ei­nes der rück­stän­dig­sten Län­der Eu­ro­pas be­kommt Spa­ni­en an­schei­nend die Rol­le des eu­ro­päi­schen Pri­mi­ti­ven zu­ge­wie­sen, das Ge­gen­mo­dell zur Mo­der­ne der Groß­städ­te. Seit den 1840er Jah­ren (Me­ri­mées Car­men) tre­ten in Pa­ris (und dann auch in den an­de­ren Me­tro­po­len) re­gel­mä­ßig Spa­ni­en-Mo­den auf, bei de­nen man sich am Pri­mi­ti­vis­mus und der Au­then­ti­zi­tät der wacke­ren Ibe­rer er­freut. Pi­cas­sos frü­her Ruhm ba­siert nicht­zu­letzt auf sei­ner »Spa­nisch­keit«, die er auch spä­ter of­fen­siv öko­no­misch aus­ge­beu­tet hat. (Wo­mit ich nicht in Ab­re­de stel­len will, dass sei­ne Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem Spa­nisch-Sein auch ganz exi­sten­ti­ell wa­ren.)

  2. Wie schon im ver­link­ten Ar­ti­kel an­klingt, kann man ei­gent­lich nicht mit dem Recht auf das Bild ein Fo­to­gra­fier­ver­bot um­set­zen wol­len, son­dern mit dem so­ge­nann­ten »Haus­recht«. Dass man mich ge­zwun­gen hat, die Auf­nah­men zu lö­schen dürf­te je­doch mit dem Haus­recht in kei­nem Fall ge­deckt sein. Schließ­lich kann man in Bi­blio­the­ken auch Fo­to­ko­pien für den Ei­gen­be­darf an­fer­ti­gen.

    Vor ei­ni­gen Wo­chen gab es ei­ne sehr in­ter­es­san­te Dis­kus­si­on auf SWR2 über die so­ge­nann­te »Mu­se­ums­be­such­stu­die«, u. a. mit Han­no Rau­ter­berg, der in sehr in­tel­li­gen­tem Dis­put mit ei­ner Ku­ra­to­rin (und »Blockbuster«-Verfechterin) ge­riet. Man kann das viel­leicht noch ein paar Wo­chen her­un­ter­la­den; ca. 20 MB. Wirk­lich loh­nens­wert!

  3. Ganz herz­li­chen Dank! Frau Lan­ge wird die neue Che­fin der Staats­ga­le­rie Stutt­gart, mei­nes »Hei­mat­mu­se­ums«. Na groß­ar­tig ... ich has­se Block­bu­ster-Aus­stel­lun­gen.

  4. Frau Lan­ges Aus­füh­run­gen er­in­nern fa­tal an die der Quo­ten- und Auf­la­gen­fe­ti­schi­sten in Fern­se­hen, Rund­funk und Pres­se. Als hei­li­ge Quan­ti­tät al­les. Rau­ter­berg gibt ihr wun­der­bar Con­tra.

  5. Ich ha­be lei­der noch kein Bild El Gre­cos im Ori­gi­nal ge­se­hen (ein­mal ei­ne Aus­stel­lung über ihn ver­säumt, was mich jetzt wie­der är­gert), aber selbst bei der er­sten Fo­to­gra­fie die ich vor vie­len Jah­ren sah, dach­te ich mir: Sol­che Bil­der zu die­ser Zeit! An­ders an­ders, so­zu­sa­gen, als Bosch oder Grü­ne­wald (Isen­hei­mer Al­tar). Ob man das mo­dern nennt oder nicht, ist ei­ne Fra­ge der In­ter­pre­ta­ti­on. Mir schei­nen ei­ni­ge (!) sei­ner Bil­der, wenn ich mir die Ga­le­rie der Zeit durch­se­he, noch im­mer sehr au­ßer­ge­wöhn­lich (z.B. den Hei­li­gen Ja­co­bus den Äl­te­ren oder die Öff­nung des fünf­ten Sie­gels).

    Ich hat­te in der letz­ten Zeit im­mer wie­der das Ge­fühl, dass Aus­stel­lun­gen und The­ma­ti­ken manch­mal an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen wer­den. Weil man Geld ver­die­nen muss. Oder ge­hört wer­den will. Oder meint et­was ma­chen zu müs­sen.

  6. Vor ei­ni­ger Zeit war in Düs­sel­dorf auch so ei­ne völ­lig über­lau­fe­ne Mo­net-Aus­stel­lung, zu der man meh­re­re Stun­den an­ste­hen muss­te. Ha­be ich mir da­mals auch an­ge­tan und kann mich nur noch an ein paar Bil­der er­in­nern. Von die­ser Er­fah­rung wür­de ich den Ein­wän­den ge­gen Quoten‑, Mas­sen­kunst zu­stim­men. Al­ler­dings kam es mir in dem ver­link­ten In­ter­view dann doch schon bei­na­he et­was.. be­denk­lich vor, wie die bei­den Her­ren die Da­me be­ar­bei­te­ten, die sich viel­leicht nur rhe­to­risch nicht so ge­schickt weh­ren konn­te. Was hat­ten die bei­den denn schon als Ge­gen­po­si­ti­on zu bie­ten? Die »Eli­te-Kunst«, die der ei­ne zu En­de pro­pa­gier­te, ließ für mich auch schon tief blicken. Von den Unis soll­te man doch wis­sen, wie das aus­sieht; ein La­bel, dass die Mas­sen an­zie­hen soll, ge­nau­so wie die ‘gro­ßen’ Na­men in der Kunst. (Mei­ne letz­te Au­stel­lung war, glau­be ich, ein Gug­gen­heim und das war für mich so ei­ne ab­schrecken­de Ver­samm­lung be­kann­ter Na­men)

    Ich weiß nicht, ob da­bei nicht ei­gent­lich die Fra­ge nach der De­mo­kra­ti­sie­rung von Kunst ge­stellt ist. Und ge­ra­de er­scheint mir das doch nicht so ab­we­gig: wenn schon Geld der All­ge­mein­heit aus­ge­ge­ben wird, um ihr Kunst­wer­ke zu­gäng­lich zu ma­chen, dann soll­te auch da­für ge­sorgt wer­den, dass ein paar Leu­te in die­sen Ge­nuss kom­men. Dass da­bei gro­ße Na­men, gro­ße öf­fent­li­che Aufmerksamkeit/Hypes mehr Leu­te in die Aus­stel­lung spü­len, ist in un­se­rer Mas­sen­kul­tur/-ge­sell­schaft zu­nächst ein­mal so. Das dar­zu­stel­len, zu re­flek­tie­ren, zu un­ter­wan­dern könn­te Auf­ga­be von Kunst oder Ku­ra­to­ren sein.

    PS. Wenn ich mich vor et­wa 8 Jah­ren nicht ge­täuscht ha­be, hin­gen da­mals ei­ni­ge El Gre­cos in Kir­chen oder öf­fent­li­chen Ge­bäu­den in To­le­do her­um. (Oh­ne Ein­tritt und Aus­zeich­nung der Wer­ke – viel­leicht waren’s auch nur Re­pro­duk­tio­nen)

  7. Na­ja, viel­leicht war es nicht man­geln­de Rhe­to­rik bei Frau Lan­ge, son­dern ein­fach nur die schlech­te­ren Ar­gu­men­te? Tat­sa­che ist doch, dass die Ver­ma­ssung von Kunst, Kul­tur aber auch Me­di­en in Hin­sicht auf ei­ne mög­lichst brei­te Zu­stim­mung un­ter Weg­las­sung von Kom­ple­xi­tät ge­sche­hen soll bzw. ge­schieht. Und dies in vor­aus­ei­len­dem Ge­hor­sam. Das führt am En­de zum Ni­veau von »Bild«, »BamS« und »Glot­ze«. Dass sich Aus­stel­lun­gen rein über die Be­su­cher­zah­len und die öko­no­mi­schen Fak­to­ren als Er­folg oder Miss­erfolg de­fi­nie­ren, ist die Ka­pi­tu­la­ti­on zur Even­ti­sie­rung. Es fin­det aus­schließ­lich ei­ne quan­ti­ta­ti­ve Le­gi­ti­ma­ti­on statt (»Quo­te« nennt man das im Fern­se­hen und Rund­funk; »Auf­la­ge« bei Buch und Pres­se), die rein gar nicht über die Qua­li­tät aus­sagt. Die­se zu be­ur­tei­len gilt per se längst als »pro­ble­ma­tisch«. Schließ­lich ha­ben wir ja Post­mo­der­ne.

    Der Ein­wurf oder die Be­fürch­tung, es han­de­le sich um »Eli­te-Kunst« ist – par­don – ein mir fast lä­cher­lich er­schei­nen­der Pleo­nas­mus: Kunst ist per se eli­tär. (Die mo­der­ne Kunst ist mir bei­spiels­wei­se der­art eli­tär, dass ich ver­su­che, sie zu mei­den.)

    Es mag schick sein, al­les mög­li­che zu »de­mo­kra­ti­sie­ren«, aber dann soll­te man auch die Fol­gen da­von be­reit sein zu tra­gen. Als es die­se For­mu­lie­rung noch nicht gab, pries man uns das Pri­vat­fern­se­hen als zu­sätz­li­che In­stanz für plu­ra­li­sti­sches Fern­se­hen. In Wahr­heit ging es dar­um, dass ei­ni­gen Po­li­ti­kern ihr Ein­fluss auf das öf­fent­lich-recht­li­che Fern­se­hen nicht groß ge­nug war und sie nun hoff­ten mit »frei­en« Jour­na­li­sten ei­ne Ge­gen­welt zu schaf­fen. Die Rea­li­tät ist be­kannt. Um­ge­setzt auf Kunst be­deu­tet dies eben Block­bu­ster-Aus­stel­lun­gen mit über­füll­ten Sä­len, in de­nen Grup­pen hin­durch­ge­schleust wer­den als han­de­le es sich um The­ken von Bäcke­rei­en.

  8. Zu der De­mo­kra­ti­sie­rung von Kunst hat­te ich we­der ge­sagt, ob ich sie be­für­wor­te, noch was dar­un­ter ver­stan­den wer­den könn­te. Statt Ver­ma­ssung, Ver­fla­chung könn­te man sie zum Bei­spiel auch über (dis­kur­si­ve) An­schluss­fä­hig­keit de­fi­nie­ren, dar­über dass das Werk eben (prin­zi­pi­ell) al­len nicht nur phy­sisch zu­gäng­lich sei. – Ich möch­te das erst ein­mal gar nicht for­dern, denn so­bald man das tut, könn­te das gleich ei­ne Ge­gen­po­si­ti­on pro­vo­zie­ren, aber ich den­ke, dass ei­ne ge­wis­se Grund­ver­ständ­nis­mög­lich­keit für ein Werk schon sinn­voll wä­re.

    Auch beim Zwei­ten, dem Eli­tä­ren der Kunst, ist für mich die Be­griffs­be­stim­mung be­zie­hungs­wei­se der Zun­gen­schlag ent­schei­dend. Wenn Eli­te nur heißt Di­stink­ti­ons­ge­winn, dann sind wir näm­lich ge­nau wie­der bei die­ser Dis­kus­si­on der 70er Jah­re oder da­vor. Und die­sen Ein­druck ha­be ich lei­der oft vom Bür­ger­tum wie es mir von der Zeit prä­sen­tiert wird oder Kunst- und Kul­tur­be­flis­se­nen: dass es sich in die kusch­lig-ein­sam-eli­tä­ren Zei­ten vo­ri­ger Jahr­hun­der­te zu­rück­sehnt, dass es eben auch nur um ele­gant lan­cier­te Ge­dan­ken­bruch­stücke geht. (Na­tür­lich geht das wie­der­um je­dem von uns so: Das sind im­mer die an­de­ren die nur auf Di­stink­ti­ons­ge­winn aus sind.) Man kann Eli­te nur als La­bel ver­ste­hen. Wie die Unis, die mit ih­rem Pre­sti­ge grö­ße­re Mas­sen an­zie­hen wol­len. Deutsch­land sucht das Eli­te-Mu­se­um.

    Das ist ver­mut­lich die völ­li­ge Um­keh­rung, des­sen was Sie in die­sen Be­griff le­gen woll­ten, aber dar­auf kommt es ge­ra­de an; wo­mit man die­se be­füllt. Und in Be­zug auf den Be­griff Kunst hat­te ich bei obi­gem Ge­spräch nicht das Ge­fühl, dass die bei­den Her­ren den mit so viel mehr Sub­stanz fül­len konn­ten – da war nicht viel mehr als die ne­ga­ti­ve Be­stim­mung: Kunst muss kei­ne Quo­te.

  9. Viel­leicht sind wir nä­her bei­ein­an­der, als es scheint.

    Man las­se doch die »Zeit«-Elfenbeintürme (bzw. de­ren Rui­nen) un­an­ge­ta­stet links oder rechts lie­gen. Sie spie­len doch am En­de gar kei­ne Rol­le mehr. Man soll­te sa­gen: Ei­ne Aus­stel­lung ist nicht al­lei­ne des­we­gen be­son­ders gut, weil sie we­nig be­sucht und/oder hef­tig kri­ti­siert wur­de. Aber sie ist auch nicht al­lei­ne des­we­gen gut (oder ein »Er­folg«), weil sie vie­le Be­su­cher hat­te. In der Li­te­ra­tur ist das doch ähn­lich: Ein Buch ist nicht au­to­ma­tisch schlecht, weil es ein Best­sel­ler ist. Und ein an­de­res ist nicht des­we­gen schon gut, weil es nur 100 x ver­kauft wur­de. In die­sem Sinn löst sich der Vor­wurf des Eli­tä­ren von sel­ber auf.

    Man soll­te aber ak­zep­tie­ren, dass die Bil­der von Pi­cas­so oder auch Cé­zan­ne (wie die Bü­cher von Kaf­ka oder Tho­mas Mann) nie­mals ei­nen gro­ßen Mas­sen­ge­schmack tref­fen wer­den. In­so­fern sind ja auch Block­bu­ster-Aus­stel­lun­gen mit 100.000 oder 300.000 Be­su­chern (über meh­re­re Mo­na­te ver­teilt) noch im­mer Min­der­hei­ten­pro­gram­me. Da­her stellt sich die Fra­ge, ob ich die Lat­te des Zu­gangs be­wusst nied­rig wäh­le oder viel­leicht ein biss­chen hö­her. Aber was nutzt es, wenn von 300.000 Leu­ten viel­leicht ein Drit­tel nach 15 Mi­nu­ten ins Ca­fé ab­wan­dert? Ich ha­be auch schon Aus­stel­lun­gen be­sucht, wo mir dies pas­siert ist. War­um wird der Er­folg ei­nes Mu­se­ums oder ei­ner Aus­stel­lung aus­schließ­lich an Be­su­cher­zah­len fest­ge­macht? Klar, es geht um Le­gi­ti­ma­ti­on (von Steu­er­gel­dern), aber war­um be­gibt sich Kunst und Kul­tur in die­se Öko­no­mie­fal­le? (Es ist die­sel­be Fal­le, in der auch die öf­fent­lich-recht­li­chen Me­di­en all­zu be­reit­wil­lig tap­pen.)

    Ist nicht die Angst vor dem soi­gniert da­her­kom­men­den Di­stink­ti­ons­ge­winn­ler (mir fällt da – be­zo­gen auf die Li­te­ra­tur­kri­tik – im­mer Rad­datz ein) auch ein biss­chen 70er Jah­re? Das ist kei­ne de­spek­tier­lich ge­mein­te Fra­ge. Sind nicht längst Ga­le­ri­sten und Ku­ra­to­ren weit­ge­hend ent­zau­bert, oder, bes­ser: ent-sa­kra­li­siert? Was hin­dert das mün­di­ge Pu­bli­kum, sich über die zu­wei­len lä­cher­li­chen Ver­bie­gun­gen mo­der­ner In­ter­pre­ta­to­ren hin­weg zu set­zen und ih­re ei­ge­ne Deu­tung an­zu­bie­ten und of­fen­siv zu ver­tre­ten (und not­falls mit ihr zu schei­tern)? Wer liest denn all den Schrott noch, der da über Aus­stel­lun­gen im Vor­feld pu­bli­ziert wird (wenn es nicht so­wie­so Pres­se­tex­te sind, die un­end­lich wie­der­holt wer­den)? Sie mer­ken, ich bin je­mand, der den nack­ten Kö­nig als nackt be­zeich­net se­hen möch­te, wenn er es denn ist. Ich plä­die­re für ei­nen neu­en Pu­ris­mus, der sich jen­seits von selbst­er­nann­ten Deu­tungs­eli­ten oder Ku­ra­to­ren, die dem po­ten­ti­el­len Be­su­cher al­les mög­lichst mund­ge­recht ser­vie­ren wol­len, be­wegt. Wenn ich Er­klä­run­gen wün­sche, soll­ten die­se pa­rat ste­hen. Aber nicht vor­aus­ei­lend schon ei­ne Rich­tung an­ge­ben. We­ni­ger kann zu­wei­len mehr.

    Wenn Kre­thi und Ple­thi nicht in die Aus­stel­lung ge­hen, macht das doch nichts; Kunst­lieb­ha­ber sind nicht per se bes­se­re Men­schen (von Künst­lern ganz zu schwei­gen).

  10. Ich ha­be das In­ter­view noch nicht ge­hört, aber mir scheint ein wich­ti­ger Punkt, auch hier in der Dis­kus­si­on, über­se­hen zu wer­den: Es ist völ­lig be­lang­los ob man sich merkt wel­che oder wie vie­le Bil­der man von wem ge­se­hen hat. Ei­ne Aus­stel­lung zu be­su­chen be­deu­tet (bes­ser) se­hen zu ler­nen, den Blick zu schu­len, sein äs­the­ti­sches Ver­mö­gen zu bil­den und zu ent­wickeln.

    Bil­der oder Pla­sti­ken selbst­stän­dig be­trach­ten zu kön­nen, zu in­ter­pre­tie­ren und zu ver­ste­hen, dar­um geht es doch. Nein, nicht Kunst im­mer­fort er­klä­ren, man muss ler­nen (ir­gend­wann) selbst­tä­tig zu wer­den.

  11. Um den Schluss zu zie­hen: De­mo­kra­ti­sie­rung von Kunst be­deu­tet dann im Er­geb­nis ei­ne Eman­zi­pa­ti­on von ein­sei­ti­ger Kunst­er­klä­rung hin zu ei­ner weit­ge­hend selb­stän­di­gen äs­the­ti­schen Be­trach­tung und In­ter­pre­ta­ti­on.

  12. »De­mo­kra­ti­sie­rung« klingt mir zu sehr da­nach, als kön­ne man über Kunst und Kunst­ur­tei­le per Mehr­heits­ent­schei­dung Ei­ni­gung er­zie­len. Das ist es eben auch nicht. Ich hal­te es bei­spiels­wei­se für ei­nen gro­ßen Irr­tum, dass man über Li­te­ra­tur­prei­se ab­stim­men kann (al­lei­ne die Vor­aus­set­zun­gen sind viel zu va­ge).

  13. Das mein­te ich je­den­falls nicht. Aber mir scheint manch­mal die Angst vor der Mas­se, Angst vor dem Ver­lust der Deu­tungs­ho­heit zu sein. Die­se Ho­heit in­fra­ge zu stel­len in­dem es je­der selbst lernt und ver­sucht und schließ­lich auch kann, wä­re ein ge­ra­de­zu auf­klä­re­ri­sches Un­ter­fan­gen.

  14. Was hin­dert das mün­di­ge Pu­bli­kum, sich über die zu­wei­len lä­cher­li­chen Ver­bie­gun­gen mo­der­ner In­ter­pre­ta­to­ren hin­weg zu set­zen und ih­re ei­ge­ne Deu­tung an­zu­bie­ten und of­fen­siv zu ver­tre­ten (und not­falls mit ihr zu schei­tern)?
    Die Be­schrei­bun­gen, die Sie da an­brin­gen, könn­ten auch als im Be­sten Sin­ne »de­mo­kra­tisch« ver­stan­den wer­den. Wie ich mir die öf­fent­li­chen Sen­der auch vor­stel­le: als ein An­ge­bot, wel­ches wahr­ge­nom­men wer­den kann, oder auch nicht. – Tut mir leid, dass ich die­sen miss­li­chen Ter­mi­nus ins Spiel brach­te, von dem me­tep­si­lo­n­e­ma mög­li­cher­wei­se auch noch ei­ne drit­te Auf­fas­sung hat. Noch schil­lern­der ist aber ja der Be­griff Kunst selbst. In der Tat sind un­se­re An­sich­ten so ver­schie­den wahr­schein­lich nicht – viel­mehr die Be­griffs­wahl und ‑ver­wen­dung dis­sen­tie­ren.

  15. Mög­li­cher­wei­se er­scheint die Kunst zu er­ha­ben, oder man traut sich kei­ne Selbst­stän­dig­keit zu (oder er­kennt nicht, dass das ein Lern­pro­zess ist).

  16. @Phorkyas
    Bei dem Be­griff »De­mo­kra­ti­sie­rung« zieht sich bei mir eben al­les zu­sam­men. Es ist für mich deut­lich mehr als nur die Aus­wahl zu ha­ben zwi­schen »ja« und »nein« (an­son­sten wä­re ja das Feuil­le­ton im­mer schon »de­mo­kra­tisch« ge­we­sen). Wie der Be­griff der­zeit po­li­tisch ver­wen­det wird, läuft er auf ei­ne Ni­vel­lie­rung hin­aus, an ei­ne An­pas­sung an den Mehr­heits­mei­nun­gen, die al­lei­ne durch ih­re Quan­ti­tät Le­gi­ti­ma­ti­on aus­üben. Ge­schickt wird er zu­wei­len als wei­ter­ge­hen­de Va­ria­ti­on der »Schwarm­in­tel­li­genz« ge­braucht. Tat­säch­lich geht ja das de­mo­kra­ti­sche Le­gi­ti­ma­ti­ons­ver­fah­ren da­von aus, dass, je mehr Leu­te an ei­nem Ent­schei­dungs­pro­zess teil­neh­men, je ge­rin­ger die »Feh­ler­quo­te ist«. Da­her ver­göt­tert man ja so et­was wie »Wahl­be­tei­li­gung« (um nicht die lei­di­ge Quo­ten- oder Auf­la­gen­dis­kus­si­on zu be­le­ben) bzw. glaubt, dass ei­ne mög­lichst ho­he Par­ti­zi­pa­ti­ons­quo­te per se schon die »rich­ti­gen« Er­geb­nis­se zei­ti­gen wird. Da­bei ist oft ge­nug schon im vor­aus klar, wie die »rich­ti­gen« Er­geb­nis­se aus­zu­se­hen ha­ben.

    De­mo­kra­tie ist nun in dem Di­lem­ma ge­fan­gen, dass sie ei­ner­seits Min­der­hei­ten ent­spre­chend be­rück­sich­ti­gen muss, an­de­rer­seits je­doch das In­stru­ment der Mehr­heit braucht, um ent­spre­chen­de Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Da­bei ist es ei­gent­lich sel­ten, dass es ab­so­lut fal­sche bzw. ab­so­lut rich­ti­ge Ent­schei­dun­gen in po­li­ti­schen Pro­zes­sen gibt. Meist han­delt es sich um grund­le­gen­de Über­zeu­gun­gen, die dann in ent­spre­chen­de Hand­lungs­ma­xi­me (Ge­set­ze) über­tra­gen wer­den. Durch Wah­len wird ent­schie­den, wel­cher Art die Richtung(en) sind, die po­li­tisch ein­ge­schla­gen wer­den. Nur Ideo­lo­gen glau­ben, dass es ei­ne rich­ti­ge und ei­ne fal­sche Rich­tung gibt. tat­säch­lich sind po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen sel­ten von ei­ner sol­chen Ein­deu­tig­keit.

    Die­ses Di­lem­ma gibt es nun auch bei äs­the­ti­schen Be­ur­tei­lun­gen. Spä­te­stens seit der Post­mo­der­ne ist ei­ni­ger­ma­ßen klar, dass die Zahl der ver­bind­li­chen Vor­ga­ben schwin­den (ich glau­be nicht, dass sie ganz ver­schwun­den sind; man könn­te sehr wohl äs­the­ti­sche Im­pe­ra­ti­ve auf­stel­len). Aber bil­den­de Kunst, Mu­sik und/oder Li­te­ra­tur kön­nen nicht ein­fach wie die Po­li­tik Mehr­heits­ent­schei­dun­gen un­ter­wor­fen wer­den. (Dass dies de fac­to pas­siert, ist ei­ne an­de­re Sa­che.)

    Aber der Wi­der­stand ge­gen die Deu­tungs­eli­ten nimmt na­tür­lich nicht nur in der Po­li­tik zu. (Und ich re­de hier noch nicht ein­mal von Li­te­ra­tur­fo­ren, die Ge­schmacks-Mei­nun­gen ab­ge­ben und dies als »Re­zen­si­on« be­zeich­nen.) Ei­nen we­sent­li­chen An­teil dar­an tra­gen die »Pro­du­zen­ten« und de­ren Ver­mark­ter sel­ber. Ein bil­den­der Künst­ler muss sich heu­te – wie auch im­mer – in­sze­nie­ren. die Kö­nigs­dis­zi­plin der In­sze­nie­rung ist die Pro­vo­ka­ti­on. Die­se braucht je­doch Mul­ti­pli­ka­to­ren. Und prompt ent­steht die­ser eli­tä­re Zir­kel, dem – so ver­ste­he ich Sie – Ih­re Ab­nei­gung gilt.

    Ich wür­de da­hin­ge­hend ten­die­ren, Kunst (zu­nächst) mög­lichst oh­ne die gän­gi­gen Deu­tungs­eli­ten wahr­zu­neh­men. Für mich ide­al und kon­ge­ni­al wur­de dies von me­tep­si­lo­n­e­ma hier zu­sam­men­ge­fasst (ins­be­son­de­re der letz­te Satz.