»...mal wie­der Hand­ke zu­erst«

Jörg Dö­ring sieht in Pe­ter Hand­kes Prin­ce­­ton-Re­­de 1966 das En­de der Nach­kriegs­li­te­ra­tur Der Eklat ist nun schon fast 53 Jah­re her und es scheint al­les dar­über ge­sagt. Aber Jörg Dö­ring, Pro­fes­sor für Neue­re deut­sche Phi­lo­lo­gie, Me­­di­en- und Kul­tur­wis­sen­schaft an der Uni­ver­si­tät in Sie­gen, hat sich den­noch neu mit dem Vor­fall von Prin­ce­ton aus dem Jahr ...

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Mi­cha­el An­ge­le: Schirr­ma­cher

Michael Angele: Schirrmacher - Ein Portrait
Mi­cha­el An­ge­le:
Schirr­ma­cher – Ein Por­trait

Zu Be­ginn sei­nes als »Por­trait« aus­ge­wie­se­nen Bu­ches be­rich­tet Mi­cha­el An­ge­le, dass er nur zwei E‑Mails von Frank Schirr­ma­cher er­hal­ten hat­te. Bei­de ha­be er ge­löscht. Den Vor­wurf der Nä­he zu sei­nem por­trai­tier­ten Sub­jekt kann man ihm al­so schwer­lich ma­chen. Im wei­te­ren Ver­lauf des Bu­ches wird die­se An­nah­me be­stä­tigt. Ich hin­ge­gen ha­be nur zwei Tweets von Schirr­ma­cher er­halten. Ei­ner als Re­ak­ti­on auf die­sen Text des­sen Link ich ihm ge­schickt hat­te. Er zeigt an, dass Thi­lo Sar­ra­zin in sei­nem eu­ro­kri­ti­schen Buch zu ei­nem gro­ßen Teil aus FAS und FAZ zi­tiert. Er fand das »sehr in­ter­es­sant« (mehr nicht). Von »Nä­he« al­so auch bei mir kei­ne Spur.

Es dro­hen zwei Sze­na­ri­en mit ei­nem Buch, dass sich »Schirr­ma­cher« nennt: Zum ei­nen könn­te es ei­ne Ha­gio­gra­phie wer­den. Oder je­mand möch­te Schirr­ma­cher de­mon­tie­ren, dem arg­lo­sen Le­ser dunk­le Sei­ten des Me­di­en­men­schen und Feuil­le­to­ni­sten ent­hül­len. Nach der Re­zen­si­on in der SZ schien es sich um Letz­te­res zu han­deln. Wo­bei An­dri­an Kreye wohl ein an­de­res Buch ge­le­sen ha­ben muss, denn um ei­ne »Bio­gra­fie« han­delt es sich bei An­ge­le nun wirk­lich nicht. Und ob Schirr­ma­cher wirk­lich ein »bril­lan­ter Den­ker« war? Zwei­fel sind da er­laubt.

Aber was macht An­ge­le? Er be­fragt Weg­ge­fähr­ten, Kol­le­gen, Mit­lei­den­de, Ge­schass­te, Freun­de, Kum­pel. Am En­de, in ei­nem sehr le­sens­wer­ten Epi­log, auch noch Schirr­ma­chers Mut­ter. Vie­le der Zeu­gen woll­ten an­onym blei­ben, was An­ge­le ak­zep­tiert aber nicht da­von ab­hält, sie zu zi­tie­ren. Die End­no­ten, die er setzt, ge­ben das Da­tum des Ge­sprächs oder der Nach­richt an, nicht de­ren Ur­he­ber. An­ge­le lässt zu­wei­len auch di­ver­gie­ren­de Aus­sa­gen zu, was nur ober­fläch­lich be­trach­tet be­lie­big ge­nannt wer­den kann. Er weiss na­tür­lich wie un­zu­ver­läs­sig Zeu­gen sind. Aber er zeigt da­mit, wie Schirr­ma­cher längst in der Bran­che zum My­thos ge­wor­den ist. Da wird dann so­gar der Vo­gel­schiss »auf die Schul­ter des Her­aus­ge­bers« bei ei­nem Aus­flug zum Nie­der­wald­denk­mal zum be­rich­tens- und deu­tungs­wür­di­gen De­tail.

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Jörg Ma­ge­nau: Prin­ce­ton 66

Jörg Magenau: Princeton 66
Jörg Ma­ge­nau:
Prin­ce­ton 66

Wie­der so ein Jah­res­tag: Im April 2016 ist es 50 Jah­re her, dass die Grup­pe 47 in Prin­ce­ton zu­sam­men­traf. Die Ta­gung gilt ge­mein­hin als der An­fang vom En­de der Grup­pe, nicht zu­letzt durch Pe­ter Hand­kes State­ment von der »Be­schrei­bungs­im­po­tenz«, die er bei Au­toren wie Kri­tik glei­cher­ma­ßen kon­sta­tier­te. Ein Wut­aus­bruch mit wuch­ti­gen Vo­ka­beln, ein Auf­bäu­men ge­gen das sich ein­ge­rich­te­te Li­te­ra­tur­estab­lish­ment und de­ren Äs­the­tik. Aber was kann man grund­le­gend Neu­es von die­sem Tref­fen er­fah­ren? Ist nicht schon al­les ge­schrie­ben und ge­sagt?

Ja. Und Nein. Jörg Ma­ge­nau ge­lingt mit sei­nem Buch »Prin­ce­ton 66« das Kunst­stück, aus leid­lich be­kann­ten Quel­len ei­ne packen­de und kon­zi­se Zeit­rei­se zu kom­po­nie­ren, die so­wohl die Stim­mung der Ta­gung prä­zi­se re­kon­stru­iert, als auch hi­sto­ri­sche Ein­ord­nun­gen vor­nimmt. Da­bei geht er chro­no­lo­gisch vor, auch wenn es ge­le­gent­li­che zeit­ge­schicht­li­che Ein­schü­be gibt, die, wie sich zeigt, not­wen­dig sind.

Prak­tisch von der er­sten Sei­te an wird der Le­ser hin­ein­ge­saugt. Man spürt die Lust und die Akri­bie des Au­tors sich durch die Auf­zeich­nun­gen der ins­ge­samt 31 Le­sun­gen (nebst Dis­kus­sio­nen), die al­le­samt auf der Web­sei­te der Prin­ce­ton-Uni­ver­si­tät im Ori­gi­nal ge­spei­chert sind, durch­ge­hört zu ha­ben. So er­schei­nen ei­ni­ge die­ser 50 Jah­re al­ten Tex­te plötz­lich in er­staun­li­cher Fri­sche. Ma­ge­nau er­zählt bei­spiels­wei­se über das (eher stei­fe) Dra­ma von Wal­ter Jens, be­tont die Bri­sanz des ero­tisch-def­ti­gen Grass-Ge­dichts und be­gei­stert sich für die Mi­li­tär-Sa­ti­re »Fein­de« von Rein­hard Lettau, die die ge­sam­te Struk­tur des mi­li­tä­ri­schen Den­kens für im­mer ad ab­sur­dum füh­re. Man scheint förm­lich die Er­zäh­lung des grund­sym­pa­thi­schen Pe­ter Bich­sel, das müh­sa­me Le­sen von Hel­ga M. No­vak oder Hand­kes Haupt­satz­an­ein­an­der­rei­hung zu hö­ren. Ähn­li­ches mit den Re­ak­tio­nen der Kri­tik: Der gut ge­öl­te Joa­chim Kai­ser; Wal­ter Jens, dem Wort­zer­tei­ler aus Tü­bin­gen, der nach sei­nem Vor­trag ganz schnell wie­der die Rol­le des Kri­ti­kers über­nahm. Hans May­ers ge­schlif­fe­ne For­mu­lie­run­gen. Dann Mar­cel Reich-Ra­nicki, ein Grob­motoriker des Ur­tei­lens, stets für Hei­ter­keit und gu­te Lau­ne sor­gend, nicht zu­letzt weil er al­len Red­nern recht gab, um al­len zu wi­der­spre­chen. Und der jun­ge Hell­muth Ka­ra­sek, der sich Mü­he gab, im­mer ein we­nig klü­ger zu wir­ken als er war – wo­ge­gen nichts zu sa­gen wä­re, denn das trifft ja auf al­le zu, bei ihm merk­te man es aber.

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