Mi­cha­el An­ge­le: Schirr­ma­cher

Michael Angele: Schirrmacher - Ein Portrait
Mi­cha­el An­ge­le:
Schirr­ma­cher – Ein Por­trait

Zu Be­ginn sei­nes als »Por­trait« aus­ge­wie­se­nen Bu­ches be­rich­tet Mi­cha­el An­ge­le, dass er nur zwei E‑Mails von Frank Schirr­ma­cher er­hal­ten hat­te. Bei­de ha­be er ge­löscht. Den Vor­wurf der Nä­he zu sei­nem por­trai­tier­ten Sub­jekt kann man ihm al­so schwer­lich ma­chen. Im wei­te­ren Ver­lauf des Bu­ches wird die­se An­nah­me be­stä­tigt. Ich hin­ge­gen ha­be nur zwei Tweets von Schirr­ma­cher er­halten. Ei­ner als Re­ak­ti­on auf die­sen Text des­sen Link ich ihm ge­schickt hat­te. Er zeigt an, dass Thi­lo Sar­ra­zin in sei­nem eu­ro­kri­ti­schen Buch zu ei­nem gro­ßen Teil aus FAS und FAZ zi­tiert. Er fand das »sehr in­ter­es­sant« (mehr nicht). Von »Nä­he« al­so auch bei mir kei­ne Spur.

Es dro­hen zwei Sze­na­ri­en mit ei­nem Buch, dass sich »Schirr­ma­cher« nennt: Zum ei­nen könn­te es ei­ne Ha­gio­gra­phie wer­den. Oder je­mand möch­te Schirr­ma­cher de­mon­tie­ren, dem arg­lo­sen Le­ser dunk­le Sei­ten des Me­di­en­men­schen und Feuil­le­to­ni­sten ent­hül­len. Nach der Re­zen­si­on in der SZ schien es sich um Letz­te­res zu han­deln. Wo­bei An­dri­an Kreye wohl ein an­de­res Buch ge­le­sen ha­ben muss, denn um ei­ne »Bio­gra­fie« han­delt es sich bei An­ge­le nun wirk­lich nicht. Und ob Schirr­ma­cher wirk­lich ein »bril­lan­ter Den­ker« war? Zwei­fel sind da er­laubt.

Aber was macht An­ge­le? Er be­fragt Weg­ge­fähr­ten, Kol­le­gen, Mit­lei­den­de, Ge­schass­te, Freun­de, Kum­pel. Am En­de, in ei­nem sehr le­sens­wer­ten Epi­log, auch noch Schirr­ma­chers Mut­ter. Vie­le der Zeu­gen woll­ten an­onym blei­ben, was An­ge­le ak­zep­tiert aber nicht da­von ab­hält, sie zu zi­tie­ren. Die End­no­ten, die er setzt, ge­ben das Da­tum des Ge­sprächs oder der Nach­richt an, nicht de­ren Ur­he­ber. An­ge­le lässt zu­wei­len auch di­ver­gie­ren­de Aus­sa­gen zu, was nur ober­fläch­lich be­trach­tet be­lie­big ge­nannt wer­den kann. Er weiss na­tür­lich wie un­zu­ver­läs­sig Zeu­gen sind. Aber er zeigt da­mit, wie Schirr­ma­cher längst in der Bran­che zum My­thos ge­wor­den ist. Da wird dann so­gar der Vo­gel­schiss »auf die Schul­ter des Her­aus­ge­bers« bei ei­nem Aus­flug zum Nie­der­wald­denk­mal zum be­rich­tens- und deu­tungs­wür­di­gen De­tail.

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Frau Grüt­ters und der Frei­raum

Wenn man auf die Web­sei­te der »Staats­mi­ni­ste­rin für Kul­tur und Me­di­en« geht, er­kennt man sehr schnell, wor­um es wirk­lich geht: Ums Geld. Ge­nau­er: Um 1,67 Mil­li­ar­den Eu­ro für die Kul­tur­för­de­rung 2018, die, so die Mi­ni­ste­rin »ein star­kes Zei­chen für die Kul­tur als Grund­la­ge un­se­rer of­fe­nen, de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft« bil­den. Wer et­was wei­ter forscht, kann ei­ni­ge ge­för­der­te Pro­jek­te aus dem Jahr 2017 nach­le­sen. Es geht um Film­förderung, Denk­mal­pfle­ge aber auch – man ist über­rascht – um die Deut­sche Wel­le und die Bay­reu­ther Fest­spie­le. Ver­mut­lich wür­den all die­se Gel­der auch oh­ne die Staats­ministerin und de­ren Stel­le (die im üb­ri­gen kein Mi­ni­ste­ri­um dar­stellt; an­ders, als der Ti­tel dies sug­ge­riert) aus­ge­ge­ben. Aber un­ter Ger­hard Schrö­der wur­de nun ein­mal ei­ne Bun­des­be­auf­trag­ten-Stel­le für Kul­tur aus­ge­schrie­ben – und seit­dem bei­be­hal­ten. Die »Kul­tur­schaf­fen­den« sol­len wohl ab­seits der üb­li­chen län­der­spe­zi­fi­schen För­de­run­gen ei­ne zen­tra­le An­sprech­stel­le ha­ben. Rund 190 Per­so­nen (laut Wi­ki­pe­dia) ar­bei­ten in die­ser Be­hör­de.

Die Mi­ni­ste­rin in die­sem Amt hat – fast noch mehr als in an­de­ren Mi­ni­ste­ri­en – vor al­lem me­dia­le Auf­ga­ben. Sie ist das »Ge­sicht« der Kul­tur­för­de­rung, was in­so­fern leicht ver­fälschend ist, weil in Deutsch­land Kul­tur pri­mär Län­der­sa­che ist (der Bund trägt rund nur 15% der ge­sam­ten Kul­tur­för­de­rung in Deutsch­land). Im­mer­hin: Pro Kopf be­trägt die Kul­tur­för­de­rung rund 120 Eu­ro (Stand: 2013).

Dem­zu­fol­ge ist Mo­ni­ka Grüt­ters, die am­tie­ren­de Staats­mi­ni­ste­rin, ge­ra­de­zu om­ni­prä­sent in den Me­di­en ver­tre­ten. Ihr neue­ster Coup ist ein kur­zer »Gast­bei­trag« im »Tages­spiegel«, der be­reits in der Über­schrift ei­ni­ges ver­spricht: »Das In­ter­net bie­tet mehr Frei­raum, als De­mo­kra­tie ver­trägt.«

Wer die Ge­pflo­gen­hei­ten im Jour­na­lis­mus kennt weiß zwar, dass die Ti­tel von Tex­ten nur sel­ten von den Au­toren sel­ber stam­men und meist von Re­dak­teu­ren ver­fasst wer­den, aber wenn man wei­ter­liest of­fen­bart sich dort ein sehr frag­wür­di­ges Ge­dan­ken­gut. Nicht aus­zu­den­ken, wenn so et­was von ei­nem der AfD-Wich­te oder ei­nes Po­li­ti­kers der Lin­ken ver­fasst wor­den wä­re. Aber bei Mo­ni­ka Grüt­ters regt sich kaum je­mand auf. Da­bei gibt es durch­aus ei­ni­ges Be­mer­kens­wer­tes in die­sem Bei­trag.

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An­ti­qui­tä­ten und Freund­lich­keit

Zu­ge­ge­ben, lan­ge Zeit war mei­ne Ab­nei­gung ge­gen die Fi­gur, die sich im Fern­se­hen Horst Lich­ter nennt so groß, dass ich im­mer wenn ich durch Zu­fall beim Chan­nel­crossing auf »Ba­res für Ra­res« stieß bin­nen Se­kun­den um­schal­te­te. Ein Koch, der für Mag­gi Wer­bung ge­macht hat­te. Un­mög­lich. Und auch sonst. Ir­gend­wann war ich ein­mal zu mü­de, blieb auf dem Sen­der und plötz­lich er­kann­te ich dort jen­seits von Small­talks, Ex­per­ti­sen, Preis­ge­bo­ten und Geld­zäh­len ein zeit­ge­nös­si­sches Phä­no­men wür­dig von So­zio­lo­gen und son­sti­gen stu­dier­ten Ta­xi­fah­rern bei Ge­le­gen­heit ein­mal ge­nau­er ana­ly­siert zu wer­den.

Wie hell­sich­tig er­scheint das Lied vom Ver­sau­fen des Häus­chens der Groß­mutter aus den 1920er Jah­ren. Denn die mei­sten der von den po­ten­ti­el­len Ver­käu­fern vor­ge­brach­ten Kost­bar­kei­ten (wo­bei die Va­ria­ti­ons­brei­te sehr groß ist – zwi­schen 20 Eu­ro und – ein­mal ei­ne be­son­de­re Mün­ze – 35.000 Eu­ro, vom Nip­pes bis zum Old­ti­mer ist al­les mög­lich) sind Fund- bzw. Erb­stücke, was nicht nur von Lich­ter im Plausch ab­ge­fragt wird son­dern oft ge­nug von den fünf Händ­lern, die in schein­ba­rer Harm­lo­sig­keit fra­gen, wo­her man denn bit­te­schön die­sen Ge­gen­stand ha­be, her­aus­ge­kit­zelt wird. Da­bei be­deu­tet Erb­stück na­tür­lich im­mer auch, dass der Ver­käu­fer rein gar nichts auf­ge­bracht hat – sein Ein­standspreis ist null Eu­ro. Jetzt muss man nur her­aus­be­kom­men, ob das Stück­chen von ei­ner na­hen oder fer­nen Ver­wand­ten (Freund/Freundin) stammt – und schon kann man auch den emo­tio­na­len Wert für den Ver­käu­fer ta­xie­ren. Je ge­rin­ger die­ser ist, de­sto lu­kra­ti­ver der Ein­kauf.

Tat­säch­lich wird, wenn man die Sen­dung über ein paar Mo­na­te ge­se­hen hat, über­wie­gend der Großeltern‑, Tan­ten- und On­kel­h­aus­stand ver­kauft und da­mit al­les, was ei­ner be­stimm­ten Epo­che an­ge­hört und Ge­ne­ra­tio­nen einst als kost­bar, wert­voll oder wich­tig er­schien ab­ge­wickelt. Por­zel­lan (Mei­ßen, wo­bei Mei­ßen Syn­onym für Er­nüch­te­rung ist), Sil­ber in al­len Va­ria­tio­nen, Schmuck jeg­li­cher Art und Pro­ve­ni­enz, Sta­tu­et­ten, Bron­zen, Bier- und son­sti­ge Krü­ge, Pickel­hau­ben, Ge­mäl­de, die zu groß, zu klein oder zu spe­zi­ell sind und so­gar Mö­bel­stücke. Kurz: De­vo­tio­na­li­en aus ver­gan­ge­nen Zei­ten, die nun vom so­li­den Mit­tel­stand des 21. Jahr­hun­derts zur Auf­fül­lung der Ur­laubs­kas­se oder als klei­ne Un­ter­stüt­zung für Kin­der und/oder En­kel die­nen sol­len. Die mei­sten Ge­gen­stän­de die auf die­se Art ver­flüs­sigt wer­den sol­len stam­men aus der so­ge­nann­ten Grün­der­zeit (ab 1870) bis hin­ein in die 1930er Jah­re. Ob Ab­sicht oder nicht – der ge­drill­te Schnurr­bart des Mo­de­ra­tors er­scheint kon­ge­ni­al. Die Na­zi­jah­re kom­men kaum vor. Es geht dann wie­der wei­ter mit den 1950er Jah­ren, »Ma­de in US-Zo­ne«, vor al­lem Blech- und an­de­res Spiel­zeug und dann na­tür­lich die 1970er, das, was als Vin­ta­ge bzw. Re­tro gilt.

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Ste­fan Aust und die Wahr­heit

Nach­dem die Hö­rer des Deutsch­land­funks am 19.3. schon Ste­fan Aus­ts Mei­nung über den Schulz-Hype im In­ter­view er­klärt be­ka­men, folg­te zwei Ta­ge spä­ter ein Ge­spräch mit ihm über den Jour­na­lis­mus und den »Wahrheits«-Begriff.1 Aust, Her­aus­ge­ber und Chef­re­dak­teur der Ta­ges­zei­tung Die Welt und dem­zu­fol­ge im­mer noch an zen­tra­ler Stel­le des deut­schen Jour­na­lis­mus, be­kennt, dass er ein Pro­blem mit die­sem Be­griff ha­be. Die­ser ist al­ler­dings nicht phi­lo­so­phisch ge­meint, son­dern, so Aust, liegt dar­in be­grün­det, dass man vie­le In­for­ma­tio­nen auf un­ter­schied­li­che Art inter­pretieren kön­ne. Es sei im­mer im Au­ge des Be­trach­ters, wie man et­was se­he. Dem­zu­fol­ge, so die Schluss­fol­ge­rung, kann es kei­ne »Wahr­heit« ge­ben bzw. der Wahr­heits­be­griff sei dehn­bar.

Die Äu­ße­rung ist in­ter­es­sant, weil sie das Grund­di­lem­ma des Jour­na­lis­mus auf den Punkt bringt. Aust ist mit die­ser Sicht nicht al­lei­ne. Auch ein Ro­land Tichy (der mit Aust au­ßer sei­ner Pro­fes­si­on nicht viel ge­mein­sam ha­ben dürf­te) ver­tritt die­se The­se: Ein Jour­na­list in­for­miert sich über ei­nen Sach­ver­halt und be­wer­tet die­sen. Die­sen Ex­trakt pu­bli­ziert er dann.

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  1. Bis 27.9.2017 im Netz verfügbar. 

Ho­no­ré de Bal­zac: Von Edel­fe­dern, Phra­sen­dre­schern und Schmier­fin­ken

Honoré de Balzac: Von Edelfedern, Phrasendreschern und Schmierfinken
Ho­no­ré de Bal­zac:
Von Edel­fe­dern, Phra­sen­dre­schern und Schmier­fin­ken

1977 er­warb der Li­te­ra­tur­kri­ti­ker, Jour­na­list und Über­set­zer Ru­dolf von Bit­ter in ei­ner Aus­ga­be des Ver­le­gers Jean-Jac­ques Pau­vert für 5,40 FF den Text Mo­no­gra­phie de la pres­se pa­ri­si­en­ne aus dem Jahr 1843 von Ho­no­ré de Bal­zac. Vier­zig Jah­re spä­ter legt er nun erst­ma­lig in deut­scher Spra­che die Ty­pen­leh­re der Pa­ri­ser Pres­se zu­sam­men mit ei­nem klu­gen Nach­wort und ei­nem um­fas­sen­den Per­so­nen- und Pu­bli­ka­ti­ons­ver­zeich­nis vor. Die Schrift bil­det den Kern des Ma­nes­se-Bänd­chens mit dem über­trie­ben rei­ße­ri­schen Ti­tel Von Edel­fe­dern, Phra­sen­dre­schern und Schmier­fin­ken (kei­ne Sor­ge: das Wort »Schmier­fink« kommt gar nicht vor).

Bal­zacs Ty­po­lo­gie des Jour­na­li­sten und Kri­ti­kers ist ein Kon­glo­me­rat aus Po­le­mik, Per­si­fla­ge und Phil­ip­pi­ka. Ob­wohl der Text 173 Jah­re alt ist, er­schei­nen die be­schriebenen Ord­nungs- und Gat­tungs­cha­rak­te­ri­sti­ka von ei­ner je nach Sicht­wei­se be­wun­derns­wer­ten oder nieder­schmetternden Fri­sche. Im­mer­hin scheint er da­mit auch heu­te noch ins Herz zu tref­fen: Di­na Netz, die An­fang des Jah­res für den DLF-»Büchermarkt« Ru­dolf von Bit­ter zu dem Buch be­frag­te, kam bei der Lek­tü­re ein »Ge­schmäck­le« auf und sie schlägt ei­nen Ha­ken zu den ak­tu­el­len »Lügenpresse«-Vorwürfen. Dar­auf muss man erst ein­mal kom­men.

Zu­rück zum Mei­ster. Bal­zac un­ter­schei­det zwei »Ord­nun­gen«: Den Pu­bli­zi­sten (ge­meint ist der po­li­ti­sche Jour­na­list) und den Kri­ti­ker. Den Pu­bli­zi­sten glie­dert er in acht »Gat­tun­gen«: Jour­na­li­sten, Po­li­ti­ker, Pam­phle­tist, Ni­hi­lo­ge, Pu­bli­zist mit ei­ge­nem Res­sort, Mo­no­the­ma­ti­ker, Über­set­zer und den Au­tor mit Über­zeu­gun­gen. Bei der Cha­rak­te­ri­sie­rung des Jour­na­li­sten ent­wickelt Bal­zac ein hier­ar­chi­sches Mo­dell mit fünf Un­ter­grup­pen, ge­nannt »Ar­ten«. Oben in der Rang­fol­ge steht der »ge­schäfts­füh­ren­de Chef­re­dak­teur-Ei­gen­tü­mer-Di­rek­tor« (»Graf Ger­ne­groß«); die Schnitt­men­gen mit dem ad­äqua­ten heu­ti­gen Ty­pus lie­gen na­he bei 100%. Da­ne­ben gibt es den meist an­onym blei­ben­den »Te­nor«, der Auf­ma­cher-Ma­cher, ein »Quark­schlä­ger« mit ei­ner »ge­wis­sen Men­ge von vor­ge­fer­tig­ten Sät­zen«. Schließ­lich den ehr­li­chen »Schrei­ber von Hintergrund­artikeln«, der im Be­trieb we­nig ge­schätzt wird. Kei­ne Zei­tung kommt oh­ne das »Fakto­tum«, dem Chef vom Dienst, aus und ganz un­ten ste­hen dann die »Käm­mer­lin­ge«, die Pro­to­kol­lan­ten der Po­li­ti­ker­re­den, über­tra­gen auf das heu­ti­ge Me­tier sind es die Pres­se­er­klä­rungs­ab­schrei­ber und ‑um­for­mu­lie­rer.

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Hand­werk statt Ge­sin­nung

Ein Be­richt über ei­nen Fund

Al­so wie­der so ein Buch über Mas­sen­me­di­en und »wie sie uns in die Ir­re füh­ren«. Und es gibt so­fort har­ten To­bak:

»Wir wer­den nicht rich­tig in­for­miert. Wir le­ben mit der Des­in­for­ma­ti­on. […] Des­in­for­ma­ti­on wird von ei­nem Kar­tell aus Po­li­ti­kern, Funk­tio­nä­ren, Öf­fent­lich­keits­ar­bei­tern und Presse­sprechern be­trie­ben. Sie tun das ih­nen Mög­li­che, die Pres­se in ih­ren Dienst zu neh­men und sie nur in­so­weit mit der Wahr­heit zu be­die­nen, als sie dem je­wei­li­gen Mit­glied des Kar­tells nicht schäd­lich ist.«

Der Au­tor skiz­ziert die Se­lek­ti­on in den Nach­rich­ten­re­dak­tio­nen und kri­ti­siert sie:

»Die Mei­nung ist frei, doch wor­über die Bür­ger über­haupt Mei­nun­gen ha­ben kön­nen, das ha­ben zu­vor zu ei­nem er­heb­li­chen Teil die Jour­na­li­sten per agen­da-set­ting ent­schie­den.«

Und dann wen­det er sich die­sen Jour­na­li­sten zu:

»Sie lü­gen, weil sie un­ter Er­folgs­zwang ste­hen und von ih­ren Chefs oder Auf­trag­ge­bern un­ter Druck ge­setzt wer­den, in­ter­es­san­ter zu schrei­ben als die Kon­kur­renz. Sie lü­gen, weil sie nur In­for­ma­tio­nen ver­kau­fen kön­nen, die an­de­re nicht ha­ben. Sie lü­gen, weil sie in der Re­dak­ti­ons­hier­ar­chie auf­stei­gen wol­len, weil sie mit ih­rer Ge­schich­te auf der er­sten Sei­te oder weil sie den Pu­lit­zer­preis be­kom­men wol­len. Und sie schlit­tern in die Lü­ge hin­ein, weil sie mit Über­trei­bun­gen be­gon­nen ha­ben und das Über­trie­be­ne im­mer noch wei­ter ge­stei­gert wer­den muß, da­mit es in­ter­es­sant bleibt.«

Im­mer­hin wird kon­ze­diert:

»[D]ie drei­ste Lü­ge ist frei­lich selten…Häufiger liest man…die Le­gie­rung aus Dich­tung und Wahr­heit.«

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1000. Tat­ort

Heu­te wird in der ARD der 1000. Tat­ort aus­ge­strahlt und der Hype ist dem­entspre­chend. Die Wie­der­ho­lungs­ge­wit­ter in den di­ver­sen ARD-Sen­dern neh­men noch ein­mal grö­sse­re Di­men­sio­nen an. Im Ni­schen­ka­nal »One« (viel­leicht hat man bei der Na­mens­ge­bung das »h« ver­ges­sen – für »ohne« Zu­schau­er?) ka­men gleich meh­re­re hin­ter­ein­an­der. Beim An­se­hen wird deut­lich, dass die ein­zel­nen Tat­ort-Fol­gen längst auch Epo­chen- und Zeit­spie­gel ge­wor­den sind. Ei­ne Er­kennt­nis, die fast schon ba­nal ist. Die ARD re­agier­te 1970 mit der Rei­he auf die Rein­ecker-Kri­mis (»Der Kom­mis­sar« und, ab 1974, »Der­rick«) im ZDF, die frei­tags, pünkt­lich zu Be­ginn des Wo­chen­en­des, um 20.15 Uhr aus­ge­strahlt wur­den. Tat­ort-Kri­mis lie­fen jetzt am En­de, sonn­tags um 20.15 Uhr (zu­nächst noch eher un­re­gel­mä­ßig). So­zu­sa­gen zum Aus­klang.

Die Rei­he soll­te die Re­gio­na­li­sie­rung der ARD ab­bil­den. Die Kom­mis­sa­re wech­sel­ten mit dem Ort, wo­bei auch die ver­meint­li­che Pro­vinz ge­le­gent­lich zum Zu­ge kam. Lo­kal­ko­lo­rit war Trumpf (das ni­vel­liert sich seit Jah­ren; die Schau­plät­ze sind bis auf Dia­lekt­fär­bun­gen und Ac­ces­soires aus­tausch­bar ge­wor­den). Sehr früh wur­den die Kom­mis­sa­re zu »Ty­pen« (heu­te wür­de man »Mar­ken« sa­gen). Sie be­ka­men Ecken und Kan­ten; es men­schel­te. Spä­te­stens mit Rü­pel-Schi­man­ski wur­de man auch über das meist de­sa­strö­se Pri­vat­le­ben der Er­mitt­ler und ih­ren ste­ti­gen Kampf für das Gu­te mit den Vor­ge­setz­ten kon­fron­tiert. Kon­zen­trier­te man sich an­fangs noch auf die Lö­sung des je­wei­li­gen Falls (wo­bei es fast im­mer Tö­tungs­de­lik­te wa­ren, die es auf­zu­klä­ren galt), gab es spä­ter auch Dreh­bü­cher, in de­nen so­zia­le und po­li­ti­sche Aspek­te the­ma­ti­siert wur­den. In­zwi­schen sind die mei­sten Tat­or­te »Whod­u­nits«, d. h. der Zu­schau­er kennt den Tä­ter nicht.

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Ro­nald Tho­den (Hrsg.): ARD & Co.

Ronald Thoden (Hrsg.): ARD & Co
Ro­nald Tho­den (Hrsg.): ARD & Co

»Wie Me­di­en ma­ni­pu­lie­ren« lau­tet der Un­ter­ti­tel des Sam­mel­ban­des »ARD & Co.« Her­aus­ge­ge­ben wur­de das Buch von Ro­nald Tho­den, V.i.S.d.P.-Redakteur des seit 2010 on­line ver­wai­sten Ma­ga­zins »Hin­ter­grund«, für das im Im­pres­sum ei­ne »Ver­lag Selb­rund GmbH« zeich­net. Wenn man nach dem Her­aus­ge­ber goo­gelt fin­det man ei­nen Be­richt über ein »Querdenker«-Forum 2003 zu den An­schlä­gen des 11. Sep­tem­ber 2001, or­ga­ni­siert von Tho­den. Dort wur­den teil­wei­se ab­sur­de Theo­rien zu den An­schlä­gen aus­ge­brei­tet. Im­mer­hin: Für das Buch »ARD & Co.«, im Selb­rund-Ver­lag er­schie­nen, konn­ten mit Ul­rich Til­g­ner, Kurt Grit­sch und Wal­ter von Ros­sum Au­toren ge­won­nen wer­den, de­ren Ur­tei­le ich durch­aus schät­ze (auch wenn ich ih­nen nicht im­mer zu­stim­me).

Lei­der ver­läuft die Lek­tü­re recht er­nüch­ternd, wenn man sich durch Ti­tel und Un­ter­ti­tel kon­di­tio­niert sub­stan­zi­el­le Me­di­en­kri­tik er­hofft. Die gibt es zwar auch – häu­fig zu Be­ginn der je­wei­li­gen Bei­trä­ge. Dann je­doch er­greift et­li­che Au­torin­nen und Au­toren zu oft das Bes­ser­wis­ser-Pa­thos, mit dem sie nicht nur die me­dia­len Er­schei­nun­gen be­leuch­ten und kri­ti­sie­ren, son­dern sich in fach­li­che Ge­gen­ar­gu­men­ta­tio­nen be­ge­ben.

So gei­ßelt Wolf­gang Bitt­ner in »Feind­bild Pu­tin« durch­aus be­rech­tigt die ein­sei­ti­ge Dä­mo­ni­sie­rung Pu­tins und Russ­lands in der Be­richt­erstat­tung um die Ukrai­ne-Kri­se von En­de 2013 bis heu­te. Aber er be­lässt es nicht da­bei, son­dern be­ginnt sei­ne ei­ge­nen Be­wer­tun­gen, sieht die Kri­se als In­sze­nie­rung der USA mit dem Hin­ter­grund ei­ner po­li­ti­schen De­sta­bi­li­sie­rung Russ­lands. Bitt­ner schreibt un­ter Be­ru­fung von Hen­ry Kis­sin­ger und sei­nem In­ter­view vom 2. Fe­bru­ar 2014 mit CNN, dass »der Re­gime Ch­an­ge in Kiew so­zu­sa­gen die Ge­ne­ral­pro­be für das sei, ‘was wir in Mos­kau tun möch­ten’ «. Als Quel­le wird der Link der »Neu­en Rhei­ni­schen Zei­tung« an­ge­ge­ben. Dort kann man al­ler­dings nach­le­sen, wie das Kis­sin­ger-Zi­tat von Bitt­ner sinn­ent­stel­lend ver­fälscht wur­de. Die Fra­ge des CNN-Re­por­ter lau­te­te: »Sie ken­nen Pu­tin gut. Sie ha­ben ihn häu­fi­ger ge­trof­fen als je­der an­de­re Ame­ri­ka­ner. Glau­ben Sie, dass er be­ob­ach­tet, was in der Ukrai­ne pas­siert, und denkt, der We­sten und die USA wür­den dies im Grun­de als Schritt zur Um­zin­ge­lung Russ­lands be­trei­ben?«. Kis­sin­gers Ant­wort: »Ich glau­be, dass er denkt, dass dies ei­ne Ge­ne­ral­pro­be ist, für das, was wir in Mos­kau tun möch­ten…« Kis­sin­ger hat al­so nicht ge­sagt, dass die USA ei­nen »Re­gime Ch­an­ge« in Russ­land plan­ten oder ihn ma­chen soll­ten, er hat le­dig­lich ei­ne Ver­mu­tung dar­über ge­äu­ßert, dass Pu­tin dies so emp­fin­den könn­te. Der Un­ter­schied ist frap­pie­rend.

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